Interview Cuxhavener Allgemeine: Neuwerk ist einer der schönsten und windigsten Orte in Hamburg...
Cux: Herr Bürgermeister, ist das Verhältnis zwischen Niedersachsen und Hamburg nach dem Regierungswechsel in Hannover besser geworden?
Scholz: Das Verhältnis zwischen Niedersachsen und Hamburg war schon in der Vergangenheit gut und das wird auch so bleiben. Stefan Weil ist ein guter Ministerpräsident, ein Politiker, für den Verlässlichkeit zählt.
Wo gibt es die größten Schnittmengen zwischen dem Stadtstaat und dem Flächenland?
Scholz: Die nördlichen Landkreise Niedersachsens gehören zur Metropolregion Hamburg. Damit haben die beiden Bundesländer einen verbindlichen Rahmen, in dem die Zusammenarbeit organisiert werden kann. Wichtigstes Thema ist dabei die Verkehrsinfrastruktur. Mehrere Hunderttausend Pendler fahren täglich aus den benachbarten Bundesländern nach Hamburg zur Arbeit. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass der Verkehr fließt, auf der Schiene und auf der Straße. Wichtig ist auch die Hinterlandanbindung des Hamburger Hafens und der anderen norddeutschen Häfen. Die Güterverkehre werden in den kommenden Jahren zunehmen und darauf müssen wir eingestellt sein. Es liegt ja nicht nur im Interesse Hamburgs, dass der Transport der Waren zügig abläuft. Bei allen großen Infrastrukturprojekten etwa bei utobahnen
oder wichtigen Bahnverbindungen müssen die beteiligten Bundesländer in Berlin mit einer Stimme sprechen, damit ihre gemeinsamen Interessen berücksichtigt werden. Das gilt im Übrigen auch beim Thema Energiewende. Alle norddeutschen Ministerpräsidenten arbeiten sehr eng zusammen, damit wir bei der Offshore-Windenergie vorankommen und der Ausbau der Übertragungsnetze beschleunigt wird.
Welche Erwartungen haben Sie an die neue rot-grüne Landesregierung von Niedersachsen?
Scholz: Aus Hamburger Sicht ist es wichtig, dass wir an den genannten Projekten weiterarbeiten und dass beide Länder ihre gemeinsamen Interessen erkennen. Das gilt übrigens unabhängig davon, welche Parteien die Regierung stellen.
Sie waren im vergangenen Jahr auf Einladung des damaligen CDU-Ministerpräsidenten David McAllister in Cuxhaven. Welchen Eindruck haben Sie von der Entwicklung
des Cuxhavener Hafens?
Scholz: Die Energiewende wird dort konkret erfahrbar. Wir haben einen Betrieb besichtigt, der Bauteile für Windkraftanlagen herstellt. Das war sehr beeindruckend. Cuxhaven nutzt seine geografische Lage als Offshore-Basishafen optimal. Dadurch, dass die Komponenten für die Anlagen direkt vor Ort gebaut und von dort an ihre Bestimmungsorte auf See gebracht werden können, werden lange und schwierige Transportwege vermieden.
Welche Rolle könnte Hamburg bei der Entwicklung in Cuxhaven spielen?
Scholz: Norddeutschland soll der führende Standort der Windenergie weltweit werden. Darauf haben sich die norddeutschen Ministerpräsidenten verständigt. Jedes Bundesland wird seinen Beitrag dazu leisten und gleichzeitig davon profitieren. Und jedes Bundesland setzt dabei auf seine Stärken. Wir werden erfolgreich sein, wenn wir unsere Chancen gemeinsam nutzen.
Im Offshore-Bereich hat Cuxhaven kräftig vorgelegt. Das Land Niedersachsen hat viel Geld in die Hand genommen, um die Infrastruktur zu schaffen. Hinkt Hamburg im Offshore-Bereich noch hinterher?
Scholz: Viele international bedeutende Unternehmen der Windenergiebranche haben ihren Sitz in Hamburg. Als Industriestandort und bedeutende nordeuropäische Handelsmetropole bietet Hamburg ideale Bedingungen. Deshalb entstehen dort immer mehr Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien.
Hamburg hat den Husumern die bedeutende Windmesse abgejagt. Sind die Wunden mittlerweile verheilt?
Scholz: Wo Messen stattfinden, entscheidet die Wirtschaft und nicht die Politik. Ich bin im Übrigen davon überzeugt, dass am Ende der noch laufenden Gespräche eine gemeinsame Lösung steht, die allen gerecht wird.
David McAllister hat gesagt, die Offshore-Entwicklung sei eine Jahrhundertchance für die Küste. Wie sehen Sie das?
Scholz: Die norddeutschen Länder haben diese große Chance erkannt. Deshalb haben sie sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt, damit jetzt die notwendigen Schritte getan werden können. Die Offshore-Technologie wird künftig einen bedeutenden Anteil an der Energieversorgung Deutschlands haben.
Die Energiewende geht nur schleppend voran. Welches sind die wichtigsten Schritte, damit sie erfolgreich wird und was schlagen Sie aus Hamburger Sicht vor?
Scholz: Für die Unternehmen, die sich im Bereich der Energiewende engagieren muss Planungs- und Investitionssicherheit herrschen. Die Bundesregierung hat mit ihren
jüngsten Aktivitäten zu viel Verunsicherung in der Wirtschaft beigetragen. So bringt man die Energiewende nicht voran. Wichtig ist, dass der Ausbau der Übertragungsnetze
beschleunigt wird. Das ist für den Industriestandort Deutschland von existenzieller Bedeutung. Der an den Küsten des Landes produzierte Windstrom muss in den Westen und Süden der Republik geleitet werden können. Deshalb ist der zügige Netzausbau unverzichtbar.
In Ihrem Wahlkampf haben Sie den Hamburgern die Elbvertiefung versprochen. Nun liegt die Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Wann rechnen Sie mit einem Urteil?
Scholz: Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Jahresausblick verkündet, dass es mit einer Entscheidung im vierten Quartal dieses Jahres rechne.
Wäre es nicht besser ganz auf die Elbvertiefung zu verzichten und stattdessen konsequent auf ein nationales Hafenkonzept zu setzen?
Scholz: Der Wettbewerb der deutschen Nordseehäfen ist keine Verdrängungskonkurrenz. Der Hamburger Hafen, die bremischen Häfen und der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven entwickeln jeweils ihre Infrastrukturen, um an der globalisierungsbedingten Zunahme des Welthandels dauerhaft teilhaben zu können. Indem jeder Hafen dabei seine Stärken ausbaut, wird ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen für Norddeutschland geschaffen und dem Im- und Export in ganz Deutschland geholfen. Der Wettbewerb hat dazu geführt, dass alle Häfen wirtschaftlich erfolgreich sind.
Aber welche Gespräche werden beispielsweise mit dem Hafenbetreiber Eurogate zwischen Hamburg und Wilhelmshaven geführt?
Scholz: Wir sind mit allen großen Umschlagfirmen und mit allen anderen Häfen im dauerhaften Austausch, um gemeinsam so stark wie möglich gegen die Auslandskonkurrenz zu sein. Dabei geht es jedoch nicht um die Frage, ob Aktivitäten verlagert werden sollten. Alle Häfen werden gebraucht.
Könnte Wilhelmshaven eine Ergänzung beziehungsweise eine Alternative zu Hamburg für den Umschlag der größten Containerschiffe sein?
Scholz: Kaum. Und es ist keine politische Frage. Waren und Güter müssen den Kundenwünschen entsprechend möglichst kostengünstig, schnell, umweltfreundlich und zuverlässig transportiert werden. Zusätzliche Hafenanläufe führen wegen zusätzlicher Umschlagsaktionen oder wegen zusätzlicher Landtransporte auch nur zu einem wirtschaftlichen Nachteil. Viele Waren sind ohnehin zur Weiterverarbeitung in der Metropolregion Hamburg bestimmt oder als Verbrauchsgüter für die über vier Millionen Menschen in der Metropolregion. Insoweit in anderen norddeutschen Häfen die Ladung auf kleinere Schiffe zu verteilen oder gar auf dem Landweg nach Hamburg zu transportieren, ist kostenträchtig und vor allem ökologisch klar nachteilig.
Umweltschützer, Deichverbände und Landwirte warnen vor den Auswirkungen der nächsten und damit der mittlerweile neunten Elbvertiefung. Die Menschen entlang der Unterelbe haben Angst, dass der erneute Eingriff in die Elbe aus dem Ruder läuft. Was tut Hamburg, um diese Bedenken auszuräumen?
Scholz: Es wurde bereits viel getan, um diesen Bedenken Rechnung zu tragen. Die Deichsicherheit war nie gefährdet und dem Uferschutz ist jetzt mit einer Ufersicherung
im Altenbrucher Bogen mehr als nur Genüge getan. Im Hinblick auf sämtliche Bewirtschaftungsformen entlang beider Ufer haben der Bund und Hamburg mit allen Beteiligten einvernehmliche Lösungen gefunden.
Wie teuer wird die nächste Elbvertiefung? Und vor allem: wie teuer wird sie für Hamburg?
Scholz: Die Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe wird vom Bund und von Hamburg finanziert, wobei Hamburg natürlich den kleineren Anteil trägt. Die Kosten werden erst nach dem Ergebnis der Ausschreibung feststehen.
Welche Bedeutung hat die Metropolregion Hamburg für die Unterelberegion?
Scholz: Die Unterelberegion ist eine der wirtschaftlich bedeutendsten Regionen Norddeutschlands mit guten Zukunftschancen. Ein Vorteil der Unterelberegion ist
unter anderem die geografische Lage mit direktem Zugang zu seeschifftiefem Wasser. Es gibt gute Perspektiven im Bereich der Energieversorgung, sofern die Chancen, die sich aus der Energiewende ergeben, konsequent genutzt werden. Vorhandene Industriestandorte und weitere verfügbare Industrie- und Gewerbeflächen bilden die Grundlage dafür, dass sich die Unterelberegion auch in Zukunft gut entwickeln kann.
Wo liegen die Schwerpunkte der Zusammenarbeit in der Metropolregion?
Scholz: Es gibt übergeordnete Ziele, denen wir mit unserer Zusammenarbeit in der Metropolregion Hamburg näher kommen wollen. Die Metropolregion ist mit ihren Gremien das einzige Forum, in dem dauerhaft an Fragen der nachbarschaftlichen Zusammenarbeit aller Ebenen, von Kommune bis Land, gearbeitet wird. Es werden alle wesentlichen Kooperationen und Projekte, vor allem in den Bereichen öffentlicher Nahverkehr, übergeordnete Verkehrsprojekte, Marketing, Tourismus und Wirtschaftsförderung, verabredet. Unser wichtigstes Ziel ist die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und damit die wirtschaftliche Stärkung unserer Region. Mir persönlich wichtig ist außerdem, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesem gemeinsamen Wirtschaftsraum und Arbeitsmarkt ein gemeinsames Gefühl und Verständnis für die Region entwickeln.
Es gab mal die Metropol-Card. Sie ist Sie werden es nicht glauben weil sie zu erfolgreich war, wieder abgeschafft worden. Leider! Ist es nicht Zeit, Sie wieder einzuführen?
Scholz: Mir ist gesagt worden, dass die damalige Metropolcard an der eingesetzten Technik und den Kosten gescheitert sei. Derweil erfolgt die touristische Zusammenarbeit der Metropolregion unter anderem über gemeinsame Naherholungs-und Radfahrkampagnen.
Die Verkehrsanbindung zwischen Cuxhaven und Hamburg ist ein Dauerthema. Während die Strecke mit dem Metronom und der S-Bahn ab Stade gut angebunden scheint, hakt es besonders auf der Straße. Was muss hier Ihrer Meinung nach schnellstens geschehen, damit man aus der Unterelbe-Region schneller nach Hamburg kommt und zurück?
Scholz: Die Planungen der A 26 sind in der letzten Zeit gut vorangekommen, sodass das Planfeststellungsverfahren im vergangenen Jahr auch für den letzten Bauabschnitt
eingeleitet worden ist. Wir liegen in Hamburg im Zeitplan und hoffen, dass auch die aktuellen Probleme im Raum Buxtehude nicht zu einer nachhaltigen Verzögerung führen werden.
und welche Rolle spielt dabei die Küstenautobahn A 20?
Scholz: Die Küstenautobahn spielt eine wichtige Rolle bei der Erschließung des Unterelberaums beiderseits der Elbe und als weitere Elbquerung. Gemeinsam mit der A 26 gewährleistet sie eine gute Vernetzung des norddeutschen Raums.
Welche Pläne hat Hamburg mit dem Cuxhaven vorgelagerten Eiland Neuwerk?
Scholz: Neuwerk ist einer der schönsten und windigsten Orte in Hamburg. Es gibt keine Pläne, daran etwas zu ändern.
Heinrich Heine hat einmal beschrieben, dass die Hamburger den Cuxhavenern im Winter warme Socken und im Sommer Limonade geschickt haben. Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Hamburg und Cuxhaven heute beschreiben?
Scholz: Hamburg und Cuxhaven werden allein aufgrund der historischen Zugehörigkeit des Amtes Ritzebüttel zu Hamburg und aufgrund der Tatsache, dass jedes Schiff nach Hamburg bei Cuxhaven in die Elbe einfährt, immer auch emotional ein besonderes Verhältnis haben. Mich freut, dass Cuxhaven aktiv die Chancen, die sich durch den Aufbau der Offshore-Windenergie bieten, zu nutzen versucht. Das kann für uns alle nur gut sein.
und wann besuchen Sie das nächste Mal das Cuxland?
Scholz: Bald und immer wieder.