arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

14.06.2009

Interview im Deutschlandfunk

Frank Cappelan: Olaf Scholz, die SPD kniet sich kräftig rein. Sie versucht, Arbeitsplätze zu retten, Arbeitsplätze zu erhalten und stürzt trotzdem in den Umfragen gnadenlos ab. Und selbst bei der Europawahl in den Opel-Standorten, zum Beispiel Bochum, verlieren die Sozialdemokraten 1,3 Prozentpunkte. Warum haben Sie so undankbare Wähler?

Olaf Scholz: Der Einsatz für Arbeit ist richtig, und ich bin sicher, dass er sich auszahlen wird für diejenigen, für die wir uns einsetzen - das ist das Wichtigste - und natürlich auch für diejenigen, die das tun. Und da bin ich, was den September betrifft, ganz optimistisch. Die Europawahl hat ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten und muss auch ganz eigenständig betrachtet werden.

Cappelan: Haben Sie denn in diesem Wahlkampf alles richtig gemacht?

Scholz: Ich glaube schon, dass das ein guter und engagierter Wahlkampf war von den Europapolitikern, die das gemacht haben, aber auch von denjenigen, die für die Wahlkampfführung zuständig waren. Das Problem mit den Europawahlen hat etwas zu tun mit der Zeit dazwischen. Wenn nicht jede Woche einmal ein ganz wichtiges Thema des Europäischen Parlaments die politische Bühne erreicht und jeder das hier in Deutschland wahrnimmt, dann ist das Interesse für Wahlen zu dem Parlament geringer. Und das wird uns auch in den nächsten Jahren noch begleiten. Ich befürchte, unsere Hauptaufgabe wird sein, dafür zu sorgen, dass die Wahlbeteiligung größer wird. Und das gelingt uns nur, wenn für jeden erfahrbar wird, was da in Europa entschieden wird in diesen Gremien. Sonst gehen nicht genug zur Wahl.

Cappelan: Aber es ging ja eigentlich nicht um Europa, es ging zum Beispiel um Opel, ganz vornehmlich. Es ging auch um die Rettung von Arcandor. Daher die Frage: Haben Sie das richtig gemacht, auf diese Themen zu setzen?

Scholz: Bei der Europawahl geht es um Europa. Wir haben auch Politik, die interessiert die Menschen unabhängig davon, das spielt auch eine Rolle bei der Wahlentscheidung. Aber bei der Frage, ob man zu dieser Wahl geht, ist das eben nicht ganz so entscheidend. Ich glaube, dass wir mehr Respekt brauchen vor den Wählerinnen und Wählern, die entscheiden das selber. Wobei ich die Sache nicht schönreden will: Über das Ergebnis sind wir alle enttäuscht, ich auch.

Cappelan: Also noch mal gefragt: Es war richtig, dass man die Rettung von Arbeitsplätzen, speziell bei Opel, so nach vorne gezogen hat, auch im Europawahlkampf?


Scholz: Die Rettung von Arbeitsplätzen ist richtig. Und das, was wir bei Opel gemacht haben, war vernünftig, klug, und wird eine ganz wichtige industrielle Struktur in unserem Lande für die Zukunft sichern.

Cappelan: Warum verstehen die Leute das nicht?

Scholz: Ich glaube, die Leute haben das verstanden und verstehen das auch. Und ich bin

Cappelan: Aber dann hätten sie Sie doch wählen müssen, gerade an den Opel-Standorten


Scholz: Na, wir können uns jetzt ja im Kreis drehen, ich habe Ihnen gerade was gesagt zur Europawahl. Und im Übrigen glaube ich, darf man zwei Dinge nicht verwechseln, auch wenn das gerade bei denen, die immer über Politik berichten und Politiker interviewen, vielleicht im Vordergrund steht: Es geht bei der Politik um die Sache, und wenn wir Arbeitsplätze bei Opel retten, dann machen wir das, weil wir das wichtig finden.

Cappelan: Welches Signal soll jetzt vom Parteitag ausgehen, wollen Sie jetzt noch einmal richtig Gas geben, wie geht es weiter?

Scholz: Beim Parteitag werden wir Gas geben, da bin ich ganz optimistisch. Die SPD ist eine Partei mit viel Erfahrung, auch beim Gasgeben und beim Kämpfen. Wenn man sich ein bisschen umschaut und zurückschaut zu den letzten Wahlen, dann haben wir ja immer bewiesen, dass wir das können. Übrigens glaube ich auch, dass das gute Gründe hat, warum uns das Überzeugen mancher Wähler erst im Wahlkampf gelingt. Wenn Sie sich mal die Lage in den letzten 10, 20 Jahren anschauen, dann ist das doch so, dass für viele, die zur Mittelschicht gehören - als Arbeitnehmer, als Angestellte, als kleine Selbstständige - die Lage oft schwierig geblieben ist. Da waren keine großen Lohnsteigerungen. Und das hat sich auch bei anderen Dingen ausgewirkt, etwa wenn man sich die Entwicklung von Renten oder etwas Ähnlichem anguckt. Und viele würden sich gerne wünschen, dass das besser wird. Und deshalb ist der Wahlkampf die Zeit zu überzeugen - eine gute Begründung zu sagen, warum man die SPD bei der Bundestagswahl wählen sollte, ist, dass es eine soziale Politik in Deutschland ohne eine sozialdemokratische Regierungsbeteiligung nicht mehr geben wird.

Cappelan: Gerhard Schröder hat gesagt, Sie müssten mehr polarisieren, hat Ihnen den Rat gegeben, auch den Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg anzugreifen, hat vom "Baron aus Bayern" gesprochen - so wie er es vor vier Jahren mit dem "Professor aus Heidelberg" gemacht hat. Kann das funktionieren? Ist Frank Walter Steinmeier der Richtige für ein solches Konzept? Ist er - ich sage mal - eine "Rampensau"?


Scholz: Frank Walter Steinmeier ist ein erstklassiger Politiker, er ist ein guter Wahlkämpfer, das hat er schon gezeigt. Und er ist auf alle Fälle jemand, der ein erstklassiger Kanzler wäre. Und das sind die Argumente, mit denen wir in den Wahlkampf ziehen. Das heißt natürlich auch, dass man, ohne nun Schaum vor dem Mund zu haben, im Wahlkampf sagen muss, warum man glaubt, dass man Dinge besser kann als andere. Und darum geht es ja nicht nur, es gibt ja auch gute Politiker bei anderen Parteien - warum es nur mit einer sozialdemokratischen Partei funktioniert, dass es auch eine sozialstaatliche Entwicklung gibt, die besser in der Lage ist, die Krisenentwicklung zu bekämpfen, als wenn es andere tun.

Cappelan: Kann es denn funktionieren, den Wirtschaftsminister dezidiert anzugreifen, der ja ein junger Sympathieträger ist, der in den Umfragewerten recht gut da steht? Kann es da funktionieren, ihn so anzugreifen, wie es Frank Walter Steinmeier in der vergangenen Woche getan hat?

Scholz: Unser Ziel ist, für unsere Politik zu werben, das tun wir. Und wir setzen uns mit dem, was wir richtig finden, auch durch, denn wir bestimmen ja das, was in der Regierung geschieht - zum Beispiel bei dem Thema, das Sie eben angesprochen haben, der Frage nämlich, wie kann man sicherstellen, dass Arbeitsplätze bei einem großen Industrieunternehmen erhalten werden, das für die Zulieferer, für die Händler, für viele andere von großer Bedeutung ist, und soll man eine Chance nutzen, wenn man sie hat? Das haben wir geschafft. Und es gilt auch für mich bei vielen anderen Dingen. Ich will das einmal festmachen an dem Thema der Entwicklung des Arbeitsmarktes. Da sind uns die düstersten Prognosen begegnet, und in der Tat: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist schwer. Aber dadurch, dass wir durchgesetzt haben, auch durch die Entscheidung, die ich vorangetrieben habe schon im letzten Jahr, dass wir dort, wo Arbeit ausfällt, mit Kurzarbeitförderung helfen, ist es uns gelungen, fast ein paar hunderttausend Arbeitsplätze zu sichern. Und das ist etwas, wofür wir werben, dass das so bleibt. Und dafür stehen wir.

Cappelan: Ich komme noch mal auf den Wirtschaftsminister zurück. Er hat das Thema "Insolvenz" versucht, positiv zu besetzen. Er hat gesagt: Eine Insolvenz ist nicht so schlimm. Was können Sie dem entgegenhalten?

Scholz: Insolvenzen sind immer schlimm, weil sie dazu führen, dass Vermögen vernichtet wird, und sie führen dazu, dass viele Arbeitsplätze bedroht sind. Aber wenn eine Insolvenz eingetreten ist, dann muss man das Beste daraus machen. Auch dann gilt: Man muss so viele Arbeitsplätze wie möglich retten. Meine Überzeugung ist aber, dass es nicht richtig ist, mit Insolvenzen zu spielen. Dafür ist das Leben zu ernst und das Schicksal der Betroffenen zu bitter.

Cappelan: Nun beruft er sich auf ein Insolvenzrecht, das 1999 von Rot-Grün geändert worden ist

Scholz: gut, dass wir das gemacht haben

Cappelan: Zunächst gibt es den Vorteil, dass die Beschäftigten drei Monate - bei Karstadt - jetzt ihre Gehälter noch gezahlt bekommen.

Scholz: Das ist gar nicht Gegenstand des Insolvenzrechts, sondern eine Regelung des Arbeits- und Sozialrechts, weil wir Insolvenzgeld als Finanzierungsmöglichkeit zur Verfügung stellen, auf das man zurückgreifen kann, um noch mal Luft zu schnappen, bevor es dann endgültig losgeht in einer solchen schwierigen Situation. Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir mit den Reformen der letzten Jahre, die Sozialdemokraten gemacht haben, dafür gesorgt haben, dass bei einer Insolvenz es nicht immer schlecht ausgehen muss. Aber das heißt ja nun nicht, dass wir geradezu es toll finden, wenn Insolvenzen zustande kommen. Das ist mir ein viel zu spielerischer Umgang mit viel zu ernsten Angelegenheiten.

Cappelan: Warum durfte denn Opel auf keinen Fall in die Insolvenz gehen und bei Karstadt, bei Arcandor war es anders?

Scholz: Wir haben bei Opel nach einer Lösung für die Zukunft gesucht, und es hat sich eine gezeigt. Das hat man ja schon daran gesehen, dass es ganz viele Bewerber gegeben hat, die versucht haben, das Unternehmen fortzuführen, dass es drei ernsthafte Bewerber gegeben hat, über die wir zuletzt gesprochen haben, die alle ein Konzept hatten, bei dem sie davon ausgegangen sind: Es wird Opel-Europa auch in den nächsten Jahrzehnten noch geben, und sie wollen die Gelegenheit, die sich ihnen jetzt hier bietet, nutzen. Wir haben dann abgewogen, welches ist das Beste, was sichert die meisten Arbeitsplätze - und haben das dann möglich gemacht. Bei einer Insolvenz von Opel wäre übrigens alles in die Teile auseinander gefallen, denn dann wären jeweils selbstständige Insolvenzverfahren zustande gekommen - in Deutschland, in all den anderen Ländern, wo Standorte von Opel sind. Das sind alles eigenständige Gesellschaften. Und wahrscheinlich hätte, nachdem in den USA die Insolvenz von General Motors begonnen hätte, niemand mehr das zusammen gekriegt, und es wäre das endgültige Aus für das Unternehmen gewesen, während wir jetzt eine Perspektive haben.

Cappelan: Und warum war die Insolvenz bei Karstadt nicht mehr abzuwenden?


Scholz: Es war auch dort notwendig, alles zu versuchen, um die Zukunft für dieses Unternehmen irgendwie zu sichern. Ich bin nicht sicher, ob alle Möglichkeiten von allen Beteiligten, die dort Verantwortung getragen haben, genutzt worden sind, was mich sehr betrübt, weil es auch ein ungutes Gefühl hinterlässt. Aber jetzt kommt es umso mehr darauf an, wo die Insolvenz nun einmal da ist, dass wir jetzt nicht die Hände in den Schoß legen, sondern auch da um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Auf den Minister für Arbeit kann man sich in dieser Frage jedenfalls verlassen

Cappelan: Darauf werden wir gleich noch zu sprechen kommen, was Sie tun können. Aber zunächst mal die Frage noch: Warum greift man nicht die Verantwortlichen auch für die Misere stärker an, also den ehemaligen Chef Thomas Middelhoff zum Beispiel?

Scholz: Meine Äußerung zu dem Thema ist gewesen - die wiederhole ich hier gerne - Eigentum verpflichtet. Und ob das hier immer eine Rolle gespielt hat, das wage ich sehr zu bezweifeln, gerade was die Eigentümerstrukturen des Konzerns betrifft. Und natürlich spricht viel dafür, dass das, was dort von dem früheren Management gemacht worden ist, einen großen Beitrag zu der heutigen schwierigen wirtschaftlichen Situation geleistet hat. Jedenfalls sieht es mit dem, was man sehen kann, ein wenig danach aus. Und ich bin deshalb auch sehr dankbar, dass zum Beispiel die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries gesagt hat: Guckt mal genauer hin, ob hier wirklich alle Gesetze beachtet wurden, die zu beachten waren.

Cappelan: Die Verkäuferinnen wissen nicht, was in drei Monaten geschieht, ob sie dann noch ihr Gehalt bekommen werden. Und auf der anderen Seite sind es die ehemaligen Vorstandsvorsitzenden, die aus einem Pensionsfonds sich jetzt schon auf Gelder freuen können. Müsste man so etwas nicht als Sozialdemokrat thematisieren?

Scholz: Wir thematisieren, dass man die Arbeitsplätze bei Arcandor, bei Karstadt, bei den anderen beteiligten Unternehmen, bei Quelle zum Beispiel, nicht aufgeben darf, sondern dass wir jetzt mit allem Hochdruck dafür arbeiten müssen, dass gerettet wird, was gerettet werden kann.

Cappelan: Welche Möglichkeiten haben Sie da?

Scholz: Wir haben zunächst mal die Möglichkeit, zu begleiten - mit all dem, was an technischen Möglichkeiten in Deutschland entsteht, weil wir ein Sozialstaat sind. Jetzt können wir das einsetzen, das heißt, wir werden die Mittel, die man für Qualifizierung hat, anbieten. Wir helfen mit den Möglichkeiten, die die Insolvenz als Rechtsanspruch anbietet. Da müssen wir gar nichts für tun, das ist ja schon gemacht. Und wir stehen unmittelbar im Gespräch mit Betriebsräten und Unternehmen zur Verfügung. Ich habe hier im Ministerium eine Task Force gebildet, die als Ansprechpartner - zusammen mit der Arbeitsverwaltung - das tut, was gebraucht wird. Und natürlich werde ich mich so dicht an dem Unternehmen und den Beschäftigten dranhalten, damit ich alles weiß, was dort geschieht, um dann auch, wo die Bundesregierung jenseits meiner Zuständigkeiten gefordert ist, Ratschläge geben zu können, dass man die auch mal nutzt.

Cappelan: Kann man Arcandor als Ganzes erhalten?


Scholz: Das wird die nächste Zeit zeigen. Wenn es gelingt, wäre das das Beste.

Cappelan: Was spricht gegen die Übernahme von Karstadt durch Kaufhof? Entsprechende Verhandlungen sind erstmal auf Eis gelegt worden.


Scholz: Zunächst mal muss man dafür Sorge tragen, dass die Interessen der Beschäftigten gesichert werden. Das heißt, es sollte eine Lösung gefunden werden, die - ohne, dass dauerhaft staatliches Geld fließt - eine lange Zukunft hat. Das ist immer die Voraussetzung. Wir wollen nicht Unternehmer spielen und sollten es auch nicht. Aber es sollte möglich sein, möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern. Und wir werden sehen, was da funktioniert. Jetzt werden sich auch andere melden, und deshalb hatten diejenigen, die nun das Unternehmen und seine Geschicke zu leiten haben, auch gesagt: Wir gucken jetzt mal, welche Alternativen es gibt. Ich hoffe, da sind bessere drunter als solche, die mit einer Schließung vieler Kaufhäuser verbunden sind - was ja auch schlecht wäre für die Strukturen vieler Städte in Deutschland. Da kennt man das jetzt schon: Wo Kaufhäuser geschlossen worden sind, ist oft lange dann nichts mehr gekommen, und natürlich ist das auch ein Problem für alle, die in Deutschland Waren produzieren und herstellen. Wenn nur noch ein großer Nachfrager da ist, dann wird das ganz sicherlich viele andere Unternehmen unter harten Druck setzen, weil sie einer fast monopolistischen Struktur ausgesetzt wären, wenn sie ihre Sachen verkaufen wollen.

Cappelan: Besteht möglicherweise die Gefahr, dass die Wähler den Eindruck haben, dass sich die SPD vornehmlich um die Großen kümmert, um Opel, um Karstadt, und die Kleinen sind der Partei mehr oder weniger egal? Kann das dazu führen, dass man so wenig Zuspruch in den Wahlen bekommt?


Scholz: Wir werden ja ausreichend Zuspruch bei der nächsten Wahl bekommen, und darum kämpfen wir. Das ist das, worum es geht, wenn man in einer Demokratie in einen Wettbewerb hinein geht. Aber ausdrücklich will ich dazu sagen, das, was Sie als Frage stellen, ist eine Unwahrheit, die in die Welt gesetzt wird von denjenigen, die einen falschen Eindruck erwecken wollen. Das Gegenteil ist richtig, zum Beispiel mit der Förderung der Kurzarbeit ist es uns gelungen, dafür zu sorgen, dass vor allem kleine und mittelständische Unternehmen davon Gebrauch machen. Das sind die meisten, die das tun, Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten, mit bis zu 20 Beschäftigten, mit bis zu 200 Beschäftigten. Das sind jeweils die Hauptgruppen der Nutzer dieser Fördermöglichkeit, die viele mittelständische Unternehmen sichert. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass es zum Beispiel ein Kreditprogramm gibt, das sehr breit über die KfW nachgefragt werden kann und davon machen viele kleine und mittelständische Unternehmen Gebrauch. Das gilt auch für die anderen Kredithilfen, die wir auf den Weg gebracht haben. Sie sind zielgerichtet für viele da und es sind auch schon ganz viele Anträge positiv entschieden und bewilligt worden. Da sind auch - alle diese verschiedenen Fördertöpfe zusammen - viele Milliarden geflossen, gerade in kleine und mittelständische Unternehmen.

Cappelan: Wie gesichert ist denn die Rettung von Opel? Da ist zu hören, es sei ein neuer Investor vorstellig geworden beim Wirtschaftsminister. Es ist auch zu hören, dass Magna doch mehr Stellen abbauen möchte als ursprünglich angekündigt und dass man weniger Geld in die Sanierung von Opel stecken möchte. Gibt es da noch Möglichkeiten der Einflussnahme für Sie als Arbeitsminister?

Scholz: Erst mal, es ist, glaube ich, ganz gut, wenn man nicht jede unausgegorene Meldung kommentiert, denn das würde einen überfordern. Im Übrigen sind die meisten wirklich unausgegoren und haben mit Realität wenig zu tun. Es gibt jetzt einen Verhandlungsprozess. Der ist vereinbart. Der wird von der Bundesregierung begleitet. Es gibt eine Vereinbarung zwischen dem Verkäufer, General Motors, und dem interessierten Käufer, Magna, dass sie gemeinsam eine Zukunft für das Unternehmen entwickeln wollen, wo General Motors ein Drittel beteiligt bleibt, Magna hinzu kommt zusammen mit einem russischen Investor, und dadurch auch eine Struktur schaffen, bei der Opel Europa durch diese Kooperationspartner, die es behält oder dazu bekommt, in der Lage ist, andere Märkte zu erobern. Und das, finde ich, ist ganz vernünftig. Ob die am Ende zueinander kommen, werden wir sehen. Aber da die jetzt miteinander verhandeln, liegt es weitgehend in deren Hand, ob sie auch fertig werden. Ich gehe davon aus, dass das der Fall sein wird. Und wenn all das richtig ist, was uns gegenüber gesagt worden ist, als wir dort in den Nächten im Kanzleramt verhandelt haben mit allen möglichen Interessenten, dann werden wir bald Klarheit haben.

Cappelan: Das Interview der Woche im Deutschlandfunk, heute mit dem Bundesarbeitsminister Olaf Scholz. Herr Scholz, wie empfinden Sie die Stimmung im Moment im Kabinett?


Scholz: Die Stimmung im Kabinett ist wie immer freundlich.

Cappelan: Keine gereizten Töne?


Scholz: Ich finde, wenn man in einer Regierung zusammen arbeitet, geht es auch um Professionalität, und ich jedenfalls habe die. Viele andere haben die auch. Das ist auch notwendig. Ich glaube überhaupt, dass wir uns von dem einen oder anderen sehr antidemokratischen Vorurteil befreien müssen. Antidemokratisch ist es zum Beispiel, ständig wieder zu sagen, die Parteien wären sich alle ähnlich und die streiten sich nur öffentlich. In Wahrheit ist es umgekehrt. Es gibt unterschiedliche Konzepte von Parteien, zum Beispiel bei der Sozialdemokratie ein mehr sozialstaatliches, marktwirtschaftliches Konzept, bei anderen ein anderes. Aber weil wir unterschiedlich sind, heißt es ja nicht, dass wir uns nicht einigen können. Und das ist die Aufgabe, die uns die Bürger gestellt haben, als sie uns gewählt haben. Und die bewältigen wir auch in der Regierung, das sage ich ausdrücklich, bis zum letzten Tag.

Cappelan: Es gibt vielfach die Beobachtung, dass der Wirtschaftsminister von der CSU den neoliberalen Part übernimmt und die Kanzlerin versucht, in sozialdemokratischen Gefilden zu wildern und sich darzustellen als die Retterin von Arbeitsplätzen. Glauben Sie, dass das eine Arbeitsteilung ist, die abgesprochen ist?

Scholz: Ich finde, wir sollten uns nie an der Oberfläche bewegen. Und die Bürgerinnen und Bürger tun das auch nicht. Die gucken uns genau an, und die wissen, was sie von uns zu halten haben. Da bin ich beruhigt und wenn man etwas falsch macht kann man auch beunruhigt sein, aber jedenfalls gibt es da klare Urteile. Und deshalb wissen die meisten, dass die Tatsache, dass die ganzen Konzepte, die Gegenstand des Wahlkampfs der Union vor der letzten Bundestagswahl waren und die die CDU-Vorsitzende mit vertreten hat, die Mehrheitsmeinung der CDU sind und dass, wenn man sie alleine lässt, alles gemacht wird und dass die CDU-Vorsitzende keine Hemmung hätte, alles das zu tun, was einige dort an Reduzierung von Kündigungsschutz oder anderem wollen. Aber es gibt ja eine sehr von den sozialdemokratischen Karten bestimmte Regierung. Und deshalb passiert das jetzt nicht. Aber das liegt daran, dass wir da sind.

Cappelan: Nun gibt es auch bei den Sozialdemokraten einen Bremser und Bedenkenträger, den Bundesfinanzminister. Macht Peer Steinbrück den zu Guttenberg bei der SPD?

Scholz: Ich habe ihn eigentlich mehr als Antreiber erlebt, und das finde ich auch gut so.

Cappelan: Ich erinnere mich daran, dass Franz Müntefering, der Parteivorsitzende, erklärt hat, 'Opel ist systemisch, wir müssen auf jeden Fall retten'. Dann hat Peer Steinbrück noch gesagt, 'Moment mal, wir müssen das alles erst mal prüfen'. Oder im Fall Arcandor wurden auch vom Parteichef die Staatshilfen ins Gespräch gebracht und Peer Steinbrück, der Finanzminister, war da doch deutlich zurückhaltender. Ist das eine gewollte Aufgabenteilung auch bei den Sozialdemokraten?

Scholz: Der Finanzminister macht eine wirklich gute Arbeit in einer schwierigen Zeit, und ich will mal sagen, wir stehen alle hinter ihm, auch gerade da, wo er jetzt dafür gesorgt hat, dass die Staatskasse nicht weiter darunter zu leiden hat, dass einige auf sehr unmoralische Weise Steuerzahlungen in Deutschland vermeiden. Also der Kampf gegen Steueroasen zum Beispiel ist etwas, wo wir ihn unterstützt haben und wo er unsere Unterstützung auch braucht, denn das ist keineswegs unumstritten, auch im Kabinett nicht, wie man gesehen hat. Und das war nur mit massivem Druck durchsetzbar. Das Gleiche gilt für alles das, was wir an neuen Regeln auf den internationalen und den nationalen Finanzmärkten brauchen, denn es kann ja nicht passieren, dass wir alle diese fürchterliche Weltwirtschaftskrise betrachten, ziemlich genau wissen, woran es gelegen hat, nämlich an ungeregelten Märkten im Finanzbereich, und dann den Finanzminister nicht dabei unterstützen, die notwendigen Regeln jetzt durchzusetzen. Das machen wir gemeinsam, und auch da gilt, das geht nur, weil wir uns dafür einsetzen.

Cappelan: Sie sind kürzlich in Washington gewesen. Die Amerikaner haben sich auch wohl interessiert für Modelle von Kurzarbeit, auch für die Abwrackprämie. Können Sie gut mit den Amerikanern?


Scholz: Die neue amerikanische Regierung ist viel kooperationswilliger als ihre Vorgängerin. Und ich habe gleich die Gelegenheit genutzt, da eine langfristige Zusammenarbeit zu etablieren. Die amerikanische Arbeitsministerin ist eine gute, kluge Frau, mit der wir sicherlich lange gut zusammen arbeiten werden. Und in der Tat ist es richtig, wir haben gesprochen über Erfahrungen, die wir in Deutschland haben. Wir haben über die Umweltprämie, die Abwrackprämie, wie Sie das genannt haben, gesprochen. Das, glaube ich, ist dort auf großes Interesse gestoßen, weil es ja wirkt. Und deshalb wird es nicht nur in Europa in einigen Ländern jetzt nachgemacht, sondern auch in den USA rechne ich mit ähnlichen Dingen, nicht ganz so massiv, aber so ähnlich. Und das gilt auch für solche Konzepte, wie wir sie jetzt mit der Kurzarbeit entwickelt haben, denn das ist ja etwas besonders. Nur wir sind so weit gegangen, über eine Million Arbeitnehmer waren im März in Kurzarbeit und nur wir haben damit auf dem Arbeitsmarkt eine andere Entwicklung zustande gebracht als die Vorhersagen. Wir sind die Einzigen, die besser wegkommen, als alle gesagt haben.

Cappelan: Haben Sie einen besseren Draht zur neuen amerikanischen Regierung als die Bundeskanzlerin?

Scholz: Ach, da bin ich nicht im Wettbewerb. Aber wir haben jedenfalls festgestellt, dass wir gut miteinander können, die Kollegin im Arbeitsministerium und ich.

Cappelan: Hat es Sie denn überrascht, dass Obama nicht nach Berlin gekommen ist?

Scholz: Das hat mich nicht so überrascht.

Cappelan: Wäre er zu einem Kanzler Steinmeier in die Hauptstadt gekommen?

Scholz: Man soll sich nicht allzu lange mit Hypothesen beschäftigen, aber ich weiß, dass Herr Steinmeier und Herr Obama ganz gut miteinander können.

Cappelan: Müsste nicht der Außenminister seine Stärken und auch seine Beliebtheit, die er in der Bevölkerung eben als Außenminister hat, auch mehr nach vorne kehren?

Scholz: Der Außenminister ist jemand, dem jeder in Deutschland zutraut, dass er ein guter Kanzler wäre. Und wir werden mit ihm zusammen einen Wahlkampf machen, der das dann auch realisiert.

Cappelan: Herr Scholz, Sie haben im März, glaube ich, gesagt, dass die Arbeitslosenzahlen nicht über vier Millionen steigen werden. Ist diese Prognose noch zu halten?

Scholz: Ich habe selber nie eine Zahl gesagt, aber wir haben immer noch den Ehrgeiz, besser zu sein als alle Prognosen. Und mittlerweile ist es ja so, dass die ersten Wirtschaftsforscher sagen, es könnte klappen, dass wir in Deutschland, weil wir auf Sozialpartnerschaft setzen, besser abschneiden als vorhergesagt, und das wäre etwas, worauf man lange stolz sein kann. Aber es wäre auch etwas, wo ich überzeugt bin, dass die Ökonomen dann in den nächsten Jahren sagen, das muss man überall so machen, schnell reagieren, massiv reagieren und versuchen, eine massive Konjunkturkrise durch eine massive Intervention dieser Art effektiv zu bekämpfen.

Cappelan: Die Arbeitslosenzahlen sind noch nicht so hoch, wie von vielen befürchtet. Steht der Höhepunkt denn noch bevor?


Scholz: Ich bin sicher, das die Arbeitslosigkeit, auch wenn sie jetzt einmal kurz zurückgegangen ist, strukturell noch ein wenig steigen wird. Ich bin ganz vorsichtig mit den Prognosen, das habe ich schon gesagt, aber ich glaube, dass es alle Anstrengungen wert ist, dass wir nicht einen solchen Anstieg haben, wie uns andere schon verkündet haben.

Cappelan: Ihnen wird vorgeworfen, die Statistik geschönt zu haben, weil Arbeitslose, die über private Vermittler einen Job suchen, nicht mehr als Arbeitslose gezählt werden. Warum ist das gemacht worden?


Scholz: Es ist überhaupt kein Gesetz geändert worden zum Zählen von Arbeitssuchenden in Deutschland. Das ist eine Fehlmeldung, die so verbreitet wird

Cappelan: aber es sind welche aus der Statistik raus gekommen, das ist richtig?

Scholz: Es ist so, dass dadurch, dass die Technik der Arbeitsverwaltung es mit den neuen Gesetzen möglicher macht, da das besser zu erfassen, da sich was geändert hat. Es geht um eine Größenordnung von 15.000 Arbeitssuchenden. Aber es ist kein Gesetz geändert worden, auf dessen Basis man jetzt anders zählen soll. Es werden die Gesetze, die vorher schon gegolten haben, nur in einem ganz konkreten kleinen Fall korrekt angewandt. Insofern, glaube ich, spricht viel dafür, dass wir das sehr seriös machen. Und mein Grundsatz ist, ich werde die Gesetze, wie gezählt wird, in keine Richtung ändern, weder so rum noch so rum. Ich werde alles offen legen. Es soll so bleiben, wie es seit ein paar Jahren ist. Und vor diesem Hintergrund kann man auch sagen, die gute Entwicklung, die wir auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Jahren hatten, auch aufgrund der Erfolge sozialdemokratischer Arbeitsmarktpolitik, hat dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit auf die gleiche Weise gezählt von über fünf Millionen im Herbst letzten Jahres auf unter drei Millionen gesunken war. Und ich bin, verdammt noch mal, dazu angetreten, dafür zu sorgen, dass nicht die hemmungslose Profitgier einiger, die unsere Welt in eine Wirtschaftskrise gestürzt haben, dazu führt, dass wir diese Erfolge jetzt alle wieder zerstört bekommen, sondern wir wollen das retten und wollen sehen, dass wir möglichst schnell wieder anknüpfen können an eine gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.

Cappelan: Ist es seriös, von Vollbeschäftigung zu sprechen, wie Sie es mehrfach getan haben?


Scholz: Ich finde, dass wir als demokratische Gesellschaft das Ziel niemals aufgeben dürfen, dass jeder Bürger Arbeit findet, der eine sucht - und da, glaube ich, dürfen wir, wenn wir Chancen haben, sie nicht verkennen. Die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte werden geprägt sein von einem Mangel an qualifizierten Arbeitnehmern in fast allen Betrieben und Unternehmen, das ist die Chance: Es muss genug ausgebildet werden. Denn es ist ganz klar, wenn wir nicht genügend qualifizieren, dann wird es uns immer noch an genügend qualifizierten Arbeitskräften fehlen. Aber wir können trotzdem Millionen Arbeitslose haben. Und das ist die Aufgabe, die wir in der Politik wirklich bewältigen können. Da müssen wir nicht auf andere zeigen. Das haben wir in der Hand und natürlich die Wirtschaft, indem sie genug Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt.

Cappelan: Herr Scholz, zum Schluss möchte ich Sie mit einem Zitat von Ihnen konfrontieren. Sie haben vor langer Zeit einmal gesagt: "Die Überwindung der kapitalistischen Ökonomie muss zu den Zielsetzungen der Sozialdemokratie gehören". Vor ein paar Jahren haben Sie sich davon distanziert. Würden Sie das jetzt im Zeichen der Finanz- und Wirtschaftskrise auch noch tun?

Scholz: Ja, ich würde mich immer noch distanzieren. Man muss nicht jeden Irrtum, den man in der Jugend für völlig richtig gehalten hat, im Alter noch mal wiederholen. So alt bin ich zwar noch nicht, aber doch um einige Lebenserfahrung reicher. Ich glaube das, was uns die Krise lehrt, und das ist das, was ich schon seit langem so sehe, ein Kapitalismus ohne Regeln funktioniert nicht. Aber es geht um die Regeln, die wir durchsetzen müssen, damit alle ein gutes Leben führen können. Und das ist die Aufgabe der Politik. Für einen Sozialdemokraten ist es das, worum es geht.

Cappelan: Olaf Scholz, besten Dank für das Gespräch.

 

 

Hier können Sie sich das Interview anhören (MP3).

 

Das Interview finden Sei auch auf der Internetseite des Deutschlandfunk.