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17.02.2013

Interview in der WELT AM SONNTAG: "Das Vertrauen bewegt mich"

 

Für ein politisches Interview ist dies nicht unbedingt der gewöhnlichste Ort. Das belebte Café Paris an der Rathausstraße hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) als Ort für ein Gespräch über die Halbzeitbilanz seines Senates ausgewählt. Trotz seiner großen Bekanntheit gehe er gern und viel unter die Menschen, so Scholz.

 

Welt am Sonntag: Herr Bürgermeister, hat es eine besondere Bewandtnis, dass wir uns hier im Café Paris treffen? Haben Sie eine enge Beziehung zu Frankreich?

Olaf Scholz: Olaf Scholz: Ich schätze das Land sehr. Urlaub habe ich da auch schon gemacht. Ich weiß aber auch, wie bemerkenswert es ist, dass Deutsche und Franzosen jetzt so gut miteinander auskommen. Wir haben vor kurzem in Berlin das 50jährige Bestehen der Elysee-Verträge gefeiert. Auch deswegen haben wir den französischen Premierminister Jean-Marc Ayrault zum Matthiae-Mahl nach Hamburg eingeladen.


Welt am Sonntag: Ist es nach zwei Jahren im Amt eigentlich für Sie noch möglich, sich normal in der Stadt zu bewegen, ohne dauernd angesprochen zu werden?

Scholz: Ja. Die Hamburger sind sehr freundlich und haben auch ein Gefühl dafür, dass es Situationen gibt, in denen ich privat unterwegs bin, zum Beispiel mit meiner Frau. Darauf nehmen alle Rücksicht.


Welt am Sonntag: Sehr freundlich sind viele Hamburger zu Ihnen derzeit auch in Ihrer politischen Rolle. Nach der jüngsten Umfrage der "Welt" und des "Hamburger Abendblatts" sind Sie sehr beliebt und würden derzeit wieder eine absolute Mehrheit mit der SPD gewinnen. Solche Werte sind zur Hälfte einer Wahlperiode ziemlich ungewöhnlich.

Scholz: Ich weiß, dass es außergewöhnlich ist, dass die Umfragewerte jetzt sogar besser sind als bei der Bürgerschaftswahl. Ich bin dafür dankbar, und dieses Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger bewegt mich wirklich. Das ist etwas, das ich nicht ungerührt zur Kenntnis nehme.


Welt am Sonntag: Was waren die schwierigsten Entscheidungen, die sie in den ersten zwei Jahren zu fällen hatten?

Scholz: Das sind die Entscheidungen über die Probleme gewesen, die uns noch sehr lange beschäftigen werden und die aus der Zeit vor dem Regierungswechsel stammen, Die Situation der HSH Nordbank etwa, für die Hamburg und Schleswig-Holstein noch immer mit vielen Milliarden Euro bürgen. Und natürlich die Elbphilharmonie. Das ist ein Vorhaben, das man niemals so hätte beginnen dürfen, wie es getan wurde. Heute müssen wir viel Geld aufwenden, um das Projekt ordentlich zu Ende zu führen.


Welt am Sonntag: Ein Projekt wohlgemerkt, dem die SPD in der Bürgerschaft zugestimmt hat. Hat Ihre Partei nicht genau genug hingeschaut?

Scholz: Meine Partei und ich haben uns nie von der Elbphilharmonie distanziert. Das ist ein gutes Projekt für Hamburg. Aber es wäre richtig gewesen, sich genauer zu überlegen, wie man es professionell umsetzt. Es wurde mit den Bauarbeiten begonnen, ohne dass überhaupt alle Pläne vorlagen.


Welt am Sonntag: Warum hat die SPD dann zugestimmt?

Scholz: Weil wir das Projekt gut finden. Vielleicht hätte es der damaligen Opposition gelingen können, noch schärfer die Probleme zu identifizieren. Aber es ist unredlich, dass manche aus dem damaligen Senat heute meinen, wir dürften ihr unprofessionelles Handeln nicht kritisieren, weil wir die Idee, eine Elbphilharmonie zu bauen, unterstützt haben.


Welt am Sonntag: Es sind jetzt noch zehn Tage bis zur endgültigen Entscheidung über eine Einigung mit Hochtief. Glauben Sie, dass es dazu kommt?

Scholz: Ich gehe davon aus. Es gibt Verhandlungsfortschritte. Obwohl sich jetzt noch einmal zeigt, wie komplex das gesamte Vorhaben ist. Wir bekommen jetzt Garantien von Hochtief, was Fertigstellung, Preis und Qualität angeht. Wer aber glaubt, dass das Bauen ab jetzt einfach wird, der irrt sich.


Welt am Sonntag: Sie haben am Beginn Ihrer Amtszeit gesagt, man werde das Portemonnaie nicht mehr öffnen, um die Probleme beim Bau zu lösen. Nun haben Sie 200 Millionen Euro draufgelegt. Ist das nicht eine Niederlage?

Scholz: Nein. Es ist eine Entscheidung, die wir zu treffen hatten und die ich für richtig halte. Wie gesagt: Jetzt bekommen wir, und das ist bares Geld wert, Garantien von Hochtief. Diese Garantien sind die Gegenleistung dafür, dass wir nicht selber bauen und versuchen, in einem langen Prozess von Hochtief Geld zurückzuverlangen, Deswegen wird es bis zum 28. Februar nur eine Einigung geben, wenn Hochtief uns diese unbedingten Garantien gibt und nicht eine Liste von Ausnahmeregelungen.


Welt am Sonntag: Was würde dann passieren?

Scholz: Dann würde die Stadt die Elbphilharmonie allein zu Ende bauen. Wir hätten anders als vorher jetzt auch sofortigen Zugang zur Baustelle.


Welt am Sonntag: Ein anderes Krisenthema ist Hapag-Lloyd, die Reederei, die mittlerweile mehrheitlich einem Konsortium gehört, an dem die Stadt mehrheitlich beteiligt ist. Wären die Probleme durch die geplante Fusion mit der Oetker-Reederei Hamburg Süd gelöst?

Scholz: Es spricht viel dafür, dass das die Stabilität der Unternehmen sehr stärken würde. Die laufenden Gespräche über eine Fusion sind übrigens nur dadurch möglich geworden, dass wir das schon vom Vorgängersenat eingegangene städtische Engagement bei Hapag-Lloyd erhöht haben.


Welt am Sonntag: Verkauft Hamburg seine Anteile wieder, wenn es zur Fusion kommt?

Scholz: Dass das kein Engagement für ewig ist, haben wir immer gesagt. Wenn wir Anteile reduzieren, wollen wir natürlich einen guten Preis erzielen, um unsere Investitionen und die Finanzierungskosten wieder hereinzuholen. Aber wir haben keine Eile. Wir sind stark genug, den richtigen Moment abzuwarten.


Welt am Sonntag: Weniger gut läuft es beim Thema Elbvertiefung. Haben Sie sich zu optimistisch gegeben?

Scholz: Nein, wir haben - anders als alle Skeptiker immer behauptet haben - die Zustimmung der EU bekommen, auch die Zustimmung von Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Und wir haben immer gewusst, dass gegen dieses große Vorhaben geklagt wird. Es gab leider auch keine Möglichkeit, einen Kompromiss etwa mit den Umweltverbänden zu finden, wie es manche immer noch behaupten. Denn die Umweltverbände haben in unseren Gesprächen Forderungen gestellt, die sämtliche wirtschaftliche Vorteile zunichte gemacht hätten, die eine Elbvertiefung dem Hafen und der Stadt bringt.


Welt am Sonntag: Trotzdem hat Ihr Wirtschaftssenator lange Zeit versprochen, 2012 würde gebaggert. Daraus wurde nichts.

Scholz: Wir haben uns das ja auch alle gewünscht. Nun ist es aber so, dass das Bundesverwaltungsgericht erst in der Hauptsache entscheidet. Ich bin aber zuversichtlich, dass es zügig zu einem Urteil kommt und unseren guten Argumenten folgt. Und danach herrscht Rechtssicherheit, weil es keine weiteren ordentlichen Instanzen mehr gibt. Das ist sehr viel wert.


Welt am Sonntag: Trotz des Vertrauens der Hamburger in Sie in einem Punkt haben Sie die Bürger bisher nicht überzeugt. 64 Prozent sind nach einer Umfrage dafür, die Energienetze vollständig zurückzukaufen.

Scholz: Ich bin von der Umfrage nicht so überrascht. Die Bürger wurden gefragt, ob man die Netze selber haben sollte. Da sagt man schnell: Lieber habe ich die selbst, als dass andere die haben. Aber der Volksentscheid bringt ja etwas Positives mit sich: Alle Abstimmenden müssen sich Gedanken machen und nicht nur der Senat. Ich sage: Wir können es uns nicht leisten, für mehr als zwei Milliarden Euro neue Schulden die ganzen Netze zurückzukaufen. Und das Risiko ist zu groß, dass wir uns dabei verrechnen und dann jedes Jahr draufzahlen. Am Ende steht die Entscheidung: Zwei Milliarden Euro ausgeben oder nicht ausgeben. Ich bin ziemlich sicher, dass dann die meisten sagen werden: Zwei Milliarden vor allem für Kabel, Rohre und Leitungen, das ist bannig viel Geld, lieber nicht.


Welt am Sonntag: In Wahrheit sind es 1,5 Milliarden, Euro denn die 544 Millionen Euro für das Viertel der Netze würde die Stadt ja zurückbekommen.

Scholz: Ja, aber die mehr als zwei Milliarden Euro als Kaufpreis sind immer noch viel zu viel Geld. Hinzu kommt, dass wir keine Garantiedividende mehr bekämen und alle Investitionen in die Energiewende alleine finanzieren müssten. Es ist sinnvoller, die Energiewende gemeinsam mit den Energiekonzernen zu gestalten.


Welt am Sonntag: Eine neue Volksinitiative könnte auch zum Thema G9 entstehen, also zur erneuten Verlängerung der Gymnasialzeit auf neun Jahre. Eine Mehrheit der Hamburger ist nach einer Umfrage für eine Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren. Muss man dieses Fass noch einmal aufmachen?

Scholz: Es wäre nicht klug, die Schulen schon wieder zu einer Reform zu zwingen. Auch wenn eine Verlängerung vielleicht sinnvoll sein kann, so wäre es doch eine sehr große organisatorische Herausforderung G9 neben G8 einzuführen. Es würde neuen Stress für alle bedeuten. Es würde große Raumprobleme geben. Ich habe vor drei Jahren mit dafür gesorgt, dass wir einen zehnjährigen Schulfrieden geschlossen haben. Zehn Jahre, in denen wir uns auf die Verbesserung des Unterrichts konzentrieren wollen. Dabei sollten wir es belassen.


Welt am Sonntag: Wie zufrieden sind Sie mit dem Fortgang des Wohnungsbaus?

Scholz: Wir haben uns ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, nämlich 6000 Wohnungen im Jahr zu bauen. Im vergangenen Jahr haben wir mehr als 8700 Baugenehmigungen erteilt. Das zeigt, dass wir unser Ziel erreichen können. Eines ist nach einem verlorenen Jahrzehnt klar: Wir dürfen mit dem Wohnungsbau nie wieder aufhören.


Welt am Sonntag: Viel Kritik gibt es an Ihrer Verkehrspolitik…

Scholz: Wir bauen den öffentlichen Nahverkehr so stark aus wie kein Senat zuvor. Wir verlängern die die U4 bis zu den Elbbrücken und binden sie dort an die S-Bahn an. Wir bauen eine neue S-Bahnstation in Altona. Wir bauen eine neue Schnellbahn, die S4, um den Hauptbahnhof zu entlasten. Wir erhöhen die Kapazität der Busse um mehr als 30 Prozent. Und wir bauen die U- und S-Bahnstationen behindertengerecht um. Übrigens: In Ihrer Umfrage waren 79 Prozent mit dem öffentlichen Nahverkehr zufrieden.


Welt am Sonntag: Nur eine Stadtbahn wollen Sie nicht.

Scholz: Eine Stadtbahn würde die Straßen und Stadtviertel komplett zerschneiden. Die Stadtbahn wäre ein völlig neues Verkehrssystem und würde sich erst ab einer Streckenlänge von 42 Kilometern rechnen. Im Übrigen würde der Bau massivste Belästigungen über Jahre nach sich ziehen.


Welt am Sonntag: Die Radwege sind übrigens auch in einem miserablen Zustand. Und Sie haben die Mittel noch gekürzt.

Scholz: Die Wahrheit ist: So viel Geld für Bau und Instandhaltung von Radwegen und das Anlegen von Fahrradstreifen stand in der Vergangenheit noch nie zur Verfügung. Wir haben in diesem Bereich - wie auch beim Straßenbau - vor allem ein Managementproblem. Anders als bisher über viele Jahre hinweg müssen wir dafür sorgen, dass die Mittel zur Instandsetzung auch tatsächlich ausgegeben werden. Das muss unser erstes Ziel sein.


Welt am Sonntag: Die Opposition wirft Ihnen in der Halbzeitbilanz Fantasielosigkeit vor.

Scholz: Als überzeugter Demokrat genieße ich das Privileg, heftig kritisiert zu werden. Mein Rat an den einen oder anderen in der Opposition wäre auch im Hinblick auf Umfragewerte aber eine Idee von Bodenhaftung zu entwickeln. Manches, was ich da so höre, erinnert mich an einen Hit aus der Zeit der Neuen Deutschen Welle: "Völlig losgelöst von der Erde schwebt das Raumschiff…".


Welt am Sonntag: Was sind die größten Herausforderungen bis 2015?

Scholz: Wir müssen die Energiewende schaffen und wollen Hamburg zur Hauptstadt der Windenergie machen. Wir müssen den Haushalt weiter in Ordnung bringen. Wir werden weiter viel Kraft in den Wohnungsbau investieren. Und wir wollen dafür sorgen, dass alle Jugendlichen, die nicht studieren wollen, eine Berufsausbildung abschließen. Mit der Jugendberufsagentur sind wir da auf einem sehr guten Weg.


Welt am Sonntag: Können Sie mittlerweile mit dem Spitznamen "König Olaf" leben?

Scholz: Nein. Ich bin durch und durch Demokrat und stolz, Bürgermeister einer der ältesten Stadtrepubliken zu sein.


Welt am Sonntag: Immer noch besser als die Bundeskanzlerin, die "Mutti" genannt wird.

Scholz: Ja.


Welt am Sonntag: Wie oft haben Sie bei Nachrichten über Peer Steinbrück schon die Hände vor das Gesicht geschlagen?

Scholz: Das gehört nicht zu meinen körperlichen Reaktionsmustern. Es kann kommen wie in Niedersachsen. Wenn die SPD mehr als 30 Prozent erreicht, gibt es gute Chancen, dass wir mit den Grünen eine Regierung bilden können. Dann wird Peer Steinbrück Bundeskanzler.


Welt am Sonntag: Und Sie Minister.

Scholz: Nein. Ich bleibe in Hamburg. Und ich möchte 2015 als Bürgermeister wiedergewählt werden.

 

Das Interview in der WELT AM SONNTAG führte Jörn Lauterbach.