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27.11.2015

Interview mit dem "Handelsblatt"

 

Handelsblatt: Herr Scholz, erst die Elbphilharmonie, nun Olympische Spiele: Warum ist die Hamburger Politik so versessen auf teure Leuchtturmprojekte, wie Ihr Amtsvorgänger Ole von Beust solche Vorhaben nannte?

 

Olaf Scholz: Die Elbphilharmonie wird, wenn sie am 11. Januar 2017 eröffnet wird, große Begeisterung weit über Deutschland hinaus auslösen. Sie ist ein idealistisches Bekenntnis unserer Kaufmannstadt zur Musik. Auch unsere Olympia-Bewerbung ist zunächst einmal ein idealistisches Bekenntnis, nämlich zu einem friedvollen Treffen der Jugend der Welt.

Handelsblatt: Allein aus Idealismus bewerben Sie sich aber nicht um die Spiele.


Olaf Scholz: Selbstverständlich haben wir 1972 in München und 1992 in Barcelona gesehen, dass Olympia eine enorme Chance gerade für Städte ist, die keine Hauptstädte sind. Hamburg ist die größte Stadt in der Europäischen Union, die nicht Hauptstadt ist. Das wissen weltweit zu wenige.

 

Handelsblatt: Das klingt sehr selbstbewusst. Andererseits: Berlin ist Hauptstadt, Frankfurt hat die Börse, in München sitzen die Dax-Konzerne. Und Hamburg braucht jetzt Olympia, um mithalten zu können.


Olaf Scholz: Nein, Hamburg ist aus eigener Kraft groß geworden. Die Stadt hat eine enorme Wirtschaftskraft. Als größter Hafen in Deutschland und einer der größten in Europa hat der Hamburger Hafen eine wichtige Bedeutung für die deutsche Wirtschaft und weit darüber hinaus. Wir haben schon vor Jahren dafür gesorgt, dass Airbus und die Flugzeugindustrie in Hamburg ihren festen Platz haben. Für die Windkraftbranche ist unsere Stadt global der bedeutendste Standort. Aber  darauf wollen wir uns nicht ausruhen: Olympia ist unser nächstes Projekt.

Handelsblatt: Dennoch hat nur ein einziger Dax-30-Konzern seinen Sitz in Hamburg.


Olaf Scholz: Hamburg ist Sitz vieler Unternehmenszentralen, doch nicht jeder wichtige Konzern ist an der Börse. Im Übrigen werde ich mich nicht von Ihnen verführen lassen, das zu tun, was ich meinen Mitarbeitern verboten habe: andere Städte schlecht zu machen.

Handelsblatt: Ganz wichtig ist für Hamburg der Hafen. Die Frage ist: Wie lange noch? Die juristische Auseinandersetzung um die für den Hafen dringend notwendige Elbvertiefung zieht sich dabei ist absehbar, dass bald noch größere Schiffe gebaut werden.


Olaf Scholz: Im Hamburger Hafen werden zehn Millionen Standardcontainer umgeschlagen. Mitte der 2020er-Jahre werden es voraussichtlich doppelt so viele sein. Darauf sind wir bei der Entwicklung der Hafeninfrastruktur vorbereitet. Wir sind gut beraten, weiterhin auch auf diesen Wirtschaftszweig zu setzen.

 

Handelsblatt: Wann kann die Elbvertiefung beginnen?


Olaf Scholz: Das habe ich nicht in der Hand. Dass Elbvertiefungen beklagt werden ist normal. Aber anders als in früheren Jahrzehnten gibt es nicht drei Instanzen, sondern nur eine: das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Jedenfalls sind wir mit diesem Vorhaben bis jetzt weiter gekommen als je zuvor.

 

Handelsblatt: Der Wirtschaft geht’s zu langsam.


Olaf Scholz: Wir sind zum Glück in keinem Land, in dem der Wille eines Bürgermeisters reicht. Wir haben eine lange rechtsstaatliche Tradition.

Handelsblatt: Im Olympia-Finanzreport steht auch über den Hafen ein Kapitel. Es sieht über eine Milliarde Euro für den Umzug von Firmen aus dem geplanten Olympia-Dorf in andere Teile des Hafens vor. Wäre Deutschland billiger mit einem anderen Olympia-Standort davongekommen ohne Firmenumzüge und Sturmflutgefahr?


Olaf Scholz: Mit einem anderen Konzept hätten wir keine Chance auf einen Zuschlag beim entscheidenden IOC-Treffen in Lima 2017. Unser überzeugendes Argument ist die einmalige Gelegenheit, Spiele im  Zentrum einer Stadt zu veranstalten vor beeindruckender Kulisse: der Blick von einer großen Elbinsel auf das historisch gewachsene  Hamburg. Alle Athleten können in der Olympiacity wohnen und die allermeisten Wettkampfstätten sind von dort aus in einem Radius von nur zehn Kilometern erreichbar. Nur wegen dieses Konzeptes haben wir international überhaupt eine Chance.

 

Handelsblatt: Hätte sich Hamburg auch gegen Berlin durchgesetzt, wenn alle gewusst hätten, dass dieses Konzept so teuer würde?


Olaf Scholz: Es sind im internationalen Vergleich keine teuren Spiele. Wir haben seriös gerechnet. Alle haben vermutet, dass die öffentliche Hand ähnlich wie in London um die zehn Milliarden Euro zahlen muss und mit 7,4 Milliarden liegen wir deutlich darunter. Dabei haben wir fast 700 Einzelprojekte durchgerechnet, haben die Inflationsrate berücksichtigt, bei vielen Gebäuden Risikoaufschläge eingerechnet.

Handelsblatt: Los Angeles will ganz ohne Steuergelder auskommen. Ist das nicht viel attraktiver für das IOC, das die Abkehr vom Gigantismus verlangt?


Olaf Scholz: Boston hat seine geplante Bewerbung zurückgezogen, weil ein ähnliches Versprechen niemand geglaubt hat. Deshalb ist Los Angeles nachgerückt. Daraus können Sie Ihre eignen Schlüsse ziehen. Und Sie müssen sehen, dass wir für alle Bauten eine sinnvolle Nachnutzung fest eingeplant haben: Es entsteht ein neuer Stadtteil mit 8000 Wohnungen für 18 000 Menschen, einem Leichtathletik-Stadion, einer Schwimmhalle und einem Kreuzfahrtterminal.

Handelsblatt: Hamburg entwickelt punktuell eine Elbinsel, für Rio 2016 dagegen entsteht Infrastruktur für eine ganze Region, etwa zwei neue Metro-Linien


Olaf Scholz: Wir machen gerade durch die Kompaktheit ein ganz besonderes Angebot an das IOC. Es wird alle Athleten und Besucher begeistern, die nicht stundenlang in Verkehrsmitteln stecken. Deshalb höre ich von vielen: Hamburg hat das beste Konzept.

 

Handelsblatt: Für ihren Rivalen Paris engagiert sich der Staatspräsident François Hollande stark Olympia gilt als sein Projekt. Muss auch Angela Merkel mehr Einsatz zeigen?


Olaf Scholz: Die Bundeskanzlerin hat mir persönlich versichert, wie sehr sie dahintersteht. Die Bundesrepublik hat sich an der Bewerbungsgesellschaft beteiligt anders als das bei den geplanten Winterspielen in München der Fall war. Nachdem die Bewerbungen von Berlin und Leipzig gescheitert sind, ist das die dritte Möglichkeit, Sommerspiele in Deutschland zu veranstalten. Wenn wir die nicht ergreifen, wird es vielleicht in den kommenden 50 Jahren keine Olympischen und Paralympischen Sommerspiele in Deutschland geben.

 

Handelsblatt: Wird sich dann nicht einfach Berlin bewerben?


Olaf Scholz: Nein, wenn das Referendum scheitert, ist die Sache für Deutschland die nächsten Jahrzehnte erledigt. Das sieht auch die Bundesregierung so. Nochmal: Wir haben ein beeindruckendes Konzept vorgelegt und das detaillierteste, das man neun Jahre vor Spielen haben kann. Wir sollten ans Gelingen glauben, nicht ans Scheitern.

Handelsblatt: Der Bund weiß das alles. Warum stellt er sich quer bei den 6,2 Milliarden Euro, die er dazugeben soll?


Olaf Scholz: Ich finde es in Ordnung, dass der Bund unsere Pläne nachrechnet, die qualifizierte und international anerkannte Ingenieurbüros für uns erarbeitet haben. Ich hätte auch kein Problem damit, wenn weitere Gutachter das nachprüfen.

 

Handelsblatt: Wie haben Sie den Hamburger Beitrag von 1,2 Milliarden Euro ermittelt?


Olaf Scholz: Wir haben geschaut, welchen Betrag London aufgebracht hat. Die Greater London Authority hat unter einer Milliarde Euro in Preisen von 2024 aufgebracht, obwohl der Haushalt der Regionalverwaltungen dort um ein mehrfaches größer ist und London mehr Einwohner hat.

Handelsblatt: Was, wenn Hamburg mehr Haushaltsspielraum haben sollte? Gerade erst hat der Senat eine optimistischere Finanzplanung für den gesamthaushalt mit Steuermehreinnahmen vorgelegt ...


Olaf Scholz: Meine Aussage steht. Ich bin nicht bereit, den Pfad der Seriosität zu verlassen. Und ich bin ein Anhänger der Schuldenbremse.

Handelsblatt: Wer würde dem IOC Garantien für den Fall unerwarteter Kostensteigerungen geben?


Olaf Scholz: Das steht in den IOC-Verträgen. An einigen Stellen ist es die Stadt, an anderen der Bund.

 

Handelsblatt: Die lokale Presse sieht Sie bereits als Bundeskanzler die Spiele 2024 besuchen. Ist das eine Perspektive für Sie?


Olaf Scholz: Ich will bei der Bürgerschaftswahl 2020 für eine dritte Amtszeit kandidieren. Es wäre für mich eine große Sache, als Bürgermeister an der Eröffnung Olympischer Spiele teilzunehmen.

 

Handelsblatt: Etwas anderes wollen Sie gar nicht?


Olaf Scholz: Bürgermeister in Hamburg ist ziemlich gut.

Handelsblatt: Herr Scholz, vielen Dank für das Interview.

 

Das Interview führten Christoph Kapalschinski und Kai-Hinrich Renner.