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15.08.2009

Interview mit den Lübecker Nachrichten

Lübecker Nachrichten: Wie können die vier Millionen neuen Jobs finanziert werden, die Frank-Walter Steinmeier versprochen hat?

Olaf Scholz: Frank-Walter Steinmeier hat etwas sehr Wichtiges getan, nämlich gemeinsam mit Experten, Unternehmern und Arbeitnehmern analysiert, wo in Deutschland künftig neue Jobs entstehen können. Große Teile der Politik haben sich damit abgefunden, dass Millionen Menschen keine Arbeit haben. Er will mit seinem Vorschlag jenen Zynismus durchbrechen.

LN: Verspricht er, was der Staat nicht schaffen kann?

Scholz: Natürlich kann der Staat Arbeitsplätze nicht künstlich erzeugen. Aber er hat die Aufgabe, alle Möglichkeiten für zukunftsfähige Arbeitsplätze, die unser Land bietet, entschlossen zu fördern und voranzutreiben. Einen Plan für die nächsten 10, 15 Jahre sollte ein Regierungschef schon haben. Das unterscheidet den Kanzlerkandidaten Steinmeier übrigens von der CDU-Vorsitzenden.

LN: Rechnen Sie mit über vier Millionen Arbeitslosen im nächsten Jahr?

Scholz: Es spricht viel dafür, dass die Wirtschaft sich wieder fangen wird und es im nächsten Jahr aufwärts geht. Ich bin verhalten optimistisch, dass wir auf dem Arbeitsmarkt mit einem blauen Auge davonkommen.

LN: War es ein Fehler, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zu senken?

Scholz: Wir haben innerhalb kurzer Zeit den Beitragssatz stufenweise von sechs auf derzeit 2,8 Prozent gesenkt. Er ist jetzt niedriger, als es für die laufenden krisenbedingten Mehrausgaben erforderlich wäre. Wir haben die Senkung aber deshalb vorgenommen, weil die Bundesagentur für Arbeit über Rücklagen von 16 Milliarden Euro verfügte, die sie nun zusätzlich einsetzt.

LN: Dieses Polster wird doch in der Krise aufgefressen.


Scholz: Dennoch sind wir in der Lage, dass wir weder die Beiträge erhöhen noch die Leistungen reduzieren müssen. Im Rahmen des Konjunkturpaketes II erhält die Bundesagentur für Arbeit die erforderlichen Darlehen aus demBundeshaushalt. Ich plädiere grundsätzlich für einen stabilen Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung. Wir brauchen die Verabredung auf einen festen Beitragssatz, der auch über verschiedene politische Konstellationen jahrzehntelang durchgehalten wird.

LN: Kommt im nächsten Jahr, also nach den Wahlen, das böse Erwachen, wenn die Kurzarbeiterregelung ausläuft?

Scholz: Man sollte nicht allen flotten Sprüchen glauben. Wer glaubt, nachdem Auslaufen der Regelung bräche der Arbeitsmarkt zusammen, der unterschätzt die Intelligenz der Unternehmerschaft. Die weiß, dass Kurzarbeit trotz aller damit verbundenen Kostenersparnisse nur lohnt,  wenn man die eigenen Leute spätestens im nächsten Jahr wieder voll einsetzen kann. Kurzarbeit ist eine Brücke in wirtschaftlich bessere Zeiten.

LN: Mehr arbeiten und weniger Urlaub ist das der Ausweg aus der Krise?


Scholz: Ich kann allen Arbeitnehmern nur raten, nicht zu vergessen, was jetzt von einigen superschlauen Professoren und Wirtschaftsverbänden geraten wird. Wenn die Falschen im Bund das Sagen hätten, würde man auf den Rat dieser sogenannten Experten hören. Weniger Lohn, weniger Urlaub und die Beschneidung von Arbeitnehmerrechten führen aber nicht aus der Krise heraus, sondern im Gegenteil weiter hinein.