Hamburger Morgenpost: Herr Scholz, hat die SPD kein Herz für die Bezirke?
Olaf Scholz: Doch, ein großes sogar. Senat und Bezirke haben in den letzten Jahren sehr gut zusammengearbeitet. Der größte Erfolg dieser Zusammenarbeit ist sicher der Wohnungsbau. Wir haben allein im vergangenen Jahr über 6000 Wohnungen fertiggestellt.
Hamburger Morgenpost: Trotzdem klagen die Bezirke über Kürzungen.
Olaf Scholz: Wir haben die Zahl der Mitarbeiter dort erhöht. Gleichwohl stehen wir in ganz Hamburg vor der Aufgabe, ab 2019 keine neuen Schulden zu machen. Die Haushalte werden so aufgestellt, dass das klappen wird. Bei guter Konjunktur vielleicht etwas früher.
Hamburger Morgenpost: Den Bezirken geht es also gut?
Olaf Scholz: Natürlich ist es anstrengend, wenn man nur eine begrenzte Menge Geld zur Verfügung hat. Die Bezirke haben aber die Unterstützung, die sie brauchen, um ihre Aufgaben gut bewältigen zu können. Und ich bin dankbar für ihren Einsatz.
Hamburger Morgenpost: Teile der Opposition sehen die Bezirksversammlungswahl als Stimmungstest für die Bürgerschaftswahl 2015. Sehen Sie das auch so?
Olaf Scholz: Nein. Und bei dieser Meinung bleibe ich, unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht. Die entscheidende Frage wird sein: Wie viele Wahlberechtigte gehen wählen? Meine wichtigste Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger: Bitte gehen Sie zur Wahl. Die Bezirksversammlungen sind wichtig für die Zukunft der Stadt.
Hamburger Morgenpost: Zurzeit wird viel über Baustellen und Staus geredet. Ein Risiko für die SPD?
Olaf Scholz: Die Bürgerinnen und Bürger wissen, was wir auf den Weg gebracht haben beim Wohnungsbau oder beim Kita-Ausbau. Und auch für die Reparatur und die Instandhaltung von Straßen und Brücken wird viel mehr Geld eingesetzt als früher. Wir werden am Ende der Legislaturperiode einschließlich der bezirklichen Straßen 400 Kilometer Fahrbahn in Ordnung gebracht haben. Ich verstehe, dass man über die Straßenbaustellen nicht begeistert ist. Aber nichts zu tun ist keine kluge Alternative. Ich wünsche mir, dass mehr Leute sagen: Endlich werden die Straßen saniert.
Hamburger Morgenpost: Das kommt gerade nicht so rüber
Olaf Scholz: Ich weiß. Manche wünschen sich vielleicht, die Straßen werden saniert, und man merkt es nicht. Das ist aber schwierig.
Hamburger Morgenpost: Stehen Sie auch im Stau oder fahren Sie Bürgermeister-Schleichwege?
Olaf Scholz: Die gibt es nicht. Und manche, die ich früher kannte, funktionieren nicht mehr. Aber es ist sinnvoll, auch mal den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen und zum Beispiel die S-Bahn zu nehmen. Beim Hafengeburtstag habe ich das gemacht.
Hamburger Morgenpost: Ein anderes Dauerthema sind die Lampedusa-Flüchtlinge. Einige von denen haben sich gemeldet, andere nicht. Manche Leute haben den Eindruck, der Senat sitzt das Thema aus.
Olaf Scholz: Die große Mehrheit findet es richtig, dass für alle 12.000 Flüchtlinge, die hier in der Stadt leben, die gleichen Regeln gelten. Die Zahl der Flüchtlinge steigt. Und sie wird weiter steigen. Wir arbeiten sehr hart daran, jeden Monat neue Plätze für diese Menschen zu schaffen. Dabei helfen die Hamburgerinnen und Hamburger mit. Es gibt eine große, bewegende Solidarität. Wenn man die nicht riskieren will, muss man damit einverstanden sein, dass für alle die gleichen Prinzipien gelten. Das sind wir auch den anderen Flüchtlingen schuldig, die aus der ganzen Welt zu uns kommen.
Hamburger Morgenpost: Kommen wir zur Roten Flora. Ein Sicherheitsmann behauptet, der Eigentümer Herr Kretschmer habe ihn beauftragt, das Gebäude in Brand zu setzen. Muss der Senat Herrn Kretschmer nicht das Handwerk legen?
Olaf Scholz: Der Senat hat einen Prozess gegen ihn angestrengt. Wir gehen davon aus, dass er rechtlich verpflichtet ist, uns das Gebäude zurückzugeben. Gleichzeitig gibt es den Beginn eines Insolvenzverfahrens. Unser Ziel ist es, das Gebäude zurück in die Hände der Stadt zu bekommen.
Hamburger Morgenpost: Vor einigen Tagen haben Sie den Protest bei einem Anschlag auf Ihr Haus wieder zu spüren bekommen. Hat das für Sie Konsequenzen? Sie wirken nach außen entspannt.
Olaf Scholz: Bin ich auch. Und ich bin auch dankbar für die Leistung der Polizei in diesem Zusammenhang.
Hamburger Morgenpost: Recht viele Leute wissen offenbar, wo Sie wohnen. Haben Sie da kein ungutes Gefühl?
Olaf Scholz: Ich mache es wie die meisten in dieser Stadt: Ich vertraue der Polizei.
Hamburger Morgenpost: Gehört es schlicht zum Job des Bürgermeisters dazu, von Polizisten begleitet zu werden?
Olaf Scholz: Es gehört vor allem zum Job des Bürgermeisters, seine Pflicht zu tun und sich nicht mit anderen Sachen aufzuhalten.
Hamburger Morgenpost: Herr Scholz, intensiv beschäftigt Hamburg das Thema Olympische Spiele. Wie sehr wünschen Sie sich die Spiele für die Stadt?
Olaf Scholz: Es ist eine große Ehre, dass der DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) uns fragt, ob wir uns vorstellen können, Olympische Spiele in Hamburg auszurichten. Für die Stadt ist es gut, dass wir schon einmal eine sehr gute Bewerbung zustande gebracht haben. Die damalige Bewerbung ist eine gute Grundlage.
Manche Gebiete, die damals für Olympia vorgesehen waren, sind mittlerweile allerdings fast vollständig bebaut, etwa die HafenCity. Was Verkehrsanbindungen und Hotelkapazitäten angeht, können wir die Gespräche jetzt auf einer viel besseren Grundlage führen. Am Ende entscheidet der DOSB, wen er fragt.
Hamburger Morgenpost: Was sind Ihre Forderungen?
Olaf Scholz: Olympische Spiele müssen anders werden. Es müssen Spiele sein, die sich Demokratien leisten können. Spiele, die nachhaltig sind und bei denen es für die neuen Gebäude eine vernünftige Folgenutzung gibt. Und es muss berücksichtigt werden, dass bis 2020 in allen 16 Bundesländern keine neuen Schulden mehr gemacht werden dürfen.
Hamburger Morgenpost: Was muss passieren, damit Sie sagen, wir machen da nicht mit?
Olaf Scholz: Ich bin gegen die Leuchtturm-Euphorie der Vergangenheit: Ist schick, wollen wir haben und hinterher kümmert man sich erst darum, was es kostet. Man muss sorgfältig wägen.
Wenn man vorher feststellt, dass etwas finanzierbar ist und es den Bürgern und dem Ansehen der Stadt nützt, kann man es machen. In jedem Fall werden wir die Hamburgerinnen und Hamburger in einem Referendum um ihre Entscheidung bitten.
Hamburger Morgenpost: Wie viel dürften die Spiele denn kosten?
Olaf Scholz: Hamburg macht ab 2019 keine neuen Schulden mehr. Die Spiele dürfen also die Verschuldung der Stadt nicht erhöhen.
Hamburger Morgenpost: Bleiben wir beim Sport. Sie waren kürzlich bei zwei Auswärtsspielen des HSV. Eigentlich interessieren Sie sich gar nicht für Fußball, oder?
Olaf Scholz: Es gibt Leute, die sind jede Woche engagierter dabei. Aber auch ich habe mitgelitten und mitgehofft. Das Spiel in Fürth war nichts für schwache Nerven.
Hamburger Morgenpost: Wo ist denn Ihr Fan-Schal gelandet?
Olaf Scholz: Der ist ein Geschenk des HSV und der ist bei mir.
Hamburger Morgenpost: Als Nächstes folgt die WM. In den Bezirken gibt es Irritationen, was Public Viewing angeht. Anträge von Gastronomen werden nicht bearbeitet, die Umsetzung ist unklar. Und das drei Wochen vor der WM. Ein Armutszeugnis für Hamburg?
Olaf Scholz: In den Bezirksämtern machen sich viele Gedanken, wie die Anwohnerinteressen und die Veranstalterinteressen unter einen Hut zu bringen sind.
Ich bin überzeugt, dass es viele Orte gibt, an denen das gut geht. Es mag auch Orte geben, an denen nicht alles möglich ist, was der einzelne Antragsteller sich wünscht.
Hamburger Morgenpost: Public Viewing wird es also im kleinen Rahmen in den Bezirken geben?
Olaf Scholz: Davon bin ich überzeugt.
Hamburger Morgenpost: Sie waren gerade in Stockholm bei Kronprinzessin Victoria im Schloss. Wäre die Rolle eines Monarchen was für Sie?
Olaf Scholz: Was? Nein. Ich bin in dieser Stadt aufgewachsen und schon immer jemand, der sehr für die Republik Hamburg steht.
Hamburger Morgenpost: Haben Sie sich denn an Ihren Spitznamen König Olaf inzwischen gewöhnt?
Olaf Scholz: Nee.
Hamburger Morgenpost: Welcher gefällt Ihnen denn besser: Scholzomat oder König Olaf?
Olaf Scholz: Das ist jetzt eine schlimme Frage. Ich heiße Olaf Scholz.
Das Interview führten Renate Pinzke und Erik Trümpler.