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30.01.2015

Interview mit der Hamburger Morgenpost

 

Hamburger Morgenpost: Herr Scholz, wie spannend ist Wahlkampf, wenn der Sieger schon feststeht?

 

Olaf Scholz: Bei der Bürgerschaftswahl geht es immer darum, wie sich unsere Stadt weiterentwickelt. Das ist eine spannende Sache, und ich nehme das ernst.

 

Hamburger Morgenpost: Sie gelten als technokratischer Politiker. Auf Wahlkampfveranstaltungen hat man den Eindruck, dass Sie in der Rolle des Landesvaters angekommen sind. Haben Sie sich in der Art, Politik zu verkaufen, verändert?

 

Olaf Scholz: Ich hoffe, dass auch ich mich stets weiterentwickle. Und wenn ich auf andere so wirke, als nähme ich meine Aufgaben gelassen und entspannt wahr, dann freut mich das.

 

Hamburger Morgenpost: Es gibt ja immer mal Anlass, zurück zu blicken und sich die Frage zu stellen: Was hat es mit mir gemacht, Bürgermeister zu sein?


Olaf Scholz: Ich bin in dieser Stadt aufgewachsen, mit ihr zutiefst verbunden. Es ist etwas Besonderes, Hamburger Bürgermeister zu sein. Und das große Vertrauen lässt einen nicht unberührt.

 

Hamburger Morgenpost: Was war Ihr größter Erfolg der vergangenen vier Jahre?

 

Olaf Scholz: Das ist schwer zu sagen, weil viele Dinge zu bewegen waren: Wir haben große Erfolge beim Wohnungsbau erzielt, wir haben die Gebühren für Kita und Universität abgeschafft, und bei der Elbphilharmonie läuft es auch. Am bedeutendsten war für mich aber, dass wir die Jugendberufsagentur aufgebaut haben. Mit dieser Einrichtung arbeiten in jedem Bezirk vier Behörden eng zusammen und tun alles dafür, dass bei Jugendlichen der Übergang von der Schule in den Beruf klappt. Jeder, der die Schule verlässt, hat damit die Perspektive, ein eigenverantwortliches Leben führen zu können.

 

Hamburger Morgenpost: Dennoch gibt es Jugendliche, die ihre Aussichten als ziemlich perspektivlos einschätzen. Rattenfänger sind unterwegs, um diese jungen Menschen einzusammeln.  

 

Olaf Scholz: Sie fragen nach denjenigen, die islamistischen Vorstellungen folgen und überlegen, ob sie sich am Krieg im Irak oder in Syrien beteiligen sollen. Da kommt es auf mehrere Dinge an: Die Sicherheitsbehörden müssen gute Arbeit leisten, das heißt auch, dass wir ein klares Lagebild brauchen, um möglichst viele dieser Leute möglichst früh zu identifizieren. Und wir müssen Eltern, Lehrern und Freunden helfen und ihnen raten, was sie tun können, wenn jemand abzugleiten droht. Deshalb haben wir uns ja unter anderem mit muslimischen Verbänden und der alevitischen Gemeine beraten und ein Programm gestartet, das Hilfsangebote, Bildungsmöglichkeiten und mehr beinhaltet.

 

Hamburger Morgenpost: Bei jungen Menschen wartet noch eine andere Baustelle: Sie planen wieder eine geschlossene Unterbringung für Minderjährige. Haben Sie schon Angst vor schlimmen Schlagzeilen?


Olaf Scholz: Ich habe keine Angst, das Notwendige zu tun. Und wir brauchen eine solche Einrichtung.


Hamburger Morgenpost: Welche Fehler der Vergangenheit gilt es zu vermeiden?

 

Olaf Scholz: Es muss eine sehr gute pädagogische Betreuung geben, und das Gebäude muss geeignet sein.


Hamburger Morgenpost: Sie sprechen oft von Hamburg als Hoffnungs- und Zukunftsstadt. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zur Flüchtlingsunterkunft in Harvestehude muss in diesem Sinn eine große Enttäuschung gewesen sein.

 

Olaf Scholz: Ganz klar: Wir wollen und werden die Entscheidung nicht hinnehmen. Es handelt sich ja zunächst nur um eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren und in erster Instanz. Das Bezirksamt Eimsbüttel als zuständige Behörde hat gleich angekündigt, dass es die Rechtsmittel einlegen wird. Wir haben darüber hinaus Möglichkeiten, die wir nutzen werden.

 

Hamburger Morgenpost: Können Sie sagen, welche?

 

Olaf Scholz: Könnte ich. Mach ich aber nicht.

 

Hamburger Morgenpost: Ist die Änderung des Bebauungsplans eine?

 

Olaf Scholz: Wir gehen davon aus, dass die jetzige Genehmigung rechtmäßig ist, deshalb gehen wir in die zweite Instanz und hoffen, dass wir schon da Erfolg haben werden. Darauf konzentrieren wir uns. Unser Ziel ist, dass auch in diesem Stadtteil Flüchtlinge untergebracht werden. Das werden wir erreichen. Egal, wie zäh das wird und wie lange wir am Ball bleiben müssen. Da sollte man uns nicht unterschätzen.

 

Hamburger Morgenpost: Bleibt es auch bei der Größenordnung?

 

Olaf Scholz: So soll es sein. Es geht um eine Frage der Gerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass es Stadtteile gibt, in denen Unterkünfte errichtet werden und andere Stadtteile, in denen das angeblich nicht sein kann. Das würde den Zusammenhalt in unserer Stadt gefährden. Deshalb sind wir in dieser Sache auch so fest entschlossen.

 

Hamburger Morgenpost: Waren Sie überrascht, wie reibungslos die Einrichtung von Unterkünften in weiten Teilen der Stadt gelaufen ist?

 

Olaf Scholz: Hamburg ist eine weltoffene, tolerante Stadt. Tatsächlich gibt es eine sehr weitreichende Akzeptanz. Auch weil wir uns bemühen, Unterkünfte fair über die Stadt zu verteilen. Alle verstehen die Unterbringung von Flüchtlingen als gesamtstädtische Aufgabe.

 

Hamburger Morgenpost: In Harvestehude hat man den Eindruck, dass Leute den Anspruch auf besonderen Schutz haben…

 

Olaf Scholz: …wollen wir mal sehen.

 

Hamburger Morgenpost: Was war Ihr größter Fehler der vergangenen vier Jahre?

 

Olaf Scholz: Das müssen andere beurteilen. Wir haben eine Reihe von Baustellen übernommen. Das Thema Elbphilharmonie haben wir wie gesagt hinbekommen. Wir haben bei der HSH Nordbank das Erforderliche getan, werden aber an den Folgen der großmannssüchtigen Expansionspolitik unser Vorgänger…

 

Hamburger Morgenpost: wir wollten über Ihre Fehler sprechen.

 

Olaf Scholz: an den Folgen der großmannssüchtigen Expansionspolitik unser Vorgänger noch lange zu arbeiten haben. Bei der Fahrrinnenanpassung der Elbe hätten wir uns gewünscht, endlich mit allem durch zu sein. Da hat das Gericht leider entschieden, auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Ausbau der Weser und zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie zu warten.

 

Hamburger Morgenpost: Was ist mit der Diskussion über das Gefahrengebiet und das Krisenmanagement. Ist da manches falsch gelaufen?

 

Olaf Scholz: Jedenfalls stelle ich fest, dass das Thema niemanden mehr beschäftigt. Und dieses Instrument gibt es nicht nur in Hamburg. Übrigens: Das von einer Volksinitiative angestrebte Gesetz zur Aufhebung des Instruments hat nicht einmal die erste von drei erforderlichen Hürden genommen.

 

Hamburger Morgenpost: Haben Sie im Rahmen Ihrer Wahlkampftour auch eine Wahlkampfveranstaltung in der Schanze?

 

Olaf Scholz: Ich gehe durch alle 17 Wahlkreise. Es gibt kein exterritoriales Gelände.

 

Hamburger Morgenpost: Dort wurde eine politische Diskussionsrunde gestört, an der unter anderem SPD-Fraktionschef Andreas Dressel teilnahm. Wie bewerten Sie es, dass die Rote Flora dazu aufgerufen hatte, die Veranstaltung zu stören. Ist das der Dank dafür, was Sie denen zuletzt haben Gutes zukommen lassen?

 

Olaf Scholz: Was dort passiert ist, ist nicht akzeptabel. Die Reaktion zeigt auch: Die Störer haben sich keinen Gefallen getan. Selbst in ihrem eigenen Umfeld wird ihr Verhalten kritisch gesehen und zwar zu Recht.

 

Hamburger Morgenpost: Zurück zu möglichen Fehlern. Die Opposition kritisiert, dass BAföG-Millionen im Haushalt versickern, statt in Hochschulen zu fließen.

 

Olaf Scholz: Der Opposition hätte ein Besuch im Bundesrat gereicht, um schlauer zu werden. Dort hat Bundesbildungsministerin Wanka betont, dass es Sache der Länder sei, ob sie die Mittel, die sie als Entlastung bekommen, für Krippen, Kitas, Schulen oder Hochschulen ausgeben wollen. Wir geben jedes Jahr fast eine Milliarde Euro für Wissenschaft und Hochschulen aus. Die Unis haben hohe Millionen-Rücklagen. Und fast eine Milliarde wird für Wissenschafts- und Forschungsbauten ausgegeben.

 

Hamburger Morgenpost: Ein weiteres Thema ist die Busbeschleunigung. Da gab es nun auch Kritik vom Rechnungshof. Halten Sie hier inne und sagen: Das ist nicht alles richtig gut gelaufen, da werden wir drüber nachdenken?

 

Olaf Scholz: Ich empfehle hier Gelassenheit. Diskussionen sind nichts Schlimmes.

 

Hamburger Morgenpost: Sind Sie denn angesichts von mehr als 20000 Unterschriften gegen die Busbeschleunigung und die Aufforderung der umtriebigen Initiative, auf keinen Fall SPD zu wählen, auch gelassen?

 

Olaf Scholz: Ja. Man kann nicht wie ich ein Anhänger von direkter Demokratie sein und jedes Mal genervt gucken, wenn jemand andere Vorstellungen hat. Und da, wo die Arbeiten abgeschlossen sind, läuft der Verkehr besser als vorher.

 

Hamburger Morgenpost: Gibt es irgendeinen Kritikpunkt der Opposition, der sie anficht und bei dem Sie sagen: Da ist schon was dran.

 

Olaf Scholz: Fällt mir gerade nicht ein.

 

Hamburger Morgenpost: Sie wollen eine absolute Mehrheit, wenn nicht, sprechen Sie zuerst mit den Grünen. Ist diese Aussage ein Hinweis an die Wirtschaft, SPD zu wählen, um Rot-Grün zu verhindern?


Olaf Scholz: Ich sage das Gleiche wie vor vier Jahren. Ich wünsche mir ein starkes Mandat für die SPD, und wenn es nicht reicht, frage ich die Grünen. Daraus werden sicherlich viele Bürgerinnen und Bürger ihre Schlüsse ziehen.

 

Hamburger Morgenpost: Wäre es nicht viel leichter, mit der FDP ins Geschäft zu kommen?


Olaf Scholz: Ich glaube nicht, dass die FDP in die Bürgerschaft kommt, und sozialliberal sind wir selbst.

 

Hamburger Morgenpost: Bleiben Sie bei einer absoluten Mehrheit bei Ihrer Mannschaft?


Olaf Scholz: In der Politik gilt oft das gleiche wie im Sport: Never change a winning team.

 

Hamburger Morgenpost: Gilt das auch für den Verkehrssenator und die Bausenatorin?

 

Olaf Scholz: Klar.

 

Das Interview führten Maik Koltermann, Erik Trümpler und Renate Pinzke.