taz: Herr Scholz, als Sie vor einem Jahr Vorsitzender der Hamburger SPD
wurden, haben Sie der zerstrittenen Partei "Führung" angedroht. Haben
Sie Ihr Wort gehalten?
Olaf Scholz: Ich denke schon. Das zeigen auch die Umfragen, die uns
Wahlergebnisse um die 40 Prozent prophezeien. Die SPD wird von den
Menschen wieder als Hamburg-Partei akzeptiert, die sich um die Stadt
kümmert, anstatt sich zu streiten.
taz: Dann schauen wir in die Zukunft: Am nächsten Samstag will die SPD
auf einem Themen-Parteitag sich der "Beruflichen Bildung" widmen. Ist
das ein Eingeständnis eines programmatischen Defizits?
Scholz: Wir wollen uns intensiv mit zentralen Herausforderungen in dieser Stadt
beschäftigen. Berufliche Bildung spielt da eine ganz wichtige Rolle.
Unser Ziel muss sein, dass niemand weniger hat als einen Berufsabschluss
oder das Abitur. Wir brauchen bei der Bildung und besonders der
Berufsbildung einen Blickwechsel: Es reicht nicht, gute Ausbildung
anzubieten, sie muss auch für jede und jeden erreichbar sein. Darüber
wollen wir auf diesem Parteitag diskutieren.
taz: Bei diesem Thema gibt es keine internen Differenzen. Ist das nur
ein Showkongress, um der Öffentlichkeit zu demonstrieren, wie einig die
SPD ist?
Scholz:
Nein, so soll es nicht sein. Es geht nicht um Sprüche klopfen, sondern
darum, in der Debatte handfeste Konzepte zu erarbeiten. Auch auf den
beiden anderen Parteitagen Anfang 2011 über "Wirtschaft und Hafen" sowie "
Wohnen und Stadtentwicklung". Dass wir in Hamburg Wohnungsnot haben,
weil vor neun Jahren die CDU-geführten Senate den Wohnungsbau
eingestellt haben, ist mittlerweile leider stadtbekannt. Dieses große
Problem, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, müssen wir lösen. Und der
Hafen ist das Herzstück der Hamburger Wirtschaft und damit immer eine
Zukunftsfrage von eminenter Bedeutung.
taz: Also doch inhaltliche Defizite ausbügeln?
Scholz: Es geht selbstverständlich um die programmatische Aufstellung der SPD
zur nächsten Bürgerschaftswahl und für die Zeit danach. Und immer mit
dem Vorsatz: Was wir vorher versprechen, wollen wir auch hinterher tun.
Nur so hat Politik Zukunft, weil die Menschen genau das von einer Partei
erwarten.
taz: Bei so vielen Unklarheiten müssen Sie froh sein, dass Schwarz-Grün
weiter macht und es jetzt keine Neuwahl gibt?
Scholz: Wir hätten uns freudig einer Wahl gestellt. Aber der schwarz-grünen
Koalition fehlte dazu der Mut, jetzt quält sich der Senat noch 16 Monate
vor sich hin. Für Hamburg ist das schlecht.
taz: Sie spekulieren auf eine Wechselstimmung bei der regulären Neuwahl
im Februar 2012?
Scholz: Da muss man nicht spekulieren, die ist zum Greifen in dieser Stadt.
taz: Haben Sie keine Angst vor der angekündigten Partei des Walter
Scheuerl?
Scholz: Nein. Die SPD wird denjenigen gute Angebote machen, die von der
schwarz-grünen Koalition enttäuscht sind. Dafür wollen wir gewählt
werden, auf andere schauen wir nicht.
taz: Für die absolute Mehrheit wird es kaum reichen. Ihre bevorzugte
Koalition wäre Rot-Grün?
Scholz: Ja. Die GAL ist immer noch die Partei, mit der die SPD die meisten
Schnittmengen hat.
taz: Trotz ihrer Koalition mit der CDU?
Scholz: Die GAL hat selbstverständlich das Recht, auch mit der CDU zu koalieren.
Das hat die SPD im Bund und in anderen Ländern auch gemacht. Für die
Ergebnisse dieser Regierungszeit aber ist sie selbst verantwortlich.
taz: Wird unter einem rot-grünen Senat die Stadtbahn gebaut?
Scholz: Unsere Position ist unverändert: Die Stadtbahn ist ökologisch sinnvoll. Aber es muss geprüft werden, ob wir sie uns leisten können, und damit ist das gesamte Netz gemeint, nicht nur die erste Teilstrecke. Diese Frage ist noch offen, weil auch der Zuschuss des Bundes noch offen ist.
taz: Sie wollen also belastbare Zahlen, und wenn die positiv sind, würde
gebaut?
Scholz: Wie gesagt: Die Stadtbahn ist eine gute Idee. Aber was wir uns nicht leisten können, können wir uns nicht leisten.
taz: Sie reden schon wie ein Hamburger Bürgermeister.
Scholz: Ein sozialdemokratischer Bürgermeister wäre ganz gut für Hamburg.
taz: Und der heißt Scholz?
Scholz: Über die Spitzenkandidatur entscheidet die SPD auf einem Parteitag am 3. September 2011.
Das Interview führte Sven-Michael Veit. Sie finden das Interview auch auf der Homepage der taz.