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17.04.2000

Interview mit der taz

 

taz: Generationswechsel im Amt des Parteichefs - und dann? Wächst in der Hamburger SPD sonst noch irgendwas nach?

 

Olaf Scholz: Die Hamburger SPD hat insgesamt einen wesentlich verjüngten Vorstand bekommen, das gilt auch für die Kreisverbände. Da gibt es jetzt eine vernünftige Balance zwischen erfahrenen und neuen Mitgliedern in der Parteiführung.

 

 

Das letzte Aufgebot, scheint uns. In der Generation der 30- bis 45-Jährigen ist die Auswahl ja nicht sehr groß, mangels Masse. Da haben seinerzeit die Grünen kräftig abgesahnt.

 

Das Potential ist dennoch vorhanden. Ich stehe keineswegs einsam auf weiter Flur.

 

 

Aber bald. Die Hamburger SPD hat in zehn Jahren fast 7000 Mitglieder verloren und ist auf dem Weg zu einer Seniorenpartei.

 

Diesen Eindruck muss ich korrigieren. Wir haben sehr viele junge Leute, die künftig aber mehr Entfaltungsmöglichkeiten bekommen müssen. Und die SPD ist in Hamburg noch immer die mitgliederstärkste Partei. Aber natürlich wird eine meiner wichtigsten Aufgaben die Mitgliederwerbung sein. Wir müssen die Partei dazu für die Gesellschaft öffnen.

 

 

Das dürfte vor allem eine inhaltliche Frage sein.

 

Um die Bürgerinnen und Bürger besser zu erreichen, müssen wir uns mehr mit dem beschäftigen, was diese bewegt. Ich stelle mir drei Schwerpunkte vor. Der erste sollte sein "Kinder und Familie". Ich meine, da sollten wir unsere Konzepte - Stichwort: Recht auf Teilzeitarbeit - weiterentwickeln, um die Situation für alleinerziehende und arbeitende Eltern zu verbessern. Meine Sicht ist, dass wir an der Situation berufstätiger Mütter belegen, ob unsere Politik erfolgreich ist für die Menschen. Dies ist ein Kriterium, das ich gerne in der SPD verankern möchte.

 

 

Und was ist mit den Müttern und Vätern, die keinen Job haben? Arbeitslosigkeit ist doch an sich ein klassisches SPD-Thema.

 

Genau. Das zweite Leitthema für mich ist das der "Arbeitswelten". Den Plural benutze ich mit Absicht. Die Arbeitswelten sind nämlich sehr unterschiedlich. Es gibt nach wie vor traditionelle Arbeit in Industrie und Verwaltung. Es gibt moderne Arbeitsverhältnisse vor allem in den Medienberufen, die flexibler sind und den Arbeitnehmern mehr Verantwortung geben und aufbürden. Und es gibt gering Qualifizierte, die wachsende Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben. Es kann nicht sein, dass wir einen Wirtschaftsboom und gleichzeitig einen Mangel an Fachkräften haben, es kann nicht so weitergehen, dass so viele Menschen und besonders Jugendliche von Arbeit ausgegrenzt werden.

 

Der dritte Bereich betrifft die Spaltung in der Gesellschaft und speziell in den Metropolen. Unsere Aufgabe muss es ein, dafür zu sorgen, dass nicht neue und weitere Menschen ausgegrenzt werden. Da stellen sich sozial-, bildungs- und arbeitspolitische Fragen und auch die nach der besseren Integration von Zuwanderern. Wir brauchen eine Debatte darüber, wie wir Ausschließungstendenzen rückgängig machen und neue vermeiden.

 

 

Wie lange sollte die SPD sich denn Zeit nehmen, bis sie uns alle mit klugen Antworten auf all diese Fragen beglücken wird?

 

Wir werden diese Diskussionen über längere Zeit entwickeln müssen, nicht nur parteiintern. Es kann nicht so sein, dass eine Arbeitsgruppe ein Papier schreibt, und dann ändert sich die Welt. Ich stelle mir vor, dass wir diese Projekte in Diskussionsforen mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern erörtern. Die Ergebnisse müssen wir wieder in die Landespolitik einspeisen, wenn diese Öffnung der Partei hin zur Gesellschaft Sinn haben soll.

 

 

Und zugleich diese Form der Mitgliederwerbung erfolgreich sein soll?

 

Wenn das diesen Effekt hat, freuen wir uns sicherlich, aber das ist nicht der Ansatz.

 

 

In der Doppelfunktion Bundestagsabgeordneter und Landesparteichef sind Rollenkonflikte programmiert. Wenn die Steuerreform des Bundes zum Beispiel den Hamburger Haushalt in den kommenden Jahren erheblich belastet - wem gehört in solchen Fragen Ihre Loyalität? Dem Bundeskanzler oder den Landesinteressen?

 

Ich glaube, dass wir als Sozialdemokraten uns alle in der gleichen Situation befinden. Wir regieren in Hamburg und im Bund, und das muss zusammen passen. Wir werden von den Menschen, die uns wählen, schließlich auch als Einheit, nämlich als SPD, betrachtet.

 

 

Was heißt das konkret? Werden Sie sich im Bund dafür einsetzen, dass bei der Steuerreform für das Land Hamburg mehr rausspringt?

 

Ich glaube, dass es vielfältige Möglichkeiten gibt, darüber zu reden. Die Hamburger Abgeordneten haben den Bundesfinanzminister auch mit Fragen konfrontiert, welche die Interessen der Stadt betreffen. Und das wird auch in Zukunft so sein. Ich sehe da keine Probleme.

 

 

Ein Parteichef, der die meiste Zeit als Abgeordneter in Berlin ist - kann das überhaupt funktionieren?

 

Gute Abgeordnete sind oft bei ihren Wählerinnen und Wählern. Das dürfte daher kein Problem sein. Es ist auch nicht schwierig, hin und her zu fahren. Es ist umgekehrt viel eher so, dass der Aufwand für das Amt eines Landesvorsitzenden erheblich höher ist als viele denken. Und dauerhaft kann man das machen, wenn man Politiker von Beruf ist. Das ist mit dem Amt eines Bundestagsabgeordneten sehr gut zu vereinbaren.

 

 

Wie stellt sich ein Parteichef Scholz eigentlich die Rolle der Landespartei zwischen Senat und Bürgerschaftsfraktion vor? Die Partei als verlängerter Arm eines SPD-Senates?

 

Wir werden gut zusammenarbeiten. Alle Beteiligten müssen immer wieder im Einzelfall abwägen, wer für welche Aufgabe zuständig ist.

 

 

Das klingt sehr allgemein. Mal auf einen Einzelfall bezogen, den aktuellen Streit zwischen SPD und GAL über die Abschiebepraxis: Sagt der Parteichef Scholz demnach, das ist nicht meine Sache, sondern die von Fraktion und Senat?

 

Wir als Partei haben uns da bereits positioniert. Wir haben mit den Grünen einen Koalitionsvertrag abgeschlossen, in dem die Details dieser Thematik geregelt sind.

 

 

Und der für die SPD selbstverständlich verbindlich ist.

 

Ja.

 

 

Die vielleicht wichtigste Aufgabe des neuen Parteivorsitzenden wird sein, den Bürgerschaftswahlkampf im Herbst 2001 erfolgreich zu gestalten. Ersten SPD-internen Überlegungen nach soll Bürgermeister Ortwin Runde Spitzenkandidat werden?

 

Ja, natürlich.

 

 

Das überrascht uns jetzt nicht. Wird es denn zumindest thematisch Überraschendes geben?

 

Wir sind da noch in einem ganz frühen Stadium. Konkrete Vorarbeiten für das Wahlprogramm werden wir im Herbst angehen und dieses etwa Anfang nächsten Jahres vorstellen.

 

 

Da warten wir aber gespannt.

 

Ich bin sicher, dass es der Hamburger SPD gelingen wird, die taz hamburg nicht zu enttäuschen.

 

 

Das Interview führten Peter Ahrens und Sven-Michael Veit