Artikel von Olaf Scholz, im Magazin Einigkeit Nr. 3/2000, der NGG
Im April hat die Koalition mit der Reform des Bundeserziehungsgeldgesetzes ein Kernstück ihrer Familienpolitik auf den Weg gebracht. Das Gesetz soll am 1. Januar 2001 in Kraft treten. Ab dann können beide Elternteile Beruf und Kindererziehung miteinander vereinbaren und die Aufgaben in der Familie partnerschaftlich wahrnehmen. Für die Verbesserung haben die Regierungsparteien Mehrkosten in Höhe von rund 300 Mill. DM jährlich veranschlagt.
Erziehungsurlaub neu geregelt
Erstmals werden Mütter und Väter gemeinsam und nicht wie bisher nur abwechselnd drei Jahre Erziehungsurlaub nehmen können. Künftig können dann beide Partner nach ihren Bedürfnissen Teilzeiturlaub im Umfang von jeweils 19 bis 30 Stunden in der Woche leisten. Eltern können ihre Arbeitszeiten so miteinander abstimmen, dass alle in der Familie zu ihrem Recht kommen:
- Kinder können von Mutter und Vater gemeinsam betreut werden,
- Müttern und Vätern bleibt die berufliche Qualifikation erhalten,
- die Partnerschaft wird durch die ausgehandelte Aufgabenverteilung gestärkt.
Aber auch für die Betriebe ist die neue Regelung von Vorteil, denn:
- bewährte Fachkräfte bleiben ihnen erhalten,
- soziale Kompetenz aus der Familienarbeit findet Eingang in die berufliche Tätigkeit,
- Arbeitnehmer, die Beruf und Familie miteinander vereinbaren können, sind leistungsfähiger.
Für Betriebe mit mindestens 15 Beschäftigten, das heißt also für mehr als 70 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gilt jetzt: die Beschäftigten haben einen Rechtsanspruch auf diese Teilzeitregelung bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs des Kindes.
Mit der Zustimmung des Arbeitgebers kann ein Drittel des Drei-Jahres-Anspruchs sogar auf die Zeit zwischen dem 3. und 8. Lebensjahr verschoben werden. Das gibt den Eltern noch mehr Flexibilität in der Wahl der Betreuung ihrer Kinder.
Nach 14 Jahren Stillstand während der Kohl-Regierung werden jetzt die Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld angehoben. Sie erhöhen sich ab dem 7. Lebensmonat, und zwar je nach Familiengröße um rund 10 Prozent bis 24 Prozent. Die sogenannte Kinderkomponente soll bis 2003 sogar um mehr als 46 Prozent steigen. Durch die Erhöhung wird der Anteil der Familien, die ab dem 7. Lebensmonat des Kindes ein ungekürztes Erziehungsgeld erhalten, schrittweise von jetzt 50 Prozent auf ca. 54 Prozent im Jahr 2003 steigen. Ohne die vorgesehene Änderung würden zu diesem Zeitpunkt nur noch 45 Prozent der Familien in voller Höhe bedacht.
Neu eingeführt wird die Möglichkeit, das Erziehungsgeld auf ein Jahr zu beschränken und dadurch ein höheres Erziehungsgeld von monatlich 900 DM zu erhalten.
Durch die Anhebung der Einkommensgrenze erhalten wieder mehr junge Familien mit mittlerem Einkommen das Erziehungsgeld.
Auswirkung auf die Rente
Nach den Vorschlägen der SPD zur Rentenreform soll die Bereitschaft der Eltern, während der Kindererziehung Teilzeit zu arbeiten, keine Nachteile bei der Rente nach sich ziehen: Die Zeiten sollen bis zum 10. Lebensjahr des Kindes um 50 Prozent aufgestockt werden, höchstens aber auf das Niveau des Durchschnittsverdienstes.
Die Neuregelung des Bundeserziehungsgeldgesetzes entspricht den Wünschen vieler junger Eltern, die ein neues Rollenverständnis haben und gemeinsam neben dem Beruf Erziehungsarbeit leisten möchten.