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27.04.2014

Interview mit der "Welt am Sonntag"

 

 

Welt am Sonntag: Herr Scholz, worüber würden Sie gern zuerst reden? Hamburgs Bedeutung oder Hamburgs Arroganz? Beides ist in den Interviews mit Ihren norddeutschen Ministerpräsidenten-Kollegen immer wieder betont worden.

 

Olaf Scholz: Von der angeblichen Überheblichkeit war vermutlich vor allem in Ihren Fragen die Rede.

 

Welt am Sonntag: Das ist nicht ganz richtig, gerade in Schleswig-Holstein begegnet einem häufig der Vorwurf, Hamburg schaue vor allem auf sich selbst. Sie haben das noch nicht gehört?

 

Olaf Scholz: Nein. Die Staatsgrenze ist ja keine reale Grenze. Viele, die im Umland leben, arbeiten in Hamburg, gehen hier einkaufen oder ins Theater. Viele sind auch in Hamburg geboren. Andersherum sind rund 50 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, die heute in Hamburg leben, gar nicht hier geboren. Die stammen aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Schwaben. Viele auch aus anderen Ländern Europas und der Welt. Das mischt sich gut.

 

Welt am Sonntag: Was muss Hamburg für seine Nachbarn leisten?

 

Olaf Scholz: Hamburg ist die große Stadt im Norden, und damit meine ich nicht unseren Stadtstaat, sondern die ganze Metropolregion. Ihre Wirtschaftskraft hat zentrale Bedeutung für alle hier in Norddeutschland. Deshalb ist es wichtig, dass alle norddeutschen Bundesländer gut miteinander zusammenarbeiten. Und das tun wir ja auch.

 

Welt am Sonntag: Vermutlich auch, weil es gerade so leicht fällt. Alle Nordländer werden von SPD-Ministerpräsidenten regiert. Schaffen Sie es, daraus neue Schlagkraft zu generieren, gerade gegenüber dem dominanten Süden?

 

Olaf Scholz: Norddeutschland hat mehr als 14 Millionen Einwohner, Bayern allein etwas mehr als zwölf Millionen. Schon deshalb hat es einen Sinn, dass wir hier kooperieren, und zwar unabhängig davon, welche Partei gerade den Ministerpräsidenten stellt. Andererseits erleichtern die gemeinsamen politischen Absichten der Regierungschefs die Zusammenarbeit natürlich.

 

Welt am Sonntag: Wären zum Beispiel die jüngsten Beschlüsse zur Energiewende anders ausgefallen, wenn es diese Zusammenarbeit nicht gegeben hätte?

 

Olaf Scholz: Fakt ist, dass wir im Norden bei diesem Thema sehr eng zusammengearbeitet haben, allerdings nicht bloß als Lobbyisten für unsere Region. Wir haben zugleich die gesamtstaatlichen Notwendigkeiten im Visier gehabt. Also gibt es jetzt sowohl den dringend notwendigen Ausbau der Windkraft an Land und vor der Küste. Und es gibt Ausnahmen von der EEG-Umlage für jene energieintensiven Branchen bei uns, deren Arbeitsplätze wir sichern müssen.

 

Welt am Sonntag: Ein Punkt, der auch alle Nord-Regierungschefs beschäftigt, ist die Verkehrsinfrastruktur, insbesondere rings um Hamburg. Was muss man tun, wie viel Geld muss man investieren, um den Norden zukunftsfähig zu machen?

 

Olaf Scholz: Wir brauchen erhebliche Investitionen in unsere gesamte Infrastruktur, vor allem für die Instandhaltung der bestehenden Verkehrswege. Die müssen Priorität haben. Dazu kommt die Entlastung bestehender Engpässe an wichtigen Knotenpunkten. Neubau nur da, wo er auch sinnvoll ist und zum Beispiel den überregionalen beziehungsweise transeuropäischen Verkehrsströmen dient. Manche durchaus wünschenswerte Ortsumgehung werden wir uns vorerst sicher nicht mehr leisten können.

 

Welt am Sonntag: Welche konkreten Projekte sind für Hamburg besonders wichtig?

 

Olaf Scholz: Für uns im Norden spielt die Anbindung der Häfen die zentrale Rolle, gerade auf der Schiene und auf dem Wasser. Stichworte sind die Elbvertiefung, der Nord-Ostsee-Kanal oder der Knoten Hamburg beim Güterschienenverkehr. Wir unterstützen gemeinsam den Weiterbau von A 20, A 21, A 26 und A 39. Dazu kommt der Ausbau der Hinterlandanbindung für die feste Fehmarnbeltquerung. Und natürlich der Nahverkehr, zum Beispiel die S 4 nach Ahrensburg. Damit entlasten wir übrigens auch die Regional- und Fernverkehrsstrecken der Bahn und die Straßen.

 

Welt am Sonntag: War die neue U-Bahnstrecke 5 eigentlich Ihre Idee?

 

Olaf Scholz: Ich habe zusammen mit dem Senator für Wirtschaft und Verkehr die Hochbahn gebeten, sich Gedanken darüber zu machen, wie unser U-Bahnnetz in den 20er-Jahren unseres Jahrhunderts ausgebaut werden könnte. So etwas funktioniert ja nicht von heute auf morgen. Dazu sind, wie ich finde, sehr gute Pläne vorgelegt worden, über die wir jetzt debattieren und dann entscheiden wollen.

 

Welt am Sonntag: Haben Sie eine Vorstellung, wie die Strecke finanziert werden kann?

 

Olaf Scholz: Die Finanzierung der Investitionen würde sich über die gesamte Bauzeit, also fast das ganze nächste Jahrzehnt, verteilen. Ich gehe davon aus, dass die Hälfte der Mittel, wie auch heute in solchen Fällen, vom Bund kommen kann. Die andere Hälfte müssten und könnten wir aus dem Haushalt finanzieren. Außerdem: Wenn wir solche Investitionen nicht vornähmen, blieben wir hinter den Leistungen unserer Vorväter zurück, die vor etwas mehr als 100 Jahren die Hochbahn konzipiert hatten. Wir müssen jetzt etwas schaffen, was man auch 2080 und 2110 noch nutzen kann.

 

Welt am Sonntag: Brauchen wir zur Finanzierung der Bundesautobahnen die Pkw-Maut?

 

Olaf Scholz: Die Große Koalition in Berlin hat sich darauf geeinigt, dass eine solche Maut entwickelt werden soll, EU-rechtskonform und ohne die inländischen Autofahrer zusätzlich zu belasten ...

 

Welt am Sonntag:  was nach Auskunft vieler Experten einer Quadratur des Kreises gleicht.

 

Olaf Scholz: Es ist jedenfalls ein sehr ambitioniertes Vorhaben.

 

Welt am Sonntag: Wird es die Maut am Ende der Berliner Legislaturperiode geben?

 

Olaf Scholz: Herr Dobrindt ist da optimistisch.

 

Welt am Sonntag: Und Herr Scholz?

 

Olaf Scholz: Kennt die Pläne des Verkehrsministers nicht im Detail, sieht aber vorerst keinen Grund, den Optimismus des Ministers zu bremsen.

 

Welt am Sonntag: In der Schulpolitik, in der Gemeinsamkeit auch wichtig wäre, ist Norddeutschland gespalten. G8/G9 ist überall ein großes Thema. Niedersachsen schafft G8 gerade wieder ab. Schleswig-Holstein hält daran fest. Auch in Hamburg wird debattiert. Wie geht das aus? Bleiben Sie bei G8 an Gymnasien?

 

Olaf Scholz: In Hamburg wurde G8 sehr früh vom damaligen CDU-geführten Senat eingeführt. Ich war damals kein Freund dieser Reform, weil ich seit jeher der Auffassung bin, dass Schülerinnen und Schüler nicht nur den Unterrichtsstoff lernen müssen, sondern auch Zeit zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit benötigen. Andererseits wusste ich auch, dass es sowohl in Ostdeutschland als auch weltweit zahlreiche Wege gibt, die in acht Jahren zur Hochschulreife führen. Meine Antwort, wenn ich gefragt wurde, war damals so: Kann man machen, muss man aber nicht.

 

Welt am Sonntag: Hamburg macht es weiterhin?

 

Olaf Scholz: Für uns ist die Frage, ob wir einen Weg, den wir vor zwölf Jahren eingeschlagen haben, nun wieder zurückgehen sollen. Und das in einer Zeit, in der wir noch dabei sind, diverse andere Reformen umzusetzen. Kleine Grundschulklassen, Ganztagsangebote in fast allen Schulen, die Einführung der Stadtteilschulen, die Möglichkeit dort Abitur zu machen, die Inklusion. Das ist eine ganze Menge. Wir haben uns deshalb 2010 in der Bürgerschaft mit großer Mehrheit entschlossen, zehn Jahre keine neuen Reformen anzustoßen. Daran halten sich die politisch Verantwortlichen.

 

Welt am Sonntag: Also bleibt es bei G8?

 

Olaf Scholz: Natürlich kann man solche Beschlüsse auch umstoßen, nicht zuletzt durch einen Volksentscheid. Wir sind jetzt erst einmal daran gegangen, die direkt Betroffenen zu fragen, wie sie die Sache einschätzen: die Schulkonferenzen, also Schüler, Eltern, Lehrer. Wenn wir deren Antworten kennen, wissen wir sicherlich genauer, was die Beteiligten wollen.

 

Welt am Sonntag: Wann wird das sein?

 

Olaf Scholz: Die Umfrage wird Ende Mai abgeschlossen sein. Danach werden wir uns zügig eine Meinung bilden.

 

Welt am Sonntag: Ihre Kollegin Hannelore Kraft hat sich unlängst heftig über die Sitten im politischen Berlin beklagt. Teilen Sie Ihre Kritik?

 

Olaf Scholz: Meine diesbezüglichen Härtetests habe ich ja bereits hinter mir. Ich komme damit ganz gut zurecht. Im Übrigen hatte Hannelore Kraft nicht vor, eine bundesweite Debatte über dieses Thema zu eröffnen. Und insofern: Punkt.

 

Welt am Sonntag: Frau Kraft hat auch mal gesagt, dass Sie nie, nie Kanzlerkandidatin werden wolle. Geht Ihnen das genau so?

 

Olaf Scholz: Ich will unbedingt wieder Erster Bürgermeister werden.

 

Welt am Sonntag: Wenn das klappt und Sie im Februar wiedergewählt werden, könnten Sie der Erste Bürgermeister sein, der die Elbphilharmonie tatsächlich einweiht. Ist das für Sie ein Ziel?

 

Olaf Scholz: Ja. Das will ich erreichen. Und nach der Neuordnung der Verträge, die wir durchgesetzt haben, läuft ja auch alles. Die Probleme sind überwunden, und alles deutet darauf hin, dass wir 2017 eröffnen können.

 

Welt am Sonntag: Was passiert an diesem Tag in Hamburg?

 

Olaf Scholz: Musik! Musik!

 

Welt am Sonntag: Spielen Sie dann selbst auch ein Stück?

 

Olaf Scholz: Ich habe als Schüler aufgehört Oboe zu spielen und kann es jetzt bestimmt nicht mehr.

 

Welt am Sonntag: Was bedeutet es für Hamburg, wenn der HSV absteigt?

 

Olaf Scholz: Wir alle hoffen, dass das nicht passiert.

 

Welt am Sonntag: Was kann der Bürgermeister noch tun, um das zu verhindern?

 

Olaf Scholz: Daumen drücken.

 

Das Interview führten Ulrich Exner und Jörn Lauterbach.