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07.07.2001

Interview mit der Welt Innere Sicherheit

Interview mit der Welt Innere Sicherheit

 

DIE WELT: Herr Senator, fünf Wochen vor Ihrem Amtsantritt haben Sie als Parteichef noch betont, dass die wahlkampfbestimmenden Themen Kinder, Familie, Arbeitswelten und Gerechtigkeit seien. Jetzt dominiert doch die innere Sicherheit, sollen harte Maßnahmen gegen Dealer, die Bekämpfung der offenen Drogenszene durchgesetzt werden. Wie kam es zu dem Sinneswandel?

 

Olaf Scholz: Für die SPD sind die Erfolge, die wir in der Wirtschafts- und Sozialpolitik haben, und die Dinge, die bei der Bildung und Arbeitslosigkeit vorangebracht wurden, weiter ganz bedeutsame Themen. Bei der inneren Sicherheit waren wir immer der Meinung, dass das ein Thema ist, wo man handeln muss. Das ist jetzt die Aufgabe, die ich als Innensenator habe.

 

 

Nach dem Motto nicht reden, sondern tun?

 

Handeln ist bei diesem Politikfeld von großer Bedeutung. Aber natürlich muss diese Politik auch rübergebracht werden. Wir müssen uns zu den Anforderungen dieser Aufgabe bekennen und sagen, dass das, was mit Polizei und Repression zu tun hat, auch in guten Händen ist.

 

 

Warum erst jetzt, nicht einmal drei Monate vor der Wahl?

 

Ich bin seit einem Monat im Amt. Dass andere das jetzt auf den Wahlkampf beziehen, damit musste man rechnen. Das darf einen aber nicht vom richtigen Handeln ab­halten. Ich habe mir vier Wochen Zeit gelassen und nicht gleich nach Amtsantritt Maßnahmen verkündet. Jetzt haben wir ein gut vorbereitetes Konzept, das nicht nur kurzfristig ist, sondern langfristig durchgesetzt und entsprechende Wirkungen haben wird.

 

 

Ist das Konzept nicht ein klares Eingeständnis bisheriger politischer Versäumnisse?

 

Es macht keinen Sinn, sich damit aufzuhalten. Es geht darum, was der Innensenator jetzt macht.

 

 

Das Konzept, das Sie jetzt unter Einbindung von vier Senatoren und den Grünen vorgestellt haben, enthält aber jahrelange Maßnahmen und Forderungen politischer Gegner, die die SPD-GAL-Mehrheit und auch explizit der Landesverband noch vor Wochen kategorisch abgelehnt haben. Wie erklären Sie das?

 

Die letzten Wochen haben gezeigt, dass es einen Unterschied gibt zwischen einer klugen, abgewogenen und handlungsstarken Politik und schnell dahingeworfenen Konzepten wie dem der CDU. Eine so umfassende realisierbare Konzeption, wie sie jetzt vorgelegt wurde, ist da niemandem eingefallen.

 

 

Die Verabreichung von Brechmitteln, konsequente Abschiebung, die Vergabe des Hausrechtes auf dem Bahnhofsvorplatz und die strikte Anwendung bestehender Gesetze sind dennoch punktgenau Forderungen der CDU und der Schill-Partei.

 

Natürlich unterscheiden sich die Forderungen der Mitbewerber von unserem Konzept. Die Gesamtmaßnahmen, die wir jetzt treffen, sind notwendig. Dass sie Einzelfor­derungen politischer Wettbewerber enthalten, darf doch nicht dazu führen, dass wir auf entsprechende Maßnahmen verzichten.

 

 

Vor allem Brechmittel oder auch der verstärkte Einsatz von Videoüberwachung waren bislang Tabus für Senat und Koalitionsfraktionen, ebenso für die SPD. Warum jetzt nicht mehr?

 

Wir haben nicht danach geguckt, was vorher war, sondern gut und sorgfältig geplant, was richtig ist. Was Brechmittel anbetrifft, haben sich neue Erkenntnisse ergeben, die zu einer neuen Bewertung geführt haben.

 

 

Nach Ihren Worten soll die Vergabe von Brechmitteln von Staatsanwälten angeordnet werden. Nach dem Gesetz ist aber eine richterliche Anordnung erforderlich.

 

Grundsätzlich steht dem Richter die Anordnung zu, bei Gefahr im Verzug aber auch der Staatsanwaltschaft und ihren Hilfsbeamten. Wie Staatsanwaltschaft und Gericht das im Einzelnen regeln, ist deren Sache.

 

 

Reichen die Plätze, in denen Sie jugendliche Dealer bis 16 Jahre in besonders betreuten Wohnungen unterbringen wollen, aus?

 

Derzeit sind nicht mehr als zehn dieser Intensivdealer bekannt. Dafür reichen die Plätze.

 

 

Und für über 16-Jährige?

 

Sind Kapazitäten zu entwickeln, mit der hohen Verbindlichkeit und nicht nur in Hamburg.

 

 

Gleich nach Ihrem Amtsantritt haben Sie zwei Personalentscheidungen getroffen, andere behielten Sie sich für einen späteren Zeitpunkt vor. Werden weitere Köpfe rollen?

 

Wir werden uns langfristig immer bewegen müssen. Ich mache keine Schnellschüsse, sondern ich lerne die Menschen, mit denen ich arbeite, kennen, und dann entscheide ich.

 

 

Was bedeutet das für die Zukunft des Polizeipräsidenten?

 

Das ist eine Diskussion, die andere führen. Ich will mir schon die Mühe machen, den Kennenlern-Prozess zu führen, und der ist für die Behörde noch nicht abgeschlossen.

 

 

Wird die verstärkte Präsenz der Polizei woanders Lücken reißen?

 

Das sehe ich nicht, vor allem vor dem Hintergrund der 61 Stellen, die wir nicht streichen und die wir jetzt mit BGS-Beamten besetzen.

 

 

Das Interview führte Ira von Mellenthin.