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22.02.2013

Matthiae-Mahl "Auf eine gute Zukunft im gemeinsamen Europa"

 

Sehr geehrter Herr Premierminister,

sehr geehrter Herr Wickert,

sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,

sehr geehrter Herr Doyen, 

sehr geehrte Mitglieder des Konsularischen und Diplomatischen Korps,

sehr verehrte Ehrenbürger Greve,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

zum Convivium eines Ehrbaren Rates, dem traditionsreichsten noch begangenen Gastmahl der Welt, begrüße ich heute als Ehrengäste den Premierminister der Französischen Republik, Jean-Marc Ayrault, und den Publizisten und Frankreich-Freund, Beobachter und Begleiter, Herrn Ulrich Wickert.

 

Ich begrüße Sie in einem Jahr, das Hamburg gleich mehrere Anlässe bietet, sich der engen Beziehungen zum Nachbarland Frankreich zu vergewissern. Der jüngste und wichtigste: 1963 haben der Präsident der Fünften Republik, Charles de Gaulle, und der Kanzler der jungen Bundesrepublik, Konrad Adenauer, mit  der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages die deutsch-französische Freundschaft sozusagen vorab besiegelt. Denn mit Leben wollte sie erst noch gefüllt sein.

 

Das, meine ich, ist in den zurück liegenden fünfzig Jahren in großartiger Weise gelungen. Auch deshalb war es ein wirklich historisches Ereignis, das die Regierungen und Parlamente beider Länder vor vier Wochen in Berlin gemeinsam gewürdigt haben und dem das derzeitige deutsch-französische Jahr gewidmet ist. 

 

Sie, Herr Premierminister, sind ein ausgewiesener Kenner der deutschen Sprache. Sie sind in Frankreich und darüber hinaus als Bürgermeister der Stadt Nantes mit unglaublichen 23 Jahren Amtszeit eine Institution. Nantes, das unter Ihrer Regierung zu einer in ganz Europa hoch anerkannt innovativen Stadt entwickelt wurde Umwelthauptstadt 2013, ein Titel, den Hamburg auch mit Stolz getragen hat.  

 

Sie haben im vergangenen Jahr mit reichen politischen Erfahrungen auch auf nationaler Ebene das Amt des  Ministerpräsidenten der Französi-schen Republik übernommen und tragen in dieser Funktion wichtige Hoffnungen Ihres Landes.

 

Und Sie sind als herausragender Botschafter des europäischen Gedankens Preisträger der Carlo-Schmid-Stiftung Hinweis auf eine weitere herausragende Persönlichkeit aus der Zeit der jungen Bundesrepublik Deutschland, auf Carlo Schmid , der durch persönliche politische Biographie geprägt, wichtiger Brückenbauer zwischen Deutschland und Frankreich war.

 

Es gab in Deutschland immer eine heimliche Bewunderung für Frankreich, in vielen Fällen auch die offen eingestandene Liebe zu dem faszinierenden Nachbarland. Spätestens seit die Stadt Paris Mitte des 19. Jahrhunderts den technischen Fortschritt des neu angebrochenen Industriezeitalters der Welt vor Augen führte, in der ersten von mehreren großen Ausstellungen, war die Grande Nation ein faszinierender Bezugspunkt für viele Deutsche, die vom technischen Fortschritt begeistert waren und vom politischen Fortschritt träumten.

Ein Bezugspunkt auch für viele freiheitlich-fortschrittlich gesinnte Hamburger. Die Zeit unter Napoleon lag erst zwanzig Jahre zurück, als Heinrich Heine dem deutschen Publikum aus Paris die Französischen Zustände schilderte soweit die Preußische Zensur es zuließ. Denn die sympathisierte, Patriotismus hin oder her, vorrangig mit den gekrönten Häuptern in beiden Ländern. Der Dichter, der heute nicht weit von hier nachdenklich über den Rathausmarkt blickt, aber in Paris begraben liegt, und viele andere hatten zu ihrer Zeit Deutschland verlassen, weil sie nur in Frankreich frei atmen konnten. 

 

Damit habe ich binnen weniger Sätze fünf Persönlichkeiten nennen können, unterschiedlicher Profession und Couleur, die aber dieselbe Einsicht geteilt und mit Engagement danach gehandelt haben beziehungsweise es noch tun. Die Einsicht, dass es gut für Frankreich und Deutschland, aber vor allem auch gut für Europa ist, wenn Franzosen und Deutsche Europa nach vorn bringen.

 

Es fällt auf: Diese Freundschaft und die Zusammenarbeit lässt sich anhand von Persönlichkeiten beschreiben. Vielleicht ist das kein Zufall. Wir waren schon immer Nachbarn, unsere Geschichte war aber über lange historische Phasen nicht durch Zusammenarbeit, sondern durch blutige Konflikte geprägt  - und es bedurfte starker politischer Partner zur rechten Zeit, die unser Zusammenarbeitspotenzial nicht nur für unsere beiden Nationen, sondern für ganz Europa fruchtbar machten.

 

Und da fallen einem noch mehr Persönlichkeiten ein: Aristide Briand und Gustav Stresemann, die in der Zeit zwischen den Weltkriegen für kurze Zeit die Perspektive einer friedlichen Zusammenarbeit aufscheinen ließen und mutige Schritte taten, die angebliche Erbfeindschaft zu überwinden.

 

In unserer unmittelbaren Vergangenheit haben Helmut Schmidt und Giscard d´Estaing die Direktwahl des Europäischen Parlaments und den Plan angeregt, den ihre Nachfolger dann verwirklichten: das Europäische Währungssystem als großes wirtschaftliches und politisches Projekt.

 

Wir sollten aber nicht in der Erinnerung an das Handeln bedeutender französischer und deutscher Staatsmänner verharren, sondern ihr Wirken als Auftrag an die politischen Führungspersönlichkeiten unserer Zeit verstehen, zu kooperieren. Das ist für eine gute Zukunft Europas immer noch unverzichtbar.

 

Meine Damen und Herren,

wenn Hamburgs größter Handelspartner heute Frankreich ist übrigens sogar ohne Einbeziehung von Airbus , dann wurzelt das einerseits in uralten Handelsbeziehungen; nicht von ungefähr gab es hier schon vor 434 Jahren einen französischen Konsul. Andererseits kommen auch deshalb mehr als 20 Prozent der Hamburger Importe aus Frankreich, weil Köpfe wie eben Schmidt und Giscard über damalige Handelsschranken, oder jedenfalls lästige Hindernisse hinauszudenken vermochten.

 

Unsere Zusammenarbeit braucht eben mehr als gemeinsame Werte, politische und  ökonomische Interessen: Sie braucht auch das persönliche, konkrete Engagement politisch Verantwortlicher. 

 

Und es hat ja etwas gebracht: Unsere bilaterale Zusammenarbeit hat Europa vorangebracht und war immer wieder treibende Kraft. Wir haben gemeinsam große, erfolgreiche Projekte bewegt:  Wir entwickeln und bauen gemeinsam Flugzeuge - heute Nachmittag haben wir gemeinsam die Airbus -Produktionsanlagen in Finkenwerder besucht, die einen ganz engen Bezug zu Toulouse haben.  Dieses Projekt ist ein konkretes Beispiel und Modell regionaler Kooperation in einem zukunftsfähigen High-Tech-Bereich, eingebettet in Europas Zusammenwachsen, zutiefst nützlich und mit symbolischer Ausstrahlung.

 

Und das Projekt steht nicht allein: 

Wir betreiben gemeinsam Programme der friedlichen Nutzung des Weltraums, wir betreiben gemeinsam große wissenschaftliche Infrastrukturen   jeweils fest verankert in europäischen Programmen. Diese gemeinsamen Projekte haben neben dem Nutzen für unsere Ökonomien - unzählige aktive Bürger unserer Länder zusammengebracht. Lauter Partner unterdessen: viele Freunde.

 

Ich weiß heute, aber ich musste es wie die meisten meiner Generation erst nach und nach begreifen, wie wenig selbstverständlich die neuere Entwicklung vor dem Hintergrund der Geschichte ist. Und wie viele mutige, weitsichtige Leute dafür gearbeitet haben. 1958 geboren, hatte ich schon das Privileg, in eine selbstverständlich scheinende Atmosphäre der guten Nachbarschaft und Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich hineinzuwachsen.

 

Meine Damen und Herren,

die Städtepartnerschaft mit Marseille, die nunmehr seit 55 Jahren besteht, ist ein weiteres wichtiges Datum und einer der spezifisch Hamburger Beiträge, unsere Nachbarschaft zu einer engen Freundschaft werden zu lassen. Schade, dass ich an der feierlichen Unterzeichnung 1958 nicht teilnehmen durfte. Ich war genau 26 Tage alt. 

 

Ich werde aber in Kürze erneut das Vergnügen haben, nach Marseille zu reisen. Ich werde gemeinsame Projekte zum Beispiel im Bereich der Stadtentwicklung besichtigen und mir einen Eindruck von einem der faszinierenden französischen Großprojekte zwischen Region und dem Zentralstaat verschaffen von dem Projekt der Europäischen Kulturhauptstadt, besser Kulturregion:  Marseille Provence.

 

Heute besteht zwischen Hamburg und Marseille, und den umgebenden Regionen, eine enge Partnerschaft und Verflechtung. Und natürlich zwischen Hamburg und Toulouse, wobei dort der Anker die gemeinsame Arbeit am Airbus ist. Diese Zusammenarbeit von Städten hat einen übergeordneten Hintergrund: 

 

Europas große Städte wachsen. Das ist gut. Hamburg mit seinen 1,8 Millionen Einwohnern, davon 200.000 neue seit den 1990er Jahren, wird gegen Ende des nächsten Jahrzehnts auf 1,9 Millionen oder mehr, vielleicht zwei Millionen gewachsen sein. Die Metropolregion hat jetzt fünf Millionen. Jeder hundertste der mehr als 500 Millionen EU-Bürger lebt und arbeitet hier.

 

Und natürlich blickt Hamburg auf das ganze Europa, sehen wir uns als Teil des Europäischen Einigungsprojekts.

 

Ein unverzichtbarer Baustein des europäischen Hauses ist der Euro. Die Währung zahlreicher Mitgliedsstaaten der EU, die künftige Währung auch in weiteren Ländern der Europäischen Union. Die gemeinsame Währung Frankreichs und Deutschlands. Unsere Währung.

Der Euro ist unsere Währung, nicht anders als 1948 und danach die D-Mark unsere Währung in Deutschland war und zum Startkapital, im besten Sinne des Wortes, wurde, als unser Land zum zweiten Mal die Chance eines demokratischen Neubeginns erhielt.  

 

Keine Frage: Manche Staaten Europas, mit denen wir die Währung teilen, sind in Schwierigkeiten. Keine Frage auch: Wir lassen sie nicht im Stich. Das gehört zur Solidarität in der europäischen Familie.

 

Diese Solidarität kann gelingen, weil wir mit der Europäischen Zentralbank und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus Institutionen geschaffen haben, diese Währung gegen Angriffe zu verteidigen.

 

 

Und der Fiskalpakt dokumentiert einen Konsens darüber, dass diese Staaten Handlungsspielräume nur erhalten oder zurückgewinnen können, indem sie Haushalte dauerhaft konsolidieren.

 

Es mehren sich hoffnungsvolle Zeichen, dass die Überwindung der Krise um die Währung und die Staatsschulden gelingen könnte.

 

Diese Zeichen sollten uns aber auch ermutigen, nicht nur an unsere Währung zu denken, sondern auch an die Jüngeren. Die hohe Arbeitslosigkeit der jungen Männer und Frauen in manchen Staaten Europas muss unser aller Herz berühren. Es ist unser aller Jugend.

 

Meine Damen und Herren,

ich habe eingangs von mehreren Ereignissen gesprochen, die sich in diesem Jahr rundeten: 50 Jahre Elysee-Vertrag, 55 Jahre Städtepartnerschaft ... Das dritte, eigentlich erste Ereignis in dieser Reihe war die Gründung der deutsch-französischen Gesellschaft Cluny hier in Hamburg schon vor 66 Jahren. Gerade sie will ich erwähnen, denn 1947 so einen beherzten Wiederanfang zu machen, als das Europäische Einigungsprojekt nur eine vage Zukunftshoffnung war, das verdient hohen Respekt bis heute.

 

Beziehungen aller Art zwischen Deutschland und Frankreich im Geiste der Völkerverständigung, Friedensbereitschaft und gesamteuropäischen Zusammenarbeit zu pflegen, nicht weniger als das war das Ziel der Initiatoren. Und wenn es heute in Hamburg ein reges deutsch-französisches Kulturleben mit einem aktiven Institut francais gibt, zweisprachige Kindergärten und Schulen, eine Hamburgische Woche in Marseille nächsten Monat, viele Partnerprojekte und noch mehr persönliche Freundschaften, dann ist ein wichtiger Schritt von vielen 1947 in Hamburg getan worden. 

 

Eine wunderbare Illusion, diese Auszeichnung haben Sie, Ulrich Wickert, vor Jahren im Untertitel Ihres Frankreich-Buches Ihrem Traumland verliehen. Ich bin sicher: Der große Reiz aber auch die Herausforderung unserer Zusammenarbeit auf nationaler und regionaler Ebene ist, dass wir langfristige Perspektiven und Realität immer wieder zusammenbringen und Realität für die Zukunft weiterentwickeln. 

 

So wie die einst scheinbar illusionäre deutsch-französische Freundschaft Realität geworden ist und so, wie es die großen Persönlichkeiten der deutsch-französischen Zusammenarbeit in der Vergangenheit  vorgelebt haben.

 

Auf eine gute Zukunft im gemeinsamen Europa.

 

Es gilt das gesprochene Wort.