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19.04.2012

Mitgliederversammlung des Bankenverbandes Hamburg

Sehr geehrter Herr Meuser,

sehr geehrter Prof. Dr. Steffens,

meine Damen und Herren,

 

wenn Hamburg eine europäische Metropole ist und so lautet mein heutiges Thema , dann muss Hamburg auch ein europaweit bedeutender Finanzplatz sein.

 

Nach dem, was ich bisher heute mitverfolgen konnte, bin ich sehr guten Mutes. Natürlich weiß ich nichts über den nicht-öffentlichen Teil dieser Veranstaltung. Aber an guten Nachwuchskräften mangelt es augenscheinlich nicht.

 

Das muss auch so sein, denn wie Sie alle wissen, liegt die Weiterentwicklung und Stärkung des Finanzplatzes Hamburg mit den fast 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kredit- und Versicherungsgewerbe dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg sehr am Herzen. 

 

Deshalb war es mir auch ein persönliches Anliegen, durch intensive Zusammenarbeit mit der EU-Kommission eine tragfähige Lösung für die HSH Nordbank zu finden, die deren Weiterbestand dauerhaft sichert und die Schiffsfinanzierung als weiteres Standbein auch weiterhin ermöglicht.

 

Hamburg ist eine große Stadt in Europa. Ab morgen übrigens, wenn wir den neuen Staatsvertrag unterzeichnen, sind wir eine noch größere Metropolregion in Europa mit mehr als fünf Millionen Einwohnern. Jeder hundertste EU-Bürger lebt dann in diesem starken Stück Norden an beiden Ufern unserer Lebensader Elbe.

 

Eine große Stadt in Europa, das ist nicht allein eine Frage der wachsenden Einwohnerzahl, so sehr uns diese Entwicklung freut und wir weiterhin daran arbeiten. Eine große Stadt in Europa zu sein, bedeutet zu allererst eine Verpflichtung, gleichzeitig aber auch eine Riesenchance.

 

Jeder, der für Olaf Scholz arbeitet, so wurde es neulich in der Presse behauptet, muss das Buch von Edward Glaeser, Triumph of the City, gelesen haben. Das vermittelt einen ganz falschen Eindruck. Erstens hat die komplette Senatskanzlei dieses Buch absolut freiwillig verschlungen. Zweitens wächst die Zahl der lesenswerten Veröffentlichungen zum Thema ständig.

 

Just Cities heißt eine Publikation von Isabelle Jasmin-Roth. Ein wunderbarer Titel, gerade wegen der Doppelbedeutung des Wortes.

 

Just Cities genau dort wollen wir leben: In gerechten Städten; in Städten, die den Hoffnungen und Erwartungen ihrer Bewohner auf ein gutes Leben gerecht werden.

 

Das gilt ganz besonders für die Hoffnungen und Erwartungen derer, die neu in die Städte ziehen, um die dortigen Möglichkeiten zu nutzen. Um ein gutes Auskommen für sich und ihre Familien zu haben und mit urbanem Selbstverständnis an dem teilzuhaben, was brausendes Leben ist.

 

Denn die zweite Bedeutung von Just Cities ist ja: Wir sind einfach Stadt. Laid back und doch mit dem Gespür für aufregende Veränderungen. Damit ist eine Lebensform angedeutet, die sich mit gelassener Selbstverständlichkeit auf das Zusammenleben mit Vielen, mit Anderen einlässt.

 

Ich zitiere die Autorin: Chancen auf Fortschritt, den die Verstädterung mit sich bringt, gibt es jede Menge. Wenn die künftige Generation von Stadtplanern fähig ist, mit der kommenden massenhaften Migration in sozial und politisch verträglicher Weise umzugehen, dann hat dieser Wandel das Potenzial, der Motor eines neuen kulturellen und ökonomischen Durchstartens zu werden.

 

Zitatende, und ich kann für Hamburg hinzufügen: mitten in Europa.

 

Hamburg ist viel mehr und in ganz anderer Weise als früheren Generationen vorstellbar Teil des Europäischen Einigungsprojektes. Die Metapher vom Hamburger Hafen als Tor zur Welt ist nicht neu. Aber dass wir in viel größerem Rahmen denken und kooperieren können als vor dem Zusammenwachsen Europas, vor dem Verschwinden all der eisernen Vorhänge, Zäune, Zollgrenzen und Handelsschranken das ist ein unschätzbarer Fortschritt für uns.

 

Und der wirtschaftliche Aufbruch konnte nur gelingen durch den europäischen Aufbruch zur Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit, Reise- und überhaupt: Freiheit.

 

In diesem Europa ist Hamburg, bescheiden und selbstbewusst, eine Ankunftsstadt. 200.000 zusätzliche Stadtbürger seit Anfang der 90er Jahre zeugen davon. Wir wollen den Hoffnungen und Erwartungen der Bewohner derer, die schon da sind, und derer, die neu ankommen auf ein gutes Leben gerecht werden.

 

Wir wollen auch die Einbürgerung weiter fördern und tun es mit Erfolg. 400.000 Zuwanderer leben in Hamburg. 160.000 von ihnen haben schon den deutschen Pass. 137.000 könnten ihnen folgen. Die schreibe ich an und lade sie ein, Deutsche zu werden.

 

Das ist übrigens das genaue Gegenteil von Verramschen des deutschen Passes, wie es neulich jemand bezeichnen zu müssen glaubte. Vielmehr ist es ein sehr gutes Angebot, denn der deutsche Pass taugt ja etwas. Den können wir jederzeit präsentieren und denjenigen, die es wollen und die Voraussetzungen erfüllen, damit eine bessere Teilhabe ermöglichen. Indem wir auch ihren Elan und Optimismus nutzen. Das ist früher viel zu wenig gemacht worden.

 

Hamburg ist eine global vernetzte europäische Metropole, Teil eines Europa mit mehr als 500 Millionen Einwohnern und 220 Millionen Arbeitskräften. Und der Blick unserer Stadt wird immer und immer mehr auf Europa gerichtet sein. Er wird nicht an einer nationalen Grenze halt machen. Was in Barcelona und Budapest geschieht, oder in Athen, interessiert uns nicht weniger als aktuelle Ereignisse in Berlin oder Kiel.

 

Hamburg ist heute der Wirtschaftsraum mit den besten Aussichten in Deutschland. Hamburg hat einen guten Branchenmix und eine gesunde wirtschaftliche Basis. Industrie, Handel, Dienstleistungen, Medien, der Hafen sind Stabilitätsanker realer Wertschöpfung, mit denen die Stadt und ihr Umland vergleichsweise unbeschadet durch kleinere und größere Krisen gekommen sind.

 

Und wenn ich sage: realer Wertschöpfung, dann ist auch den Banken ihre richtige Rolle zugestanden, eingeräumt, oder wie soll ich sagen: können sie diese Rolle gekonnt ausfüllen, nämlich die mit Recht so genannte Realwirtschaft anzuschieben und zu fördern. Denn ob die funktioniert, steht und fällt an jedem Wirtschaftsstandort also auch in Hamburg mit ihren Finanzierungsbedingungen.

 

Meine Damen und Herren,

der Hamburger Hafen verbindet deutsche Unternehmen mit ihren Absatzmärkten in aller Welt und sichert durch den Import von Rohstoffen und Vorleistungsprodukten die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandortes Deutschland. Entsprechend bedeutsam ist der stetige Ausbau der vitalen Verkehrsverbindungen.

 

Die Fahrrinnenanpassung der Elbe wird die Funktionsfähigkeit des Hafens sichern, davon können wir inzwischen ausgehen. Der große Standortvorteil, den der Hamburger Hafen bietet auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit sind seine umfassend ausgebauten Hinterland-Anbindungen. Deren Ausbau und Unterhaltung haben für den Senat hohe Priorität und gerade hier kommt immer wieder Europa ins Spiel oder besser: muss Europa  das Spiel machen. 

 

Die Revision der Transeuropäischen Netze Verkehr hat Hamburg und Schleswig-Holstein in das Kernnetz eingebunden, das bis 2030 vollendet sein soll. Zehn Korridore bilden die Grundlage für die künftige Verkehrsinfrastruktur Europas.

Hamburg kann der Entwicklung zuversichtlich entgegensehen, denn die feste Querung über den Fehmarnbelt ebenso wie die Strecke Kopenhagen-Hamburg via Fehmarn sind Teil dieser Planungen, inklusive der nötigen Zuführungsstrecken der Bahn. Auch die so genannte Y-Trasse, die im Süden Hamburgs den Güterverkehr flüssiger machen soll, ist aufgeführt.

 

Hamburg ist aber neben Hafen und Handel auch einer der größten und bedeutendsten Industriestandorte Europas. Die Metropolregion ist einer der drei großen Luftfahrtstandorte in der Welt. Einer der größten Kupferproduzenten der Welt produziert hier. Windenergieunternehmen wählen zunehmend Hamburg als ihren Standort für ihre deutschen, europäischen oder auch weltweiten Headquarter. Die Aufzählung ließe sich noch beliebig fortsetzen.

 

Meine Damen und Herren,

der Anfang März beschlossene Fiskalpakt galt zu dem Zeitpunkt als Meilenstein, nach den Worten der Bundeskanzlerin sogar in der Geschichte der Europäischen Union. 25 EU-Staaten hatten sich zu  mehr Haushaltsdisziplin verpflichtet und das deutsche Wort Schuldenbremse fand Eingang in den Sprachschatz verschiedener Länder. Schon mal deutlich besser, würde ich behaupten, als frühere Wort-Exporte wie Angst oder Waldsterben.

 

Jetzt ziehen erneut dunkle Wolken auf, aktuelles Stichwort Spanien, und manche, die sich im Vertrauen auf Herman van Rompuy bereits wieder auf das Promenadendeck gewagt haben der EU-Gipfelchef hatte ja gesagt, der Euro werde nach dem Vertragsschluss in ruhige Gewässer kommen manche fürchten nun weiteres Rollen und Stampfen.   

 

Ich finde, man muss zwei Dinge unterscheiden: Auf der einen Seite die Tatsache, dass die richtige Forderung nach harten Konsolidierungs-Anstrengungen, und das gleichzeitige Verlangen nach Wachstum die Politik nicht vor eine einfache Aufgabe stellt. In der Situation ist Griechenland und es muss für die gesamte Union selbstverständlich sein, dass sie ihrem zur Zeit geschwächten Mitgliedsland hilft. Sonst sehen wir noch lange Zeit Bilder von Straßenszenen aus Athen, die anschaulich zeigen, was Rezession für die Bevölkerung bedeutet.

 

Übrigens: Wir tun das. Ein Schuldenverbot ab 2020 kommt in die Hamburger Verfassung. Es begrenzt das Ausgabenwachstum per Jahr auf 1 Prozent. 2020 werden wir nur circa 12,5 Milliarden ausgeben.

 

Und dann die Tatsache, die auch eine ist, dass es zum Euro keine sinnvolle Alternative gibt und dazu, dass alle Euroländer Euroländer bleiben. Welche Bedeutung der Euro für den Handels- und Bankenplatz Hamburg hat, muss ich hier nicht betonen.        

 

Wir reden längst von mehr als einem bloßen Zahlungsmittel für mehr als 330 von insgesamt 500 Millionen Unions-Europäer. Mittlerweile ist der Euro jetzt benutze ich den Begriff der Kanzlerin einer der wesentlichsten Meilensteine der  europäischen Integration. Und ja, eine große Erfolgsgeschichte. Und gerade Hamburg profitiert als so bedeutender Handelsstandort massiv vom Euro, von stabilen Außenwerten und dem Wegfall von Wechselkursen.

 

Wir Deutschen haben schließlich nach dem zweiten Weltkrieg mit der D-Mark bewiesen, wie wichtig eine starke Währung für den Aufbau eines starken, aber eben nicht dröhnenden staatlichen Selbstbewusstseins sein kann.

 

Der Euro ist nach wie vor eine der wichtigsten Währungen der Welt und garantiert, dank des umsichtigen Agierens der Europäischen Zentralbank, seit einem Jahrzehnt Inflationsraten von unter drei Prozent in der gesamten Eurozone.

 

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch auf meinen Vorschlag zur Einführung von gemeinsamen Anleihen von Bund und Ländern eingehen.

 

Bei allen aktuellen Schwierigkeiten gilt: Die Entscheidung für eine gemeinsame europäische Währung war und bleibt richtig.

 

Meine Damen und Herren,

Europa, in das die große Stadt Hamburg eingebettet ist, hat weitere große Aufgaben vor sich. Die anstehende Energiewende steht nicht nur in Deutschland an. Wir gehen mit dem Atomausstieg und dem Umstieg in die Erneuerbaren beherzt voran. Über kurz oder lang werden andere folgen, auch wenn aktuell verschiedene Länder noch keine Regel-Modernisierung akzeptieren wollen, die den Anteil der Regenerativen am europäischen Gesamtenergiemix voran treibt.

 

Kommissionspräsident Barroso hat vermutlich Recht, wenn er prophezeit, dass die Energiepolitik das nächste große europäische Integrationsprojekt sei. Es gibt eine Roadmap 2050, die Vision für eine langfristige Klima- und Energiepolitik in Europa, die zeigt, wie bis 2050 insgesamt 80 Prozent CO2 eingespart werden sollen verglichen mit 1990.

 

Der Rat der europäischen Energieminister hat sich vor Jahresfrist dafür ausgesprochen, die Netzkorridore für das Offshore-Netz in den nördlichen Meeren prioritär einzustufen, einschließlich ihrer Verbindungen zu den Netzen und Speichern an Land. Die ersten Windparks in Nord- und Ostsee liefern bereits Strom.

 

Hamburg hat eine geradezu ideale Lage an der Schnittstelle und Hamburg hat ein großes Interesse daran, Teil eines europaweiten smart grids zu  sein, eines intelligenten Netzes in jeder Bedeutung des Begriffs. Mit unserer eigenen Hamburger Energiewende haben wir den Kurs abgesteckt, wie wir Strom aus Atomkraftwerken ersetzen, den erneuerbaren Energien Vorrang geben und uns in die Lage versetzen, Energie zu speichern und dann verfügbar zu machen, wenn sie gebraucht wird.

 

Gestern hat die Bürgerschaft in 1. Lesung zugestimmt, dass die Stadt 25,1 Prozent der Hamburger Energieverteilnetze zurückkauft. Das ermöglicht Investitionen in Speicher für Fernwärme, Power to Gas. Speichertechnologie muss dafür sorgen, dass Windstrom nicht nur dann genutzt werden kann, wenn es weht.

 

Hamburg, wie angedeutet schon jetzt Standort Nr. 1 in Deutschland für die Windkraftbranche, schon jetzt mit einem starken Regenerative-Energien-Cluster, wird auch wirtschaftlich stark von dem Innovationsschub profitieren. Wir brauchen aber ein verbessertes Netz dringend.

 

Der Anschluss der Offshore-Anlagen an die Stromnetze an Land muss schneller kommen. Er kann nicht an der finanziellen Kapazität eines Unternehmens scheitern.

 

Wenn aber die Kommission die Kosten für den Ausbau der Stromnetze in der EU bis 2020 auf circa 140 Milliarden Euro schätzt, dann sollte der Finanzplatz Hamburg von dieser Entwicklung profitieren, indem geeignete Finanzierungs-konzepte hier entwickelt werden.

 

Meine Damen und Herren,

es ist Kern und Konstante der Europäischen Bewegung, dass Krisen immer wieder als Chancen genutzt wurden. Erst recht sollten wir die Chancen nutzen, die leicht als solche zu erkennen sind.

Hamburg ist als europäische Metropole dabei und Hamburg wird ein immer beliebterer Standort sein, auch weil sich hier Arbeiten und Leben auf höchstem Niveau miteinander in Einklang bringen lassen. Hamburg bietet ein flächendeckendes Angebot an Krippen, Kindertagesstätten und Ganztagsbetreuung in Grundschulen, Gymnasien und Stadtteilschulen. Das bedeutet Lebensqualität und Lebens-Perspektive für junge Familien. Denn nur ausreichende und qualitativ hochwertige Betreuungsmöglichkeiten eröffnen Männern und Frauen die Möglichkeit für erfolgreiche Berufswege.

 

Städte und die Zahl ihrer Einwohner können so wachsen, dass Wohlstand, Lebensqualität, Wirtschaftskraft, Kultur und Wissenschaft davon profitieren. Städte sind Kern und Katalysator der Moderne: Hier entstehen aus Mut und Intelligenz neue Unternehmen und neue Jobs.

 

Just Hamburg der vorhin zitierte Buchtitel lässt sich gut eingemeinden, wenn wir europäisch denken und wenn wir die kreative und innovative Seite des Stadtlebens in den Vordergrund stellen.

 

Dann haben wir auch ein gelegentliches Get-together mit Imbiss und Getränken verdient, so wie jetzt. 

Vielen Dank! 

 


Es gilt das gesprochene Wort.