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18.04.2013

Montevideo: Klimawandel, Küstenschutz und Energiewende eine globale Herausforderung

Montevideo: Klimawandel, Küstenschutz und Energiewende eine globale Herausforderung

 

Sehr geehrter Herr Minister Kreimermann, 

sehr geehrte Damen und Herren, 

 

ich freue mich, sehr geehrter Herr Minister, dass Sie uns heute die Ehre geben, unser Gast zu sein. 

 

Uruguay und Deutschland verbinden über den Atlantik gute Beziehungen und viele gemeinsame Interessen. Sei es der Fußball, der unsere Nationalmannschaften zuletzt 2010 bei der WM in Südafrika um den dritten Platz spielen ließ. Oder sei es die Tatsache, dass wir Uruguay überhaupt die Institution Fußballweltmeisterschaft verdanken, die 1930 das erste Mal überhaupt hier in Montevideo ausgetragen wurde. 

 

Seit 175 Jahren besteht in Hamburg ein Generalkonsulat der Republik Östlich des Uruguay. 2011 war Deutschland der größte Importeur uruguayischer Waren innerhalb Europas und steht umgekehrt als Lieferland für Uruguay an sechster Stelle. Ein großer Teil dieser Güter wird im Hamburger Hafen umgeschlagen. 

 

Neben unseren jahrelangen freundschaftlichen Beziehungen verbinden uns heute auch einige globale Herausforderungen: Klimawandel, Küstenschutz und die Energiewende fordern uns als Küsten- und Hafenstädte in besonderem Maße. 

Und in den Städten entscheidet sich die Zukunft unserer Gesellschaften, wenn wir dem Klimawandel erfolgreich begegnen wollen. 

 

85 Prozent der deutschen Bevölkerung wohnen und arbeiten in Städten. Nicht viel anders ist es in Uruguay, in dessen urbanen Zentren 92 Prozent aller Bürger leben, davon gut 40 Prozent in Montevideo. Die Bewohner der Städte verbrauchen aber auch die meiste Energie in Form von Strom, Öl und Gas oder Kraftstoffe wie Benzin und Diesel und sorgen für einen weiteren Anstieg der CO2-Emissionen. 

 

In den Städten werden ebenso die meisten wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Städte sind die Orte, in denen sich Netzwerke bilden, die Wissen akkumulieren und neue Lösungswege beschreiten. Hier entstehen die technologischen Entwicklungen, die eingesetzt werden können, um den Klimawandel zu bremsen und die Folgen zu begrenzen. 

 

In den Städten wird sich aber auch die Wirkung des globalen Klimawandels entfalten, und so den ohnehin vorhandenen urbanen Klimawandel noch verschärfen. Wir dürfen vermehrte Starkniederschläge erwarten, und mit welchen Folgen dies einhergehen kann, zeigt uns der jüngste Fall von der anderen Seite des Rio de La Plata. 

 

Stadtentwässerung steht also neuen Herausforderungen gegenüber, aber auch die Hitzewellen werden länger und stärker, weswegen die Durchlüftung der Städte noch wichtiger wird, wie die europäische Hitzewelle von 2003 deutlich demonstriert hat. 

 

In Hamburg besteht darüber hinaus die Gefahr von Sturmfluten, deren Intensität mit wachsendem Meeresspiegel in den kommenden Jahrzehnten möglicherweise zunehmen wird. Das hat nicht nur mit dem Klimawandel zu tun; auch bauliche Veränderungen, Versiegelung und Wasserstraßen-management haben ihre Wirkung auf das Klima in der Stadt. In jedem Fall aber haben wir mit diesen Veränderungen umzugehen. 

 

Städte stehen deshalb auch besonders in der Pflicht, sowohl Vermeidungs- als auch Anpassungsstrategien zu entwickeln, um auf die Klimafolgen angemessen zu reagieren. In den Städten stellen wir die Weichen, wie die Welt sich im 21. Jahrhundert entwickelt und in 50 Jahren aussehen wird. 

 

Meine Damen und Herren,

ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die globalen Herausforderungen des Klimawandels, des Küstenschutzes und der Energiewende meistern können, wenn wir uns der Tragweite unserer heutigen Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für die Zukunft bewusst sind. 

 

In Hamburg nehmen wir diesen generationen-übergreifenden Auftrag seit vielen Jahren an. So setzen wir als küstennahe Metropole auf wissenschaftliche Beratung für die systematische Planung von Anpassungsmaßnahmen und die Entwicklung von Vermeidungsstrategien. Klimaforschung gehört daher seit Jahrzehnten zu Hamburgs Kernkompetenzen. 

 

An der Universität Hamburg forschen seit den 1970er-Jahren internationale Spitzenwissenschaftler auf höchstem Niveau in einem einzigartigen Netzwerk, an dem neben zahlreichen universitären Instituten auch namhafte außeruniversitäre Partner wie etwa das Max-Planck-Institut für Meteorologie, das Helmholtz-Zentrum für Material und Küstenforschung oder das Deutsche Klimarechenzentrum (DKRZ) sowie praxisnahe Einrichtungen unserer nationalen Regierung, wie etwa der Deutsche Wetterdienst, die Bundesanstalt für Wasserbau oder das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie beteiligt sind. 

 

Dieses multiprofessionelle Netzwerk brauchen wir, wenn wir über Küstenschutz sprechen; vor allem deshalb, weil es viele verschiedene Nutzer entlang der Küste gibt, die höchst unterschiedliche und oft nur schwer vereinbare Interessen haben. 

 

So drängen Naturschützer darauf, die Küste oder bestimmte Bereiche sich selbst zu überlassen und menschliche Einflüsse gänzlich auszuschließen. Der Fremdenverkehr und Touristen wiederum sehen die Küste als Erholungsgebiet. Die Anwohner haben ein Interesse, die Küste für Fischerei, Gewerbe und Handel oder Windenergie zu nutzen. Und für Hochwasserschutz und Sturmfluten müssen wir Überflutungsflächen vorhalten. 

 

Küstenpolitik muss deshalb als Beitrag zur Konsensfindung der unterschiedlichen Gruppen verstanden werden, und Küstenforschung wirkt dabei mit, indem sie klärt, mit welchen Konsequenzen welche Maßnahmen und Beschlüsse verbunden sind. 

 

Wie manche von Ihnen vielleicht wissen, hat sich vor 51 Jahren in Hamburg eine verheerende Sturmflut ereignet, die weite Teile unserer Stadt überschwemmte und 315 Hamburgerinnen und Hamburger das Leben kostete. Dieses Ereignis ist bis heute im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert, und in den vergangenen 50 Jahren hat Hamburg fast durchgehend an der Verstärkung der öffentlichen Hochwasser¬schutzanlagen gearbeitet. 

 

Neben der laufenden Verbesserung des technischen Schutzes gegenüber den Klimagefahren in der Region ist es ebenso unerlässlich, dass Hamburg einen Beitrag zur Verlangsamung des Klimawandels leistet. Und wenn wir nach Lösungen für den Klimawandel suchen, müssen wir vor allem unsere Energieversorgung neu organisieren. 

 

Seit der Ausgestaltung der Klimarahmen-konvention der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1997, besser bekannt als Kyoto-Protokoll, besteht weitgehend Konsens, dass wir die Treibhausgas-Emissionen, besonders den CO2-Ausstoß, weltweit reduzieren müssen. 

 

Deutschland und der Hamburger Senat haben sich deshalb das ehrgeizige Ziel gesetzt, den CO2-Ausstoß bei uns bis 2020 um 40 Prozent, bis 2050 sogar um 80 Prozent zu senken. Und das gelingt nur, wenn wir den Verbrauch fossiler Brennstoffe gerade in den Städten durch erneuerbare Energien substituieren. 

 

Lasen Sie mich die technologischen Innovationen an zwei Beispielen illustrieren: 

  • dem Ausbau der Stromnetze 
  • und der Weiterentwicklung moderner Speichermedien. 

 

In der Nordsee gibt es bereits Projekte großer Windparks; bald ein halbes Dutzend weitere sind geplant. Und von dort müssen die Netzbetreiber die Offshore-Anlagen an das Stromnetz am norddeutschen Festland anschließen. Die zentrale Herausforderung für Deutschland ist daher, wie wir sowohl die offshore wie auch die an Land aus Windkraft erzeugten Strommengen dorthin transportieren, wo sie gebraucht werden, nämlich vor allem in den industriellen Zentren Süddeutschlands. Der Leitungsbau ist daher die Aufgabe des Jahrzehnts in Deutschland. 

 

Eine weitere Herausforderung ist die der Energiespeicherung. Hamburg geht auch auf diesem Gebiet voran und installiert und testet an den Kraftwerkstandorten innovative Speichertechnik. Große Potenziale bietet hier die Power-to-gas-Technologie, die mittlerweile kurz vor der industriellen Großanwendung steht. Mit ihr wird Windstrom, für den keine aktuelle Nachfrage besteht, mittels Elektrolyse in Wasserstoff oder Methan speicherbar. 

 

Diese technologischen Innovationen führen aber nur zum Ziel, wenn die technischen und organisatorischen Kompetenzen der Metropolregion Hamburg gebündelt werden. 

 

Zu diesem Zweck haben wir 

  • mit den Energieerzeugern Kooperations-vereinbarungen geschlossen, 
  • die Energieversorgungsunternehmen und die Branche der Erneuerbaren Energien einschließlich der Zulieferer mit ins Boot geholt, 
  • zahlreiche Mitgliedsunternehmen der Handels- und Handwerkskammern, die energie-wirtschaftlich relevant sind, von unserem Konzept überzeugt sowie 
  • die Industrie- und Wohnungs- und Hafenwirtschaft, die Gewerkschaften, die Kirchen und die Verbraucher- und Umweltverbände und letztlich die Medien als Partner gewonnen. 

 

Meine Damen und Herren, 

die Energiewende begreifen wir in Hamburg bei allen Herausforderungen zuallererst als eine große Chance. Hamburg erfährt seit drei bis vier Jahren ein enormes Wachstum durch den Ausbau der Offshore-Windenergie. Unternehmen der Branche siedeln ihre Zentralen, ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen bei uns an, weil sie die Standortbedingungen einer internationalen Metropole brauchen. 

 

Die Energiewende präsentiert sich schon heute als ein bedeutender Standortfaktor. Wir wollen Investitionen generieren und neue Geschäftsmodelle rund um Effizienzmaßnahmen, Netze und Wärmeversorgung sowie Ausbau der regenerativen Energien ermöglichen. 

 

Es ist offensichtlich, dass diese sehr ambitionierten Ziele immense Potenziale bieten, gerade für kleine und mittelständische Wirtschaftsunternehmen. Schon heute arbeiten in der Metropolregion Hamburg im Bereich Erneuerbare Energien fast 1.500 Unternehmen mit nahezu 25.000 Beschäftigten. Bis 2015 wird ein weiteres Arbeitsplatzwachstum von 40 Prozent erwartet. 

 

Parallel wächst unsere Stadt mit ihren 1,8 Millionen Einwohnern weiter, und das wollen wir auch so. Allein seit den neunziger Jahren kamen rund 200.000 Bürger dazu. Gegen Ende des nächsten Jahrzehnts werden es vermutlich 1,9 Millionen oder mehr in der Ankunftsstadt Hamburg sein. 

 

Wir schmieden deshalb Pläne nicht nur für den Klimawandel und die Energiewende, sondern in vielen Bereichen. Wir wollen das Wachstum im Norden so gestalten, dass die wirtschaftliche, die soziale und die ökologische Qualität des Lebens unserer Region weiter steigt. Damit das gelingt, müssen wir die neuen technologischen Entwicklungen nutzen, die sich in der Zukunft ergeben werden. Das gilt auch und besonders für unseren Hafen. 

 

Hamburg verfügt über den größten Seehafen Deutschlands und über einen großen Verkehrsflughafen mit internationaler Anbindung. Hamburg ist außerdem Ausgangs- und Knotenpunkt mehrerer Bundesautobahnen, Bundesstraßen und Eisenbahnverbindungen und vor allem dem Nord-Ostsee-Kanal, die uns mit ganz Europa verbinden. Für zahllose internationale Handelsunternehmen auch aus Lateinamerika ist der Hamburger Hafen die natürliche Brücke zu den internationalen Märkten Zentral-, Nord- und Osteuropas. 

 

Deshalb sorgen wir seit jeher dafür, dass der Hafen auch für neue Schiffsgenerationen erreichbar ist. Dazu haben wir immer wieder neueste Technik genutzt, um vom Weltmarkt nicht abgehängt zu werden. Das ist aktuell wieder so und wird durch die Fahrrinnenanpassung, also die Vertiefung der Elbe für den Schiffsverkehr, auch erreicht werden. 

 

Der Hafen als Knotenpunkt der Weltwirtschaft ist das Zentrum unserer Wirtschaftskraft in ihrer ganzen Breite und macht Hamburg zum deutschen und europäischen Tor nach Übersee. 

 

Das war auch der EU bewusst, als sie 2010 die EU-Lateinamerika-Karibik-Stiftung EU-LAC mit Sitz in Hamburg gründete. Hinzu kommt das Europäische Zentrum für Lateinamerika, das vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen eine Plattform für die Erschließung des europäischen Marktes bietet.  Mit anderen Worten: Uruguay und ganz Lateinamerika finden in der EU interessierte Partner, die immer eine Hamburger Telefonnummer haben. 

 

Meine Damen und Herren, 

in der Ferne zuhause sein, Vertrautheiten und Fremdes neu entdecken der 1880 geborene Hamburger Seefahrtdichter Gorch Fock hat es so formuliert: Mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen. 

 

Auf unserer Reise und in diesen Tagen hier bei Ihnen in Montevideo ist deutlich zu spüren, dass uns neben vielen historischen Bezügen vor allem die Gegenwart mit ihren Herausforderungen verbindet. Ich wünsche mir, dass wir unsere Beziehungen weiter ausbauen werden und hoffe, dass unser Besuch einen Beitrag dazu leistet. 

 

Vielen Dank. 

 
 
Es gilt das gesprochene Wort.