Herr Scholz, als Sie im Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage verloren haben, baten Sie die Bürger in Ihrer Rede zugleich um Vertrauen für Ihre erneute Kandidatur als SPD-Kanzler. Warum sollten die Deutschen Ihnen noch vertrauen?
Meine Regierung hat Deutschland durch eine sehr schwierige Zeit geführt. Wir waren nicht mal drei Monate im Amt, als Russland die Ukraine überfiel. Ich habe das eine Zeitenwende genannt. Darauf hat Deutschland schnell und entschlossen reagiert. Wir sind seither einer der stärksten militärischen Unterstützer der Ukraine. Gleichzeitig haben wir die Bundeswehr wieder auf Vordermann gebracht, ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro geschaffen und die Ausgaben für Verteidigung auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung angehoben. Und wir haben, was vielleicht die größte Leistung war, nach dem plötzlichen Wegfall der russischen Energielieferungen in Rekordzeit für Alternativen gesorgt. So haben wir eine tiefe Wirtschaftskrise verhindert und sichergestellt, dass niemand in Deutschland frieren musste. Meine Regierungsbilanz kann sich trotz allem sehen lassen.
Trotzdem ist die Ampel letztlich krachend gescheitert, wir stehen vor dem dritten Rezessionsjahr in Folge, aus der Wirtschaft hagelt es Kritik an Ihnen. Wie wollen Sie deren Vertrauen zurückgewinnen?
Ein Blick auf die Ausgangslage: Als Industrienation ist Deutschland so herausgefordert wie noch nie, weil wir es mit gleich drei massiven Herausforderungen zu tun haben: Einmal mit dem russischen Angriffskrieg und seinen wirtschaftlichen Erfolgen – als große Exportnationen fehlen uns damit Absatzmärkte und vormals günstige Energie. Zum Zweiten müssen wir dem Klimawandel begegnen und unsere Industrie umstellen, damit sie zur Mitte des Jahrhunderts ohne die Nutzung von fossilen Energien wie Kohle, Erdöl oder Erdgas auskommt. Und, zum Dritten, müssen wir unsere Verwaltung modernisieren und den Bürokratie-Dschungel lichten, den die Europäische Union, der Bund, die Länder und die Kommunen in den vergangenen Jahrzehnten mit viel Liebe zum Detail gepflanzt haben.
Sie hatten drei Jahre Zeit, etwas dagegen zu tun.
Richtig, und wir haben viel getan: Der Ausbau von Windkraft und Sonnenenergie geht wirklich voran, bei den Energiepreisen haben wir Abhilfe geschaffen und was den Abbau von Bürokratie angeht, sind mehrere große Gesetzespakete beschlossen worden, um überflüssige Regulierung abzuschaffen, damit alles schneller vorangehen kann. Mit all dem helfen wir der Wirtschaft.
Nur damit?
Natürlich nicht. Ich setze auf drei zentrale Projekte: Den Ausbau unseres Stromnetzes und einen Deckel für die Übertragungsnetzentgelte, damit die Industrie mit langfristig konkurrenzfähigen Preisen kalkulieren kann. Mit einem „Made-in-Germany“-Bonus werden wir Investitionen in Deutschland anregen, damit neue Werke und Fertigungslinien entstehen. Und wir werden einen „Deutschlandfonds“ auflegen, in den privates und öffentliches Kapital fließt, mit dem dann unter anderem die Infrastruktur ausgebaut werden kann. Alles sehr konkrete Pläne mit sehr konkretem Nutzen für Wirtschaft und Infrastruktur.
Die Wirtschaft wünscht sich aber viel mehr Entlastungen. Wären Sie bereit, das Versprechen aufzuweichen, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden muss?
Es braucht Planungssicherheit. Deshalb gilt, wie gesagt: Bis 2045 wird Deutschland klimaneutral sein. Darauf haben sich alle längst eingestellt, da darf es jetzt kein Wackeln geben. Wofür ich aber werbe, ist Pragmatismus. Auf dem Weg hin zur Klimaneutralität braucht es Hilfen für energie-intensive Unternehmen wie die Stahlindustrie, die sich vom Hochofen verabschieden und ganz neue Produktionsweise entwickeln will. Massiv engagiert habe ich mich auch dafür, dass wir Halbleiter-Produktion und Batterie-Herstellung in Deutschland ansiedeln. Und ich bin gegen die drohenden EU-Strafzahlungen, sollten die hiesigen Automobil-Hersteller nicht genügend E-Autos in diesem Jahr verkaufen. Statt solcher Milliarden-Strafen an die EU ist das Geld besser in die weitere Entwicklung moderner Fahrzeuge investiert. Dafür mache ich mich in Brüssel stark. Grundsätzlich gilt für mich beim Klimaschutz: weniger Ideologie, mehr Pragmatismus. Es war falsch, den Austausch von Heizungen in privaten Häusern übers Knie zu brechen.
Hören wir da Kritik an Ihrem Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen und seinem Heizungsgesetz heraus?
Ich glaube, auch der verantwortliche Minister hat verstanden, dass seine Pläne damals nicht gut waren.
Ein weiterer Anschlag auf das Vertrauen der Bürger in den Staat war die Amokfahrt von Magdeburg. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass sich die Menschen in Deutschland wieder sicher fühlen?
Diese Amoktat kurz vor Weihnachten war furchtbar. Ich war direkt am nächsten Tag in Magdeburg und habe ausführlich mit Rettungskräften und Polizisten gesprochen. Diese Begegnungen werde ich nie vergessen. Sie haben nochmal eindrücklich gezeigt, dass es unsere Pflicht ist, Polizei und Sicherheitsbehörden mit den nötigen Instrumenten auszustatten, um sowas zu verhindern. Nach den Attentaten von Solingen und Mannheim hatten wir eine Reihe von solchen Befugnissen auf den Weg gebracht, von denen aber einige im Bundesrat scheiterten – etwa bessere Möglichkeiten zur Nutzung der biometrischen Gesichtserkennung.
Das spielte in Magdeburg doch keine Rolle. Es wurde mehrfach vor dem Attentäter gewarnt, nur hörte niemand darauf.
Der Fall muss sehr genau aufgeklärt werden. Sollte sich herausstellen, dass es neue Befugnisse braucht, etwa für die Kommunikation der Sicherheitsbehörden untereinander, werden wir sie schnell auf den Weg bringen. Mich treibt noch etwas anderes um: Ich möchte, dass die Opfer dieser Gewalttat einen besseren Anspruch auf staatliche Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen erhalten. Bislang steht es Opfern nur dann zu, wenn ein Vorfall als Terrorangriff bewertet wird – bei der Untat eines Verrückten hingegen nicht in gleicher Weise. Für die Betroffenen macht das aber kaum einen Unterschied: Sie leiden. Auch bei solchen Taten müssen wir umfassender helfen können.
Können Sie versprechen, dass sich ein solcher Anschlag nicht wieder ereignet?
Niemand kann das versprechen, denn man kann nicht in 84 Millionen Köpfe hineinschauen. Was ich versprechen kann: Alles zu tun, was möglich ist, damit sich so etwas nicht wieder ereignen kann.
Beim Thema Migration, das auch für das Sicherheitsempfinden vieler Menschen wichtig ist, haben Sie Abschiebungen in großem Stil angekündigt, das ist nie passiert.
Einspruch! Die Zahl der Abschiebungen ist um mehr als 20 Prozent gestiegen, das ist ein echter Fortschritt. Und die Zahl der Asylgesuche ist um mehr als Drittel zurückgegangen – auch als Konsequenz unserer Politik. Obwohl Rückführungen eigentlich Sache der Länder sind, habe ich vor zwei Jahren sehr konkrete Vorschläge gemacht, wie man sie erleichtern kann und mit den Ländern Vereinbarungen getroffen.
Herr Scholz, mal ehrlich. Wenn alles so super läuft, wie Sie es beschreiben: Warum sind Sie dann der unbeliebteste Bundeskanzler seit Jahrzehnten?
Niemand behauptet, alles laufe perfekt. Ich weise aber darauf hin, wie meine Regierung auf die konkreten Herausforderungen reagiert hat. Hat alles geklappt? Sicherlich nicht. War alles schlecht? Auch nicht. Das gehört doch zu einer ehrlichen Debatte dazu.
Gehört nicht auch zur Ehrlichkeit, Fehler zuzugeben? Warum können Sie das nicht?
Ich habe damit kein Problem.
Haben wir etwas verpasst?
Ich habe mehrfach gesagt, dass ich den Schritt, die Ampel-Regierung zu beenden, vielleicht früher hätte gehen müssen.
Wann denn?
Schon im Sommer 2024 stand ich kurz davor, auch damals ging es um den Bundeshaushalt. Ich kämpfte dafür, einen Etat aufzustellen, der die nötigen Investitionen in unsere Sicherheit und unsere Unterstützung für die Ukraine garantiert, ohne gleichzeitig bei Gesundheit, Soziales oder Rente zu kürzen. Erst in letzter Minute fanden wir einen Weg – den der Bundesfinanzminister im Anschluss aber bewusst hintertrieb, wie wir heute wissen. Im November blieb mir dann keine andere Wahl und ich beendete die Koalition.
Sie sagen also: Nicht ich, die Ampelkonstellation war das Problem? Damit schieben Sie die Verantwortung wieder von sich weg.
Das Problem war, dass es in dieser Koalition zu lange gedauert hat, Kompromisse zu finden. Daran hatte jeder seinen Anteil.
Sie sind der Kanzler, Sie hätten führen müssen.
Das habe ich getan und mehrfach von meiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht, etwa bei der Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke. Ein konstruktives Miteinander lässt sich aber leider nicht einfach verordnen. Das muss von allen gewollt werden.
Haben Sie sich in den vergangenen Wochen die Frage gestellt, ob Sie noch der Richtige fürs Kanzleramt sind?
Natürlich habe ich das.
Hat Ihnen ein Mensch, dem Sie vertrauen, gesagt: Olaf, lass es lieber mit der weiteren Kanzlerkandidatur?
Ich habe mich geprüft. Die, denen ich vertraue, haben mir geraten, erneut zu kandidieren. Nur mit einem sozialdemokratischen Kanzler ist sichergestellt, dass die nötigen Mehraufwendungen für Sicherheit nicht zu Lasten der Modernisierung von Wirtschaft und Infrastruktur, zu Lasten von Rente, Gesundheit, Pflege und Familie gehen. Nur mit einem sozialdemokratischen Kanzler ist sichergestellt, dass die Ukraine zuverlässig unterstützt wird und Putin Grenzen aufgezeigt werden, ohne dass dabei eine Eskalation provoziert wird.
Der bisherige Wahlkampf verläuft schon ziemlich ruppig. Sie sagen, Ihr Rivale Friedrich Merz verbreite „Unwahrheiten“ über Sie. Welche?
Der Oppositionsführer hat im Bundestag behauptet, der Bundeskanzler ergreife im Europäischen Rat nicht das Wort, sondern säße nur schweigend da. Das will er von einem anderen EU-Regierungschef erfahren haben. Dieser Vorwurf ist so absurd wie unwahr. Diese bewusste Verfälschung durch Merz hat mich wirklich geärgert – und es ärgert mich, wenn solche Unwahrheiten von Journalisten ungeprüft verwendet werden.
Haben Sie Merz unterschätzt, weil Sie ihn nicht leiden können?
Nein, beides stimmt nicht.
Anders gefragt: Hat er die "sittliche Reife", die Sie jüngst für das Regieren eingefordert haben, um Bundeskanzler zu werden?
Die demokratischen Parteien haben allesamt Kandidaten nominiert, denen ich zutraue, dass nötige Maß an Reife aufzubringen.
Klingt sehr begeistert. Warum haben Sie sich so gefreut, dass Merz Ihr Gegner ist? Weil Sie ihn für leichter schlagbar halten als etwa Markus Söder?
Ich hatte immer damit gerechnet, dass die Union Herrn Merz nominiert. Ich wundere mich aber, dass vielfach so getan wird, als sei die Bundestagswahl schon gelaufen. Ich bin überzeugt, es kommt anders als viele denken. Wie 2021.
Damals war die Konstellation eine völlig andere. Ist es nicht naiv, zu glauben, dass sich Ihr Erfolg wiederholen lässt?
Der große Unterschied zwischen Umfragen und einer konkreten Wahl ist, dass jetzt die Wählerinnen und Wähler die Entscheidung treffen. Sie entscheiden. Ich rate zu Demut.
Fällt die Wahl zwischen Ihnen und Merz? Oder hat Robert Habeck noch Chancen?
Ich bin überzeugt, dass die Entscheidung zwischen SPD und Union fällt.
Am kommenden Wochenende müssen Sie noch einen SPD-Parteitag bestehen. Haben Sie da einen Joker für den Wahlkampf im Ärmel? Auch um jene in Ihrer Partei zu begeistern, die lieber Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten gesehen hätten?
Wenn, dann wäre es unklug, ihn schon jetzt im stern auszuspielen.
Besonders negativ wirkt sich für die SPD das Bürgergeld aus. Ihr SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat jetzt Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Gehen Sie da mit?
Das Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen. Es ist eine Unterstützung für jene, die Hilfe benötigen. Mit der Erwartung, dass die Empfänger von Bürgergeld alles Nötige tun, um so schnell wie möglich wieder eine Arbeit zu finden. Wenn jemand das verweigert, drohen ihm Sanktionen.
Die Zahl der verhängten Sanktionen ist aber zurückgegangen.
Deshalb sollen die Ämter mehr Durchgriffsrechte bekommen. Das Bürgergeld ist für jene vorgesehen, die keine Arbeit finden und sich nicht selbst versorgen können. Wer sich nur vor Arbeit drücken will, muss, wie gesagt, mit Sanktionen rechnen.
Wäre es für Sie denkbar, das Bürgergeld wieder umzubenennen, wie die Union es will?
Es wäre doch eine Farce, wenn es nur um den Namen ginge, nicht um die Sache. Das Bürgergeld selbst muss zielgenauer werden.
Die Leute regt auf, dass der Abstand zwischen Bürgergeld und geringem Verdienst so niedrig ist. Warum kürzen Sie das Bürgergeld nicht, damit klarer wird: Arbeit lohnt sich in Deutschland?
Was oft vergessen wird: Die Höhe der Leistung ist weitgehend durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts vorgegeben. Der Spielraum ist da sehr gering. In den kommenden zwei Jahren wird das Bürgergeld so gut wie nicht steigen. Denn es orientiert sich an der Entwicklung der Preise und Löhne. Was aber hilft für das Abstandsgebot: Die SPD will den Mindestlohn auf 15 Euro anheben, damit sich Arbeit in Deutschland weiterhin lohnt. Und wir wollen die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel senken, um den hohen Preissteigerungen in dem Sektor etwas entgegenzusetzen.
Wenn Sie wieder Kanzler werden wollen, brauchen Sie Koalitionspartner. Wäre die FDP weiter eine Option, eventuell ohne Parteichef Lindner?
Ich habe nichts Generelles gegen die FDP. Das Tolle an der Demokratie ist die Demokratie.
Das müssen Sie uns bitte erklären.
Wahlen sind Wahlen. Die Bürger entscheiden, und wir Politiker müssen mit dem Ergebnis umgehen.
Aber die Bürger wollen wissen, wer mit wem eine Mehrheit bilden könnte.
Diese Frage stellt sich allen demokratischen Parteien, auch wegen des Wachstums rechtspopulistischer Parteien und der veränderten politischen Landschaft. Für mich ist eins klar: Ich werde niemals eine Koalition mit der AfD eingehen.
Und mit der Wagenknecht-Partei BSW?
Mit einer Partei, die die Nähe zu Russland sucht, Westbindung und Nato in Frage stellt und die Ukraine hängen lassen will, ist das schwer vorstellbar.
Würden Sie Ihr nächstes Kabinett wieder je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzen?
Ja.
Können wir uns auf die USA noch verlassen?
Die Vereinigten Staaten von Amerika haben maßgeblichen Anteil daran, dass wir Deutsche die Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgewonnen haben – zunächst im Westen, durch die friedliche Revolution 1989 dann im ganzen Land. Dieses Fundament trägt, und es wird die transatlantischen Beziehungen noch lange tragen. Jetzt geht es darum, mit der neuen US-Regierung gut zusammenzuarbeiten. Seit seiner Wahl habe ich bereits zwei Mal mit dem designierten Präsidenten Trump telefoniert, es waren ausgesprochen freundliche Gespräche.
Trump hat einen neuen besten Freund, Multi-Milliardär Elon Musk. Der nennt auf seiner Plattform X Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen „undemokratischen Tyrannen“ und bezeichnet Sie als „Narren“; er wirbt offen für die AfD. Nervt Sie das?
Als Sozialdemokraten sind wir es seit dem vorletzten Jahrhundert gewöhnt, dass es reiche Medienunternehmer gibt, die sozialdemokratische Politik nicht schätzen – und mit ihrer Meinung auch nicht hinter dem Berg halten. Natürlich ist es heute etwas anders, weil Medienunternehmen und Plattformen weltweit operieren und dadurch eine viel größere Reichweite haben. Aber in der Sache ist es nichts Neues. Da muss man cool bleiben. Viel bedenklicher als solche Beschimpfungen finde ich, dass sich Musk für eine in Teilen rechtsextreme Partei wie die AfD einsetzt, die die Annäherung an Putins Russland predigt und die transatlantischen Beziehungen schwächen will.
Ihr historischer Vergleich in allen Ehren: Musk ist der reichste Mensch der Welt, er ist eng mit dem US-Präsidenten verbunden. Es kann Sie doch nicht kalt lassen, wenn so jemand die deutsche Staatsspitze attackiert?
Der Bundespräsident ist kein antidemokratischer Tyrann und Deutschland ist eine starke und stabile Demokratie – da mag Musk behaupten, was er will. In Deutschland geht es nach dem Willen der Bürgerinnen und Bürger, nicht nach den erratischen Äußerungen eines Milliardärs aus den USA.
Wäre es eine Idee, Herrn Musk mal zum Gespräch einzuladen?
Ich halte nichts davon, um die Gunst von Herrn Musk zu buhlen. Das überlasse ich gerne anderen… In den sozialen Medien sind ja viele unterwegs, die mit schrillen Sprüchen Aufmerksamkeit erregen wollen. Da gilt: Don’t feed the troll.
Haben Sie Musk schon einmal persönlich getroffen?
Ja, bei der Eröffnung des Tesla-Werks in Brandenburg habe ich Elon Musk im März 2022 getroffen und kurz gesprochen. Damals agitierte die dortige AfD im Übrigen gegen die Ansiedlung des Werkes in Grünheide. Einige Monate später hat sich Musk noch einmal telefonisch bei mir gemeldet.
Was wollte er?
Es ist kein Geheimnis, dass Tesla gegen die staatliche Förderung für E-Ladesäulen in Deutschland war.
Die Lage in der Ukraine könnte sich dramatisch verändern, wenn Trump mit seinen Rückzugsplänen ernst macht. Kann sich die Ukraine weiter auf deutsche Unterstützung verlassen?
Die Ukraine kann sich auf uns verlassen. Deutschland ist mit Abstand der größte europäische Unterstützer der Ukraine, sowohl finanziell als auch militärisch. Mit 28 Milliarden Euro unterstützen wir die Ukraine. Und zusätzlich haben mehr als 1,3 Millionen ukrainische Flüchtlinge bei uns Schutz gefunden.
Sie könnten aber nicht den amerikanischen Beitrag ausgleichen, sollte Trump die Unterstützung für die Ukraine einstellen.
Niemand kann das. Und klar ist auch, dass das furchtbare Sterben in der Ukraine so schnell wie möglich aufhören muss. Das geht aber nur mit einer starken Ukraine. Das sehe nicht nur ich so, sondern es scheint mir auch die Haltung der künftigen US-Regierung zu sein.
2025 gibt es also Frieden?
Es wäre schön, aber es müsste ein gerechter Frieden sein, und der ist niemals über die Köpfe der Ukrainer hinweg möglich. Deswegen ist es so wichtig, dass wir weiter für eine enge Zusammenarbeit werben, die die Ukraine einbezieht. Bedenken Sie zudem: Putin hat keines seiner Ziele erreicht. Er wollte die NATO schwächen, stattdessen ist sie gewachsen und gestärkt und steckt viel mehr Geld in die Verteidigung. Er wollte die Ukraine entwaffnen und ein Marionetten-Regime etablieren. Stattdessen ist die Ukraine eine starke und eigenständige Nation auf dem Weg in die Europäische Union mit einer starken Armee. Sein Feldzug ist ein Fehlschlag.
Robert Habeck hat gerade vorgeschlagen, den deutschen Verteidigungsetat auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Eine gute Idee?
Die Idee erscheint mir etwas unausgegoren. Den Wehretat von knapp 80 Milliarden Euro auf 140 Milliarden Euro nochmals fast zu verdoppeln, ohne zu sagen, wofür das Geld aufgewendet werden und woher es kommen soll. Wer zahlt die Zeche? Die Bürgerinnen und Bürger?
Herr Scholz, was haben Sie über die Weihnachtsfeiertage gelesen?
Schon als Kind war ich ein großer Fan von Mark Twain, habe die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn begeistert gelesen. Und habe mir zu Weihnachten auch oft die Verfilmungen angesehen. Über die Feiertage habe ich jetzt das Buch „James“ von Percival Everett gelesen, das diese Geschichte aus der Perspektive des Sklaven Jim erzählt. Ein ganz großartiges Buch.
Haben Sie schon die Memoiren von Angela Merkel gelesen?
Frau Merkel hat mir ein Exemplar geschickt mit sehr freundlichen Grüßen. Bislang habe ich nur etwas drin gestöbert, aber ich werde das Buch bestimmt lesen.
Haben Sie auch vor, Memoiren zu schreiben?
Im Augenblick arbeite ich intensiv dafür, mir mit dem Memoiren-schreiben noch Zeit lassen zu können.
Herr Bundeskanzler,was soll über Ihre Zeit im Amt einmal in den Geschichtsbüchern stehen?
Eine typische Journalisten-Frage. Aber bitteschön: Es gibt dazu keinen besseren Satz als den, von dem Willy Brandt mal sagte, dass er ihn gerne auf seinem Grabstein lesen wollte: "Man hat sich bemüht."