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10.10.2008

Olaf Scholz im Interview: "Wir gehen davon aus, dass der Arbeitsmarkt auch einer raueren Konjunktur trotzt."

Frankfurter Rundschau: Herr Scholz, sind Sie neidisch auf Ihre Kollegin Ulla Schmidt?

Nein. Warum?

Die Gesundheitsministerin verteuert die Krankenversicherung, während Sie die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senken müssen, um den Vorgang zu kaschieren.

Ich habe immer gesagt: Die Arbeitslosenversicherung ist keine Bank, und wir werden sorgfältig prüfen, wie die Beiträge langfristig bemessen werden können. Genau das machen wir jetzt: Wir werden einen strukturellen Beitrag von 3,0 Prozent gesetzlich festlegen. Und der Arbeitsminister bekommt angesichts von Milliardenrücklagen die Möglichkeit, die Beiträge vorübergehend - bis zum Sommer 2010 - auf 2,8 Prozent zu senken…

…weil die Union das so will. In Ihrem Haus galten eigentlich 3,0 Prozent als Schmerzgrenze.

Durchsuchen Sie Ihr Archiv: Zu einer konkreten Beitragssatzhöhe werden Sie von mir keine Aussage finden. Gerade in raueren Zeiten ist es sinnvoll, etwas zur Stärkung der Konjunktur zu tun, anstatt Geld zu bunkern.

Wenn wir trotzdem in die Rezession rutschen, müssen Sie ausgerechnet im Abschwung die Beiträge anheben.

Nach all unseren Prognosen kommen wir mit einem Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von drei Prozent für eine lange Zeit aus.

Die Agenda 2010 nennt der ehemalige SPD-Generalsekretär ein wachstumsförderndes "linkes Projekt".
Für wie lange? Bis 2012, 2013 oder 2014?


Ich hoffe, darüber hinaus - wenn wir unser Ziel erreichen, die Arbeitsvermittlung zu verbessern. Wenn die Wachstumsraten schwächer ausfallen sollten, als von uns angenommen, gehen wir davon aus, dass der Arbeitsmarkt auch einer raueren Konjunktur trotzt. Unsere Reformen haben uns ein Stück weit wetterfester gemacht. Und jetzt starren wir nicht wie das Kaninchen vor der Schlange auf all die Gefahren, die da kommen mögen, sondern wir handeln!

Wie?

Indem wir zum Beispiel die Zahl der Vermittler ausbauen. Indem wir Arbeitssuchende qualifizieren. Zum Beispiel haben wir uns mit unserer Forderung durchgesetzt, dass 500 000 Arbeitslose ohne Hauptschulabschluss diesen jetzt nachholen können.

Dafür sind 100 Millionen Euro vorgesehen. Verstehen Sie, dass die Bürger sauer sind, wenn parallel Milliardenpakete für die Banken geschnürt werden?

Ja.

Wie lautet Ihre Antwort ?

Zunächst müssen wir verhindern, dass jetzt eine umfassende ökonomische Krise beginnt. Dann müssen Finanzmärkte und Vorstände von Aktiengesellschaften andere Auflagen akzeptieren als heute. Wir brauchen Regeln, die der Gier Grenzen setzen.

Die IG Metall fordert in der aktuellen Tarifrunde acht Prozent mehr. Passt das zur Krise?

Die realen Bruttolöhne sind in den vergangenen Jahren nicht gestiegen. Mit Blick auf die Entwicklung der Branche, um die es derzeit geht, kann ich übrigens durchaus nachvollziehen, dass die Arbeitnehmer sagen: Jetzt sind wir auch mal dran.

Das klingt nach schlechtem Gewissen. Schließlich hat die Agenda 2010 nach Meinung vieler SPD-Linker den freien Fall der Löhne erst ermöglicht.

Dieser Zusammenhang ist nicht nachvollziehbar.

War die Agenda 2010 kein neoliberales Projekt?
 
Sie ist ein linkes Projekt. Und sie wird es auch bleiben. Schließlich hat sie dafür gesorgt, Deutschland Wachstumschancen zu sichern und gleichzeitig den Sozialstaat zu bewahren…

…um den Preis eines boomenden Niedriglohnsektors.

Nein, auch wenn das von linksaußen so interpretiert wird. Wir haben immer das Konzept der Mobilisierung aller Arbeitskräfte mit Regelungen verbunden, die einen freien Fall der Löhne nach unten verhindern. Deswegen ist die Forderung nach Mindestlöhnen ein integraler Bestandteil unserer Reform-Agenda.

Wird die Koalition Mindestlöhne für Zeitarbeiter einführen?

Ja, da bin ich sehr optimistisch. Für die Zeitarbeit ist das zentrale Kriterium der Tarifbindung von mindestens 50 Prozent der Beschäftigten erfüllt. Auf dieses Kriterium hat sich die Koalition aber verständigt.

Das sieht die Union anders.


Ich bin überzeugt, dass niemand sein Wort brechen will. Die Union müsste aber ihr Wort brechen, wenn die Zeitarbeit nicht in den Geltungsbereich für die Mindestlohngesetzgebung aufgenommen würde. Zudem glaube ich nicht, dass die CDU-Vorsitzende sich mit jenen unseriösen Unternehmen der Branche verbünden will, die für den schlechten Ruf der Zeitarbeit verantwortlich und gegen Mindestlöhne sind.

Interview: M. Bergius, K. Doemens

Das Intervview auf der Webseite der Frankfurter Rundschau lesen.