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22.05.2013

Otto-Stern-Symposium

 

Sehr geehrter Herr Prof. Reinitzer, 

sehr geehrter Herr Prof. Lenzen, 

sehr geehrter Herr Templeton und alle angereisten Familienangehörigen, 

sehr geehrte Festredner des Symposiums, 

meine sehr geehrten Damen und Herren, 

 

im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg heiße ich Sie herzlich willkommen! Es ist uns eine Ehre, so viele Nobelpreisträger und internationale Kapazitäten bei uns begrüßen zu dürfen. 

 

Hamburg ist heute wieder ein idealer Ort für eine Tagung wie diese. Das war nicht immer so. Weil Hamburg traditionell eine Kaufmannsstadt ist, in der der Warenaustausch mit aller Welt seit jeher im Vordergrund stand, wurde die Universität vergleichsweise spät gegründet. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts gab es diesbezüglich ernsthafte Bestrebungen, und es brauchte zunächst eine demokratisch gewählte Bürgerschaft, die schließlich 1919 das Vorläufige Gesetz über eine Hamburgische Universität und Volkshochschule beschloss. 

 

Und schon bald darauf gelangte die junge Universität insbesondere mit ihren namhaften Physikern, die in den späten Zwanzigern und dreißiger Jahren hier wirkten, zu großer Blüte. Das ist ganz besonders der Verdienst von Otto Stern, den wir hier heute durch diese Tagung ehren. Er machte als erster Direktor des Instituts für physikalische Chemie seine Einrichtung zu einem internationalen Mekka der Physik, Chemie und Mathematik und erhielt, wie wir wissen, später den Nobelpreis für Physik unter anderem für seinen Beitrag zur sogenannten Molekularstrahlmethode. Er hat sich hier in Hamburg mit vielen anderen Wissenschaftlern angefreundet und mit ihnen zusammengearbeitet, unter anderen z. B. mit Wolfgang Pauli, der ebenfalls einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts wurde und 1945 seinerseits den Nobelpreis als Anerkennung für seine Formulierung des Ausschließungsprinzips erhielt. 

 

Aber Hamburg war eben nicht immer ein guter Ort für die Wissenschaft. 

 

Die Zeit des Nationalsozialismus trug hier in dieser Stadt, aber auch in ganz Deutschland, dazu bei, dass ein großer und ganz erheblicher Teil der wissenschaftlichen Intelligenz der kreativsten Leute, der besten Leute, die unser Land zu bieten hatte das Land verlassen mussten, um ihr Leben zu sichern. 

 

Manche, die es nicht geschafft haben, verloren die Freiheit oder gar ihr Leben. Das warf die wissenschaftliche Tradition Deutschlands massiv zurück. Die junge Blüte, die in Hamburg Anfang der zwanziger und dreißiger Jahre zu verzeichnen hatte, war so schnell wieder vorbei. 

 

Die späten Folgen eines solchen Schlages gegen kluge Menschen und Bürger unseres Landes spüren wir noch heute, auch an vielen anderen Stellen in dieser Stadt. Als Hamburger Bürgermeister stellt man zum Beispiel fest, dass die Folgen des Krieges noch überall nachwirken. So werden nach wie vor Fliegerbomben gefunden, obwohl wir jetzt schon im 21. Jahrhundert leben Folge jenes schrecklichen Terrorregimes, das auch Otto Stern und all die anderen, die hier wissenschaftliche Höchstleistungen vollbrachten, aus unserer Stadt und aus unserem Land vertrieb. 

 

Es ist ein ganz besonderer Ansporn und eine Herausforderung für uns alle, dafür zu sorgen, dass wir das, was damals geschah, nicht vergessen und dass wir dafür Sorge tragen, dass es nicht wieder passiert in Verpflichtung gegenüber denjenigen, die hier einst zeigten, was sie können und wie Otto Stern und viele andere dazu beigetragen haben, dass die Wissenschaft in dieser Stadt zuhause war. 

 

Darum haben sich bereits viele meiner Vorgänger und ebenso schon die Vorgänger von Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt sehr bemüht. Heute sind wir wieder auf einem guten Stand. Was man auch daran sieht, dass wieder neue Nobelpreisträger aus Hamburg dazugekommen sind als eine, wenn man so will, neue Blüte der Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften in dieser Stadt. 

 

Zum Beispiel will ich den gebürtigen Hamburger Johannes Daniel Jensen erwähnen, der den Physik-Nobelpreis 1963 erhielt, gemeinsam mit Eugene Wigner und Maria Goeppert-Mayer, der zweiten und bislang letzten Frau nach Marie Curie, die diese Auszeichnung zugesprochen bekam. Die drei Wissenschaftler erforschten erfolgreich die Eigenschaften der leichteren Atomkerne. 

 

Der vierte Preisträger aus unserer Stadt, Wolfgang Paul, war von 1970 bis 1973 Vorsitzender des Direktoriums am Deutschen Elektronen Synchotron DESY. Er bekam den Nobelpreis 1989 für seine Entwicklung der nach ihm benannten Paul-Falle zugesprochen. In ihr werden Teilchen mittels eines elektrischen Wechselfeldes gespeichert. Und vergessen wir nicht die jüngste Entwicklung: 2009 wurde Frau Ada Yonath und zwei ihrer Kollegen der Nobelpreis für Chemie zuerkannt. Zuvor hatte sie 18 Jahre lang eine der drei Max-Planck-Arbeitsgruppen am DESY geleitet. 

 

Fünf Nobelpreisträger mit Hamburg-Bezug in sieben Jahrzenten seit den Tagen von Otto Stern und seinen Kolleginnen und Kollegen genießen Hamburgs Wissenschaftler und die wissenschaftlichen Institute der Stadt hohes internationales Ansehen. Wir wissen angesichts der Zeit des Nationalsozialismus, wie sehr darum gerungen werden musste, das wieder möglich zu machen.

 

Hamburg ist also offensichtlich wieder ein guter Ort für naturwissenschaftliche Spitzenleistungen. Wie gesagt: Dafür muss man etwas tun. Und das hat mit einer ganzen Reihe auch weiterer Investitionen und Entscheidungen der letzten Jahre zu tun, ein bisschen auch in Verpflichtung gegenüber den guten Anfangsjahren in dieser Stadt. 

 

Zum Beispiel die Gründung des DESY in Hamburg vor rund 50 Jahren: Erst vergangene Woche haben wir im Rahmen der DORIS Days die erfolgreiche Geschichte von 40 Jahren Forschungsarbeit am Doppel-Ring-Speicher (DORIS) Revue passieren lassen viele von Ihnen werden dabei gewesen sein. 

 

Seit Bestehen der Anlage haben Tausende exzellenter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort geforscht. Darauf sind wir stolz, und wir werden alles tun, um diese Erfolgsstory gerade auch im Hinblick auf den heute zu Ehrenden gemeinsam fortzuschreiben. Die Weichen dafür sind gestellt. 

 

Mit dem Hamburg Centre for Ultrafast Imaging (HCUI), einem Verbund Hamburger Wissenschaftler aus den Fachbereichen Physik und Chemie der Universität Hamburg und mit dem DESY, der Max-Planck-Gesellschaft und dem Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) haben wir einen exzellenten Forschungscluster. Die drei Partnerinstitutionen führen ihre Kompetenzen zur Erforschung struktureller Änderungen von Atomen, Molekülen, kondensierter Materie, Schmelzen oder biologischen Systemen zusammen. 

 

Um die im CFEL beteiligten Max-Planck-Forschergruppen zu einem eigenständigen Max-Planck-Institut für Strukturforschung zu verschmelzen, wird der Senat die notwendigen Mittel von mehr als 30 Millionen Euro bereitstellen. 

 

Dies wird flankiert durch das neue Zentrum für strukturelle Systembiologie (CSSB), das mit Beteiligung des Bundes und des Bundeslandes Niedersachen als norddeutscher Partner entsteht. Das CSSB wird drei hochaktuelle Forschungs-felder Strukturforschung, Systembiologie und Infektionsforschung unter einem Dach bündeln. 

 

Ziel ist es, die Synchrotron-Strahlungsquellen am DESY verstärkt für die Lebenswissenschaften zu nutzen. Die Kombination der Forschungsbereiche Physik, Chemie, Biologie und Medizin sowie die geplante Zusammenarbeit von Einrichtungen aus dem norddeutschen Raum sind in dieser Form einzigartig in der biomedizinischen Grundlagen-forschung. 

 

Und last but not least harren wir alle gebannt der Inbetriebnahme des Europäischen Röntgenlasers XFEL im Jahre 2015, von dem wir uns bahnbrechende Erkenntnisse über den Ablauf chemischer Reaktionen und die Zusammen-setzung von Viren und Zellen erhoffen. 

 

Diese Entwicklung erfolgt im engen Schulter-schluss mit Hamburger Hochschulen. Mit der Ansiedlung des Zentrums für optische Quanten-technologie (ZOQ) auf dem Campus in Bahrenfeld und der strategischen Partnerschaft zwischen der Universität und dem DESY unter dem griffigen Titel PIER (Partnership for Innovation, Education und Research) sind die Weichen dafür gestellt, dass Forschung und Lehre Hand in Hand gehen und wir Studierenden vor Ort beste Perspektiven in der Forschung aufzeigen können. 

 

Denn die größte wissenschaftliche Erkenntnis ist nutzlos, wenn sie nicht weitervermittelt werden kann. Und nicht umsonst waren die meisten großen Forscher, auch Otto Stern, zugleich auch große Lehrer. 

 

Nun haben gerade Naturwissenschaften den Ruf, dass sie kompliziert, trocken und schwer zu vermitteln seien gerade bei Juristen wie mir. Einer der wesentlichen Gründe, warum wir auf diesem Gebiet ein ernsthaftes Nachwuchsproblem haben. 

 

Dass dies aber keineswegs so sein muss, davon kann man sich im Rahmen von famelab ein Bild machen: einem internationalen Wettbewerb für junge Wissenschaftskommunikation, in dem junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in drei Minuten auf möglichst kreative und eingängige Art ihr Forschungsprojekt präsentieren. Ich würde mir  wünschen, dass diese Art der Präsentation auch in den Schulen Nachahmer findet ich glaube, dann wären wir unsere Nachwuchssorgen ziemlich schnell los. 

 

Meine Damen und Herren, 

Wissenschaft ist eine Sisyphos-Arbeit. Mit nicht nachlassender Leidenschaft voranzugehen im Bewusstsein, dass der Fluss der Erkenntnis nie versiegt, aber wohl auch niemals an einem irgendwie gearteten Ziel ankommt, das erfordert Beharrlichkeit und beständige Neugier. Dazu gehört auch ein gewisses Maß an Demut angesichts der Tatsache, dass wir vermutlich nie mehr als lediglich einen winzigen Bruchteil davon wirklich verstehen werden, was unsere Welt im Innersten zusammenhält. 

 

Sich dennoch stets aufs Neue zu neuen Ufern aufzumachen, darin möchte ich Sie zu Beginn dieses Symposiums gern bestärken. 

 

Otto Stern als einer der bedeutendsten Hamburger

Wissenschaftler des vergangenen Jahrhunderts hat das Weltbild der Physik verändert. Forscherdrang und Erkenntnisinteresse im Geiste Otto Sterns sind eine wesentliche Basis der menschlichen Kultur. Es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn man feststellt: Wer sich daran beteiligt, dient der Weltgemeinschaft insgesamt. 

 

Aber auch noch einmal zurück zu der Zeit des Nationalsozialismus. Man stelle sich vor, er hätte seine schrecklichen Auswirkungen auf die Wissenschaft und auf das übrige demokratische Leben in Deutschland nicht gehabt. 

 

Die Verluste für die Forschung, für die Intelligenz und für den Fortschritt in Deutschland durch ein schreckliches, antidemokratisches Regime, das unser Land und viele andere Länder terrorisiert und Unzählige verfolgt hat, diese Verluste können nie ganz kompensiert werden. Selbst nicht durch all das, was ich eben habe aufzählen können an Investitionen der Bundesrepublik Deutschland, der Freien und Hansestadt Hamburg und an beeindruckender Kreativität und an Engagement ungezählter Wissenschaftler nach 1945. 

 

Ich glaube, das sollte man gerade auch als Naturwissenschaftler nie vergessen. Es ist ein Thema, das uns alle angeht. 

 

Ich wünsche dem Otto Stern Symposium 2013 einen guten Verlauf, inspirierende Begegnungen und Ihnen allen schöne Tage in Hamburg. 

 
 
Es gilt das gesprochene Wort.