Podiumsgespräch mit dem Berliner Stadtentwicklungssenator Michael Müller und Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz moderiert von Elke Frauns.
Elke Frauns: Herr Scholz, Sie haben gesagt: Unsere Städte sollen Hoffnungsorte sein. Aber damit Städte Hoffnungsorte sind, muss man in ihnen auch Wohnraum finden. Welche Instrumente haben Sie, damit Sie auch tatsächlich entwickeln können, steuern können, eingreifen können?
Olaf Scholz: Das sind vor allem zwei Stellschrauben: Das Bündnis für das Wohnen und die Stadträume, die wir weiterentwickeln und nachverdichten. Private Bauherren, die städtische Wohnungsgesellschaft und die Genossenschaften bauen Wohnungen. Und wir schaffen immer wieder neues Planrecht. Hamburg hat es dabei ein wenig einfacher als Berlin: Dadurch, dass Hamburg eine Einheitsgemeinde ist, könnte die Senatskommission für Stadtentwicklung Bebauungspläne direkt beschließen. Muss sie aber nicht.
Elke Frauns: Welche Rolle spielen die Bezirke dabei?
Olaf Scholz: Wir haben mit allen Bezirken einen Vertrag geschlossen, der eine Mindestzahl von Baugenehmigungen pro Bezirk vorsieht. Die haben wir verhandelt. Es wird jeden Monat ermittelt, wie wir im Plan sind. Das führt zu einem unglaublich dynamischen Prozess und Verhandlungen vor Ort, denn wenn an einer Stelle zehn Wohnungen weniger gebaut werden, müssen es an anderer Stelle zehn mehr werden. Und das können die Bezirke vor Ort besser verhandeln als wir.
Elke Frauns: Eine Frage, die auch in Berlin sehr aktuell ist: Wie stellen Sie in Hamburg sicher, dass Wohnungen auch tatsächlich zum Wohnen genutzt werden und nicht für andere Zwecke verwendet werden, etwa als Ferienwohnung?
Olaf Scholz: Wir haben dazu schon immer ein Gesetz - früher hieß es Wohnungspflegegesetz, heute Hamburgisches Wohnraumschutzgesetz - mit dem wir sichergestellt haben, dass die Zweckentfremdung von Wohnraum unterbunden wird. Das haben wir jetzt noch mal modernisiert, auch im Hinblick auf die massive Zunahme der Ferienwohnungen. Aber es ist trotzdem nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Entspannung existiert erst, wenn wir die zu Beginn dieses Jahrzehnts fehlenden 40.000 Wohnungen gebaut haben und dann mit der neuen Bevölkerungsentwicklung Schritt halten können.
Elke Frauns: Herr Müller, auch Berlin hat eine ganz Fülle von Instrumenten, um bezahlbaren Wohnraum sicherzustellen. Wie glauben Sie, kann auch die gemeinsame Arbeit in Berlin weitergehen, bezahlbaren Wohnraum zu sichern, aber auch weiterzuentwickeln?
Michael Müller: Wir haben uns dafür auch Instrumente aus Hamburg angeschaut, da bricht uns ja kein Zacken aus der Krone, auch zu fragen: Was funktioniert in Hamburg gut? Unter anderem haben wir das Bündnis mit den Bezirken über die Zielvereinbarung zum Wohnungsneubau übernommen. Daneben haben wir ein Neubaubündnis mit den wohnungs- und bauwirtschaftlichen Verbänden und ein Bündnis für bezahlbare Mieten mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften ins Leben gerufen. Mich freut vor allem, dass der geförderte Wohnungsbau wieder auf der Tagesordnung steht, damit die städtischen Gesellschaften und die Genossenschaften neuen Wohnraum für 6,00 bis 6,50 Euro Miete pro Quadratmeter anbieten können. Das ist im Neubau eine sehr gute Miete. Aber wir greifen natürlich auch regulierend ein, vor allem bei der Zweckentfremdung von Wohnraum. Und wir arbeiten aktuell sehr intensiv an einem Thema, für das wir im Hebst Ergebnisse präsentieren werden: Das ist der Bereich der Sozialwohnungen. Es ist doch kaum zu ertragen, dass wir einen sozialen Wohnungsbau haben, der nach Ende der Förderung teurer ist als der private Wohnungsbau. Das ist eine Situation, die wir so nicht länger hinnehmen können. Ein anderes Thema ist eine Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik. Das heißt: Liegenschaften zukünftig nicht nach Höchstpreisverfahren zu verkaufen, sondern gezielt einzusetzen für unsere wohnungspolitischen Ziele.
Elke Frauns: Beide Metropolen stehen fachlich im engen Kontakt und lernen voneinander. Gibt es auch gemeinsame Interessen, die Berlin und Hamburg gemeinsam vertreten könnten oder überwiegt die Konkurrenz?
Michael Müller: Von außen betrachtet sind wir eine große Region mit zwei Millionenstädten, mit einer großen wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Kraft und Anziehungskraft. Gerade aus der internationalen Sicht müssen wir von einer falsch verstandenen Konkurrenz wegkommen und uns als eine Region verstehen. Für die Ansiedlung von Arbeitsplätzen und für die Sicherung von neuen Investitionen ist Kooperation der bessere Weg, als ein ruinöser Wettbewerb.
Olaf Scholz: Das sehe ich ähnlich. Als ich Bürgermeister wurde, habe ich erst mal entschieden: Wir sagen nichts Hässliches mehr über unsere Nachbarn, was vorher gang und gäbe war. Immer, wenn was schief lief, waren entweder Brüssel, die Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Berlin oder Niedersachsen und Schleswig-Holstein schuld. Wir suchen die Schuld nicht mehr bei anderen und seitdem läuft die Zusammenarbeit wesentlich besser. Und das Gleiche gilt für Berlin. Aus vielen Reden, die mir meine Verwaltungseinheiten vorgelegt haben, habe ich erst mal die Spitzen gegen Berlin herausgestrichen.
Elke Frauns: Mit Blick auf das Jahr 2030: Was macht denn Hamburg und Berlin 2030 einzigartig?
Olaf Scholz: Unsere Städte sind gewachsene Städte, keine künstlichen Produkte, die in den letzten zehn Jahren entstanden sind. Hamburg ist eine über viele Jahrhunderte gewachsene Stadtrepublik mit einer gegen Fürstentümer und Fürstenmacht gerichteten Stadtkultur, die die Stadt bis heute prägt. Es ist eine Stadt am Wasser mit internationalen Verbindungen, die sich durch den Hafen und den Handel ergeben haben und zu diplomatischen Beziehungen geführt haben, da war Deutschland noch gar nicht gegründet. Und diese Haltung, diese Mentalität wird sich auch in der Stadtentwicklung niederschlagen, wenn Stadtsichten und Stadtlagen möglich werden, an die man vor 50 Jahren nicht gedacht hätte: dass man entlang der Elbe, um eine Hamburger Besonderheit zu nennen, von Westen nach Osten gehen kann, ohne vor abgesperrten Industrieanlagen zu stehen. Dass man die Fleete, die Wasserlagen nutzen kann. Diese Qualität wird die wachsende Stadt behalten.
Michael Müller: Ich hoffe, dass wir uns Orte wie dieses ehemalige Umspannwerk erhalten können. Orte der Transformation, die die Brüche in der Berliner Geschichte zeigen und heute spannende Orte sind, an denen die Kreativität zu spüren ist. Manchmal geht es mir so, dass ich wie ein Tourist durch die eigene Stadt laufe und immer wieder Ecken sehe und denke: Das war doch vor vier Wochen noch nicht so. Obwohl ich als Bausenator viel herumkomme, spüre ich dann deutlich diesen Optimismus, der in der Veränderung liegt. Ich glaube, das macht Berlin aus und es wäre toll, wenn wir uns das erhalten können.
Elke Frauns: Herzlichen Dank an Sie beide für das Gespräch.
Rede: BerlinStrategie | Stadtentwicklungskonzept Berlin 2030