arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

14.06.2009

"Qualifizierte Mitarbeiter werden fehlen"

Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung 

 

Herr Scholz, unsere Gesellschaft hat ein negatives Bild vom Alter. Woher kommt das?

Wahrscheinlich war es schon immer so, dass Menschen in Deutschland Alter eher mit vielen Defiziten verbunden haben. Doch ist das vollkommen unangemessen. Wenn Sie in einer Unternehmerversammlung fragen, wer in letzter Zeit einen Mitarbeiter mit 61 Jahren eingestellt hat, dann melden sich nur ganz wenige. Wenn Sie dann noch dazusetzen - nicht auf Vorstandsebene -, dann bleiben kaum welche.

Nun sind wir weit davon entfernt, das zu ändern.

Richtig, doch müssen oder besser dürfen wir uns auf eine andere Welt einstellen. Physisches und geistiges Leistungsvermögen der über 60-Jährigen sind heute viel größer. Warum sollte man sie nicht mehr einstellen? Ich hoffe nicht, dass wir dafür irgendwann noch eine Quote brauchen.

Die Politik könnte Gesetze machen, die eine Frühverrentung für den Einzelnen und für die Unternehmen verteuern.

Gesetze können eine Entwicklung begleiten, aber niemals die Einstellung der Menschen verändern. Das versuchen wir mit unserer Initiative "Neue Kultur der Arbeit". Im Übrigen ist es heute schon so, dass jeder, der ein Jahr länger arbeitet, einen Zuschlag auf seine Rente von sechs Prozent bekommt.

Bei einem Jahr weniger werden ihm nur 3,6 Prozent abgezogen. Erhöhen Sie die Abschläge . . .

. . . nein, die sind versicherungsmathematisch genau berechnet. Es liegt auch nicht am Geld. Unternehmen müssen begreifen, dass Wissen von den älteren auf die jüngeren Mitarbeiter nicht immer in kurzer Zeit übertragen werden kann, sondern dass dieser Prozess mitunter Jahre in Anspruch nimmt. Oder dass man einen 22-Jährigen körperlich nicht derart strapaziert, dass er mit 52 nicht mehr kann.

Ist die Wirtschaft auf die Entwicklung vorbereitet?

Sicher nicht ausreichend. Ich besuche systematisch Unternehmen, die viel ausbilden oder viele ältere Menschen einstellen. Dabei habe ich festgestellt, dass es sich fast immer um den gleichen Firmentyp handelt. Das sind alles Betriebe, die sich den Beschäftigten zuwenden und sie nicht nur als Zahlen begreifen. Davon gibt es zu wenige.

Was kommt auf uns zu?

In den nächsten zwei Jahrzehnten werden die deutschen Unternehmen vor nie dagewesenen Problemen stehen. Es werden ihnen die qualifizierten Mitarbeiter fehlen. Sie werden gezwungen sein, auf alle Gruppen der Erwerbsbevölkerung zurückzugreifen, auf Frauen, auf Junge, auf Alte, auf Menschen mit Behinderung, auf Migranten. Wenn es ihnen nicht gelingt, alles aus allen herauszuholen, dann stehen sie vor Schwierigkeiten, mit denen sie noch keine Erfahrung haben: dem absoluten Personalmangel. Und der wird so gewaltig sein, dass er durchaus in der Lage ist, unsere gesamte Volkswirtschaft zu beeinträchtigen.