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Symbolfoto: Olaf Scholz
Photothek
25.09.2023 | Hamburg

Rede anlässlich der 3. Nationalen Luftfahrtkonferenz

Sehr geehrter Herr Spohr,
sehr geehrter Herr Bundesminister Habeck,
sehr geehrter Herr Bundesminister Wissing,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Tschentscher,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

das Fliegen verbindet Deutschland mit der Welt. Wir sind eine der wichtigsten und am engsten vernetzten Exportnationen auf dem Globus, wir sind ein Hochtechnologiestandort, und weil das so ist, sind die Luftfahrt und die Luftfracht für unsere Volkswirtschaft und für unseren Industriestandort unentbehrlich. Der internationale Luftverkehr ist ohne Deutschland nicht vorstellbar. Es gibt praktisch kein Flugzeug weltweit, das ohne in Deutschland hergestellte Teile fliegt. Jedes sechste Verkehrsflugzeug wird in Deutschland endmontiert. Im zivilen Flugzeugbau treibt Europa Innovationen voran, auch bei der Ressourceneffizienz und der Erprobung neuer, klimafreundlicher Technologien. All das zeigt: Die Luftfahrtbranche gehört zu Deutschland, und die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass das auch so bleibt.

Die vergangenen Jahre waren für die Luftfahrt nicht leicht, vor allem wegen der Pandemie. Als die Lage am schwierigsten war – Sie haben darüber gesprochen, Herr Spohr –, hat die Bundesregierung den Airlines unter die Arme gegriffen. Das hat sich gelohnt, und ich sage auch im Nachhinein: Das war die richtige Entscheidung. Es zeigt: Zusammenhalt zahlt sich aus, gerade dann, wenn es schwierig wird.

Die Pandemie ist vorüber, und wir erleben nun, was die Luftfahrtbranche betrifft, einen Aufschwung. Aus der Krise ist die Luftfahrt in Deutschland nämlich stark hervorgegangen, und es geht ihr heute gut. Dass eine Branchenkonferenz mit dieser Bemerkung von Ihnen eröffnet wurde, ist natürlich etwas ganz Besonderes. Das zeigt sich natürlich auch ganz besonders an Ihrem Unternehmen. Die Lufthansa gehört zu den größten Airlinekonzernen der Welt, erwartet in diesem Jahr hohe Gewinne und ist auch weiter auf Expansionskurs. Der Cargobereich hatte ja schon in der Pandemie deutlich zugelegt. Dank der Luftfracht kommen unsere deutschen Industrieprodukte und Ersatzteile pünktlich und zuverlässig in anderen, auch weit entfernten, Ländern an.

Die Unternehmen der Luftverkehrswirtschaft beschäftigen Hunderttausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in gut bezahlten und sicheren Jobs, auch bei den Zulieferern. Gerade unsere mittelständischen Zulieferer sind moderne und hoch spezialisierte Unternehmen. Mit ihrer breiten Wertschöpfungsbasis haben sie einen großen Anteil daran, dass Flugzeuge jeden Tag weltweit abheben. Wir brauchen dafür Fachkräfte, und zwar die besten. Deshalb sind hervorragend ausgebildete Fachkräfte für unseren Erfolg als Exportnation überall wichtig, und das gilt natürlich auch für diese Branche. Ob Forschende oder Technikerinnen, Designer oder Pilotinnen, Monteure, Logistikerinnen, Informatiker und viele andere mehr – sie alle zu finden und zu qualifizieren, das ist eine der großen Herausforderungen, vor denen Sie als Arbeitgeber gerade stehen.

Für uns in Deutschland heißt das auch: Fachkräfte aus anderen Ländern müssen leichter zu uns kommen können. Sie sollten nicht Monate auf ein Visum oder eine Arbeitserlaubnis warten müssen. Dafür haben wir das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Es ist nun das modernste Einwanderungsrecht, das Deutschland jemals hatte. Mit einer starken Industrie, einem modernen Mittelstand und den besten Fachkräften gelingt der Take-off in eine gute neue Zeit.

In dieser neuen Zeit wird sich die Luftverkehrsbranche, aber auch unsere gesamte Industrie, ganz grundlegend verändern. Unser großes Ziel ist klar: Bis 2045 wollen wir klimaneutral werden und dabei zugleich ein erfolgreiches Industrieland mit weiteren Wachstumsmöglichkeiten bleiben. Die Luftfahrtbranche setzt alles daran, Europas Luftfahrt bis 2050 CO2-neutral machen zu können. Das ist ein starkes Signal und ein Signal mit Perspektive; schließlich planen und investieren Sie langfristig. Sie treffen jetzt die Entscheidungen für die nächsten zwanzig oder dreißig Jahre und investieren nicht nur in Ihre Flotte, sondern auch in unsere Zukunft. Industrie und die Politik stehen hier in einer gemeinsamen Verantwortung.

Die Luftfahrt ist verantwortlich für knapp drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Es ist klar, dass das noch weniger werden soll. Klar ist aber auch: In puncto klimafreundliche Technologien steht die deutsche Luftfahrtindustrie schon jetzt an der Weltspitze. Das zeigen klimaneutrale Kraftstoffe, das zeigen elektrisch betriebene Flugzeuge, Wasserstoffantriebe und effiziente Turbinen, die den Einsatz klimaneutraler Kraftstoffe ermöglichen. Wir wissen: Viele dieser Technologien werden nicht morgen früh alle zum Einsatz kommen. Aber wenn wir das Ziel haben, dass bis Mitte dieses Jahrhunderts CO2-Neutralität erreicht werden kann, dann müssen wir uns mit den technologischen Möglichkeiten von Übermorgen genauso beschäftigen wie mit ihrem Input in die technologischen Entwicklungen, die jetzt, aktuell, stattfindenden, und die Verbesserungen betrachten, die jetzt auch schon unmittelbar möglich sind.

Mit klimaneutralen Kraftstoffen kann man die Flugzeuge weiter nutzen, die es auch heute schon gibt und für die große Batterien keine Option sind. Ich weiß, dass es für die Unternehmen eine Herausforderung ist, die Beimischquoten zu erfüllen; denn der Produktionshochlauf muss erst beginnen, und Sie stehen dabei in einem internationalen Wettbewerb. Sie sehen: Ich hatte vor, das zu sagen, was Sie angesprochen haben, und wir sind uns der Probleme genau bewusst. Doch wir können zeigen, dass das geht, und wir können unter Beweis stellen, dass die Herstellung von klimaneutralen Kraftstoffen auch in Deutschland funktioniert. Ich freue mich deshalb auch über die Initiative, die mit dem Projekt „NetZero“ rund um den Flughafen Leipzig verbunden ist. Zum Markthochlauf dieser Kraftstoffe haben wir uns in Deutschland bekannt und werden auch weiter daran arbeiten.

Was den Wettbewerb verzerrt, was dazu führen könnte, dass Arbeitsplätze verlagert werden, das werden wir natürlich nicht hinnehmen. Deshalb haben wir uns für Regeln eingesetzt, mit denen wir „carbon leakage“ frühzeitig erkennen und auch verhindern. Die Gesetze sollen ja nicht zulasten europäischer und deutscher Flughäfen und Airlines gehen. Das ist nicht ihr Sinn und Zweck.

Was beim Wasserstoffantrieb möglich ist, das zeigt die Luftfahrtforschung, und das zeigen viele Flieger in dieser Halle, die wir sehen konnten und die ich mir eben ein bisschen angeschaut habe. Perspektivisch ist der Wasserstoffantrieb sicherlich auch in Serienflugzeugen möglich. Bei der Advanced Air Mobility sehen wir, dass es solche Fortschrittsentwicklungen gibt, und daran erkennt man, was unsere Ingenieurinnen und Ingenieure eben können. Das gilt auch für Drohnen, die entwickelt werden müssen, die zu den neuen Technologien der zivilen Luftfahrt mit enormen wirtschaftlichen Potenzialen gehören. Ich bin stolz darauf, dass gleich mehrere potenzielle Hersteller der innovativen Fluggeräte bei uns in Deutschland ihre Heimat haben. Denn sie können uns im Alltag helfen, etwa wenn Medikamente oder auch Pakete bis an die Haustür geliefert werden sollen. Wir sind jedenfalls gespannt, was die technologischen Möglichkeiten eröffnen.

Neue Technologien der zivilen Luftfahrt gründen oft auch auf Erkenntnissen, die aus der militärischen Luftfahrt stammen. Die haben wir in unserem Hintergrund ja schon gehört, und deshalb will ich auch hier klar darüber sprechen. Die militärische Luftfahrt ist wichtig für uns, für unsere Sicherheit, aber eben auch für unsere Industrie und unsere Exportfähigkeiten. Darum setzen wir uns auch für die Weiterentwicklung des Eurofighters ein, genauso wie auf das Leitprojekt FCAS, das wir gemeinsam mit Frankreich und Spanien als Luftkampfsystem der Zukunft entwickeln.

Damit zeigen wir, dass in Europa handlungsfähiger und souveräner gearbeitet werden kann und dass wir wissen, wie es geht, dass wir technologisch auf der Höhe der Zeit bleiben. Wenn wir über europäische Souveränität reden, über eine starke europäische Säule in der Nato, dann gehört auch das dazu.

Luftfahrtindustrie findet überall in Deutschland statt. Der Bürgermeister – er weiß, dass mir das sehr wichtig ist – hat aber darauf hingewiesen, dass Hamburg dabei immer eine zentrale Rolle spielen wird. Der Luftfahrtstandort hier ist ein wichtiger Innovationstreiber und ein starker Standort mit fast 40.000 hoch qualifizierten Beschäftigte in der Metropolregion in 3.000 Unternehmen. Das ist schon ein bemerkenswertes industrielles Cluster!

Man kann das auch beim Airbus A321XLR sehen, der wohl das innovativste und effizienteste Serienflugzeug der Welt sein wird, für Langstrecken bis zu elf Stunden. Das ist eine bemerkenswerte Leistung und natürlich umso bemerkenswerter, wenn man weiß, dass das aus einem Flugzeug weiterentwickelt worden ist, das gar nicht für die Langstrecke konzipiert war. Dass das geht, ist ja auch ein Beweis für die Innovationsfähigkeit der Luftfahrtindustrie.

Dieses Flugzeug ist klimafreundlich. Es verbraucht 30 Prozent weniger Kraftstoff pro Sitzplatz im Vergleich zu den Flugzeuggenerationen davor. Airbus Hamburg leitet die Pilotphase für die Serienproduktion dieses Fliegers. Dass wir das hier und heute würdigen können, zeigt, dass es sich gelohnt hat, sich für den Standort einzusetzen.

Sowohl für Airbus als auch für die vielen anderen Unternehmen unseres Luftfahrtclusters in Deutschland ist es wichtig, dass wir zeigen, was wir können. Wir sind erfolgreich mit der Integration von Hochtechnologien. Ich glaube, das ist etwas ganz Besonderes.

Wir wünschen uns weitere Innovationen in der Luftfahrt, nicht nur in Hamburg, sondern in ganz Deutschland, beim Nachfolgeprogramm für den Airbus A320, aber auch überall, wo Wasserstoff- und Batterieflugzeuge entwickelt und irgendwann gebaut werden. Das sind langfristige Investitionen in gute Arbeitsplätze, in erfolgreiche Technologie und in die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes.

Was wir dafür brauchen, ist natürlich eine gute Infrastruktur. Wenn Wasserstoff bei uns Gas, Kohle und Öl ersetzen soll, dann brauchen wir sehr viel davon. Darüber ist ja schon gesprochen werden. Einen Teil davon können wir selbst herstellen, andere Teile werden wir importieren. Darum werden wir noch in diesem Jahr den Aufbau einer Wasserstoffleitungsinfrastruktur auf den Weg bringen. Das ist ein weitreichendes Zukunftsprojekt. Wenn wir diese Entscheidung jetzt treffen, dann geht es um viele zehn Milliarden, die privatwirtschaftlich investiert werden und sich dann über Jahrzehnte rentieren sollen. Aber wenn eine solche Weichenstellung jetzt nicht getroffen wird, kann niemand darauf vertrauen, dass das mit dem Wasserstoff am Ende etwas ist, worauf man setzen darf. Deshalb ist es so wichtig, dass das jetzt passiert. Darum können sich aber alle darauf verlassen: Das tun wir auch.

Aufs Beschleunigen kommt es ja nicht nur beim Fliegen an, sondern auch bei der Energiewende. Damit die Energiekosten sinken, brauchen wir genau diese Infrastrukturen, auch damit die klimaneutralen Kraftstoffe bezahlbar werden. Saubere und bezahlbare Energie entscheidet über unseren Wirtschaftsstandort. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier auch alles tun, um die notwendige Beschleunigung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien zustande zu bekommen, die die Grundlage, zum Beispiel für die Wasserstoffproduktion, sein wird.

Ich will Ihnen jedenfalls versichern, dass wir uns vorgenommen haben, die über Jahrzehnte aufgebauten liebevoll gezimmerten Strukturen von rechtlichen Regelungen, die uns am schnellen Handeln hindern, aufzubrechen. Das ist dann auch das Ziel hinter dem Deutschlandpakt.

Einige haben sich ja gefragt, warum ich ein solches Angebot an die Länder, an die Gemeinden und auch an die große Oppositionspartei gemacht habe. Das ist ganz einfach: Wir waren in den letzten Jahrzehnten alle zusammen dabei, die Vorschriften, die uns jetzt behindern, zu entwickeln. Also müssen wir sie auch zusammen wieder abbauen, damit es das nötige Tempo für unser Land gibt, und genau das versuchen wir damit zu erreichen.

Wir haben auch schon manches an Geschwindigkeitszuwachs gesehen, etwa beim Zuwachs von Photovoltaikanlagen, beim Ausbau der Windkraft oder beim Ausbau des Leitungsnetzes. Wir werden uns darauf jetzt nicht ausruhen, sondern entsprechend weitermachen, damit das auch tatsächlich klappt.

Wir können uns nur wünschen, dass sich nicht nur die Vorschriften ändern, sondern auch alle den Mut haben, diese einfachen Wege dann zu nutzen. Die besten Gesetze helfen nichts, wenn niemand den Bescheid unterschreibt, wenn man noch einmal ein Gutachten braucht, um wirklich sicher zu sein, dass man nichts falsch tut. Irgendwann muss man einmal entscheiden. Ich finde, das sollte möglichst früh im Stadium von Prozessen geschehen, damit wir alle wissen: Die Dinge können auch schnell und zügig vorangehen.

Dass das schon einmal ging, habe ich jetzt beim Besuch in New York festgestellt. Ich hatte einen kurzen Abstecher auf das Empire State Building, ein sehr großes Hochhaus. Das wurde – das haben sie mir erzählt – in 15 Monaten gebaut. Wer stellt sich vor, dass heute in Deutschland ein Hochhaus dieser Größenordnung in 15 Monaten überhaupt geplant worden ist? Das, glaube ich, müssen wir wieder ein bisschen ändern, damit wir vielleicht nicht in 15 Monaten zur Planung und zum Bauen kommen, es aber doch nicht so viel länger dauert – wie das seinerzeit schon einmal möglich war.

Vor hundert Jahren waren Flugzeuge noch dröhnende Kisten. Heute schätzen die Passagiere die hohe Qualität und die Sicherheit moderner Maschinen und Airlines, auf die sie sich verlassen können. Übrigens werden sie auch leiser. Das wird manchen Flugplatz auch noch attraktiver für seine Nachbarn machen, und auch darauf kann man ein bisschen setzen.

Und so stehen wir vor der technologischen Entwicklung: für unseren Wirtschaftsstandort und für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wenn wir uns heute hier umschauen, dann sehen wir, dass wir weit gekommen sind. Ich jedenfalls bin überzeugt: Der Luftfahrtstandort Deutschland hat eine sehr gute Zukunft.

Die Dritte Nationale Luftfahrtkonferenz soll nunmehr eröffnet sein!