Liebe Katarina,
du bist eine starke Stimme für Europa! Wir haben hier plakatiert „Deutschlands stärkste Stimmen für
Europa“. Irgendein Virus hat mir mitgeteilt, es müsste bei der Stimme noch ein bisschen nachhelfen. Ich
hoffe aber, dass ich trotzdem verständlich bin und die Gelegenheit habe, ein paar Worte zu sagen. In
Bezug auf Europa, auch in Bezug auf den Europawahlkampf und was dort ansteht. Aus meiner Sicht ist
das eine ganz zentrale Wahl! Denn das, was wir hier in Deutschland erleben - das stark werden rechter
Populisten, von Parteien, die gegen Europa Wahlkampf machen, die ihre Stimmen damit werben wollen,
dass sie sagen, das mit der Europäischen Union hat keine Perspektive -, das haben wir ja auch in vielen
anderen Ländern Europas erlebt. Ja, und es kann schon sein, dass das Ergebnis dieser Europawahl ist,
dass in vielen Ländern dort starke Stimmenergebnisse für rechte Populisten herauskommen. Und
dagegen gibt es ein sicheres Mittel, wenn man in Deutschland einen Beitrag leisten will: Katarina Barley
und die SPD wählen! Die Nationalisten handeln gegen das nationale Interesse. Das war schon immer so,
aber in dieser Frage ist es so offensichtlich, und es muss auch immer wieder gesagt werden: Das
stärkste nationale Interesse, das wir in Deutschland haben, ist eine starke Europäische Union.
Und wir? Wir als das bevölkerungsreichste Land, das wirtschaftsstärkste Land mitten in der Europäischen
Union, wir haben eine Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass es vorangeht mit Europa. In unserem
Interesse, aber auch im Interesse ganz Europas. Das ist das, was wir tun müssen. Ja, es gibt überall in
Europa Politiker, bevor sie den Abflug nach Brüssel machen und dann dort auf irgendwelchen Räten sich
beteiligen - ob es nun Ministerräte oder der Rat sind, an dem ich teilnehme - die dort erst mal ihren
Fernsehsendern mitteilen, was sie alles da durchsetzen werden. Sich ganz nett verhalten, das ist
jedenfalls meine Erfahrung, meistens auf den Sitzungen. Nicht alle, nicht immer, aber doch ganz oft. Und
dann kommen sie wieder zurück und sagen, was sie alles durchgesetzt haben. Ich sage euch, es gibt ein
Land, wo dessen Politiker und Politikerinnen das nicht machen dürfen. Das sind wir. Wegen unserer
Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Europa ein Erfolgsprojekt wird. Und wir Sozialdemokraten stehen genau
dafür ein.
Die Welt ändert sich. Und sie hat sich so geändert, dass gerade in den reichen Ländern, im Westen
Europas, in Nordamerika und an manchen anderen Stellen der Welt die Unsicherheit größer geworden
ist, was die Zukunft mit sich bringen wird. Übrigens, weil die Welt sich mehr oder weniger zum Besseren
verändert hat. Denn wenn jetzt Milliarden Menschen in Asien wirtschaftlichen Wohlstand spüren, wenn
dort hunderte Millionenstädte entstehen - von denen nicht alle alle aufsagen können -, die aber alle
beitragen zu wirtschaftlicher Kraft Asiens. Wenn das gelingt mit dem Süden Amerikas, mit Afrika, dann ist
das eine andere Welt als die, in der die diejenigen, die ein bisschen älter sind, noch aufgewachsen sind
und die wir in den letzten 100 und 200 Jahren gekannt haben. Das Stück Sicherheit, dass es Dinge gibt,
die nur wir können, in Europa und im Norden Amerikas, das ist verloren gegangen. Und unterschätzt mal
nicht, wie sehr das dazu beiträgt, dass das Unsicherheitsgefühl sich verbreitet? Und deshalb muss man
darauf eine Antwort geben. Unsere Antwort ist Zweierlei. Erstens: Wir sorgen dafür, dass wir dem, was
wir in Europa an Politik machen, die Grundlage dafür legen, dass wir technologisch und wirtschaftlich in
einer Welt von 10 Milliarden Einwohnern, die wir schon 2050 haben werden, immer weiter vorne dabei
sind.
Wir sind heute, als Deutschland, nach einer Statistik, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt mit nur
etwas über 80 Millionen Einwohnern. Das ist ziemlich beeindruckend! Aber wenn wir unseren Wohlstand
sichern wollen, dann können wir das nur gemeinsam als Europäische Union mit diesen 10 Milliarden. Und
dazu gehört dann die zweite Perspektive. Die zweite Perspektive, für die wir kämpfen müssen, jetzt und
in dieser Zeit: Dass wir als eine Union von Ländern, bei denen nicht wenige erst in den 50er und 60er und
manche in den 70er Jahren ihre koloniale Phase beendet haben, Anschluss finden zu den Ländern des
globalen Südens. Dass wir auf Augenhöhe mit ihnen verhandeln. Dass wir Freunde und Partner werden.
Und ich glaube, dass ich sagen kann: Die Politik, die die deutsche Regierung jetzt entfaltet hat, das, was
wir gemeinsam versucht haben, in Europa voranzubringen, das ist eine neue Nord-Süd Politik, wie Willy
Brandt sie einst angefangen hat. Und es ist die Grundlage für Wohlstand und Sicherheit in der Zukunft.
Wir brauchen eine starke Europäische Union, die Partner ist in der Welt!
Deshalb müssen wir natürlich dafür sorgen, dass das mit den wirtschaftlichen Grundlagen auch stimmt.
Einmal, wenn es um die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Europa geht. Ein
gemeinsamer Markt heißt ja, dass nicht alles gut geregelt sein kann, aber die Rechte der Beschäftigten
nicht, denn die sind ja die Grundlage dafür, dass das funktioniert. Und genau dafür stehen wir als SPD.
Aber wir müssen auch die Grundlage dafür legen, dass der wirtschaftliche Wohlstand bei uns stattfinden
kann. Und da erwarten die Bürgerinnen und Bürger keine Diskussion, wie sie so gerne etwas abfällig
über Europa geführt wird, über bestimmte Vorschriften, was jetzt die Krümmung von Bananen und
sonstigen Dinge betrifft. Sondern was wir wirklich brauchen, das ist doch ein Fortschritt bei der
Infrastruktur, der digitalen Infrastruktur, bei den Eisenbahnnetzen, bei den Straßennetzen, bei dem, was
wir an Wissenschaftslandschaft haben, bei unseren Fähigkeiten im Rahmen der Digitalisierung. Und ich
will ausdrücklich sagen: Es ist nicht gut, dass alles, was an moderner Entwicklung im großen Maßstab mit
Sozialen-Media-Plattformen stattgefunden hat, dass das in wenigen Ländern der Welt konzentriert ist und
in Europa keine so großen Player in dieser Art entstanden sind.
Und deshalb geht es jetzt ums Ganze. Künstliche Intelligenz ist eine Kompetenz, die es in Europa gibt.
Die ist übrigens ganz stark in Deutschland gibt und wir werden es nicht wieder so gehen lassen wie die
letzten Male. Künstliche Intelligenz muss auch eine Kompetenz, eine Technologie aus Europa und aus
Deutschland sein!
Dann gibt es ja immer wieder Theorien, woran das alles liegt: Die Chinesen ganz autoritär. Die
Amerikaner mit viel Marktliberalismus. Aber die Wahrheit ist auch manchmal ganz praktisch anders. Da
sind große Märkte mit vielen Einwohnern und wir sind schon über 400 Millionen. Wir wollen, dass die
Europäische Union noch weiter wächst und wenn alle die Bedingungen erfüllen - die Länder des
westlichen Balkans, dass Moldau, dass die Ukraine perspektivisch Georgien - dabei sein können. Aber
eins ist doch ganz klar: Wenn es trotzdem fragmentiert bleibt, können wir die Power nicht ausspielen, die
in dieser großen Zahl auch tatsächlich liegt. Das ist der Grund dafür, dass wir bestimmte Dinge nicht
hingekriegt haben in Europa. Und deshalb müssen wir das europäische Projekt vollenden, damit
europäische Unternehmen wachsen können!
Und nur ein Thema will ich ganz kurz und an dieser Stelle nennen. Das ist die Banken- und
Kapitalmarktunion. Das klingt so technisch. Aber es ist echt wichtig! Und ich will das einfach nur mal
sagen: Es wird erzählt, haben wir auch heute gehört und zwar zu Recht, dass in den letzten Jahren das
wirtschaftliche Wachstum der USA vielfach größer war wie das der Europäischen Union. Und ich kann
nur sagen, es gibt dafür eine einfache Ursache: Das ist uns nicht gelungen ist, diese Banken- und
Kapitalmarktunion zu schaffen. Das ist nicht gelungen ist, das viele Geld, das in Europa da ist, in Start-
Ups, in Unternehmensgründung, dort, wo sie stattfinden, zu investieren. Das viele Geld, das in Europa
existiert, zu sammeln, zu bündeln und zu einer Kraft zu machen. Was ist eigentlich los, wenn manche
Start-Ups Geld bekommen, schon aus europäischen Mitteln. Aber das sind Unternehmen, die haben ihr
Geld gesammelt, in amerikanischen Fonds angelegt, und die machen dann Start-Up Investitionen in
Europa. Das müssen wir doch hier hinkriegen. Und deshalb, finde ich, muss, damit das mit dem
wirtschaftlichen Wachstum und den Arbeitsplätzen klappt, dies ein zentrales Thema sein.
Leider ist, wie so oft, das Pferd von hinten aufgezäumt worden und alle haben sich Gedanken gemacht
über Einlagensicherung und sonstige Dinge. Aber das eigentlich Entscheidende ist, dass die Banken
europaweit agieren können müssen. Und da steht in unserem Wahlprogramm ein Satz, der mir wichtig
ist! Wir haben durchgesetzt, das ist jetzt so etwas gibt wie eine globale Mindestbesteuerung in
Deutschland. Und diese auch in Europa auf den Weg gebracht, nachdem das international etwas
geworden ist. Hat übrigens niemand geglaubt, dass das klappt, als ich das als Finanzminister mal auf den
Weg gebracht habe. Hat aber doch geklappt. Global. Aber was viel wichtiger ist: Da stehen jetzt
15 Prozent! Das ist nur ein Mindeststeuersatz, den man erheben kann, wenn andere weniger Steuern
nehmen. Aber die Frage ist: Ist das nicht ein Orientierungssatz für eine Basis-Körperschaftssteuer, die
nach einheitlichen Kriterien in Europa erhoben werden kann? Und ist das nicht möglicherweise auch die
Grundlage dafür, dass das mit der Banken- und Kapitalmarktunion klappt? Weil das kann ja nicht sein,
dass die Banken dann alle ihren Sitz haben in einem Land mit ganz wenig Steuern. Und wenn es denn
schiefgeht, sollen alle europäischen Steuerzahler sie raushauen. Das ist ja wohl nicht der Weg, der
funktioniert!
Nur eine Anregung, aber aus meiner Sicht ein Zeichen dafür, warum wir gebraucht werden. Und ich will
es noch in einer Hinsicht sagen: Europa hat jetzt eine große Herausforderung zu bewältigen, eigentlich
die ganze Welt, aber Europa besonders, weil bei uns, auf unserem Kontinent, findet ein grausamer Krieg
statt. Das größte Land Europas, Russland. Das Land mit dem größten Territorium hat das Land mit dem
zweitgrößten Territorium in Europa angegriffen. Um es sich ganz oder teilweise einzuverleiben. Und
Katarina Barley hatte völlig recht mit dem, was sie gesagt hat: Das darf nicht mehr passieren, dass der
Stärkere sagt „Ich hole mir, was ich haben will“, egal, was das Recht ist!
Es waren Helmut Schmidt und Willy Brandt, die mit der KSZE und der OSZE ein Prozess auf den Weg
gebracht haben, der genau diese Prinzipien für Europa vereinbart hat: Dass nicht mit Gewalt Grenzen
verschoben werden! Dass wir das hinter uns lassen. Übrigens in Zeiten, in denen Kalter Krieg herrschte.
In Zeiten, in denen Deutschland sehr viel für Verteidigung ausgegeben hat. Selbst wenn wir die 2 Prozent
jetzt jedes Jahr ausgeben - was wir tun -, dann ist das noch weniger, als was damals der Fall war.
Aber es ist aus dieser Kombination von Verständigung, gemeinsamer Sicherheit und eigener Stärke doch
etwas gelungen in Europa. Und genau das müssen wir jetzt wieder erreichen. Aber das, was jetzt
dazugehört - im Sinne von Willy Brandt, im Sinne von Helmut Schmidt - das ist, dass wir an der Seite der
Ukraine stehen! Wir tun das mit Bedacht. Und wir tun das international abgestimmt. Wir finden nicht, dass
es ein Vorzug deutscher Politik sein sollte, Alleingänge zu veranstalten. Das Gegenteil ist richtig. Aber wir
sind jetzt an einer ganz entscheidenden Stelle. In den USA wird intensiv darüber diskutiert - im Kongress
-, ob die Wünsche des Präsidenten akzeptiert werden, für dieses Jahr Geld für die Unterstützung der
Ukraine zu bewilligen. Schon seit letztem Jahr ist der amerikanische Präsident aktiv bemüht, das
hinzukriegen, und unverändert ist er zuversichtlich, es am Ende zu schaffen. Und wir drücken ihm alle
Daumen. Und in Europa haben viele Länder ihre Solidarität bekundet. Aber was sie vorgesehen haben
an militärischer Unterstützung für die Ukraine, das hält sich bisher in Grenzen. Wir haben mit dem
Haushalt, den der Bundestag nächste Woche beschließen wird, über 7 Milliarden Euro vorgesehen. Das
ist sehr viel Geld. Aber es ist gegenwärtig mehr als die Hälfte - mehr als die Hälfte! - was alle
europäischen Staaten zusammen tun. Und was wäre das für eine Situation, wenn den USA das nicht
gelingt, was wir alle hoffen, dass es einen Beschluss des Kongresses gibt für die Unterstützung der
Ukraine?
Darum habe ich auch ganz klar gesagt: Ich möchte, dass wir in Europa darüber sprechen, wie alle ihre
Beiträge erhöhen und ausweiten. Es kann nicht sein, dass Deutschland einen so großen Anteil hat. Wir
sind, wie Helmut Schmidt gesagt hat, nur eine Mittelmacht. Und es muss unser Beitrag sein, dass wir viel
tun. Aber es muss auch der Beitrag aller anderen sein, auch viel zu tun. Das ist die Aufgabe, die jetzt
ansteht! Frieden ist das, was wir uns wünschen für die Ukrainerinnen und Ukrainer und was sie sich
selber am allermeisten wünschen. Und dass das gelingen kann verlangt eine Sache unbedingt vor allen
anderen: Die klare Botschaft an den russischen Präsidenten, dass er nicht darauf rechnen kann, dass
unsere europäische und auch nicht die amerikanische Unterstützung für die Ukraine nachlässt.
Ich glaube, er hofft jetzt ganz dringend, dass irgendein Wunder passiert. Deshalb riskiert er das Leben so
vieler russischer Soldaten, investiert so viel Geld seiner eigenen Volkswirtschaft in diesen furchtbaren
und völlig sinnlosen Eroberungskrieg. Aber wenn unsere Botschaft klar ist, dass dieses Kalkül - er muss
das nur abwarten - falsch ist, dann ist der Frieden auch schneller möglich, als man heute denken mag!
Die Europawahl ist für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes eine Chance, ein klares Votum gegen
Rechts abzugeben. Die Europawahl ist eine Chance, das zu tun, indem man demokratische Parteien und
nicht die Rechten wählt. Und die beste Idee, das zu tun, ist, die älteste demokratische Partei und die
Partei, die am längsten Europa als Perspektive in ihren Programmen hat, zu wählen. Das ist das beste
Votum für ein starkes und ein demokratisches Europa.
Schönen Dank!