Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren Kollegen!
Eva Szepesi hat es uns eben gesagt: Wer schweigt, macht sich mitschuldig. Die Gedenkveranstaltung hat uns alle nachdrücklich beeindruckt. Aber sie hat uns auch einen Auftrag mitgegeben: dass wir jetzt nicht schweigen, wenn in diesem Land Konferenzen stattfinden in Landhäusern, wo darüber beraten wird, wie ein Teil der Bevölkerung aus diesem Land herausgebracht werden kann, „Remigration“ als Stichwort – das erinnert an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte. Und das ist nicht nur ein Wort, wie einige verharmlosend versuchen, sich das zurechtzulegen, was dort von ihnen selber diskutiert und gesagt und von ihren Mitarbeitern mit geplant wird. Wir wissen, dass es in Landtagen jetzt von der AfD beantragt wird.
Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass so viele Bürgerinnen und Bürger, über alle Parteigrenzen hinweg, auch solche, die sich überhaupt nicht parteipolitisch verorten, gemeinsam auf Deutschlands Straßen zu Kundgebungen zusammenkommen und für die Demokratie, für unser Grundgesetz und gegen das Vergessen demonstrieren.
Das ist mir an dieser Stelle auch ganz wichtig, weil mir immer wieder und viel zu oft Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, Staatsangehörige, Frauen und Männer, die seit Jahrzehnten hier leben, deren Kinder hier groß geworden sind, erzählen, dass sie Angst haben und sich fragen, ob sie gemeint sind, ob sie jetzt das Land verlassen müssen. Und deshalb, finde ich, braucht es an dieser Stelle auch ein ganz klares Bekenntnis von uns allen. Wir stehen vor diesen Bürgerinnen und Bürgern. Sie müssen sich nicht fürchten. Die Demokratie beschützt uns, wie Eva Szepesi es heute gesagt hat.
Ich glaube, dass es deshalb auch wichtig ist, dass wir anständig sind im Umgang miteinander. Es geht doch auch darum, dass wir klarmachen, worum es hier geht: um rechtsextreme Ansichten, die wir nicht akzeptieren können. Deshalb, finde ich, ist es immer – immer, Herr Merz – ein kleines Karo, wenn in dieser Situation dann jeweils auf den anderen gezeigt wird, was die Verantwortung dafür betrifft. Wir müssen als Demokraten zusammenstehen.
Und es wird der großen Herausforderung nicht gerecht, vor der wir stehen, wenn der rechte Populismus in den USA so viel Unterstützung bekommt, wenn, wie wir gesehen haben, er Großbritannien in ein ökonomisches Unglück gestürzt hat mit dem Brexit und wenn, wie wir sehr klar sehen, so viele Regierungen in Europa, die von Rechtspopulisten getragen werden, manchmal auch dabei sind. Wir haben in Deutschland eine Aufgabe vor unserer Geschichte. Wir wollen als Demokratinnen und Demokraten zeigen, dass wir diesen Trend stoppen, und zwar gemeinsam.
Es ist ja alles gesagt. Das, finde ich, gehört doch zur Wahrheit dazu. Es ist alles gesagt. Man soll alle wörtlich nehmen, auch die AfD. Sie meint, was man ihr unterstellt, und zwar das Schlimme. Und das ist, glaube ich, wirklich die Wahrheit, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Plötzlich fällt so ein Wort wie „Dexit“. Das wäre die größte Wohlstandsvernichtung, die Europa und Deutschland passieren könnte. Unser Land hat wie kein anderes profitiert von der Europäischen Union und der Zusammenarbeit dort.
Deshalb, Herr Merz, kann ich Ihnen versichern: Emmanuel Macron und ich sind verabredet, sehr, sehr sorgfältig zu besprechen, wie wir im Einzelnen reagieren auf die möglichen politischen Entwicklungen in der Welt, die auf uns zukommen. Für alle muss klar sein: Wenn die Welt noch schwieriger wird, zum Beispiel auch durch ein Wahlergebnis, das in den USA möglich ist, dann muss die Europäische Union umso stärker werden. Frankreich und Deutschland müssen diese Aufgabe wahrnehmen, dass das auch tatsächlich möglich wird.
Natürlich zählt dazu, dass wir immer im Blick haben, dass Europa das stärkste nationale Interesse ist, das wir haben. Das hat viele, viele Konsequenzen. Aber zu denen zählt auch, dass es manchmal nicht gut ist, die Politik eine Zeitlang nicht so sorgfältig verfolgt zu haben, und wenn Beispiele dafür, wo irgendwie noch was war, sehr, sehr lange zurückliegen.
Aber ich finde, dass es doch eine gute Zusammenarbeit war, die ich auch mit Frau Merkel hatte, als wir mit der französischen Regierung gemeinsam dafür gesorgt haben, dass es möglich wurde, auf die Coronakrise mit einem europäischen Wiederaufbaufonds zu reagieren. Die letzte große europäische Initiative liegt nicht lange zurück. Nur Ihre Beteiligung an diesen politischen Geschehnissen, die liegt lange zurück. Ich finde, man muss dann auch einmal stolz sein auf das, was die eigene Regierungschefin zustande gebracht hat. Es war richtig, was wir dort gemacht haben. Herr Merz, vergessen Sie es nicht! Reden Sie nicht darüber hinweg! Es war eine CDU-Kanzlerin, mit der uns das gemeinsam gelungen ist.
Im Übrigen sind wir dabei, all das aufzuarbeiten, was in diesem Land liegen geblieben ist, und es ist sehr viel liegen geblieben. Über viele Jahre, über sehr, sehr viele Jahre sind die entscheidenden Weichen nicht gestellt worden, damit Deutschland eine industrielle Zukunft haben kann. Deshalb, Herr Merz, war Ihre Frage berechtigt: Was hat eigentlich diese Rede von Ihnen mit dem gegenwärtigen Haushalt und der gegenwärtigen Lage zu tun? Nichts! Da haben Sie recht. Aber die Frage muss man erweitern: Was hat eigentlich Ihr politisches Programm mit der Zukunft Deutschlands zu tun? Nichts! Das ist die Antwort, die wir darauf geben müssen.
Nachdem Sie wirklich im Untergrundkampf und intensiv dafür gesorgt haben, dass es keinen Ausbau der Netze in Deutschland gibt, nachdem Sie als CDU/CSU Verantwortung dafür haben, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht vorangekommen ist, nachdem Sie nichts geschafft haben für den Aufbau einer Wasserstoffindustrie und -infrastruktur für Deutschland, nachdem Sie es nicht hingekriegt haben, dass Investitionen in der Stahlindustrie, in der Halbleiterindustrie, in den Batteriefabriken in Deutschland stattfinden, finden alle diese Dinge jetzt statt. Zwei Jahre Ampel haben Tempo gemacht, wo Tempo notwendig war.
Wenn wir genau hingehört haben bei dem, was Sie gesagt haben, dann wissen wir jetzt: Sie haben ja gar nichts gelernt. All die Wachstumsbremsen, die Sie für Deutschland gezogen haben, die wollen Sie wieder ziehen. Das haben Sie hier angekündigt. Wie kann man so die Zukunft Deutschlands verspielen wollen, wie Sie es tun? Ökonomischer Sachverstand null! Das ist die Wahrheit. Keine Perspektive für Deutschland, keine industrielle Perspektive, keine Perspektive für die Arbeitsplätze!
Ich will gerne ergänzen. Sie reden an all dem, was notwendig ist, damit das so klappt, vorbei und auch an dem, was in Wirklichkeit über Deutschland zu berichten ist. Zu dieser Wirklichkeit gehört in der Tat, dass wir zu kämpfen haben mit weltweiter Wachstumsschwäche, dass wir zu kämpfen haben mit den Wachstumsbremsen der Vergangenheit, die wir gelöst haben, dass wir aber auch verzeichnen können: Deutschland hat den höchsten Beschäftigungsstand in unserer Geschichte, den wir jemals verzeichnet haben. Noch nie waren so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwerbstätig.
Wenn sich die Unternehmen in diesem Land vor etwas fürchten, dann ist es nicht, wie vor 20 Jahren, Arbeitslosigkeit, sondern dann ist es Arbeitskräftemangel. Das ist die Herausforderung der Zukunft, und diese Regierung hat die Weichen dafür gestellt, dass wir etwas dagegen tun können: mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht. All das ist eine Perspektive für die Zukunft Deutschlands.
Darum haben wir dafür gesorgt, dass sich Arbeit in Deutschland endlich wieder lohnt: mit einem Mindestlohn, den Sie immer wieder bekämpfen. Denn: Wenn Sie davon reden, dass Arbeit sich lohnen muss, schließen Sie die 10, 20, 30, 40 Prozent unserer arbeitenden Bevölkerung, die viel zu wenig verdienen, nie mit ein. Wir brauchen bessere Löhne. Der Mindestlohn war genau der Weg, das auf einen guten Kurs zu bringen.
Das Gleiche gilt für die Frage der Einkommensverhältnisse derjenigen, die wenig verdienen. Wir haben das gemacht mit den Dingen, die eine Erleichterung sind für diejenigen, die etwas weniger als 2.000 Euro verdienen: bei den Sozialversicherungsbeiträgen, mit dem Wohngeld für Erwerbstätige und für Rentnerinnen und Rentner, mit der Kindergelderhöhung und dem Kinderzuschlag – lauter Maßnahmen, die das Einkommen von Erwerbstätigen, die leider zu geringe Löhne haben, verbessern. Wir sind stolz auf diese gemeinsame Leistung.
Wir haben – auch das gehört dazu – mehrfach Steuern gesenkt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Erwerbstätige, die selbstständig sind und nicht so große Einkommen haben. Wir haben Steuern gesenkt und die arbeitende Mitte dieses Landes entlastet. Ich sage Ihnen hier: Diesen Kurs werden wir auch weiterhin verfolgen.
Es ist aber gegen die Zukunftsperspektive der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, all derjenigen, die sich jeden Tag anstrengen, wenn man ihnen dann mitteilt: Das Allerwichtigste, was wir in Deutschland machen wollen – trotz stabiler Rentenfinanzen, die wir gegenwärtig verzeichnen können –, ist die Anhebung des Renteneintrittsalters, ergänzt noch durch schöne, laute Reden über den „Freizeitpark Deutschland“, den wir angeblich bei der großen Beschäftigungszahl heute haben. Ich finde, diese Verunsicherung der Lebensperspektive von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Sie verbreiten, ist nicht in Ordnung. Und ich finde, dass es eine Beleidigung von fleißigen Bürgerinnen und Bürgern ist, wenn man sagt, sie würden in einem Freizeitpark leben. Das ist nicht in Ordnung.
Was soll die altväterliche Beschimpfung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die ihren Alltag zu organisieren haben, mit den Worten: „Alle müssen mal mehr arbeiten“? Sie arbeiten ganz schön viel. Ich finde, solche Belehrungen haben die Fleißigen dieses Landes nicht verdient, auch vom Oppositionsführer nicht.
Natürlich ist es wichtig, dass wir uns den Herausforderungen stellen, die wir haben. Eine davon ist – das ist angesprochen worden – die irreguläre Migration. Da haben wir sehr viele, sehr weitreichende Entscheidungen getroffen, übrigens im größten Einvernehmen mit den 16 Ländern. Dreimal haben wir uns mit ihnen im letzten Jahr getroffen und haben alle Fragen abgearbeitet und dreimal gemeinsame Beschlüsse dazu gefasst wie etwa zu einem endgültigen Finanzierungsmechanismus bei aufsteigenden und absteigenden Zahlen. Wir haben ganz konkrete Maßnahmen vereinbart, die der Bund umsetzen muss, und er hat sie mit den Gesetzen, die wir jetzt im Januar beschlossen haben, alle geliefert und auf den Weg gebracht.
Wir arbeiten daran, dass es auch den Ländern gelingt, die Dinge voranzubringen, die sie übernommen haben: kürzere Asylverfahren, schnellere Digitalisierung der Ausländerbehörden und so weiter. Aber wenn es so ist, dass ganz ohne Ihr Zutun die Länder mit dem Bund vereinbaren, dass wir eine Bezahlkarte für Asylbewerber einführen, wenn jetzt die Ausschreibung läuft und der Oppositionsführer offenbar nicht mal Zeitung liest und daraus berichten kann, dass das der Fall und längst auf dem Weg ist, dann ist irgendwas nicht richtig im Lande der Opposition. Ganz offenbar lesen Sie nicht nur wenig Zeitung, sondern reden auch nicht mit den CDU-Ministerpräsidenten. Die hätten Ihnen das bei einem Bier mal nebenbei so sagen können. Das wäre eine gute Sache gewesen.
Übrigens: Mit dem intensivierten Schutz unserer Außengrenzen, mit den Dingen, die wir auf den Weg gebracht haben, gehen die Zahlen jetzt auch zurück, was die irreguläre Migration betrifft. Die Maßnahmen, über die ich eben geredet habe, sind ja alle jetzt erst beschlossen worden und werden gerade umgesetzt; die kommen ja noch zu dem dazu, was jetzt in der Realität in nächster Zeit wirken wird.
Dazu zählt aus meiner Sicht übrigens auch der Jobturbo, mit dem wir dafür Sorge tragen, dass die ukrainischen Flüchtlinge, nachdem sie die ganzen Sprachkurse gemacht haben, jetzt auch aktiv in den Arbeitsmarkt vermittelt werden – mit wachsendem Erfolg. Ich finde, es ist übrigens auch kein Beitrag zur Solidarität mit der Ukraine, wenn der Oppositionsführer den hier Schutz suchenden Ukrainerinnen und Ukrainern mitteilt: Dass wir ihnen so entgegengekommen sind, war wohl ein Fehler. – Das haben Sie gemacht, Herr Merz. Das haben Sie gemacht.
Aber ich will gerne einen Satz hinzufügen. Ich habe ja bei dem einen großen Thema – ich will gleich noch darauf zurückkommen – „Tempo, Tempo in Deutschland“ versucht, einen Deutschlandpakt zustande zu bringen und sie dazu zu bringen, mitzumachen, was Sie irgendwie nicht richtig hingekriegt haben. Aber es ist so, dass Sie sich ja dann kurzzeitig auf ein Teilthema konzentriert hatten: Migration. Wir hatten darüber auch gute Gespräche; jedenfalls erinnere ich mich an kein schlechtes. Wir hatten eines, das sehr sorgfältig war. Und in diesem Gespräch habe ich Ihnen erläutert, dass es über viele Fragen, die ganz wichtig sind, quasi schon eine Verständigung mit den Chefs der Senats- und Staatskanzleien gibt und dass wir am folgenden Montag – wir trafen uns Freitag – das wohl mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vereinbaren werden. Sie hatten überhaupt nichts dagegen einzuwenden, weil wir nämlich gesagt haben: Darüber hinaus können wir ja noch was machen.
Und was erlebt die erstaunte Öffentlichkeit? Kaum ist diese Einigung mit den Ministerpräsidenten beschlossen, erklärt der Oppositionsführer: „Ja, dann war es das wohl mit der Zusammenarbeit in der Migration.“ So eine Hasenfüßigkeit, mit der Sie vor der eigenen Verantwortung davonlaufen, habe ich noch nicht erlebt, Herr Merz. So viel Feigheit vor der eigenen Courage habe ich noch nie gesehen. Ich rätsele bis heute, warum Sie davongelaufen sind. Ich glaube, es lag daran, dass Sie das schöne Thema nicht loswerden wollten. Wir können alles geliefert haben, alles kann ordentlich gemacht sein, damit wir das gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen in Deutschland in den Griff kriegen, was die irreguläre Migration und ihr Management betrifft, aber dann könnten Sie ja nicht mehr sagen: „Alles läuft schief.“ Darum sind Sie weggelaufen. Das ist der Grund, warum Sie für einen Kompromiss nicht mehr weiter zur Verfügung stehen.
Überhaupt sind Sie da ein ganz Besonderer: Sie teilen jeden Tag gegen die Bundesregierung aus – das ist Ihr Recht –, schwer unter der Gürtellinie – das ist auch Ihr Recht –, aber wenn Sie dann mal kritisiert werden, dann sind Sie eine Mimose. Ich finde: Wer boxt, der sollte kein Glaskinn haben. Aber Sie haben ein ganz schönes Glaskinn, Herr Merz.
Wir haben eine große Herausforderung angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Der wird ja auch heute Abend in Brüssel, nach den Trauerfeierlichkeiten für Jacques Delors, und morgen eine große Rolle spielen. Wir müssen die Ukraine unterstützen in ihrem Freiheitskampf, um den es in der Tat geht. Und es ist notwendig, dass wir in der Unterstützung der Ukraine nicht nachlassen. Das ist unsere Verpflichtung für den Frieden in Europa und für die Sicherheit in Europa.
Es ist übrigens Erstaunliches, was die Ukrainerinnen und Ukrainer geleistet haben. Vergessen wir nicht, wie viel von ihrem Territorium von Russland schon erobert wurde und wie viel sie auch wieder zurückerobert haben. Vergessen wir nicht, mit welcher Beharrlichkeit sie sich dem unglaublichen Ansturm russischer Truppen widersetzt haben, bei dem der russische Präsident den Verlust eigener Soldaten nicht scheut – in Größenordnungen, die man kaum auszusprechen vermag – und bei dem er sich nicht scheut, Material einzusetzen und alles zerstören zu lassen, um das Ziel, das er hat, tatsächlich zu erreichen, nämlich einen Teil oder die ganze Ukraine zu erobern. Er hat damit das infrage gestellt, was Willy Brandt und Helmut Schmidt auf den Weg gebracht haben mit der KSZE, der heutigen OSZE, mit der Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa, deren Grundsatz lautet: Mit Gewalt dürfen keine Grenzen in Europa mehr verschoben werden. Das muss unser Prinzip sein.
In der ganzen Welt hat es sich rumgesprochen – bald auch in Deutschland –: Wir sind nach den USA der größte Unterstützer der Ukraine, auch was militärische Unterstützung mit Waffen betrifft. Und wir sind es mit dem Haushalt, über den wir hier beraten, und den Plänen für dieses Jahr. Nach allem, was wir wissen können, leistet Deutschland mehr als die Hälfte dessen, was in diesem Jahr in Europa für den Widerstand der Ukraine geleistet werden wird. Und deshalb sage ich hier an dieser Stelle: Es ist mir ganz wichtig, dass wir eine breitere europäische Unterstützung hinbekommen. Es kann nicht alleine an Deutschland hängen. Um noch einmal Helmut Schmidt zu zitieren: „Wir sind nur eine Mittelmacht.“ Wenn wir diejenigen wären, die das überwiegend machen müssen, dann wäre es nicht genug für die Ukraine. Wir wollen, dass mehr Länder sich aktiv an der Unterstützung der Ukraine beteiligen, auch mit Waffenlieferungen, auch mit dem, was sie dort finanzieren. Ich sage das bewusst nicht, um andere vorzuführen.
Deshalb haben wir das auch nicht getan; wir haben Einzelne öffentlich nicht angesprochen. Denn wir wollen ja das Gegenteil. Wir wollen ja, dass alle sagen: Okay, wir strengen uns noch einmal an. Das, hoffe ich, wird auch das Ergebnis der Beratungen sein, die wir heute und morgen beginnen, aber sicherlich in dieser Frage nicht abschließen werden. Nur das will ich hier gerne versichern: Wir werden unseren großen Beitrag für dieses Jahr leisten, und wir werden alles dafür tun, dass der gemeinsame Beitrag Europas so groß ist, dass die Ukraine darauf bauen kann, und dass Putin nicht damit rechnen kann, dass unsere Unterstützung irgendwann nachlässt. Das darf er nicht denken.
Ja, es ist so: Der hofft auf die amerikanischen Präsidentschaftswahlen, der hofft auf das Ermüden in Europa. Wir wissen, wie schwierig das ist, wenn wir in die USA gucken: Es ist dem amerikanischen Präsidenten immer noch nicht gelungen, eine Zustimmung im Kongress für seine Haushaltsmittel zu bekommen, die er für die Unterstützung der Ukraine dieses Jahr benötigt. Ich bin ganz zuversichtlich, dass er das schaffen wird. Und wir werden alle unseren Beitrag leisten, mitzuhelfen, zu überzeugen, dass es eine gemeinsame Sache für uns, die Freunde der Freiheit, der Demokratie und des Rechtsstaats, ist, die Ukraine nicht alleinzulassen. Aber man stelle sich einmal kurz vor, das gelingt nicht. Dann wäre Deutschland – Stand jetzt – der größte Unterstützer der Ukraine, was Waffenlieferungen betrifft, weltweit. Liebe Freundinnen und Freunde, das ist etwas, bei dem wir international alles dafür tun müssen, dass dieser Zustand nicht eintritt. Denn es wäre Hybris, wenn wir glaubten, dass wir alleine es richten können. So ist es nicht. Wir brauchen Gemeinsamkeit und Solidarität.
Übrigens gilt das auch für die anderen Beschlüsse, die jetzt in Europa notwendig sind. Den europäischen Haushalt wollen wir jetzt endlich beschließen. In dem ist eine Haushaltshilfe für die Ukraine von zwölf Milliarden Euro pro Jahr für die nächsten Jahre vorgesehen. Es geht also um sehr viel Unterstützung, die notwendig ist. Es geht um ein Zusammenstehen Europas in diesen Zeiten.
Das will ich zum Schluss im Hinblick auf unser gemeinsames Europa sagen: Ja, wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung, dass Europa vorankommt. Vielleicht für den einen oder anderen überraschend, habe ich auf einem SPD-Parteitag gesagt: Wir brauchen unbedingt die Banken- und Kapitalmarktunion, damit das vorangeht. Deshalb müssen wir aus dem, was wir schon geschafft haben, eine weitere Initiative entfalten. Die Mindestbesteuerung, die wir in Europa etabliert haben, könnte doch auch der Maßstab für eine einheitliche, gemeinsame Basiskörperschaftsteuer sein, damit die Banken europaweit unter fairen Bedingungen Wettbewerb machen können. Das wäre ein echter Fortschritt für Europa.
Wir brauchen ihn dringend; denn tatsächlich ist ein Teil des besseren Wirtschaftswachstums der USA zurückzuführen auf ihre Banken und Kapitalmärkte, die mehr in der Lage sind, das Wachstum der Wirtschaft ohne öffentliche Subventionen zu begleiten und in Start-ups und wachsende Unternehmen groß zu investieren, manchmal in welche, die jahrelang trotz Milliardenbewertung keine Gewinne machen. Das ist etwas, was in Europa in gleicher Weise nicht vorkommt. Deshalb ist es unsere gemeinsame Aufgabe, dass wir dieses Hindernis für Wachstum und Wohlstand in Europa beseitigen. Die Tatsache, dass es dieses Jahr so viel um Europa gehen muss, ist vielleicht ein Anlass, daran und an allen anderen notwendigen Reformen für ein starkes, souveränes Europa in einer globalisierten Welt zu arbeiten.
Schönen Dank.