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Symbolfoto: Olaf Scholz
Photothek
24.05.2023 | Frankfurt am Main

Rede anlässlich des 25. Jubiläums der EZB

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Christine,
Exzellenzen,
sehr geehrte Präsidentinnen und Präsidenten,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitarbeitende der EZB,
liebe Freundinnen und Freunde, 
meine Damen und Herren,

kurz nach meiner Amtseinführung als Finanzminister habe ich zum ersten Mal die EZB-Türme besucht. 
Mir war es wichtig, damals gleich zu Beginn meiner Amtszeit hierher nach Frankfurt zu kommen. 


Weil die EZB die Garantin unserer gemeinsamen Währung ist.

Weil Europa mit dem Euro für uns alle im Alltag konkrete Realität geworden ist. 

Und weil Europas großer Binnenmarkt von einer der größten Währungen der Welt ergänzt wird, die uns auf globaler Ebene zunehmend Stärke verleiht. 

Und der Euroraum wächst weiter: 
Ich freue mich, dass Anfang des Jahres Kroatien unserer Währungsunion beigetreten und damit zum 20. Mitglied unserer Euro-Familie geworden ist. 
Auch andere Länder verfolgen dieses Ziel, und ich bin zuversichtlich, dass in Zukunft noch weitere Länder folgen werden.

Letztlich hat sich der Euro als eines der erfolgreichsten Projekte der europäischen Integration erwiesen. 

Hinter dieser leicht lakonischen Feststellung verbirgt sich eine gewaltige Menge harter Arbeit. Arbeit, die hier bei der EZB geleistet wird, aber auch in Brüssel und in all unseren Mitgliedstaaten.

Unsere gemeinsame Währung wurde wiederholt auf die Probe gestellt – manchmal sogar unser entschiedenes Bekenntnis zum Euroraum selbst. 

Ob Finanzkrise, Staatsschuldenkrise, COVID-19-Pandemie oder die wirtschaftlichen Auswirkungen von Russlands Krieg gegen die Ukraine – für nichts davon gab es vorgefertigte Lösungsansätze. 

Deshalb ist es umso bemerkenswerter, dass wir heute eines ganz klar festhalten können: 
Der Euroraum ist in der Lage, seine Währung gegenüber allen Herausforderungen zu verteidigen. 
Der Euro ist unumkehrbar. 

Die EZB hat dabei eine einzigartige Rolle gespielt. 

Ich danke Ihnen dafür, dass Sie, lieber Jean-Claude Trichet, lieber Mario Draghi, liebe Christine Lagarde, unsere Währung geschützt haben. 
Unser Dank gilt natürlich auch Wim Duisenberg, der leider viel zu früh von uns gegangen ist.

Sie haben in den letzten 25 Jahren unsere Geldpolitik geleitet und geprägt. Und als es darauf ankam, haben Ihre Worte und Taten entscheidende Wirkung entfaltet.

Als viele befürchtet oder gar darauf gesetzt haben, dass die Eurozone auseinanderbrechen würde, blieb die EZB ihrem Mandat treu. 

Und es genügten ein paar Worte von Ihnen, lieber Mario, um die Märkte zu beruhigen: 
„Whatever it takes.“
Ich glaube, dass diese Worte nicht nur die Märkte beruhigt haben, ich bin auch überzeugt, dass sie in die Geschichtsbücher eingehen werden.

Und Sie, liebe Christine, sagten während der COVID-19-Pandemie, dass außergewöhnliche Zeiten außerordentliche Maßnahmen erfordern. 

Die Grundlage und der Handlungsspielraum hierfür werden klar durch die Zuständigkeit und das Mandat der EZB definiert. 

In diesen entscheidenden Momenten hat Ihre Führungsstärke dafür gesorgt, dass die Welt Vertrauen in unsere gemeinsame Währung hatte.

Die EZB wurde 1998 als eine starke und unabhängige Zentralbank gegründet und mit einem klaren Mandat ausgestattet: die Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten.

Und nach den ersten 25 Jahren können wir sagen, dass unsere gemeinsame Währung in der Tat attraktiv, sicher und stabil ist. 

Auch als es nötig wurde, eine gemeinsame Bankenaufsicht für große Finanzinstitutionen zu schaffen, war die EZB zur Stelle: 
Bei ihr wurde der neue einheitliche Aufsichtsmechanismus angesiedelt und in Rekordzeit aufgebaut.

Wir können mit Sicherheit sagen: 
Die EZB ist ein Anker der Stabilität in der Eurozone. 
Oder, wie es in dem Video so schön heißt: 
Stabilität ist euer Ding. 

Das gibt unseren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, auch in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage. 

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist in erster Linie eine Katastrophe für die tapferen Ukrainerinnen und Ukrainer. Doch er stellt auch unsere Länder auf bisher beispiellose Art und Weise auf die Probe. 
Eine Probe, das möchte ich hinzufügen, die wir bisher bestanden haben, weil wir geschlossener als je zuvor zusammenstehen.

Letztes Jahr waren die Inflationsraten so hoch wie nie seit Einführung des Euro. 
Die Folgen sind für die Bürgerinnen und Bürger überall in Europa spürbar. 
Menschen mit den niedrigsten Einkommen und mit wenigen Ersparnissen trifft es am härtesten. 

Deshalb ist es gut zu wissen, dass, auch während wir hier heute Abend dieses Jubiläum feiern, die EZB unablässig daran arbeitet, die Inflation zu bekämpfen.

Ich unterstütze diese Bemühungen voll und ganz – falls ich das mit allem gebührlichen Respekt für die Unabhängigkeit der EZB so sagen darf. 

Diese Unabhängigkeit ist von entscheidender Bedeutung für eine stabile und glaubwürdige Geldpolitik. 

Denn letztlich hängt der Wert einer Währung zu einem Großteil von Vertrauen ab. 
Vertrauen in die Institutionen, die für diese Währung verantwortlich sind. Ohne Vertrauen haben weder Papiergeld noch elektronisches Geld einen echten Wert.

Das heißt nicht, dass Stabilität und Vertrauen dem Fortschritt im Wege stünden – ganz im Gegenteil. 

Die Arbeit an einem digitalen Euro ist ein ehrgeiziges und zukunftsorientiertes Projekt, das die europäische Souveränität stärken wird. 
Damit sein volles Potenzial zum Tragen kommt, sollten wir dafür sorgen, dass er so breit wie möglich von Privat- und Geschäftskunden genutzt werden kann. 

Für eine Stärkung der Eurozone sind auch Fortschritte bei wichtigen Gesetzgebungsvorhaben nötig. 
Als Mitgliedstaat der Europäischen Union müssen wir hierzu unseren Beitrag leisten.

Die Vollendung der Kapitalmarktunion ist unabdingbar, um die größte Herausforderung anzugehen, die vor uns liegt: den Übergang unserer Volkswirtschaften und unserer Gesellschaften zur Klimaneutralität. 

Darüber hinaus, und das habe ich bereits in meiner Zeit als Finanzminister betont, besteht die offensichtliche Notwendigkeit, unsere Arbeit an der Bankenunion fortzusetzen. 

Dabei streben wir gezielte und wirksame Verbesserungen an, wobei wir auf bewährten Lösungen aufbauen, die in den Mitgliedstaaten bereits Anwendung finden.

Und, meine Damen und Herren, wir leisten unseren Beitrag auch, wenn es darum geht, die Arbeit der EZB bei der Umsetzung ihres zentralen Mandats zu unterstützen. 
Genauso wie es richtig war, dass alle EU-Mitgliedstaaten während der Corona-Pandemie eine expansive Fiskalpolitik betrieben haben – denken wir nur an unsere wegweisende Einigung auf Next Generation EU –, genauso notwendig ist es jetzt, unsere Fiskalpolitik erneut anzupassen und darauf zu achten, den Inflationsdruck zu begrenzen. 

In diesem Sinne müssen wir mit der EZB bei der Inflationsbekämpfung zusammenarbeiten. 

Ich möchte nicht zuletzt auch unterstreichen, meine Damen und Herren, dass wir stolz sind, das Land zu sein, in dem die EZB ihren Sitz hat. 

5000 Angestellte aus ganz Europa sind für die EZB und die europäische Bankenaufsicht tätig. 
Der Anteil der Frauen unter ihnen nimmt übrigens stetig zu. 
Und ich gehe stark davon aus, dass das, liebe Christine, auch mit Ihrer Arbeit und Ihrer Rolle als Wegbereiterin für Gleichberechtigung zu tun hat. 

Als Sie 2019 Präsidentin wurden, haben Sie damit nicht nur die unsichtbaren Barrieren gesprengt, die den Aufstieg von Frauen oft erschweren. Sie haben auch ganz konkret den Bürgerinnen und Bürgern Frankfurts die Türen der EZB geöffnet – und zwar im Rahmen der diesjährigen Nacht der Museen. 

Die EZB stärkt auch Frankfurts Rolle als wichtiges Finanzzentrum Europas. Und vielleicht gibt es noch mehr Möglichkeiten, um diese Rolle zu stärken.

Nach dem Brexit verzeichnete Frankfurt mit Abstand die höchste Anzahl an Anträgen auf die Erteilung neuer Lizenzen für Banken und andere Finanzdienstleister.

Es ist daher nur fair zu sagen, dass Ihre Präsenz, die Präsenz der EZB in Frankfurt, die Stadt prägt, genauso wie der Euro die Europäische Union prägt, nämlich positiv. Und, wie ich schon gesagt habe, wird es vielleicht auch neue Institutionen hier geben.

Mit Blick auf die Zukunft hoffe ich, dass die EZB weiterhin ein Anker der Stabilität, ein Leuchtfeuer der Unabhängigkeit und des Vertrauens sowie Wegbereiterin des Fortschritts sein wird, so, wie wir sie kennen.

Ich danke Ihnen für Ihre harte Arbeit und Ihr Engagement in den letzten 25 Jahren! 
Ein Engagement, das Sie, lieber Jean Claude, damals bei der Entgegennahme des Karlspreises eingefordert haben, als Sie sagten:
„Jede Generation muss sich von neuem für Europa engagieren.“ 

Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen. 
Lassen Sie uns also heute unser Bekenntnis zu Europa erneuern, indem wir uns erneut zum Euro bekennen. 
Damit Wohlstand, Einheit und Stabilität unserer Europäischen Union gewahrt bleiben. 

Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!