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18.04.2011

Rede anlässlich des Maiempfangs des Senats

Sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrter Herr Grund,
sehr geehrte Frau Vogel,
sehr geehrte Damen und Herren!
Ich begrüße Sie zum Maiempfang des Senates und freue mich sehr, dass heute so viele Gäste hier sind.

Es ist mittlerweile seit über 50 Jahren   eine gute Tradition, dass der Hamburger Senat um den ersten Mai herum die Gewerkschafter, die Betriebs- und Personalräte zu einem Empfang einlädt.

Indem Sie als Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserer Stadt die Interessen der Beschäftigten wahrnehmen, leisten Sie einen Beitrag für den sozialen Frieden. Dafür danke ich Ihnen.


Als sich am 1. Mai 1890 erstmalig Arbeiterinnen und Arbeiter an Streiks, Demonstrationen und sogenannten Maispaziergängen beteiligten, war man von einem allgemeingültigen Feiertag noch weit entfernt.

Zentrale Forderung war damals die Einführung des Acht-Stunden-Tages. Auch in den fol-genden Jahren demonstrierten jährlich am 1. Mai große Teile der Arbeiterschaft im Deutschen Reich unter Führung der Arbeiterparteien und Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen und soziale Gerechtigkeit.

Diese Anliegen sind auch heute, über 120 Jahre später, noch aktuell.

Die Welt ist zweifellos eine andere. Doch obwohl die Arbeiterbewegung auf viele Errungen-schaften zurückblicken kann, sind manche Forderungen wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen heute ebenso aktuell.

Nun ist der 1. Mai schon seit mehreren Jahrzehnten ein gesetzlicher Feiertag.

Doch bis auf einige gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer oder politisch engagierte Bürger nehmen, insgesamt gesehen, nur wenige an Demonstrationen, an Kundgebungen oder Veranstaltungen teil.

Für die allermeisten Arbeitnehmer ist es ein Tag, den Sie mit der Familie verbringen oder sich der Freizeitgestaltung widmen.

Es ist ein Tag, an dem man sich von der Arbeit ausruht, an dem man innehalten kann.

Oder man nutzt die Gelegenheit, um über die tägliche Arbeit und das eigene Leben nachzudenken.

Der Maifeiertag kann also ein Anlass sein, sich grundsätzliche Gedanken über unser Verhältnis zur Arbeit zu machen. Über den Komplex Leben und Arbeiten, oder, mit einem anderen Begriff ausgedrückt, über work-life-balance.


Wir lesen und hören immer öfter von Problemen, denen sich der moderne Arbeitnehmer ausgesetzt sieht. Manche erleben es in ihrem persönlichen Umfeld.

Es geht um Arbeit, die krank macht. Um schlechte Arbeitsbedingungen mit unmittelbaren Beeinträchtigungen für die Gesundheit.

Aber auch um Leistungsdruck, Stress- und Burn-out-Symptome. Es ist ein Phänomen unse-rer Zeit, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit in einigen Berufen nicht mehr klar erkennbar sind.

Mit der Flexibilisierung der Erwerbsarbeit ergeben sich zweifelsohne Chancen. Zum Beispiel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Die Leistungsbereitschaft des ständig erreichbaren und verfügbaren Mitarbeiters darf sich jedoch am Ende nicht negativ auf dessen Gesundheit oder Familienleben auswirken.

Hier kann die Politik nur bedingt Einfluss nehmen. Gefordert sind in erster Linie die Unter-nehmen, die Arbeitgeber. Und natürlich Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften.

In unserer Gesellschaft definieren wir uns vor allem über das, was wir tun. Unsere Arbeit ist nicht nur Erwerbstätigkeit oder Job, sondern wir begreifen sie als Beruf.

Dazu gehört, dass man seine Arbeit gern macht, dass man sie gut machen will. Darauf beruht unter anderem Deutschlands wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Arbeit ist also mehr als nur materielle Bedingung unserer Existenz. Sie ist sinnstiftend und ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben.


Arbeit, gute Arbeit vor allem, kann ausfüllen und bereichern. Und: Wer durch eigene Arbeits-kraft und das eigene Können zu Erfolgen kommt, erfährt soziale Anerkennung, Bestätigung und Wertschätzung durch andere.

Gerade deshalb bleibt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine unserer wichtigsten Aufgaben. Arbeitslosigkeit grenzt aus.

Langzeitarbeitslosigkeit nimmt Lebensmut und vernichtet Lebensperspektiven. Darum dürfen wir das Ziel der Vollbeschäftigung nie aus den Augen verlieren.  

Arbeitslosigkeit, die vorübergehend ist die ein paar Monate oder höchstens ein Jahr dauert wird es immer geben. Doch wenn es gelingt, dass niemand länger als ein Jahr nach Arbeit suchen muss, dann wäre schon viel erreicht.

Wer etwas leistet und sich anstrengt, muss auch etwas davon haben. Diejenigen, die Vollzeit arbeiten, müssen damit auch ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Es ist unwürdig, wenn jemand Tag für Tag zur Arbeit geht und sich am Ende des Monats auf dem Amt melden muss, weil der Lohn zu gering ist und nicht zum Leben reicht.

Deshalb ist die Einführung von Mindestlöhnen unverzichtbar. Lange gab es hierzulande die Vorstellung, Löhne und Gehälter lägen allein in der Verantwortung der Tarifpartner.

Das ist im Kern immer noch richtig, aber die extrem niedrigen Löhne in manchen Branchen zeigen, dass der Staat zumindest eine Lohnuntergrenze festschreiben muss.

Tarifautonomie, Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte sind Errungenschaften, auf denen unser wirtschaftlicher Erfolg beruht.

Und gerade in der Krise hat es sich gezeigt, wie wichtig ein gutes Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern ist.

Gute Betriebsräte und verantwortungsbewusste Gewerkschafter haben mit ihrem umsichtigen Handeln so manchem Unternehmen aus einer schwierigen Situation geholfen.

Auch dafür will ich Ihnen an dieser Stelle meinen Dank aussprechen!


Mir persönlich sind die Chancen der jungen Generation ein ganz besonderes Anliegen. Auch in Hamburg gibt es viel zu viele junge Leute, die ohne Abschluss die Schule verlassen.

Viele Jugendliche sind nicht ausbildungsreif. Am Ende bleibt fast ein Fünftel einer Generation ohne Berufsabschluss.

In Deutschland und auch bei uns in Hamburg gehört die Zukunft der qualifizierten Arbeit. Deshalb müssen wir hier alles tun, damit Bildung den hohen Stellenwert bekommt, der ihr zusteht.

Denn für gering Qualifizierte bietet der Arbeitsmarkt künftig noch weniger Möglichkeiten als heute.

Deshalb wird der Senat sich dafür einsetzen, dass allen Hamburger Jugendlichen der Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung ermöglicht wird.

Unser ehrgeiziges Ziel ist es, dass alle jungen Erwachsenen in Hamburg entweder das Abitur machen, oder eine klassische Berufsausbildung absolvieren!

Und es reicht nicht, den jungen Leuten erst dann zu helfen, wenn bereits etwas schiefgelaufen ist.

Wir müssen vorbeugend tätig sein. Die Reformen, die seit den 70er Jahren in Deutschland stattgefunden haben, haben die Türen unseres Bildungssystems weit geöffnet.

Manchmal muss man aber die Jugendlichen durch die geöffnete Tür hindurch schieben.

Und das bedeutet: Wir müssen uns angefangen bei der Kita während des gesamten Bil-dungsweges um die jungen Menschen kümmern.

Wir dürfen sie nicht allein lassen. Und da Bildung in erster Linie Ländersache ist, werden wir in Hamburg dieses wichtige Thema zu einem der politischen Schwerpunkte machen!

Deutschland hat in Zukunft einen großen Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften.

Dieser Bedarf kann und das wird eine Kraftanstrengung nur durch Qualifizierung gedeckt werden.

Entscheidend ist, dass diejenigen, die die Schule verlassen, auch einen Ausbildungsplatz bekommen.

Mir ist dabei wichtig, dass die Unternehmen nicht nur nach den Leistungsträgern schauen, sondern auch die Potenziale derer sehen, die vielleicht nicht so gut waren, als sie von der Schule kamen.

Die meisten Initiativen von Betrieben, junge Leute für eine Ausbildung vorzubereiten oder auszubilden, sind erfolgreich. Diese Projekte haben Ausbildungserfolge von 80 bis 90 Prozent.

Deshalb bin ich dafür, dass jeder von diesen jungen Leuten eine Chance auf Qualifizierung bekommt. Denn eines ist völlig klar: Nur mit einer ordentlichen Ausbildung hat man die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Berufsleben!


Die Angebote, die das Bildungssystem hinsichtlich Ausbildung und Weiterqualifizierung macht, dürfen nicht an Altersgrenzen halt machen.

Wer etwas erreichen oder sich verbessern will, muss in jeder Phase seines Lebens eine echte Chance dazu bekommen.

Dazu gehören insbesondere auch diejenigen, die ohne Berufsqualifikation sind. Mit der Bundesagentur für Arbeit und ihren Förderprogrammen und den Unternehmen wollen wir deshalb eine große Qualifizierungsoffensive beginnen.

Für Unternehmen, die Beschäftigten auch im fortgeschrittenen Alter noch einen Berufsab-schluss ermöglichen.

Und es ist wichtig, dass unser Bildungssystem insgesamt durchlässiger wird.

Warum sollte jemand, der Meister ist oder eine entsprechende Berufserfahrung hat, nicht auch ein Studium in seinem Fachbereich aufnehmen können, ohne vorher zusätzliche Ab-schlüsse erwerben zu müssen so wie das in anderen europäischen Ländern längst üblich ist?

Deshalb werden wir in Hamburg dafür sorgen, dass die Studienmöglichkeiten ohne Abitur und mit qualifizierter Berufserfahrung deutlich erweitert werden!

Jedes Mitglied unserer Gesellschaft sollte die reale Chance auf einen Beruf haben, den er oder sie gerne ausübt und mit dem auch genug Geld verdient werden kann, um ein gutes Leben zu führen.

Generell gilt: Wer sich anstrengt, muss etwas davon haben.

Wer sich Mühe gibt, muss damit sein Leben verbessern können und darf nicht auf unüber-windbare Hürden stoßen. Und niemand wird am Wegesrand zurückgelassen.

Deshalb müssen Qualifikation und Weiterbildung überall zum Standard gehören!


Wir müssen endlich erreichen, dass alle Arbeitnehmer von ihrem Lohn ein gutes und sicheres Leben führen können.

Wer gut arbeitet, soll einen guten Lohn erhalten, deshalb brauchen wir Mindestlöhne. Und wir müssen Lohndiskriminierung bekämpfen, die zu dauerhafter Ungerechtigkeit führt.

Denn Frauen verdienen auch heute bei gleicher Arbeit noch immer deutlich weniger als Männer. Und auch an der Spitze der Unternehmen muss sich etwas ändern. Deshalb bin ich für eine Quote bei der Besetzung von Aufsichtsräten!

  • Jeder soll für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten, unabhängig ob Mann oder Frau, ob fest angestellt, oder in Leiharbeit.  

  • Die Beschäftigten haben einen Anspruch auf einen gerechten Anteil am Aufschwung. Um dies durchzusetzen, bedarf es starker Gewerkschaften.

  • Die Arbeit muss mit dem übrigen Leben und mit familiären Bedürfnissen vereinbar sein.

  • Dazu brauchen wir mehr Kitas und Ganztagsschulen und vor allem auch neue intelli-gente Arbeitszeitmodelle.

Wir wissen: Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland steht hinter die-sen Forderungen.

Wir alle haben die Verantwortung, für diese Ziele zu streiten und sie politisch durchzusetzen.

Ich wünsche uns einen schönen ersten Mai!
Vielen Dank!