Sehr geehrter Herr Busch,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
liebe Siemensianerinnen und Siemensianer,
meine Damen und Herren,
Johann Georg Halske kennen wahrscheinlich die meisten von Ihnen. Das kann man bestimmt nicht überall in Deutschland so sagen, aber hier in Erlangen schon. Als Werner von Siemens und Johann Halske sich 1846 kennenlernen, da ist Siemens gerade auf der Suche nach einem fähigen Handwerker. Denn er braucht jemanden, mit dem er seinen Zeigertelegrafen bauen kann, jemanden, der seine innovative Idee in anfassbare Technik verwandelt. Die beiden gründen mit ihrer Innovation die Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske. Der Rest ist Geschichte, und diese Geschichte schreiben Sie heute fort.
Nathalie von Siemens, die Ururenkelin des Unternehmensgründers, hat es so gesagt:
„Unsere Tradition und unser Erbe sind eine Quelle der Inspiration für die Zukunft.“
Um genau diese Zukunft geht es heute. Sie werden in Deutschland in den kommenden Jahren eine Milliarde Euro investieren, 500 Millionen Euro davon, wie wir gehört haben, allein hier am Standort Erlangen. Das ist ein starkes Signal. Damit stärkt Siemens die Innovationskraft unseres ganzen Landes. Wir sind ein innovatives Land, und wir wollen es auch bleiben, zum Beispiel mit künstlicher Intelligenz und digitalen Zwillingen. Sie haben es eben beschrieben, lieber Herr Busch: innovative, unerlässliche Technologien für die Zukunft, die schon heute funktionieren, deren tatsächliche Nutzung wir aber weiter ausbauen müssen.
Wir haben in Deutschland nämlich schon jetzt Vorteile gegenüber Wettbewerbern, wenn es darum geht, wie wir unsere industriellen Anlagen steuern. Wir haben auch Wettbewerbsvorteile bei der Produktion. Noch ausbaufähig ist aber die Nutzung der Daten aus der Produktion und der Anlagensteuerung. Denn diese Daten sind Gold wert, wenn Unternehmen sie aktiv nutzen und teilen, vor allem, um mit den Daten KI-Systeme zu trainieren. Das Potenzial von Daten und künstlicher Intelligenz wollen und werden wir besser nutzen. Denn das bedeutet Wertschöpfung in Deutschland und in der Europäischen Union.
Wir unterstützen entsprechend Innovationen und den Transfer von der Forschung in die Praxis. Das zeigen viele Beispiele wie die Plattform Industrie 4.0, Catena-X, Manufacturing-X, wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse oder unsere Förderung von Quantentechnologien. So sichern wir Arbeitsplätze in Deutschland und in der Europäischen Union, und so schaffen wir Wirtschaftswachstum.
Wir gehen den Weg mit unserer Wirtschaft in die klimaneutrale Zukunft, und zwar als starkes Industrieland. Dazu haben wir uns im Koalitionsvertrag und in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verpflichtet. Das wird der größte Umbruch und Aufbruch seit Jahrzehnten. Der Weg zu mehr Klimaschutz ist auch ein Weg des Fortschritts. Wir stellen Deutschland breiter auf und diversifizieren unsere Lieferketten und die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen. Sie kennen dabei unsere Devise: „Derisking“ und nicht „decoupling“. ‑ Das haben wir beim G7-Gipfel in Hiroshima klar signalisiert.
Auch bei Siemens erkenne ich diese Strategie. Sie haben es eben beschrieben, Herr Dr. Busch. Zwei Milliarden Euro investiert Siemens in China, in den USA, in Singapur und auch in Deutschland für Forschung, Produktion und Entwicklung. Sie setzen auf weltweites Wachstum, auf viele starke Standbeine, die ihre Stärken voll ausspielen und von denen die anderen profitieren. Sie setzen auf Erlangen als eines dieser starken Standbeine. So kann digitale industrielle Fertigung made in Germany aussehen. Sie wollen diesen neuen Campus für die Zusammenarbeit mit Start-ups, mit KMU, mit der FAU und mit den Forschenden der Fraunhofer-Gesellschaft öffnen.
Solche Ökosysteme funktionieren in Franken gut. Denn das ist hier ein traditioneller Hightechstandort. Wir können deshalb mit Zuversicht nach vorn schauen. Denn diese Standorte werden in unserem Land immer zahlreicher. Ausländische Unternehmen haben 2022 eine Rekordsumme in Deutschland investiert. Bei Halbleitern haben wir zuletzt viel erreicht. Wolfspeed und ZF in Ensdorf, Infineon in Dresden. Intel hat gerade in Magdeburg mit mehr als 30 Milliarden Euro die größte ausländische Direktinvestition zugesagt, die es in Deutschland und in Europa je gab. Diese Investitionen kommen dem deutschen Wirtschaftsstandort im Ganzen und auch dem bayerischen Ökosystem zugute. Wir arbeiten als Bundesregierung daran, dass Deutschland einer der weltweit großen Produzenten für Halbleiter wird; denn diese sind essenziell für eine vernetzte und klimaneutrale Industrie.
Allen ist klar: Kein Windrad und kein E-Auto läuft ohne Hightech, kein intelligentes Stromnetz der Zukunft ohne KI ‑ ohne Hightech keine Energiewende. Aber eines dürfen wir vor dem Hintergrund der rasend schnellen technischen Entwicklung nicht vergessen: All diese neuen Hightech-Maschinen und Halbleiter muss auch jemand bedienen und bauen. In Deutschland sagen über 40 Prozent der Unternehmen, dass ihnen genügend gute Leute fehlen. Große Unternehmen sind sogar stärker betroffen als kleinere. Und wo die Fachkräfte fehlen, da wächst Wirtschaft langsamer. Allein für Mittelfranken wächst der Engpass von 30 000 Fachkräften in diesem Jahr auf bis zu 60 000 Fachkräfte, die in vier Jahren fehlen könnten: Mechatronikerinnen und IT-Experten, Energietechnikerinnen und Programmierer.
Hier setzen wir an: Wir schaffen auf der einen Seite das modernste Einwanderungsrecht, das Deutschland je hatte und das sich auch international gut vergleichen kann. Damit sollen künftig qualifizierte Arbeitskräfte, die gerne in Deutschland leben und arbeiten möchte, das auch tun können.
Gleichzeitig ist aber klar, dass wir mit der Zuwanderung nur einen Teil der Fachkräftelücke schließen können. Wir brauchen auch jede und jeden Einzelnen, die schon hier sind. Deshalb kümmern wir uns mit einer Ausbildungsgarantie darum, dass das für junge Leute klappt, und wir unterstützen Unternehmen, die in die Aus- und Weiterbildung investieren. Sie machen das hier bei Siemens sehr konsequent. Herr Armbruster, ich fand das, was Sie uns hier eben geschildert haben, sehr beeindruckend, und ehrlicherweise hat mich das sehr bewegt. Denn solange ich mich politisch mit dem Thema „Wie kann man Qualifizierung im Arbeitsleben organisieren?“ auseinandersetze ‑ schon als Arbeitsminister habe ich das getan ‑, war es immer mein Wunsch, dass wir es hinbekommen, nicht nur allen jungen Leute eine Chance zu geben, nach der Schule eine Berufsausbildung zu machen und den Übergang von der Schule in den Beruf voranzubringen, sondern auch sicherzustellen, dass es möglichst viele gibt, die schon in den Betrieben sind und diese Chance noch einmal ergreifen. Mit 27, mit 37, mit 47 und auch mit 57 noch. Das muss möglich sein.
Sie sind mittlerweile nicht das einzige Beispiel dafür, dass so etwas klappen kann ‑ auch hier ‑, sondern eines von vielen; denn das klappt auch bei vielen, vielen anderen Unternehmen. Deshalb danke für Ihren Mut, aber danke auch dafür, dass in den Unternehmen und hier bei Siemens dieses große Potenzial für Beschäftigung nun neu entdeckt und auch gehoben wird!
Es wird wahrscheinlich interessante Erfahrungsberichte geben, wenn man dann in der Berufsschule ist und neben 17-, 18- und 21-Jährigen sitzt. Ich glaube aber, das ist jetzt für alle Seiten nicht ganz schlecht. Den einen oder anderen Aspekt, der einen auch umtreiben kann, muss man dann noch irgendwie bewältigen. Es hat ja viele gegeben, die irgendwie ganz froh waren, dass das mit der Schule einmal zu Ende ist ‑ und nun soll wieder gelernt werden. Aber ich glaube, wenn das gut funktioniert und genau an dem ansetzt, was man ja in Wahrheit schon irgendwie kann, dann ist das ein großer Fortschritt. Deshalb, glaube ich, brauchen wir viel mehr davon in Deutschland.
Sie wissen alle, dass zu einem erfolgreichen Unternehmen immer beide Seiten gehören: die Idee und ihre Umsetzung, der Kopf und die Hände, die akademische Brillanz und die handwerkliche Präzision. Das hat schon die Geschichte von Siemens & Halske gezeigt, und das gilt auch heute noch.
Meine Damen und Herren, für die Stadt Erlangen war es ein Glück, dass Siemens sich entschieden hat, hier nach dem Zweiten Weltkrieg eine große Produktion aufzubauen und hier den Himbeerpalast zu bauen. Was hier damals mit wenigen Arbeitenden begann, ist heute mit unglaublich vielen Beschäftigten der größte Firmenstandort der Siemens AG weltweit. Tradition und Zukunft: Hier funktioniert das immer schon zusammen. Deshalb wünsche ich Ihnen für diese Zukunft nun alles Beste!
Vielen Dank.