arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

16.02.2012

Rede auf dem Senatsempfang zum Gedenken an die Sturmflut 1962

 

Sehr geehrter Herr Erster Vizepräsident
der Hamburgischen Bürgerschaft,

sehr geehrte Abgeordnete,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

ein Film fast ohne Worte. Und er braucht keine Worte. Allein die unheimlichen Geräusche, das Heulen des Sturms, die Sirenen, der Lärm der rettenden Hubschrauber gehen durch Mark und Bein. Die Bilder erst recht, und die kurze Einblendung der Trauerfeier mit Bürgermeister Paul Nevermann.

Wohl jeder, der alt genug ist, um sich an die Sturmflut von 1962 zu erinnern, weiß, wo er in jener Nacht war. Das gilt auch für diejenigen, die es nicht unmittelbar getroffen hat, weil ihre Häuser weit genug weg standen, oder hoch genug auf der Geest.


Trotzdem kann mit Sicherheit niemand nachempfinden, der sie nicht selber zu spüren bekommen hat, was für ein schreckliches Erlebnis diese Sturmflut war.

Wir werden gleich im Anschluss persönliche Schilderungen aus jener Nacht hören und ich bin den Zeitzeugen sehr dankbar, dass Sie die Kraft gefunden haben, Ihre eigenen schweren Erlebnisse mit uns zu teilen.


Februar 1962: Mitten in der Nacht vom 16. auf den 17. rollte von der Nordsee eine gewaltige Flutwelle die Elbe hinauf auf Hamburg zu, zerstörte eineinhalb Kilometer Deiche und kostete 315 Menschen im Stadtgebiet das Leben. Allein mehr als 200 von ihnen waren Wilhelmsburger. Tausende verloren ihr Hab und Gut oder wurden obdachlos.

 

Unsere Gedanken sind heute bei denen, die damals Schweres erlebt haben, und ihren Angehörigen.


Schlimme Ereignisse müssen dazu führen, dass man zusammensteht und schnell hilft sich gegenseitig, so gut es geht, und natürlich müssen sich diejenigen bewähren, die in so einer Situation zuständig und gefordert sind:  Katastrophenschutz, Deichverteidigung, Polizei, Rettungsdienste, Feuerwehren, Ärzte und Krankenhäuser, Technisches Hilfswerk, die Medien, im damaligen Fall auch die Bundeswehr, Politik und Verwaltung.

Folgen muss dann, dass man nachdenkt und, wenn nötig, umdenkt. Dass man ernstlich prüft, was getan und verbessert werden muss, damit die Stadt, die Region künftig besser geschützt ist. Und dass man dem auch Taten folgen lässt.

Ich glaube, dass Hamburg diese Bewährungsproben damals bestanden hat mit unschätzbar wertvoller und schneller Hilfe von außen, denn eine große Solidarität wurde der Stadt zuteil. Zehntausende Helfer aus dem In- und Ausland standen sofort bereit, retteten Menschenleben und beschafften das Nötigste, wo immer die Flutopfer vor dem Nichts standen.

Bei aller Verzweiflung hat die Katastrophe 1962 somit auch gezeigt, auf wie viel Solidarität die Hamburgerinnen und Hamburger zählen konnten. Eigene Kraft und eigenes Handeln kamen hinzu. Helmut Schmidt, damals Innensenator oder, wie es zu der Zeit noch hieß, Polizeisenator, steht dafür bis heute Beispiel gebend. Er und seine Mitarbeiter haben entschlossen gehandelt und andere mitgezogen. 

Die materielle Not zu lindern, die Tausende nach der Flut litten, dieser Aufgabe haben sich nicht nur staatliche Einrichtungen, sondern in besonderer Weise zahlreiche Spender und die Flutopfer-Stiftung gewidmet, über die Hans-Peter Strenge gleich ausführlich berichten wird.
 
Das waren die vordringlichen Aufgaben. Dann kam das Nachdenken über neue Wege im Flutschutz.

Hamburg und seine Nachbarländer mussten 1962 den Hochwasserschutz nicht neu erfinden. Viele Generationen hatten Erfahrungen im Kampf mit den Naturgewalten, mit dem blanken Hans, wie sie ihn mit der eigentümlichen Mischung aus Furcht und Respekt nannten, jahrhundertelang gesammelt. Manchmal erfolgreich, dann wieder mit schlimmen Rückschlägen.

Doch 1962 hatten die Vorkehrungen nicht ausgereicht, war man, wie es schien, seiner Sache zu sicher gewesen. Damit weitere Sturmfluten keine solch schweren Folgen mehr haben konnten, musste sehr viel getan, verbessert, geplant, mussten auch enorme Geldmittel aufgebracht werden.

Immerhin waren die technischen Möglichkeiten inzwischen bessere und sie wurden genutzt.

Als direkte Konsequenz aus der Katastrophe von 1962 sind in den folgenden Jahren in Hamburg und entlang der Unterelbe die Deiche erhöht, ist der Hochwasser- und Küstenschutz grundlegend neu strukturiert worden. Alle Aufgaben des öffentlichen Hochwasserschutzes sind seitdem vollständig auf die Stadt übergegangen.

In den vergangenen fünfzig Jahren hat Hamburg fast durchgehend an der Verstärkung der öffentlichen Hochwasserschutzanlagen gearbeitet. Die Deiche sind seither rund zweieinhalb Meter höher geworden, es gibt Katastrophenpläne und die Informationen für die Bevölkerung wurden verbessert.

Diese Anstrengungen haben dazu geführt, dass die Bedrohung heute geringer ist als jemals zuvor in der Geschichte. Seit 1962 hat es weitere acht Sturmfluten gegeben mit Scheitelwasserständen, die höher lagen als die der Katastrophensturmflut vor fünfzig Jahren. Dabei ist es zu keinen gravierenden Schäden an der Hauptdeichlinie gekommen.

 

Auch bei der besonders hohen Flut des Jahres 1976 zeigte sich, dass die Maßnahmen griffen.

Besitzt Hamburg also heute einen effektiven Schutz vor Sturmfluten? Ja. Und trotzdem wissen wir seit 1962, und wir vergessen das auch nicht wieder, dass wir uns nicht in Sicherheit wiegen dürfen, sondern immer wieder anpassen müssen.

 

Das derzeitige, aktuelle Bauprogramm Hochwasserschutz geht jetzt in seine vorerst letzte Phase. Die Arbeiten an den Erddeichen 78 Kilometer der Hauptdeichlinie, die insgesamt 103 Kilometer lang ist sind seit 2006 fertig. Bei den Hochwasser-Schutzwänden, insgesamt 25 Kilometer, fehlen nur noch einige Abschnitte im Bereich der Innenstadt. Bis voraussichtlich zum Jahr 2015 wird der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer im Auftrag der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt noch daran zu arbeiten haben.

 

Meine Damen und Herren,

 

 

1962 hat uns die Flut in Erinnerung gerufen, dass die Elbe, der die Stadt ihren Wohlstand verdankt, Teil der Natur ist und dass sich die Natur vom Menschen niemals völlig beherrschen lässt. Das zeichnet sich umso mehr ab, als wir inzwischen lernen müssen, uns auf den Klimawandel einzustellen. Denn der bringt neue Herausforderungen mit sich.


Professor Graßl vom Max-Planck-Institut ist ausgewiesener Erforscher der möglichen Entwicklungen in der norddeutschen Region beiderseits des Elbästuars. Welcher Sturmflutschutz ist für Hamburg in Zukunft notwendig? Erkenntnisse zu dieser Frage wird er uns im heutigen Rahmen nahe bringen.

Und natürlich sind es gerade die neuen Stadtentwicklungsprojekte der Metropole Hamburg, namentlich die Hafen City und die Neue Mitte, die in Wilhelmsburg entsteht, natürlich sind gerade das die Orte, an denen sich unsere Fähigkeit beweisen muss, als Stadt am Wasser mit diesem Element zu leben. An der Elbe und mit der Elbe, die unsere Lebensader ist und deren Fluten uns doch aufs Neue bedrohen können.

Vor dem Hintergrund des Klimawandels mahnt uns dieser 50. Jahrestag also, dass sich Hamburg auch heute und in Zukunft der Gefahren bewusst sein und sich gegen sie wappnen muss.

Meine Damen und Herren,

 

 

nach vorne zu schauen, ist das eine. Aber wir müssen auch der Erinnerung Raum bieten, denn schlimme Erlebnisse lassen sich nicht einfach verdrängen und vergessen, nur weil sie lange zurückliegen.
 
Die Erinnerung mit den Zeitzeugen zu teilen und wach zu halten, ist Grund für die vielen Veranstaltungen, Aktionen und Ausstellungen, die in und um Hamburg dieser Tage an die Sturmflut von 1962 erinnern sollen. Zur Vorbereitung hat es eine umfassende Zusammenarbeit zwischen den Vertretern der Elbinsel und der anderen von der Flut betroffenen Gebiete mit den Behörden gegeben. Wohnungsbaugesellschaften, Geschichtswerkstätten, die Kirchen und andere haben sich engagiert.


Die Schreibwerkstatt für Jugendliche, Fantastische Teens, hat mitgemacht und ich bin gespannt, was uns Jessica Severiano vorlesen wird.

 

All den zahlreichen Vereinen und Institutionen und allen, die am Zustandekommen des Programms zur Erinnerung an die Sturmflut mitgewirkt haben, danke ich sehr herzlich.

 

Und ich lade alle Hamburgerinnen und Hamburger, ebenso wie alle Gäste der Stadt ein, weiterhin die zahlreichen Angebote zu nutzen, sich mit Hamburgs Schreckensnacht  auseinander zu setzen. Eines davon ist die Ausstellung Die große Flut Katastrophe, Herausforderung, Perspektiven hier im Rathaus. Sie wird später im hamburgmuseum gezeigt.


Es gibt viele Wege, die Erinnerung mit dem Blick in die Zukunft zu verbinden. Hamburg, unsere große und großartige Stadt, deren Einwohnerzahl wächst, weil sie immer attraktiver wird und weil sie neuen Wohnraum schafft, Hamburg wird die Erinnerung an das einschneidende Ereignis der Sturmflut vom Februar 1962 wachhalten. Und der Senat wird seine Aufgabe erfüllen, eine Wiederholung von den Hamburgerinnen und Hamburgern abzuwenden.

Ich bitte jetzt Hans-Peter Strenge um seinen Beitrag. Vielen Dank.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.