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15.02.2012

Rede in der Bucerius Law School zum Thema: Die Weiterentwicklung der Stadt für ein modernes Hamburg

Rede in der Bucerius Law School zum Thema: Die Weiterentwicklung der Stadt für ein modernes Hamburg

 

Sehr geehrter Herr Professor Schmidt,

sehr geehrter Herr Dr. Wenzler,

sehr geehrte Frau Dr. Pluschke,

liebe Studenten,

meine Damen und Herren,



Just Cities heißt eine Publikation von Isabelle Jasmin-Roth, beinahe noch druckfrisch, herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die 26-jährige Autorin hat drei Jahre als Managing Director einer Live-Kommunikations-Agentur in Indien gearbeitet.

Von daher sollte sie prägnante Wortspiele beherrschen, zumal in einem englischsprachigen Land, wo das fast jeder kann. Und sie kann es auch.

 

Just Cities genau dort wollen wir doch leben. In gerechten Städten; in Städten, die den Hoffnungen und Erwartungen ihrer Bewohner auf ein gutes Leben gerecht werden.

 

Gerade auch den Hoffnungen und Erwartungen derer, die neu in die Städte ziehen, um die dortigen Möglichkeiten zu nutzen. Um ein gutes Auskommen für sich und ihre Familien zu haben und an dem teilzuhaben, was brausendes Leben ist.


Denn gleichzeitig außer der Bedeutung gerecht scheint mir Just Cities das Narrativ einer Lebensform anzudeuten, die sich mit gelassener Selbstverständlichkeit auf das Zusammenleben mit Vielen, mit Anderen einlässt. Laid back und doch mit dem Gespür für aufregende Veränderungen: Wir sind einfach Stadt.


Meint die Autorin das? Ich zitiere: Chancen auf Fortschritt, den die Verstädterung mit sich bringt, gibt es jede Menge. Wenn die künftige Generation von Stadtplanern fähig ist, mit der kommenden massenhaften Migration in sozial und politisch verträglicher Weise umzugehen, dann hat dieser Wandel das Potenzial, der Motor eines neuen kulturellen und ökonomischen Durchstartens zu werden.

Ich glaube, dass das durchaus kein Pfeifen im dunklen Wald ist, oder im Dickicht städtischen Betons. In London zogen schon vor zwanzig, dreißig Jahren die jungen Frauen selbstbewusst in breiter Phalanx eingehakt von der Regent Street zum Leicester Square: schwarz, weiß, indisch, chinesisch, verhüllt oder schulterfrei, aufgebrezelt oder natur, in Sneakers oder Stilettos, miteinander.

Jetzt sieht man Ähnliches in Marrakech, rund um die zentralen Plätze der Stadt, deren Dächer von Satellitenschüsseln dominiert werden. Über  deren Ästhetik kann man streiten, über manche ausgestrahlten Programme mit Sicherheit  auch, aber fest steht:

 

Die Lust der jungen Leute auf das Abstreifen kultureller Fesseln war und ist immer in den Städten zuerst zu beobachten und zurückdrehen lassen sie sich ihr Rad nicht mehr, nicht auf Dauer.

Meine Damen und Herren,

 

 

nichts gegen das Leben auf dem Land. Oder jedenfalls dort, wo die Stadt ihren Bewohnern Ruhezonen bietet. Allen Bewohnern, den wild lebenden und denen, die das auch manchmal möchten wild leben und die manchmal auch dem Stress und dem Lärm der großen Stadt entfliehen möchten.

Wer noch nie durch den Duvenstedter Brook gestreift ist, oder einen Sonnenuntergang hinter dem Niendorfer Gehege bewundert hat, ist kein richtiger Hamburger. Umso besser, dass unsere Stadt, besser gesagt: unser Land Hamburg auch die Gegenden zu  bieten hat.

Aber die entscheidenden Weichen für die Zukunft werden in der Stadt gestellt, denn die Zukunft findet in Städten statt. Die Mehrheit der Menschen lebt längst in Städten. Und der Prozess der Verstädterung ist keineswegs abgeschlossen. Es entstehen und wachsen an vielen Stellen der Erde in großem Tempo Mega-Cities. Und trotz nicht einfacher Lebensbedingungen verbinden die meisten der neuen Einwohner dieser Städte, deren Zahl rapide wächst, trotz dieser oft schwierigen Lebensbedingungen, mit dem Schritt in die Stadt die Hoffnung auf ein besseres Leben.

Der kanadische Journalist Doug Saunders hat das in seinem berührenden Buch über die Arrival Cities beeindruckend beschrieben.

Auch in Deutschland ist der Prozess der Verstädterung keineswegs abgeschlossen. Und es handelt sich dabei auch und gerade um eine Bewegung hin zur großen Stadt.

 

Deutschland wird für die nächsten Jahrzehnte eine sinkende Bevölkerungszahl vorhergesagt. Dieser Trend verläuft aber nicht einheitlich. In einigen großen Städten Deutschlands wächst die Bevölkerung.

 

Hatte Hamburg gegen Ende der 80iger Jahre nur noch weniger als 1,6 Millionen Einwohner, so werden es in diesem Jahr wohl wieder mehr als 1,8 Millionen sein. Für 2030 sagen Bevölkerungsprognosen 1,9 Millionen Einwohner voraus vielleicht werden es auch mehr.


Die Verheißung, in der Stadt zu leben, ist für viele hoch attraktiv, ob sie nun aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und all den anderen Ländern Deutschlands, aus europäischen Staaten oder von weiter her nach Hamburg gekommen sind. Und so wird es bleiben.


Denn auch das Internet und die Social Media wie social auch sein mögen oder nicht sie ersetzen nicht die Dichte, das Zusammenleben in der Stadt. Edward Glaeser spricht vom Triumph of the City, der eben auf dieser Eigenart der Stadt beruht.

Lehnen wir uns also beruhigt zurück und warten, dass die Stadt wächst? Das ist eine, zugegeben, offensichtlich rhetorische Frage. Keine wachsen-wollende Stadt wächst von selbst, sondern man muss schon ein paar Hindernisse aus dem Weg räumen. Zu denen gehört, dass nicht genug bezahlbarer Wohnraum in guter Qualität bereitsteht.


Wir müssen bauen und tun es. Der Senat hat eine beispiellose Wohnungsbau-Offensive gestartet, vielleicht das größte Wohnungsbauprogramm in Deutschland. Unser Ziel sind 6.000 neue Wohnungen pro Jahr; 2011 wurden immerhin schon 6.800 genehmigt. Ich bin guter Dinge, dass wir die Dynamik in den nächsten Jahren aufrechterhalten können. Und wir dürfen anders als im vergangenen Jahrzehnt nie wieder damit aufhören.

 

Wir haben mit den Bezirken den Vertrag für Hamburg geschlossen, mit verbindlichen Zielzahlen, und wir haben ein Bündnis mit der Immobilienwirtschaft geschlossen; eine vergleichbare Vereinbarung gab es bisher nicht. Wir haben uns auf gemeinsame Ziele verständigt: zum Sozialwohnungsbau, zum Klimaschutz, zur Integration von Wohnungsnotfällen und zur Erhaltung der Backsteinstadt Hamburg.

 

Eine solche Wohnungsbauoffensive ist aber nicht nur eine Frage von mehr Quantität, sondern auch von mehr Qualität. Es geht um Städtebau, um Stadtplanung, um Flächenkonkurrenz und darum, dass Hamburg bei all dem eine grüne Stadt bleiben muss.

 

Jedes Richtfest, das wir heute in den Stadtteilen feiern, ist ein gutes Beispiel für das, was in Hamburg wieder mehr Platz finden wird, so dass es häufiger stattfinden kann:

 

familiengerechtes, ökologisch verträgliches, modernes, einfallsreiches Bauen für Menschen, die stadtnah wohnen wollen, inmitten guter Infrastruktur. Und in einer Umgebung, in der sie gern ihre Kinder aufwachsen sehen.

Das alles sind Ziele, die innerhalb der konkreten Stadtgrenzen verwirklicht werden müssen. Bezahlbaren Wohnraum zu angemessenen Bedingungen kann man nicht allein dadurch schaffen, dass man in der Fläche weitere neue Baugebiete erschließt, die den bereits bestehenden in allem ähneln, vor allem in ihrer Begrenztheit auf zwei, seltener drei Stockwerke.

 

Deshalb habe ich gesagt, wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, hier und da wieder höher zu bauen. Hamburg verträgt das. Berlins Fläche ist um knapp ein Fünftel größer als die Hamburgs. Berlins Einwohnerzahl liegt aber um mehr als 90 Prozent über unserer.


Wenn wir weitere Eingriffe in empfindliche Naturräume vermeiden wollen, müssen wir eben höher bauen und dichter bauen und das Wachstum weitgehend in der bestehenden Siedlungskulisse umsetzen. Das heißt nicht einfach nur: Hochhäuser bauen, sondern an vielen Stellen stadtverträglich statt zwei: viergeschossig oder statt vier: sechsgeschossig zu bauen.

 

Große Städte sind nicht statisch, sagt Edward Glaeser, Ökonomieprofessor aus Harvard in seinem Buch Triumph of the City. Er fährt fort: Städte können nicht mit neuen Gebäuden den Wandel forcieren, aber wenn es Wandel gibt, kann die richtige Art zu bauen diesem Prozess helfen.

 

Es gibt viel zu bauen in dieser Stadt und die Frage ist: ob ihr ein organisiertes und organisches Wachstum vergönnt sein wird. Zufriedenstellende Antworten zu finden und so in die Realität zu bringen, dass sich auch die übernächste Generation in einer vielfältigen Stadtlandschaft wohlfühlen kann - darauf kommt es umso mehr an, als sich Chancen zum Um- und sogar Neubau ganzer Viertel jetzt ergeben.

 

Die Projekte werden den meisten von Ihnen geläufig sein, ich nenne drei: die Neue Mitte Altona, die östliche HafenCity mit dem Wohnungsbau am Baakenhafen und natürlich Wilhelmsburg, wo demnächst die IBA und IGS die Wandlung eines Stadtteils demonstrieren. Ein wichtiges Signal der Ermutigung. Wilhelmsburg steht für viele Stadtteile und deren Möglichkeit, für neue Bewohner attraktiv zu werden: Hamm, Horn, Rothenburgsort, Barmbek, Eilbek und so weiter.

 

Wenn sie das werden, haben wir den Wandel geschafft und dürfen uns mit Recht eine große Stadt nennen.


Große Städte sind Kern und Katalysator der Moderne. Hier schaffen Kultur und Wissenschaft Erkenntnis. Hier entstehen aus Mut und Intelligenz neue Unternehmen und neue Jobs.


Die sind mit das Wichtigste. Die große Stadt hat einen Arbeitsmarkt, der breit genug ist, um im Verlaufe eines Arbeitslebens den Wechsel des Arbeitgebers zu möglichen. Und immer wichtiger: die große Stadt hat einen Arbeitsmarkt, der es modernen berufstätigen Paaren ermöglicht, die jeweiligen eigenen beruflichen Wünsche zu realisieren.

 

Städte ermöglichen es, festgelegte Lebensentwürfe zu verlassen und die eigenen zu finden. Und gerade in den Städten ergeben sich auch immer wieder Chancen für diejenigen, die bisher gesellschaftlich benachteiligt wurden. Der Prozess der gesellschaftlichen Gleichstellung von Männern und Frauen erhält seine wichtigsten Impulse immer wieder aus den Städten, siehe Leicester Square und Marrakech. Dasselbe gilt für die Integration von Zuwanderern; das Stichwort Migration fiel ja schon im Eingangszitat.

Und darum können wir einigermaßen sicher sein, dass mit einer Umkehr des Trends zu den großen Städten nicht zu rechnen ist. Und auch für Hamburg und seine bald auf 5 Millionen Einwohner anwachsende Metropolregion stehen die Zeichen aus eben diesen Gründen günstig.

 

Die Dynamik der wachsenden Städte entsteht aus den Hoffnungen der eingesessenen und der neuen Bürgerinnen und Bürger; ihren Hoffnungen auf ein gutes oder besseres Leben, die sie nur in der Stadt realisieren können. Auch Hamburg ist eine Hoffnungsstadt.

Wenn wir die Hoffnungen nicht enttäuschen und die Dynamik nicht verlieren wollen, die aus der Hoffnung erwächst, dürfen wir vor der großen Stadt keine Angst haben.

 

Sondern wir müssen Hoffnungen und Dynamik optimale Bedingungen bieten:

 

Zum Beispiel, indem wir Liberalität und Sicherheit gewährleisten.

 

Zum Beispiel, indem wir als Ankunftsstadt den neuen Bürgerinnen und Bürgern die Perspektive der Integration eröffnen. 400.000 der 1,8 Millionen Bewohner unserer Stadt sind Zuwanderer oder deren Kinder. Mehr als 200.000 haben bisher keinen deutschen Pass. 137.000 leben aber schon so lange in Deutschland, dass sie eigentlich die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben könnten. Darum schreibe ich die jetzt nach und nach an und werbe als Bürgermeister für die Staatsbürgerschaft. Nicht ohne Erfolg, wie die Zahlen gezeigt haben, die zur jüngsten Einbürgerungsfeier vorlagen.

 

Zum Beispiel, indem wir exzellente Bildung ermöglichen. Damit unabhängig von dem Elternhaus alle Kinder eine ausreichende Bildung erwerben. Darum brauchen wir Krippen, Kitas, Grundschulen mit kleinen Klassen und Ganztagsbetreuung, Gymnasien und Stadteilschulen, die beide zum Abitur führen können.

Bildung, das Stichwort ist hier an der Bucerius Law School, an dieser exzellenten Bildungsstätte ja kein Fremdwort. 95 Partneruniversitäten und Partner- Law Schools in 31 Ländern, das hört sich schon beeindruckend an. Wir wollen die Metropole des Wissens werden und der Senat hat weitere Schritte in diese Richtung getan. Er will und er wird die Forschungsförderung weiter ausbauen und er hat  einiges getan, um zu stabilen Etats, zur Planungssicherheit der Universitäten beizutragen. Durch den Hochschulvertrag werden die strukturellen Weichenstellungen getroffen.


Hoffnungen und Dynamik optimale Bedingungen bieten womit noch? Zum Beispiel, indem die Stadt die Probleme berufstätiger Eltern löst und eine flächendeckendes Angebot von Krippen, Kitas und Schulen mit Ganztagsbetrieb gewährleistet. Vielleicht wäre es überhaupt richtig, wenn wir die Stadt aus der Perspektive berufstätiger Eltern betrachten. Sie werden Arbeitsplätze und Städte auch danach beurteilen und auswählen, wo sie als Familie gut leben können.

 

Zum Beispiel, indem wir die Infrastruktur für die wachsende Einwohnerzahl entwickeln. Das gilt für den innerstädtischen Verkehr mit S-Bahnen, U- Bahnen, Bussen, Fahrrädern, Carsharing und Elektromobilität. Die U 4 wird über die HafenCity hinaus bis zu den Elbbrücken verlängert. Die S 4 als S-Bahn wird geplant. Ab 2020 schaffen wir nur noch emissionsfreie Busse an.


Meine Damen und Herren,

 

 

an diesem Punkt stelle ich meistens die nächste rhetorische Frage und versuche sie dann auch zu beantworten nämlich: Wie machen wir all das, während gleichzeitig die Schuldenbremse angezogen ist und bleibt?

Ich will das heute weglassen nicht  weil wir in den kommenden Jahren viel darüber werden reden müssen, da müssen wir durch, sondern weil die eingangs zitierte Isabelle Jasmin-Roth es verdient hat, noch einmal auf  ihre Just Cities einzugehen. Die Autorin ist keine Weichzeichnerin. Es geht ihr auch darum klarzumachen, dass nachhaltiges Wirtschaften im weitesten Sinne eine Voraussetzung für die Zukunft des Lebens in der Stadt ist. Für das Leben auf dem Land auch.

Wenn es schon jetzt so ist, dass mehr als fünfzig Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben, von denen mehr als zwanzig als Megacities bezeichnet werden können, stellt das hohe Anforderungen an die politisch und planerisch Verantwortlichen. Die Ballungszentren befinden sich größtenteils in Entwicklungsländern und gerade dort führen Bevölkerungswachstum und zunehmende Urbanisierung zu wachsendem Bedarf an Wohnraum. Und sie erfordern dringend eine bezahlbare Energie- und Wasserversorgung.


Gleichzeitig müssen Herausforderungen wie der Ausbau von Transportsystemen und Infrastruktur oder Abwasseraufbereitung und Müllentsorgung bewältigt werden.


Sie werden sich an die Kommunale Agenda 21 erinnern. Die war in den 1990er Jahren neu und ungewöhnlich. Sie postulierte nicht weniger als eine nachhaltige umweltverträgliche Entwicklung und den zukunftsfähigen Übergang in das 21.Jahrhundert. Auch für Hamburg, natürlich. Und, keine Frage, für die Städte und Gemeinden im so genannten Umland, die mit einer wachsenden Metropole in ihrer Nachbarschaft ihre ganz spezifischen Chancen und Risiken hatten.

Hinzubekommen galt es den Paradigmenwechsel vom nachsorgenden Umweltschutz, der sehr erfolgreich war, aber allmählich an seine Grenzen stieß, zum zukunftsfähigen Wirtschaften.
 
Was hieß und was heißt das, zukunftsfähig? Dies zu definieren, ist heute wie damals nicht so schwer wie: tatsächlich dahin zu kommen. Zukunftsfähig sind wir, wenn wir den Naturkreisläufen nicht mehr  entnehmen - an Wasser, reiner Luft, Boden, unversiegelter Fläche, Mineralien, Ressourcen aller Art - als wir ihnen entweder unzerstört zurückgeben können oder die Natur selbst regenerieren kann. Und umgekehrt: wenn wir nicht mehr in die Natur eintragen, als sie aufnehmen und abbauen kann.


Es ging also darum, Kreisläufe zu schließen, und das musste der qualitative Sprung werden. Auch Hamburg einerseits im globalen Maßstab nur ein Stecknadelkopf auf dem Globus, andererseits eine brausende Metropole mit entsprechendem Ressourcenverbrauch musste seinen Erfolgen auf allen Ebenen des Umweltschutzes neue und andersartige hinzufügen.


Meine Damen und Herren,

 

 

ich wiederhole es gern: Große Städte sind faszinierende Laboratorien gesellschaftlichen Lebens und das Stadtleben setzt den Vorzügen des Landlebens enorme eigene Vorzüge entgegen. Aber natürlich sind die Städte auch in der Pflicht, und Hamburg war es als Europäische Umwelthauptstadt 2011 ganz besonders.


Schon heute heißt es verbrauchen die Städte, die gerade einmal knapp drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, gut 80 Prozent aller genutzten Ressourcen. Dem muss man zwar entgegenhalten, dass die Städte als Standorte von Industrie, Handel und Wandel auch das Land mitversorgen und dieselbe Statistik nach dem Verursacherprinzip anders aussieht. Aber fest steht, dass zum Beispiel in unseren Breitengraden das Heizen von Gebäuden den meisten Energieverbrauch verursacht, dem entsprechend auch das größte Einsparpotenzial bietet.

Auch aus solchen Gründen ist mir die Energiewende, die wir in Hamburg hinbekommen wollen, ein solch großes Anliegen. Dass wir den Ausstoß klimaschädlicher Gase noch deutlich stärker reduzieren müssen, lernen wir inzwischen in der Grundschule. Spätestens nach dem verheerenden Unglück in Fukushima und dem Ausstiegsbeschluss, der in Deutschland darauf gefolgt ist haben auch die letzten Zweifler erkannt, dass wir vor einer bedeutenden technischen und gesellschaftspolitischen Herausforderung stehen.

Hamburg ist entschlossen, sich der nicht nur zu stellen, sondern sie für sich positiv zu nutzen. Wir treiben die Energiewende voran und verbinden damit die begründete Hoffnung auf ein hohes Modernisierungspotenzial.

Der Hamburger Senat steht zu dem bundesweit gültigen Ziel, den CO2-Ausstoß in Deutschland bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 sogar um 80 Prozent zu senken. Das sind sehr ambitionierte Ziele, die große Anstrengungen erfordern, aber auch riesige Chancen eröffnen, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen: Chancen auf nachhaltiges Wachstum und auf dauerhafte Arbeitsplätze.


Der Senat treibt die Entwicklung aktiv voran. Er hat mit den Energieversorgungsunternehmen die Grundlagen für die Energiewende vor Ort ausverhandelt. Und dafür, dass Hamburg eine Vorreiterrolle bei der Energiewende bundesweit zufällt.

Zu den Vereinbarungen gehört die 25,1-prozentige strategische Beteiligung Hamburgs an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme. Die Unternehmen investieren rund 1,6 Milliarden Euro in moderne Energieerzeugung und -nutzung. Und, ganz wichtig:

 

Hamburg wird die Großstadt mit den größten Kapazitäten zur Energiespeicherung in Deutschland. Wir werden auf diesem Gebiet voran gehen und an den Kraftwerkstandorten innovative Speichertechnik Wind zu Wärme und Power to Gas installieren und testen.


Dem Einsatz der Windkraft wird große Bedeutung zukommen. Zwar findet die Produktion des Windstroms onshore und offshore vorwiegend außerhalb statt. Aber Hamburg ist der Ort vieler Unternehmenszentralen der Windbranche und von Forschungsinstitutionen, denen es um die Windenergie geht. Vor allem aber sind wir ein zentraler Nutzer der Windenergie. Und deshalb müssen wir Speicher bauen und die Umwandlung des Windstroms in Wasserstoff oder Gas voranbringen.

Wenn ich sage wir, sehe ich uns auch auf diesem Feld nicht als Einzelkämpfer. Die norddeutschen Länder müssen kooperieren, allein schon wegen der immensen Aufgabe, Windstrom nicht nur zu erzeugen, sondern auch in die Netze zu bringen.

Hier geht es um industrie- und energie- und klimapolitische Ziele. Bei den erneuerbaren Energien geht es ja um Hightech, es geht unmittelbar um die Kompetenz, moderne Technik in Deutschland zu entwickeln und anzuwenden.


Gerade aus der Sicht der norddeutschen Länder spielt die Windkraft dabei eine entscheidende Rolle, egal ob on- oder offshore. Wir müssen sicherstellen, dass wir in Zukunft tatsächlich zu einer großen Zahl von Windkraftanlagen in der Nordsee und in der Ostsee kommen, denn im Offshore-Bereich liegen die größten Potenziale.


Bisher geht es bundesweit nicht zufrieden stellend voran. Von fast 4.000 Kilometern nötiger Stromtrassen sind gerade mal 90 Kilometer gebaut, Gesetzesvorhaben liegen auf Halde. Die Netzbetreiber im Norden beklagen laut neuesten Presseberichten bereits 15 bis 20 Millionen Euro Einspeisevergütung, die sie jährlich zahlen, hauptsächlich an Windstromproduzenten, ohne den Strom überhaupt einspeisen zu können, weil die notwendigen Leitungstrassen ebenso fehlen wie die Speichertechnik.

Denn bekanntlich weht der Wind nicht immer dann, wenn der Strom gebraucht wird, und nicht dort, wo er gebraucht wird. Also müssen wir uns ganz anders als bisher in die Lage versetzen, Energie zu speichern und dann verfügbar zu machen, wenn sie gebraucht wird. Und die Energiespeicher müssen in den Metropolen stehen, die auch die Hauptverbrauchszentren sind und bleiben werden.


Meine Damen und Herren,

 

 

eine zukunftsfähige Großstadtentwicklung in Hamburg, eine Entwicklung zur Hoffnungsstadt, ist wesentlich mitbestimmt durch Fortschritte bei der Energiewende nebenbei: auch um die Versorgungssicherheit, bezahlbare Stromrechnungen und die Unabhängigkeit von Importen zu gewährleisten sowie durch intelligente Konzepte, um den Flächenverbrauch zu begrenzen und die Verkehrsentwicklung zu lenken. Nochmal Glaeser, etwas abgewandelt: Städte können nicht mit neuen Energiespeichern den Wandel forcieren, aber wenn es Wandel gibt, können die richtigen Energiespeicher diesem Prozess helfen.

 

Isabelle Jasmin-Roth zitiert eine Studie, nach der städtische Entscheidungsträger weltweit gut ein Siebtel ihrer Modernisierungsinvestitionen einsparen könnten mehr als 50 Milliarden US-Dollar wenn sie ab sofort auf energieeffiziente Transportsysteme und den Gebrauch regenerativer  Energien setzen. Ich habe das nicht nachgerechnet. An Hamburg soll es nicht liegen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.