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29.12.2016

Rede auf der Jahresschlussversammlung der Handwerkskammer

 

Sehr geehrter Herr Präsident Katzer,
sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Abgeordnete des Europäischen Parlaments und des Deutschen Bundestages,
sehr geehrte Handwerkerinnen und Handwerker,
sehr geehrte Damen und Herren,

Was haben Handwerker und Politiker gemeinsam?

Mir scheint, sehr viel. Handwerker und Politikern teilen das gleiche Schicksal: Wenn sie alles richtig machen, sieht es meist so aus, als wäre nichts gewesen. Zweitens: Wenn sie einen Fehler machen, haben alle keinen Bock mehr auf diese Leute. Drittens: Über Handwerker und Politiker gibt es die besten Witze.

Und wissen Sie auch, was der Unterschied zwischen uns ist? Nun: Darauf gibt es zwei Antworten. Die erste ist klar: Ohne das Handwerk geht es nicht. Auf die zweite Antwort müssen Sie noch ein wenig warten. Bleiben wir zunächst bei den Hauptpersonen des Abends den Handwerkerinnen und Handwerkern.  

Weil in Deutschland so viel so gut funktioniert, wissen die meisten eigentlich kaum, was das Handwerk ist. Es geht ihnen so, wie den beiden jungen Fischen in der Geschichte, die David Foster Wallace erzählt hat. Die Fischgeschichte geht so:

Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Der Alte nickt ihnen zu und sagt: Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser? Die zwei jungen Fische schwimmen eine Weile weiter, und schließlich wirft der eine dem anderen einen Blick zu und sagt: Was zum Teufel ist Wasser?

Was ist Wasser? Die Frage stellt sich Fischen, die durchs Wasser schwimmen, nicht. Das Wasser ist ja einfach da. So ist das auch mit dem Handwerk. Unser Wasser kommt zuverlässig aus dem Hahn, ist sauber getrennt vom Abwasser. Die Wohnung wird warm und man muss auch nicht im Dunkeln Frühstücken. Wir hängen das nasse Handtuch über die Heizung und bekommen keinen Schlag. Das Auto springt an, wir nehmen den Fahrstuhl und essen noch ein paar Brötchen. Handwerker sind Dienstleister. Sie machen hervorragende Arbeit. 80 Millionen Menschen profitieren davon jeden Tag.

Deutschland funktioniert dank der Handwerker!

Handwerker sind pragmatisch und konsensorientiert. Das kommt vielleicht daher, dass alle wissen: Entweder sehen wir die Leute nie wieder, dann lohnt es die Aufregung nicht, oder wir sehen sie alle morgen wieder und dann muss man zusammen arbeiten können. So arbeitet die Handwerkskammer seit vielen Jahren auch sehr gut mit dem Senat zusammen.

Gesagt Getan ist das Motto der Zusammenarbeit zwischen Handwerkskammer und Senat. 2011 haben Senat und Handwerkskammer den Masterplan Handwerk gemeinsam verabschiedet. Seit dem haben wir so viel erreicht, dass wir den Masterplan schon zum fünften Mal neu schreiben mussten. Die vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit ist gut für den Standort und gut für die Mitglieder der Handwerkskammer. So können wir sicher sein, wenn bei den Handwerkern von der Kammer des Schreckens die Rede ist, dann geht es um das Buch über Harry Potter. Oder vielleicht auch um den Film. Und nicht etwa um den Senat.

Eine Kammer des Schreckens hätten wir jetzt gerne für HBCD. Die vier Buchstaben stehen für Hexabromcyclododecan, das hört sich nicht nur schlecht an, das ist auch nix für die Umwelt. HBCD ist ein Flammschutz-Werkstoff. Und er hat die geradezu magische Eigenschaft, dass wir ihn nur durch eine richtige Flamme loswerden: er muss er von einem Fachbetrieb verbrannt werden.

Für HBCD gilt in allen 28 Ländern der Europäischen Union ein Handels- und Verwendungsverbot und auch die Entsorgung ist nachweispflichtig. Die Anforderungen sind richtig, aber wir brauchen bundesweit einheitliche Regelungen. Außerdem gibt es einen enormen Rückstau, weil es noch nicht genügend Entsorgungsplätze gibt. Die Länder sind deshalb aktiv geworden. Hamburg hat am 16. Dezember 2016 einem Plenarantrag aus NRW zugestimmt, der einen einjährigen Aufschub für die verschärften Regeln vorsieht. Die Bundesregierung unterstützt das. Bund und Länder werden die Zeit für eine vernünftige Umsetzung nutzen. Im Übrigen wird es ganz bald in Hamburg mehrere Entsorgungsmöglichkeiten für HBCD-Abfälle geben, etwa auch über die Müllverbrennungsanlage.

Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Entsorgung und Recycling ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Das sieht man zum Beispiel daran, dass Deutschland zu den europäischen Ländern gehört, die halten sie sich fest Abfall importieren. 3,5 Millionen Tonnen Abfall war das im vergangenen Jahr, vieles kam aus Großbritannien, weil da die Entsorgung so teuer ist. Der brauchbare Abfall wird zu Werkstoffen und der Rest ist dann zum Verbrennen.

Aber kommen wir zurück zur Magie des Handwerks. Die beste Kammer-Geschichte haben die Handwerker selber geschrieben. Sie ist ziemlich alt, mit Wurzeln im Mittelalter und der große Zauberer heißt da Der Betrieb. Vor etwa 150 Jahren haben die Deutschen das System der Ausbildung, das in den Gilden und Zünften entwickelt wurde, auf die Ausbildung in Fabriken und Handelsunternehmen ausgeweitet. Eine geniale Idee der Verwaltung, ein großer gesellschaftlicher Schub.

Die Duale Ausbildung ist unbestritten eine entscheidende Grundlage für die wirtschaftlichen Spitzenstellung Deutschlands. Das System ist so erfolgreich, weil am wirtschaftlichen Erfolg interessierte Betriebe die Lehrstellen anbieten. Azubis sind vom Fach, sie arbeiten in der Praxis, sehen, was wirklich anliegt und lernen, wie man Geld verdient. Mehr als 130 Gewerke gibt es im Handwerk, alle machen mit. Die Handwerker tragen in vorbildlicher Weise zur Ausbildung junger Leute bei. Das Handwerk ist etwas für Leute, die was tun wollen, die Kopf und Hand verbinden wollen, die mit ihrer kreativen Begabung richtig was schaffen wollen.

Wo ich auch immer im Ausland bin, die Unternehmen, die Bildungspolitiker und die Gewerkschaften beneiden uns um unser Ausbildungssystem. Wir haben eine im europäischen Vergleich sehr geringe Jugendarbeitslosigkeit. Eine Lehre ist ein hervorragender Start ins Berufsleben. Die Absolventen sind in ganz Europa begehrt. Die Duale Ausbildung wird immer wieder kopiert, das ist nicht einfach. Es gelingt zum Beispiel da, wo unsere Unternehmen das Ausbildungsverfahren gleich mit exportieren, etwa nach China.

Wenn man fragt, Was macht Deutschland so stark?, lautet eine Antwort: die von den Kammern, den Betrieben und dem Staat gemeinsam getragene Ausbildung. Schauen Sie nur über den Teich: In den USA gibt es so etwas nicht. Man kann studieren, aber Schul- und Studiengebühren sind hoch. Das können viele Familien aus dem Mittelstand und schon mal gar nicht die mit geringen Einkommen für ihre Kinder aufbringen. Eine Lehre zu machen, um einen Abschluss als Facharbeiter zu bekommen, diese Chance gibt es da nicht.

Der versteht sein Handwerk, das zu sagen, gehört in Deutschland zu den größten Komplimenten, das man jemandem im Job machen kann. Die versteht ihr Handwerk, heißt es im Büro, im Krankenhaus und auch in der Verwaltung über die echt guten. Das ist unser Handwerk, sagen auch Journalisten gerne, wenn sie betonen wollen, was ihren Job ausmacht. Bei Handwerkern sagt man das nicht. Denn da ist es selbstverständlich. Man erwartet einfach, dass die die Sachen sehr gut können. Meister sein, auch das ist so ein Wort, das die große Hochachtung vor den handwerklichen Berufen ausdrückt. Auch die Universitäten und die Künstler haben das inzwischen geklaut und bieten Meisterkurse und Masterstudien an.  Wir in Deutschland wissen, wir brauchen unsere Meister. Niemand kann uns den Meister nehmen.

Das Handwerk braucht Platz und gute Bedingungen. Der Hamburger Senat wird keine Gewerbeflächen reduzieren. Aber die Anforderungen an den Raum steigen. Was macht man also? Stapeln. Bücher und Werkzeuge in Regale. Beim Dach noch eine Etage draufsetzen und nun kommen auch die Gewerke in die Höhe. Zum Beispiel in unserem Projekt der flatted factories. Das heißt nicht etwa platt gemachte Fabriken, sondern steht für das Projekt Meistermeile. Sie wissen, in München gibt es das Vorbild für das Projekt der gestapelten Gewerbeflächen. In Lokstedt wird der erste vierstöckige Gewerbehof für Handwerker entstehen. Senat und Handwerkskammer arbeiten Hand in Hand. Zwei Projekte gibt es dann in Deutschland und doch gibt es kaum ein Land auf der Welt, das noch mehr Erfahrungen hat als wir. Ich war im Frühjahr in Singapur, ein Stadtstaat, der auch sehr wenig Fläche hat und habe mir angeschaut, wie die Singapurer das machen. Ich sage Ihnen: Wir können da locker mithalten. Senat und Bürgerschaft haben das Konzept und die Finanzierung für das Projekt Meistermeile beschlossen. Die Miethöhe, die Ausstattung und die Lage sind sehr günstig. Wir haben einen großen Bedarf nach Werkstätten in der Stadt, ich bin sicher, dass es eine sehr gute Adresse für Handwerker wird.

Und wir haben ja noch eine andere gute Adresse: Fertig steht bei mir im Büro auf einem Klinker. Es ist ein Baustein, den die Maurer nicht verbaut haben. An der Grenze der Baubarkeit sei die Elbphilharmonie, haben mir die Architekten gesagt. Nun ist es geschafft. Herr Katzer hat ja schon deutlich gemacht, viele Handwerkerinnen und Handwerker waren beteiligt. Die Liste der Gewerke klingt wie Lehrmaterial für die Berufsorientierung. Da gibt es so schöne Sachen wie Abwasserhebeanlagen, Wärmeversorgungsanlagen, Lüftungskanalnetz, Treppenhausdruckbelüftung und natürlich die berühmten Entrauchungsanlagen. Ganz Berlin und Brandenburg beneiden uns darum.

Sie kennen ja den Witz, in dem sich die Handwerker streiten, was zuerst war und der gewinnt, der die Bibel zitiert: Als Gott sagte, es werde Licht, hatten wir schon alle Kabel gelegt. Die Elbphilharmonie ist eine Freude für jeden, der Kabel mag und sie wieder findet: Schwachstrom, Niedrigspannung, Mittelspannungsanlagen, Eigenstromversorgung und Starkstrom. Und die Jungs und Mädels für die Szenografieanlagen waren natürlich auch da.

Die Elbphilharmonie ist einer der schönsten Konzertsäle der Welt. Und sie ist ein Haus für jedermann und jede Frau. 300.000 Menschen waren schon auf der Plaza. Man kann auch in die Gastwirtschaft gehen und ein Bier trinken. Oder Kaffee trinken mit Selbstbedienung und dann die Aussicht genießen und sich fragen: Hat das riesige Fenster ein Glaser angebracht? Und wie werden die ganzen Fenster und Glaselemente professionell gereinigt?

Es ist ein ganz außergewöhnliches Haus. Sie kann sich mit den berühmtesten Orten der Welt messen. Die Sicht ist in jedem Fall besser. Und die Akustik auch. Die Anordnung der Plätze im Großen Saal ist so, dass man von überall direkt auf die Bühne schauen kann. Kein Sitz ist weiter als 30 Meter von der Bühne entfernt. Mehr als 2000 Personen passen in den großen Saal, man ist immer ganz nah dran. Es gibt Tickets in allen Preisklassen, manche sind nicht teurer als eine Kino-Karte.

Wir bauen Hamburg das kann das Handwerk selbstbewusst sagen. Auch die meisten Cluster-Initiativen würden ohne Handwerker nicht funktionieren: Oder kann sich jemand vorstellen, wie maritime Logistik, Luftfahrt oder Erneuerbare Energien ohne die Arbeit von Handwerkerinnen und Handerkern laufen soll? Auch das Riesenprojekt Norddeutsche EnergieWende 4.0, das Hamburg und Schleswig-Holstein mit Unterstützung des BMWI starten, ist auf die Unterstützung des Handwerks angewiesen. Ob Wasser, Elektro oder Metall, viele verschiedene Gewerke brauchen wir, um die Energiewende zu schaffen.

Die Müllers, Schmidts oder auch Beckers sind in Deutschland immer an erster Stelle. Alle Statistiken sagen das. Namen, die auf Handwerker zurückgehen, sind immer die Spitzenreiter. Wir haben einen Minister Müller, schon einen Berliner Bürgermeister Müller und Doris Müller in der Hamburger Bürgerschaft. Die Schmits (Smiths) dominieren auch die USA und Australien. Die Abstände sind so groß, dass sich manche gar keine Hoffnungen zu machen brauchen. Schulz oder Scholz ist dabei übrigens egal, beide sind Namen von Berufspolitikern, abgeleitet von dem alten Schultheiß. Und wenn Sie jetzt an Bier denken, dann sind Sie bestimmt ein Handwerker.

Sie sehen: Nach den Politikern werden die Straßen benannt. Aber erst dann, wenn sie tot sind. Nach den Handwerkern wird die ganze Welt benannt. Das ist der eigentliche Unterschied zwischen uns.

Vielen Dank!

 

Es gilt das gesprochene Wort.