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29.11.2011

Rede beim 15. Industrie-Treff des Industrieverbandes Hamburg

 

Sehr geehrter Herr Westhagemann,

sehr geehrter Herr Wente,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

herzlichen Dank, Herr Westhagemann, für die ermutigenden Worte. Ihr Bild vom nächsten wirtschaftspolitischen Sturm, den wir gemeinsam meistern werden so er denn auftritt , beschwört ja alles herauf, was Hanseaten lieben: Brausende Wogen, den Mut zur Zukunft, und die Zuversicht, immer wieder in den sicheren Hamburger Hafen einzulaufen. 

 

Ich kann daran anknüpfen und Ihnen erfreut mitteilen, dass der Senat soeben erfolgreich von einem kabbeligen Törn zurückgekehrt ist. Oder ist  es übertrieben, harte Verhandlungen über die Energiezukunft der Stadt mit einer Fahrt durch schwierige Gewässer zu vergleichen?

Auf jeden Fall haben wir etwas Vorzeigbares mitgebracht und können es jetzt beim Landgang bereden.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

das Thema Energie treibt seit eh und je die großen Städte besonders um. Das betrifft die Industrie ganz besonders, aber es betrifft auch jeden einzelnen privaten Haushalt. Und dementsprechend die Energiepolitik. Wäre ja auch paradox, wenn ausgerechnet die nicht unter Spannung stünde.


Wir wollen von der Energiewende, die in Deutschland und in Hamburg ansteht, nicht nur reden, wir wollen sie aktiv gestalten. Wir wollen die Energieversorgung der Stadt zukunftsfähig,  klimafreundlich und am Gemeinwohl orientiert ausbauen und dabei ihre Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten. Vor allem wollen wir Investitionen auslösen.

 

Um so entspannter bin ich, nachdem wir heute die energiepolitischen Vereinbarungen mit Vattenfall und E.ON der Öffentlichkeit vorstellen konnten. Vorausgesetzt die Bürgerschaft stimmt zu und das Volk entscheidet nicht anders, werden wir einen großen Entwicklungsschritt machen.


Es wird ein Investitionsprogramm zur Energiewende geben, das in den nächsten sechs Jahren bis zu 1,6 Milliarden Euro umfasst. Hamburg setzt sich damit an die Spitze der Städte in Deutschland.


Die CO2-Emissionen, die auf Hamburg entfallen, werden perspektivisch deutlich reduziert und wir haben sowohl die Versorgungssicherheit als auch die Sicherheit der Arbeitsplätze auf ein hohes Niveau gehoben.


Das Heizkraftwerk Wedel wird nach langer verdienstvoller Laufzeit vom Netz gehen. Es wird durch ein neues Gas- und Dampf-Kombikraftwerk mit innovativer Integration von Energiespeichern für die Fernwärmeversorgung ersetzt. Ein weiterer Speicher entsteht in Tiefstack. E.ON wird eine Anlage zur Umwandlung von Windstrom in Wasserstoff Power to Gas und weitere Energiespeicher  errichten.

Es wird also das ist ein ganz entscheidender Punkt Investitionen in die Speicherung und Umwandlung Erneuerbarer Energien geben, und zwar derart, dass Hamburg zu einem Standort mit einem der größten innerstädtischen Speicherpotenziale Deutschlands wird. Und gleichzeitig wird die Fernwärme stark ausgebaut. Im Verein mit den Nahwärmenetzen wird sie das verbrauchsintensive Beheizen von Gebäuden wesentlich modernisieren und gerade hier die klimaschädlichen Emissionen senken.

Die Energieverteilnetze Strom, Fernwärme, Gas kommen künftig zu 25,1 Prozent wieder in den Besitz der Stadt Hamburg und werden für energiepolitische Zukunftsprojekte ertüchtigt. Beim Strom geht es auch um smart grids, intelligente Netze, die Erzeugung, Speicherung und Verbauch besser synchronisieren.


Die Elektro-Mobilität, also der schadstofffreie Straßenverkehr, für dessen Praxiserprobung Hamburg als Modellregion fungiert, wird weiter ausgebaut, neue technische Entwicklungen werden wir forcieren.

Das sind nur einige wesentliche Punkte aus der umfangreichen Vereinbarung und ich bin überzeugt: Damit haben wir einen ernsthaften Einstieg in die Energiewende zu fassen. Die Industrie wird davon profitieren und jeder einzelne Haushalt ebenso.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

dieser Abend ist kein Forum für einen Fachvortrag und ich will gar nicht zu tief in die Details gehen. Ein paar, wenn Sie so wollen, historische Anmerkungen sind vielleicht erlaubt.


Wir sind hier im Haus der Philips Medical Systems und vielleicht liegt es am Firmennamen Philips, dass mir das Stichwort Festbeleuchtung eingefallen ist und die Episode mit der Kaiserinsel. Die befand sich eine zeitlang inmitten der Binnenalster und, Zitat, erstrahlte feenhaft im Licht der neumodischen Electricität, als seine Majestät Wilhelm II. dort anlegte.


Das war 1895 und konnte stattfinden, weil der Kaiser den Wunsch geäußert hatte, seinen Kaffee mit dem Bürgermeister auf der Alsterinsel zu trinken. Da niemand wusste, was er meinte, denn es gab keine Alsterinsel, baute man halt eine künstliche, für 165.000 Reichsmark. Nachzulesen in Stadt am Strom 100 Jahre HEW.

Wahrscheinlich ist mir die Episode auch wegen der Haushaltsdebatte eingefallen, die wir vorige Woche in der Bürgerschaft geführt haben.

 
Das Kaiserreich ist Geschichte, die HEW sind wenn Sie so wollen nicht mehr nur Geschichte. Sie gehörten nicht mehr der Stadt, die nun aber immerhin zu einem Viertel Partner des Stromversorgers sein wird.


In den Haushaltsdebatten geht es in heutiger Zeit um die Schuldenbremse ab 2020, die einzuhalten wir verpflichtet sind. Den Weg dahin hat der neue Senat inzwischen ausgeleuchtet. Über Licht und Schatten können Sie am heutigen Abend mit den meisten Senatsmitgliedern sprechen.  


Die neumodische Electricität, die ist geblieben und hat dazu beigetragen, die Industriegesellschaft zu einer Energiegesellschaft zu machen. Mit allen großen Chancen, aber auch Risiken, vor die uns zum Beispiel jetzt die Energiewende nach dem Atom-Ausstiegsbeschluss stellt.

 

Sie kennen meine Meinung, dass die Energiewende gut für Hamburg ist, für die europäische Umwelthauptstadt 2011, aber  auch und erst recht für den Wirtschaftsstandort Hamburg. Gerade bei uns ist sie mit der Hoffnung auf einen erheblichen Innovationsschub verbunden, namentlich bei den erneuerbaren Energien.


Sowieso müssen wir im Umweltschutz noch mehr als bisher darauf setzen, technische Innovationen zu fördern und durchzusetzen. Ich bin, auch das betone ich gern, Anhänger und Bewunderer des ingenieurgetriebenen Umweltschutzes, der sich in Hamburg immer wieder bewährt und eine Menge Fortschritt gebracht hat.


Dabei übersehe ich keineswegs, dass dieser besondere Kontext Umstieg auf eine andere Energiebasis nicht nur Ingenieursverstand und nicht nur wirtschaftliches Denken braucht.


Seit vierzig Jahren ist Energiepolitik in Deutschland ein stark emotional besetztes Thema. Dafür gibt es gute Gründe. Von Brokdorf bis Gorleben, von Tschernobyl bis Fukushima, jedes dieser Stichworte lässt in uns ganze Filme ablaufen, und alle Beteiligten haben es verdient, dass sie gehört und ihre Argumente ernst genommen werden.

 

Nicht weil alle gleichermaßen Recht hätten, aber weil es eine Tatsache ist, dass sich die nassforsche, alle Bedenken beiseite wischende Fortschrittsgläubigkeit früherer Zeiten beim Thema Energie nicht unbedingt bewährt hat.   

 

Wir wollen es jetzt anders machen, wir begrüßen den Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung und karten nicht nach, was die zweimalige Wende vor, zurück, dann wieder vor der vergangenen Jahre betrifft.


Die jetzige Wende Segler und Surfer reden vom Powerhalsen, das bedeutet: ein mehr oder weniger elegantes Manöver, mit dem man die Fahrtrichtung umkehrt, ohne die Geschwindigkeit zu reduzieren diese Wende darf in keine Flaute irgendeiner Art führen. Deshalb unser Beharren darauf, dass sie Investitionen auslösen muss.


Die technischen Potenziale der regenerativen Energien in Deutschland in Europa werden hoch veranschlagt. Für eine Industriestadt gelten besondere Parameter.

 

Auf der einen Seite ist preisgünstiger Industriestrom für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Hamburg essentiell wichtig. Auf der anderen Seite sind die regenerativen Energien selbst ein zunehmend wichtiger Wachstumsmotor.

 

Aber auch das im Bau befindliche moderne Kohlekraftwerk Moorburg gehört zum Konzept. Gut, dass es 90 Prozent des Strombedarfs liefern kann! Es wird somit eine nach dem Atomausstieg umso wichtigere Rolle in der Stromversorgung Hamburgs, namentlich der Industrie spielen.


Wir haben eine Reihe energie-vebrauchsintensiver Unternehmen, die für die Stadt, für die Wertschöpfung und Beschäftigung hohe Bedeutung haben. Ich habe im Bundesrat bei der Debatte zu den Energiegesetzen mit Erfolg darauf gedrungen, dass eine Benachteiligung von energieintensiven Unternehmen verhindert werden muss. Dass nicht Wettbewerbsverzerrungen zu Standortverlagerungen führen dürfen. Die Länder haben damit ein wichtiges energiepolitisches Signal für den Industriestandort Deutschland, und Hamburg, gegeben.


Unsere Energiepolitik wird unbeirrt und offensiv Umwelt- und Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit miteinander verbinden. Wobei auch die Unternehmen in der Pflicht sind, sich weiterhin um noch mehr Energieeffizienz und -einsparung zu bemühen. Das liegt schon im wohlverstandenen Eigeninteresse, weil es Kosten reduziert und Akzeptanz erhöht.

 

Aber kein Zweifel: Wir müssen von unseren hohen Verbräuchen herunter, wir als Industrieländer und auch wir als Industriestadt. Dazu bedarf es technologischer Sprünge in Richtung Effizienz sowie Nutzung von Einsparpotenzialen.

 

Das größte Potenzial für CO2-Einsparungen liegt in der Modernisierung des Gebäudebestandes. Für die Hamburger Klimaschutzstrategie haben die Gebäude eine zentrale Bedeutung.

Was das Andererseits betrifft, sagte ich schon: Wir setzen auf erheblichen Innovationsschub, namentlich bei den erneuerbaren Energien. Und es ist ja nicht bei der Hoffnung geblieben.


Hamburg kann sich die Hauptstadt der Windenergie in Deutschland nennen, vor allem seit die Siemens AG entschieden hat, ihr neues Headquarter Windenergie hier bei uns einzurichten. Mit dieser Entscheidung wird die Chance, gemeinsam mit den norddeutschen Ländern zu einem der führenden Standorte dieser Branche weltweit zu werden, noch größer. Weitere Unternehmen mit klangvollem Namen haben sich in Hamburg niedergelassen: Broadwind Energy, Areva Wind, Gamesa und Nordex um nur einige zu nennen.


Dazu passt, dass Hamburg wie gesagt auf  Grund der heutigen Vereinbarungen die Europäische Großstadt mit dem höchsten Speicherpotenzial wird.


Und nicht anders verhält es sich mit den anderen Sparten des Clusters Erneuerbare Energien. Hamburgs Clusterpolitik ist ein erfolgreiches wirtschaftspolitisches Instrument zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Metropole wie Hamburg. Sie sichert und schafft  nachhaltig  Arbeitsplätze sowie entsprechende Wertschöpfung.

 

Herausragende Beispiele sind in Hamburg die Cluster Logistik, Luftfahrt, Life Sciences, Maritime Wirtschaft, Medien-,IT- und Kreativwirtschaft, Gesundheitswirtschaft. Und, in vorderster Reihe, Erneuerbare Energien. Jetzt habe ich alle genannt. Es sind auch alles herausragende Beispiele.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

mit dem sicheren Hamburger Hafen bin ich angefangen und ich will auch an dieser Stelle sagen: Dass sich der Hafen mit mehr Industrieansiedlung weiter entwickeln will, kann ich nur begrüßen.


Die Wachstumspotenziale des Hafens müssen wir nutzen. Das bringt Wirtschaft und Beschäftigung, Stadt und Region voran und der Hamburger Senat steht dafür ein. Er wird unter Beteiligung der Hafenwirtschaft die Rahmenbedingungen schaffen.


Ein marktgerechtes Angebot an hafenspezifischen Dienstleistungen ist eine Voraussetzung dafür, dass es weiter voran geht. Ein gut ausgebautes Verkehrsnetz zu Land, zu Wasser und in der Luft ist die andere. Wir stehen für die erneut notwendige Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe, für die Elbvertiefung also. Wir stehen genauso für den Bau der Hafenquerspange und der so genannten Y-Trasse der Bahn im Süden der Stadt, und überhaupt für die Ertüchtigung des Eisenbahnknotens Hamburg. Denn wir müssen alles in allem die logistische Leistungsfähigkeit im Hafen und im Hinterland entscheidend steigern.

 


Meine Damen und Herren,

 

Sie werden es mir nachsehen, wenn ich den Schwerpunkt meiner Ausführungen heute auf das besondere Thema Energie gesetzt habe. Zu  meinem Vergnügen hatte ich in den vergangenen Monaten mehrfach die Gelegenheit, als Gast des Industrieverbandes die Grundzüge der Industrie-politik des Senats zu erläutern. Bis repetita non placent, sagt Horaz: Wiederholungen nerven ab dem zweiten Mal.


Dass sich die Hafen- und Handelsstadt Hamburg glücklich schätzen kann, sich auf seine Industrie als einen Stabilitätsanker realer Wertschöpfung verlassen zu können, das wiederhole ich gern auch heute.


Hamburg hat einen guten Branchenmix und es ist die mit Recht so genannte Realwirtschaft, mit der die Stadt und die Metropolregion vergleichsweise unbeschadet durch die vorige Krise gekommen sind. Oder, Herr Westhagemann, durch den vorigen Sturm.

Die Industrie ist für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt von grundsätzlicher Bedeutung und der Senat hat ein ureigenes Interesse daran, am Masterplan Industrie intensiv weiter zu arbeiten. Und mit besonderen Nachdruck die Schul- und Berufsausbildung aller jungen Hamburgerinnen und Hamburger zu fördern, damit die Lehrstellen und die Stellen für Fachkräfte besetzt werden können und niemand draußen bleiben muss, obwohl er oder sie drinnen gebraucht würde.

 

Lassen Sie mich zum Schluss trotzdem noch einmal auf das Energiethema kommen. Unsere jetzt geschlossenen Vereinbarungen bedeuten ein Moratorium, was solche Vorhaben wie die bisher geplante Fernwärmetrasse von Moorburg zum Haferweg betrifft. Sie können den Stempel des Endgültigen bisher nicht haben, denn wie Sie wissen, könnte es zu einem Volksentscheid kommen, der das jetzt geknüpfte Netz wieder auflöst. Dessen Ergebnis ist nicht präjudiziert.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

der Senat nimmt das Thema Bürgerbeteiligung ernst. Das gilt für alle Themen, es gilt auch dort, wo man selber eine sehr eindeutig andere Position hat als die Initiatoren der in diesem Fall Volksinitiative Unser Hamburg - unser Netz. Ich bin optimistisch, dass die guten Argumente auf unsere Seite sind und die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger das auch so sieht.

 

Ich habe vorhin nicht absichtslos die Episode aus der wilhelminischen Zeit zitiert. Es gab auch damals schon weitsichtige Menschen wie den Reichspostminister Heinrich von Stephan, der bereits im 19. Jahrhundert davor warnte, sich nur auf die Kohle als Energiequelle zu verlassen. Man müsse Wege finden, irgendwann die Kraft der Sonne direkt also nicht über den Umweg der fossilen Speicherung zu nutzen.

 

Wir sind heute technisch und ökonomisch in der Lage, zu einem immer größeren Teil die Kraft der Sonne in all ihren Formen Wind, Wasserkraft, Solarstrom und so weiter zu nutzen. Ich hoffe, dass wir heute in Hamburg auch politisch einen Schritt weiter gekommen sind.

 

Vielen Dank.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.