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24.11.2011

Rede beim 50. Nachbarschaftstreffen Billbrook Kreis

Rede beim 50. Nachbarschaftstreffen Billbrook Kreis

 

Sehr geehrter Herr Horchler,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

vielen Dank für Ihre Einladung und herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Jubiläum, dem 50. Nachbarschaftstreffen des Billbrook Kreises!

 

Vor gut drei Jahren hatte ich schon einmal Gelegenheit, bei einem Ihrer Nachbarschaftstreffen einen Vortrag zu halten. Damals war ich als Bundesarbeitsminister bei Ihnen. Wir standen zu Beginn einer großen Wirtschafts- und Finanzkrise und haben nach Instrumenten gesucht, die sie eindämmen und ihre Folgen mildern sollten. Was uns damals mit dem Kurzarbeitergeld und den Konjunkturpaketen gelungen ist, hat gezeigt, dass kluge Politik wirkt.

 

Das gilt natürlich auch und erst recht für die Arbeit des Hamburger Senats. Europa steckt mittlerweile in der nächsten Krise und auch das muss uns beschäftigen. Hier in Hamburg aber haben wir es nach wie vor mit einer wachsenden und prosperierenden Stadt zu tun. Diese im Kern schöne Entwicklung stellt uns immer wieder vor Herausforderungen. Auf die dürfen wir nicht mit Kleinmut und Verzagtheit reagieren, sondern mit Mut und Zuversicht.

 

Ich war in der vergangenen Woche in China unterwegs: Was Sie da an  aufstrebender Kraft in den großen Städten erleben, das ist mit europäischen Maßstäben nicht messbar. Aber Sie können es fühlen, wenn Sie dort sind.

 

Ich will nicht dieser Maßlosigkeit das Wort reden, aber ich will uns ermuntern, das Leben in einer großen Stadt als das zu begreifen, was es ist: herausfordernd, bunt und meistens schön.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

um die Chancen des Wachstums zu nutzen, müssen wir politisch die entsprechenden Grundlagen legen. Der Senat ist seit über einem halben Jahr dabei, die wachsende Stadt nicht nur zu beschreiben, sondern sie auch konkret lebbar zu machen.

 

Von vielen unserer Ideen und Vorhaben können Sie hier in Billbrook ganz unmittelbar profitieren. Zum Beispiel von unseren wirtschaftspolitischen Vorhaben vom  Masterplan Industrie etwa, vom Masterplan Handwerk und von der dritten Mittelstandsallianz. Mit ihnen sorgen wir für verlässliche Rahmenbedingungen.

 

Ganz entscheidend ist dabei, dass wir in der Großstadt Raum schaffen: Raum für Betriebe durch zusätzliche Gewerbeflächen und Raum zum Wohnen. Wachstum braucht Platz.

Was es bedeutet, diese Aufgaben konkret anzugehen, das lässt sich am Beispiel Billbrook sozusagen pars pro toto erklären.

 

Zu Recht werben Sie für Billbrook als das größte zusammenhängende Gewerbegebiet der Stadt, neben dem Hafen versteht sich. Mit seinen 600 Hektar ist das Viertel gemeinsam mit Allermöhe-Moorfleet und Rothenburgsort ein logistischer Knotenpunkt in Norddeutschland, mit besten Anbindungen an die Autobahnen A1 und A25 sowie an den Umschlagbahnhof Billwerder.

 

Das ist eine wichtige Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung hier vor Ort: Logistik-Unternehmen schätzen die exzellente Lage.  Auch andere Firmen wie Beiersdorf, Still oder Darboven haben hier ihre Produktionsstätten. Das Gewerbegebiet ist attraktiv für weitere Firmen, die sich in Hamburg niederlassen wollen, um hier zu investieren. Denn hier finden sie ihre Zwischenhändler, hier finden sie ihre Zulieferer.

 

Mittlerweile ist Billbrook ziemlich dicht mit Lager- und Produktionshallen bebaut.  Freie Grundstücke sind im Moment wenige auf dem Markt. Infolge der hohen Nachfrage sind in Billbrook auch nur noch wenige Gewerbegrundstücke der Freien und Hansestadt Hamburg zu haben. Diese werden im Rahmen der Wirtschaftsförderung an förderwürdige Unternehmen vergeben.

 

Der Bedarf an Gewerbefläche und der Bedarf an Wohnfläche stehen übrigens nur scheinbar miteinander im Widerspruch. In Wirklichkeit bedingen sie sich gegenseitig. Wir dürfen nicht eines auf Kosten des anderen lösen, sondern müssen beides angehen: Eine Firma, die expandieren will, die investieren will, braucht zusätzliche Fachkräfte. Es sind die attraktiven Unternehmen Hamburgs, die die Leute anlocken. Sie sind es, die hoch qualifizierte Fachkräfte an die Elbe holen. Sie bieten ihnen Zukunftschancen.

 

Bereits im nächsten Sommer werden wir in Hamburg vermutlich wieder mehr als 1,8 Millionen Einwohner haben.

 

Das ist eine tolle Nachricht, eine die zeigt, wie attraktiv Hamburg nach wie vor ist.

Aber es reicht nicht, sich nur zur wachsenden Stadt zu bekennen. Man muss dieses Wachstum eben auch gestalten wollen, mit allen Interessenkonflikten, die sich dabei ergeben. Das tun wir, indem wir eine Vision dafür entwickeln, wie knapp zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger in Hamburg künftig zusammen wohnen und wirtschaften können.

Gemeinsam können Politik und Wirtschaft dafür sorgen, dass Neu-Hamburgerinnen und Neu-Hamburger gut in die Stadt integriert werden.

 

Wer hierher kommt, sucht nicht nur eine Arbeit, sondern auch eine bezahlbare Wohnung, attraktive Einkaufsmöglichkeiten und gute Kitas und Schulen. Das alles muss es in Hamburg geben.

 

Hamburg selbst kann nicht wachsen, außer vielleicht an der Insel Neuwerk oder am Mühlenberger Loch. Hamburgs Grenzen stehen fest. Aber wir haben auf dem Stadtgebiet durchaus noch Flächen, die wir besser nutzen können. Und wir müssen zumindest an manchen Stellen auch darüber nachdenken, wie die Stadt behutsam höher und dichter werden kann. Das gilt für den Bau von Wohnhäusern ebenso wie für den Bau von Bürogebäuden.

 

Hamburg wird niemals so aussehen wie Shanghai. Das soll es auch nicht. Aber dort werden 6000 Wohnungen in einem Tempo gebaut, in dem wir noch nicht einmal die Antragsformulare ausgedruckt hätten. Aber wenn man das sieht, dann sollten wir uns das Ziel 6.000 neue Wohnungen beherzt vornehmen..

 

Um das zu schaffen, haben wir vor gut vier Monaten mit den Bezirken den Vertrag für Hamburg Wohnungsneubau geschlossen. Und den setzen die Bezirke mit viel Engagement und Phantasie um. Davon konnte ich mich erst am Montag bei der Eimsbütteler Wohnungsbaukonferenz überzeugen.

 

Auch die anderen Bezirke haben die Herausforderungen, die sich für sie aus unserer Wohnungsbau-Offensive ergeben, angenommen und melden beeindruckende Zahlen. Insgesamt haben sie in diesem Jahr schon jetzt Genehmigungen für den Bau von mehr als 5.500 neuen Wohnungen erteilt. 6.000 pro Jahr haben wir uns vorgenommen. Daran halten wir fest. Das werden wir schaffen.

 

Sicher entsteht durch die Wohnungsbau-Offensive mehr Konkurrenz um die begrenzten Flächen in der Stadt. Das war uns von Anfang an bewusst. Das betrifft vor allem weiter im Zentrum gelegene Viertel.

 

Im Vertrag für Hamburg haben wir festgelegt, dass gerade in der Innenstadt geprüft werden soll, ob sich brachliegende oder wenig genutzte Industrie- und Gewerbeflächen umwandeln lassen in Wohnflächen. Zum Teil sind diese Umwandlungen schon in vollem Gange. Etwa weil sich die Gewerbeflächen mittlerweile viel besser für Wohnungsbau vermarkten lassen.

 

Ich versichere Ihnen: Hier prüft die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation jeden Einzelfall. Dabei wird auch stets die Einschätzung der Handwerkskammer eingeholt. Und es wird berücksichtigt, ob die Umwandlung nicht womöglich benachbarte Gewerbebetriebe beeinträchtigt.

 

Nicht selten sind es aber die Unternehmen selbst, die an die Stadt herantreten mit dem Wunsch nach einer Umwandlung ihres bisherigen Firmenstandortes. Die Gründe sind vielfältig: Manche wollen ihren Standort verlagern. Manche wollen ein Alt-Grundstück umwandeln, um den Fortbestand des eigenen Betriebs zu sichern. Manche versprechen sich schlicht höhere Gewinne.

 

Für mich steht ganz klar fest: Die Stadt wird die Umwandlung von Industrie- und Gewerbeflächen für Wohnungsbau aus spekulativen Absichten der Eigentümer nicht genehmigen.

 

Der Senat bekennt sich zu seiner Aufgabe, mit dafür zu sorgen, dass Hamburger Unternehmen genügend Fläche zum Wirtschaften haben. Hamburg braucht auch in Zukunft einen Vorrat an gut erschlossenen Gewerbe- und Industrieflächen.

 

Dafür arbeiten wir ganz konkret:

Erstens: Wir weisen neue Gewerbeflächen aus.

Zweitens: Wir schauen nach Nutzungsmöglichkeiten für brachliegende Flächen oder versuchen alte Flächen zu recyceln.

Und drittens: Wir intensivieren die Nutzung bereits bestehender Gewerbegebiete.

 

Dieses strategische Flächenmanagement soll den gesellschaftlichen Ansprüchen zu verstärktem Wohnungsbau einerseits und der Wirtschaftsförderung andererseits gerecht werden. Es  soll den Bedarf an Wohnfläche mit dem Bedarf an Gewerbefläche vereinbaren.

 

Das bedeutet aber auch, dass wir möglicherweise nicht mehr überall fein säuberlich trennen können zwischen Wirtschaften und Wohnen. Die Umwandlung von bisherigen Gewerbeflächen in Wohnflächen führt zwangsläufig zu einem Nebeneinander beider Flächenarten. Auch das gehört für mich zum Aspekt der Nachverdichtung. Hier achtet die Stadt darauf, dass Konflikte zwischen den unterschiedlichen Nutzern und Nutzungsarten von vornherein, schon während der Bebauungsplanung, vermieden werden.

 

Die größte Verantwortung für dieses strategische Flächenmanagement liegt bei den Bezirken. Sie sind gerade dabei, gemeinsam mit den Fachbehörden entsprechende Wohnungsbauprogramme zu entwickeln.  Und diese Programme werden den Bedarf nach mehr Wohnraum und den nach mehr Wirtschaftsraum berücksichtigen und aufeinander abstimmen. Ich bin zuversichtlich, dass bis Mitte kommenden Jahres alle Bezirke mit den Behörden entsprechende Gewerbeflächen-Konzeptionen abgestimmt haben.

 

Hier in Billbrook sind Sie schon weiter: Hier geht gerade das Pilotprojekt Bestandsentwicklung Billbrook zu Ende, ein gemeinsames Projekt des Bezirks Mitte mit der Wirtschaftsbehörde, der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, der Hamburger Wirtschaftsförderung, der Handelskammer und der Finanzbehörde.

 

Die endgültigen Ergebnisse werden Anfang 2012 vorliegen, aber nach allem, was man sehen kann, ist es in Billbrook in der Tat besonders schwer, neue Gewerbeflächen zu ermitteln und zu erschließen. Der Standort Billbrook ist und bleibt attraktiv, insbesondere für Logistik-Unternehmen, aber zunehmend auch für Firmen aus Lebensmittelbranche.

 

Immerhin wurden in Billbrook etwa 30 Hektar ausgemacht, die dem Markt zur Verfügung gestellt werden könnten.

 

Diese 30 Hektar sind zusammengekommen, indem  wir intensiv undsystematisch nach Möglichkeiten zur Nachverdichtung gesucht haben. In Gewerbegebieten wird oftmals mit Fläche zu großzügig umgegangen. Der Flächenverbrauch ist zu hoch. Schnell, zu schnell baut man auf der Grünen Wiese”.

 

Das Pilotprojekt zeigt, dass sich da nachträglich noch viel machen lässt. Die so genannte Innenentwicklung” von bestehenden Gewerbegebieten ist da ein wichtiger Schlüssel, um Flächenlücken sinnvoll zu nutzen. Das lässt sich auch auf andere Gewerbegebiete in Hamburg übertragen.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

natürlich gibt es überall Entwicklungshemmnisse. Hamburg ist ja kein unbeschriebenes Blatt. Hamburg ist eine Stadt mit Vorgeschichte. Aber wenn die Bezirke, die Behörden und die Unternehmen wie hier in Billbrook zusammenarbeiten und wirklich versuchen, die derzeitige Aufbruchsstimmung zu nutzen, um etwas Neues zu schaffen, dann gelingt das auch.
 

Ein kluges Flächenmanagement ist der Schlüssel dafür, den Bedarf an Gewerbeflächen und den Bedarf an Wohnflächen insbesondere in der Innenstadt miteinander in Einklang zu bringen. Das kann zum Beispiel mit Gewerbehöfen gelingen.

 

Der Senat hat sich im Masterplan Handwerk dazu verpflichtet, bis September 2012 ein Handlungskonzept für Gewerbehöfe zu erarbeiten. Für Handwerker und auch für andere Unternehmen ist die Nähe zu Kunden und damit ein innerstädtischer Firmenstandort von entscheidender Bedeutung.

 

Häufig sind diese Betriebe aber aufgrund der Flächenknappheit nicht mehr in der Lage, innerstädtische Grundstücke anzumieten oder gar zu erwerben. In Gewerbehöfen lassen sich Unternehmen gemeinsam unterbringen und Gewerbeflächen intensiver nutzen. Sie sind damit ein Instrument, um innerstädtische Standorte für Handwerk oder Gewerbetreibende zu nutzen.

 

Es ist Zeit wegzukommen von der strikten Trennung zwischen Wohn- und Gewerbequartieren. Hamburg sollte so wachsen, dass die Wege für die Bürgerinnen und Bürger kurz bleiben. Die Hafencity ist dafür ein gutes Beispiel. Großstädter schätzen kurze Wege zwischen Arbeit und Wohnung. Das spart Zeit, Geld und ist umweltfreundlich.

Die Dichte des Zusammenlebens in der Stadt ist schließlich nicht bloß Konsequenz des Mangels an Fläche, sondern zugleich auch die Grundlage dafür, dass Städte zu Metropolen des Fortschritts werden.

 

Hier trifft man sich abends in der Kneipe und heckt eine neue Idee aus, die man mit den Nachbarn oder den Geschäftspartnern verwirklichen kann. Nirgends sonst auf der Welt sind so viele Talente auf engstem Raum versammelt wie in den Städten. Hier entstehen nicht bloß Probleme, sondern in erster Linie Lösungen.

 

Deswegen sind Städte auch die Motoren des gesellschaftlichen Wandels. Sie sind geprägt vom Streben nach einem besseren Morgen. Der Harvard-Ökonom Edward Glaeser hat in seinem Buch The Triumph of the City eindrucksvoll begründet, wie bedeutsam das richtige Bauen in der Stadt für diese Kraft ist:

 

Städte können nicht mit neuen Gebäuden den Wandel forcieren, aber wenn es Wandel gibt, kann die richtige Art zu bauen diesem Prozess helfen.

 

Auch Hamburg und die Zahl seiner Einwohner können so wachsen, dass Wohlstand, Lebensqualität, Wirtschaftskraft, Kultur und Wissenschaft davon profitieren. Dass aus Mut und Intelligenz neue Unternehmen und Jobs entstehen.

 

Die Größe und das fortgesetzte Wachstum Hamburgs sind keine Geschenke. Sie bedeuten viel Arbeit. Sie verlangen von uns, dass wir nicht abwarten, sondern in die Zukunft schauen und vorsorgen. Damit einem die Entwicklung nicht über den Kopf wächst und sich irgendwann wieder in Schrumpfung verkehrt.

 

Wachstum ist eben nicht nur ein Wirtschaftsbegriff. Und es ist nicht nur ein demografischer Begriff. Es geht nicht nur um mehr Unternehmen und um mehr Einwohner, die man lediglich amtlich registriert.

 

Es geht auch und gerade um die Qualität. Im deutschen Wort Größe steckt das schon drin. In der englischen Greatness erst recht. Wir wollen schließlich, dass Hamburg nicht bloß eine große, sondern auch eine großartige Stadt bleibt. Dazu haben wir alle Voraussetzungen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir unsere schöne Stadt noch größer und noch großartiger machen.

 

Schönen Dank!

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.