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Symbolfoto: Olaf Scholz
Photothek
16.10.2024 | Essen

Rede beim Festakt zum 150-jährigen Jubiläum der Brenntag SE

Sehr geehrter Herr Dr. Kohlpaintner,
sehr geehrte Frau Dr. Neumann,
sehr geehrter Herr Ridinger,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Brenntag,
meine Damen und Herren,

was war zuerst da: Henne oder Ei? Diese Frage hat schon Philosophen der Antike beschäftigt. Mit Blick auf Brenntag aber ist die Antwort klar: Am Anfang war das Ei. Das würde man nicht vermuten beim Weltmarktführer in der Distribution von Chemikalien, bei einem Dax-Konzern. Aber die Geschichte von Brenntag beginnt tatsächlich mit der Gründung eines Eiergroßhandels in Berlin. Fünf Kilometer vom heutigen Kanzleramt entfernt war das.

1874 hätte sich Philipp Mühsam wahrscheinlich nicht träumen lassen, dass sein Unternehmen einmal zu den erfolgreichsten in Deutschland zählen würde – präsent mit Standorten auf der ganzen Welt – oder dass wir heute den 150. Geburtstag mit so vielen Gästen und dem weltberühmten Gewandhausorchester feiern. Dass es so kam, hat drei Gründe: Mut, die Fähigkeit, sich anzupassen an neue Bedingungen, ein Gespür für die Wünsche der Kunden. Philipp Mühsam hatte diesen Mut, diese Anpassungsfähigkeit und dieses Gespür. Alle drei Eigenschaften zeichnen Ihr Unternehmen bis heute aus.

Fangen wir mit Mut an. Philipp Mühsam hat das Unternehmen nicht nur gegründet, sondern auch noch einmal ganz von vorne angefangen. Er hat sich vom Brot- und Buttergeschäft, dem Eiergroßhandel, getrennt und schon früh auf den Handel mit Chemikalien gesetzt. Unter den Nationalsozialisten sah sich die jüdische Familie später gezwungen, das Unternehmen weit unter Wert zu verkaufen und auszuwandern. Auch dieses dunkle Kapitel gehört zur Geschichte dieses Unternehmens und unseres Landes. Nach dem Krieg folgte der nächste Neuanfang im zerstörten Deutschland: der Umzug ins Ruhrgebiet, der Aufschwung während der Wirtschaftswunderjahre mit Tankstellen und Schifffahrt und immer wieder die ganz grundlegende Umgestaltung des Unternehmens.

Diese Bereitschaft zur Veränderung und die Fähigkeit, sich an neue Bedingungen anzupassen, ziehen sich bis heute durch. Sie haben Brenntag schließlich im Jahr 2000 zum Weltmarktführer in der Distribution von Chemikalien gemacht – eine bemerkenswerte Leistung. Alle Hochachtung davor! Brenntag hat das geschafft, weil die Verantwortlichen die richtigen Entscheidungen getroffen haben und weil sie verstanden haben, dass ohne ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nichts funktionieren würde. Das beginnt mit der Ausbildung. Brenntag ist mehrfach ausgezeichnet als hervorragendes Ausbildungsunternehmen. Ich finde das wichtig, weil es zeigt, woher unsere Stärke als Industrienation kommt: von den gut ausgebildeten und hart arbeitenden Frauen und Männern in unserem Land, die sich weiterbilden, die familienfreundliche Arbeitsplätze und gute Betreuung finden, die freiwillig weiterarbeiten, auch wenn sie das Rentenalter schon erreicht haben.

Fachkräfte sind die Grundlage für alles, was wir in diesem Land erfinden, bauen, verbessern, exportieren. Deshalb setze ich mich mit der Bundesregierung so für unsere Fachkräfte ein. Viele von ihnen sind auch aus anderen Ländern zu uns gekommen, um hier mit anzupacken – auch hier bei Brenntag. Wir alle müssen dafür sorgen, dass das weiter möglich bleibt. Die Politik hat das getan mit Gesetzen wie dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, aber auch Unternehmen und jede und jeder Einzelne von uns. Weltoffenheit ist für uns als Exportland enorm wichtig – nicht nur mit dem Blick auf die Fachkräfte, sondern auch mit Blick auf neue Märkte. Deshalb halte ich auch nichts vom „decoupling“, also davon, sich von ganzen Ländern und Regionen abzukoppeln. Unsere Ambition sollte auch nicht sein, die besten Zölle zu haben, sondern die besten Produkte zu verkaufen, die ganze Welt zu überzeugen mit Qualität und Leistung „Made in Germany“. Das ist unser Erfolgsmodell als Volkswirtschaft. Mehr Handel mit mehr Partnern aus mehr Ländern, so sieht in einer unsicheren Welt vernünftiges Risikomanagement aus.

Ich habe zu Beginn von drei Gründen gesprochen, die Brenntag seit 150 Jahren erfolgreich machen: Mut, die Fähigkeit, sich anzupassen an neue Bedingungen, und – der dritte Grund aus meiner Sicht – ein Gespür für die Wünsche der Kunden. Effizienz, Ressourcen schonen, Klimaneutralität, das sind Wünsche, die bei vielen Ihrer Kunden eine immer größere Rolle spielen. Deshalb ist es gut, wenn Brenntag auch hier Vorreiter ist. Das hat Erfolg bei den Kunden. Damit sichern Sie Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Erfolg. Diese Innovationskraft der Chemiebranche – sei es im chemischen Recycling oder bei der industriellen Nutzung von CO2 – treibt den Fortschritt insgesamt voran.

Das macht auch die Chemieindustrie in Deutschland stärker. Ich sage das in einer Zeit, in der es die heimische Industrie nicht leicht hat. Die Energiepreise, die durch den russischen Angriffskrieg stark gestiegen waren, haben in der Chemieindustrie besonders zu Buche geschlagen. Mit Erfolg haben wir uns gegen die hohen Energiepreise, die gestiegene Inflation, die Unsicherheit der Unternehmen gestemmt. Inzwischen sind die Preise wieder gesunken. Aber zugleich gibt es viel Unsicherheit, gerade auch in Ihrer Branche, wie sich die Preise künftig entwickeln werden und was das für die Produktion in Deutschland heißen könnte.

Für mich ist ganz klar: Deutschland braucht eine starke Industrie. Genau darum geht es auch bei meiner industriepolitischen Agenda, die ich heute im Bundestag vorgestellt habe. Ich will, dass Deutschland erfolgreiches Industrieland bleibt – mit seinen Weltmarkführern und guten Industriearbeitsplätzen und erfolgreichen Händlern; denn die gehören dazu. Wir entlasten Unternehmen steuerlich, die in Forschung und Entwicklung investieren. Wir bauen weiter unnötige Bürokratie ab. Auch die Europäische Union (EU) muss das übrigens tun. Wie gut, dass ich gerade nach Brüssel fahre! Wir haben uns verpflichtet, bei EU-Regeln nicht immer noch draufzusatteln, sondern sie eins zu eins umzusetzen. Wir sichern unserer Industrie die Fachkräfte, die wir brauchen, um auch in Zukunft zu wachsen.

Und nicht zuletzt sorgen wir dauerhaft dafür, dass es niedrige, verlässliche Energiepreise gibt. Die Stromsteuer für produzierendes Gewerbe und Landwirtschaft haben wir auf das europäische Mindestmaß gesenkt und die EEG-Umlage praktisch abgeschafft. Die Strompreiskompensation haben wir verlängert und ausgeweitet. Ich will, dass diese Kompensation mehr Unternehmen begünstigt. Wie der Super-Cap ist das eine Regelung, die dazu beiträgt, dass es wirklich alle schaffen können. Energieintensive Unternehmen entlasten wir auch beim Netzentgelt. Und auch das soll eine Entlastung bleiben, die auch auf weitere Unternehmen ausgedehnt wird. Das würde jedenfalls sehr, sehr helfen.

Bei alldem habe ich aber die besonderen Herausforderungen der Chemie fest im Blick. Deshalb habe ich mich beim Chemiegipfel mit der Branche zusammengesetzt und ein Paket mitgebracht, das die Branche stärker macht. Mit unserer Chemiestrategie bekennen wir uns dazu. Wir sind uns zum Beispiel einig, wie wichtig eine differenzierte Betrachtung und pragmatische Lösungen für Ewigkeitschemikalien wie PFAS sind. Und das gilt auch für das europäische Projekt – nennen wir es mal so – „REACH“. Natürlich müssen wir strenge Rücksicht auf die Risiken nehmen. Aber die Regulierung sollte deutlich weniger restriktiv sein als der Vorschlag der EU-Kommission.

All diese Maßnahmen werden helfen, dass Deutschland ein starker Chemiestandort bleibt. Was wir dazu sonst noch brauchen, bringen Sie bei Brenntag mit: Mut, die Fähigkeit, sich anzupassen an neue Bedingungen, ein Gespür für die Wünsche der Kunden und – das kann man auch heute Abend hier erleben – tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Das heute hier ist Ihr Festtag. Sie haben dieses Unternehmen mit Ihrer Arbeit groß gemacht. Und deshalb sage ich Ihnen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Brenntag hier im Saal und auf der ganzen Welt heute: Vielen herzlichen Dank! Und wenn wir schon dabei sind – hier oben halten heute ja einige Leute wie ich Reden, ein weltberühmtes Orchester spielt Musik –: Aber ohne die Technikerinnen und Techniker, die Sicherheitsleute, die Kellnerinnen und Kellner, die Organisatorinnen und Organisatoren, bei denen im Hintergrund die Fäden zusammenlaufen, wäre das alles nicht möglich. Und deshalb möchte ich an diesem schönen Tag auch Ihnen schönen Dank sagen – ganz persönlich von mir, aber auch von allen im Publikum, die gleich klatschen: Dieser Applaus ist für Sie alle!

Alles Gute, schönen Dank und Glück auf, Brenntag!