arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

23.08.2011

Rede beim Iftaressen der DITIB

Sehr geehrter Herr Dr. Altug,
sehr geehrter Herr Generalkonsul Öztürk,
sehr geehrte Frau Schwarz,
sehr geehrte Vertreter der Kirchen und des  Konsularischen Korps,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
meine Damen und Herren,


als Bürgermeister der Stadt Hamburg möchte ich zu allererst meinen Dank dafür sagen, dass Sie mich zu Ihrem Iftar-Empfang heute eingeladen haben. Gern nehme ich die Möglichkeit wahr, auf diese Weise an einem Teil des Ramadan teilzuhaben, der zurzeit das Leben der gläubigen Muslime unserer Stadt prägt.

 

Ich weiß, dass es beim Iftar nicht um das eigentliche Fastenbrechen als Abschluss des Ramadans geht, sondern um das tägliche Fastenende am Abend. Ich weiß auch, dass es durchaus unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wann genau das tägliche Fasten endet. Eine, wie ich meine, recht sympathische Überlieferung drückt sich in dem Satz aus, der dem Propheten zugeschrieben wird: Gott hat gesagt: Am liebsten unter meinen Dienern ist mir, wer am schnellsten das Fasten bricht.


Die Tradition des Fastens, oder im weiteren Sinn der Enthaltsamkeit verbindet fast alle Religionen und Kulturen. Und es gibt weitere gemeinsame Traditionen und Wertvorstellungen. Auf diese hinzuweisen, sie hervorzuheben, finde ich wichtig. Denn der Weg zum gegenseitigen Respekt und Verständnis führt darüber, dass man sich über  Gemeinsamkeiten verständigt.

 

Gläubige Menschen, gleich welcher Religion, sind ihren Mitmenschen zugewandt. Eine Moschee, eine Kirche, eine Synagoge lädt ihre Gäste ein, innezuhalten, Stille auf sich wirken zu lassen, mit sich selbst und sei es für den Augenblick ins Reine zu kommen. Sie gibt dem Gläubigen die Möglichkeit, mit Gott zu sprechen.

Und sie lädt, wenn wir es richtig verstehen, Menschen zu einem freundlichen, zu einem brüderlichen und geschwisterlichen Umgang miteinander ein.

Die Diskussion über den Islam in unserer Gesellschaft und über das Verhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen wird in der Öffentlichkeit immer noch sehr schnell, und wie ich finde: zu schnell, von Grundsatzfragen beherrscht. Das sind dann Fragen wie die, ob der Islam zu Deutschland gehöre. Ob und inwieweit Integration gelungen sei oder gelingen könne. Das Richtige hat Bundespräsident Christian Wulff gesagt: Der Islam gehört zu Deutschland. Er gehört auch zu Hamburg.

 

Ich denke, dass jene Grundsatzdebatte der Lebensrealität der meisten von uns, seien wir nun Muslime oder nicht, überhaupt nicht gerecht wird. Der Alltag in Hamburg sieht ganz anders aus. Er ist von einem täglichen Miteinander bestimmt, auch wenn Schwierigkeiten nicht immer ausbleiben.

 

Die ganz überwältigende Mehrheit der muslimischen Bürgerinnen und Bürger Hamburgs lebt mit ihren nicht-muslimischen Nachbarn ganz normal und konfliktfrei zusammen. Wenn ich sage Nachbarn, dann meine ich damit die Wohnungsnachbarn genauso wie die Kollegen am Arbeitsplatz. Ich meine die neben einem Sitzenden in der S-Bahn oder in der Schule, die Nebenstehenden im St.Pauli-Fanblock oder die Mitwartenden an der Kasse beim Gemüsemann. Oder der Gemüsefrau. Ich meine außerhalb des Ramadans den wenige Meter entfernten Nachbargrill im Altonaer Volkspark. Und wenn ich sage nicht-muslimisch, dann deshalb, weil es Angehörige etlicher Religionsgemeinschaften in Hamburg gibt und auch viele Menschen, die aus bewusster Entscheidung oder weil sie dieses Thema nicht so bewegt wie andere, nicht gläubig sind. Platz hat unsere Stadt für alle.

 

Das sollte ich eigentlich gar nicht hervorheben müssen, weil es doch selbstverständlich ist. Aber hin und wieder muss man an das Selbstverständliche erinnern. Wenn Muslime oder Angehörige einer anderen Religion grundsätzlich in die Ecke von Integrationsfeindlichkeit, radikalen Gedanken und Handlungen oder gar Gewaltbereitschaft gestellt werden, ist das unsinnig und falsch und tut der überwältigenden Mehrheit Unrecht. Den Erwartungen und berechtigten Ansprüchen dieser Mehrheit sollte unsere erste Aufmerksamkeit gelten und ihnen sollte unser Respekt gelten.


Sie sollten wir auch ermutigen und ihnen die Chance geben, den Platz in der Mitte unserer Gesellschaft einzunehmen, der ihnen gebührt. Das verlangt Anstrengung bei allen Beteiligten. Ein ganz wesentlicher Schlüssel für eine gelungene Integration liegt im Bereich der Bildung.


Die Chance geben heißt: Wir müssen Chancen organisieren. Das geht auf dem Bildungsweg. Auf dem Weg sind Migranten noch viel zu oft die Verlierer. Sie verlassen die Schule doppelt so häufig ohne Abschluss wie ihre Altersgenossen und auch von denen, die einen Abschluss machen, brauchen viele länger, um einen Ausbildungsplatz zu finden.


Das ist für beide Seiten schlecht, für die betroffenen Jugendlichen und für Deutschland, das alle Talente und Fähigkeiten braucht und also auch ausbilden muss.


Das ausdrückliche Ziel des Hamburger Senats ist, dass alle jungen Erwachsenen einen Schulabschluss haben und nach der Schule entweder eine Berufsausbildung beginnen oder ein Studium aufnehmen. Niemand darf verloren gehen!

 
Wichtig ist auch, dass die Verfahren zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse beschleunigt werden. Aber an dieser Stelle möchte ich besonders an alle appellieren, die es betrifft und die die Möglichkeit haben: Helfen Sie mit, den Jugendlichen eine Perspektive zu geben, indem Sie ihnen eine Ausbildungschance geben.    


Eine wesentliche Voraussetzung für gelungene Integration ist natürlich auch die wirkliche Bereitschaft, dem anderen offen zu begegnen. Mein Eindruck ist auch der, dass die muslimische Community, wenn ich sie einmal neudeutsch so nennen darf, eine große Bereitschaft zeigt, auf die nicht-muslimische Mehrheitsgesellschaft zuzugehen. Die Ausbildung ehrenamtlicher Dialogbeauftragter, wie es sie in der DITIB Nord gibt, nenne ich als ein Beispiel. Deren Aufgabe ist es, einen Beitrag zur Öffnung der Moscheen in die Gesellschaft hinein zu leisten. Ich finde das gut.


Ich kann also Nicht-Muslime nur bitten, auch ihrerseits auf die Angebote ihrer muslimischen Nachbarschaft einzugehen.

 

Unsere Aufmerksamkeit muss den Gläubigen aller Religionsgemeinschaften gelten, denn es haben alle den gleichen Anspruch darauf, ihrer Religion nachzugehen. So verstehe ich auch die Gespräche über eine Vereinbarung der Stadt mit muslimischen Verbänden. Diese Gespräche werden wir fortsetzen, das hat der jetzige Senat beschlossen. Der erste Termin ist ja bereits für Mitte September vereinbart.

 

Sie werden verstehen, dass ich den weiteren Gesprächen nicht mit Ankündigungen vorgreifen möchte. Wir werden weiter miteinander und nicht öffentlich übereinander reden.

 

Ein großer Teil der bisherigen Gespräche bestand im Austausch über praktische Fragen der islamischen Religionsausübung in unserer Stadt, vom Moscheebau über das Bildungswesen bis hin zum Bestattungswesen. Ich halte es für gut und richtig, über Fragen zu sprechen und sich möglichst zu verständigen, denen Muslime bei der Ausübung ihrer Religion in unserer Stadt begegnen und dass wir uns dabei zugleich gemeinsamer Wertegrundlagen vergewissern. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch deutlich sagen: Es geht hierbei nicht um Privilegierung, sondern um die Rechte, die den muslimischen Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt auf der Grundlage unserer verfassungsrechtlichen Ordnung zustehen, wie allen anderen.

 


Meine Damen und Herren,


Ich sehe uns insgesamt auf einem guten Weg der Zusammenarbeit, die wir mit Zuversicht angehen sollten.

 

Herzlichen Dank.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.