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16.06.2005

Rede im Deutschen Bundestag am 16.06.2005 - Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH

Olaf Scholz (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Reform des GmbH-Rechts steht seit einiger Zeit an. Wir haben bei diesem Thema Verschiedenes miteinander zu diskutieren; das eine ist die Frage des Mindestkapitals. Ich gebe gern zu, dass es auch weitere Fragen gibt. Aber wenn man schnell über eine Frage Einigkeit erzielen kann und das Ergebnis auch schnell hilft, dann sollte man dies nicht unterlassen, nur weil weitere Fragen anstehen, zumal dann nicht, wenn man sich deren Lösung für später vornimmt. Genau dies schlägt der Gesetzentwurf vor.

Warum brauchen wir diesen Gesetzentwurf? Zum Ersten gibt es Hindernisse bei der Gründung von Unternehmen, die von den Vorrednern schon zu Recht dargestellt wurden. Manche Unternehmensgründer wünschen, in der Rechtsform der GmbH zu agieren, benötigen aber gar kein Eigenkapital, das den heute gültigen Mindestkapitalvorschriften entspricht, und werden dadurch an einer GmbH-Gründung gehindert. Es ist nicht einzusehen, warum wir in einer Zeit, in der wir Menschen ermuntern, der Arbeitslosigkeit zum Beispiel dadurch zu entgehen, dass sie selber unternehmerisch aktiv werden, an rechtlichen Vorschriften festhalten, die dies den Menschen erschweren. Darum bin ich mit dem Beitrag von Herrn Funke ganz einverstanden, der gesagt hat, wir sollten dies einmal ausprobieren; sollten wir später feststellen, dass es Probleme gibt, dann könnte man es wieder ändern. Meine Vermutung ist, dass es keine Probleme geben, dies aber die Attraktivität dieser Rechtsform für Gründer erhöhen wird.

Dabei sollten wir zweierlei sehr ernsthaft bedenken. Das Erste ist, dass die Banken und alle, die einem Gründer Geld leihen, sowieso zu ihrem Geld kommen. Die Rechtsform der GmbH schützt niemanden davor; die Banken holen sich das Geld von einem selbst und lassen sich vorher alles Notwendige unterschreiben, damit es gewissermaßen einen Haftungsdurchgriff auf den Gesellschafter des Unternehmens geben kann.

(Rainer Funke [FDP]: Das muss ja auch so sein!)

Niemand, der eine GmbH mit 25 000 Euro Mindeststammkapital hat, kommt um dieses Problem herum. Das ist erst dann anders, wenn es sich um ein wesentlich höheres Stammkapital und um ein gewachsenes und solides Unternehmen handelt. Deshalb ist dies kein wirklicher Grund, sich nicht zu trauen, die Herabsetzung des Mindeststammkapitals jetzt vorzunehmen.
Das Zweite hat ein bisschen mit den Juristen und der Veränderung der Rechtskultur zu tun. Immer mehr Menschen wollen, wenn sie ein Unternehmen gründen, eine Kapitalgesellschaft - in diesem Fall die GmbH - gründen: wegen des Namens und vieler anderer Dinge. Als Rechtsanwalt habe ich vielen gesagt, sie sollten ihr Unternehmen als Einzelkaufleute führen:

(Otto Fricke [FDP]: Genau das!)

Ihr habt überhaupt keine Probleme und um die Haftungsfragen kommt ihr ohnehin nicht herum. Dies habe ich eben bereits dargestellt. Als Rechtsanwalt ist man es ja auch gewohnt, selbst mit seinem ganzen persönlichen Vermögen für all den Unsinn geradezustehen, den man anrichten könnte.

(Joachim Stünker [SPD]: Oder die Versicherung! - Otto Fricke [FDP]: Oder die Kollegen!)

- Oder die Kollegen, ja. - Trotzdem müssen wir diese Veränderung reflektieren. Die Zunahme der Rechtsform "GmbH" hat natürlich etwas damit zu tun, dass immer mehr Menschen diese Rechtsform wählen. Wir leisten einen Beitrag zur Wirtschaftsförderung, wenn wir dem Wunsch dieser Menschen Rechnung tragen.
Der erste Punkt betrifft also die Förderung der Unternehmensgründung und die Schaffung vieler neuer Unternehmen in dem für uns so wichtigen Dienstleistungsbereich.

Der zweite Punkt ist aus meiner Sicht sehr wohl ein zentraler Punkt: Im Rahmen der Globalisierung gibt es auch so etwas wie einen Rechtsformenwettbewerb. Manche tragen das Wort Globalisierung als Schlagwort vor sich her und leiten daraus alles Mögliche ab. Auf manche Veränderungen aber müssen wir in der Tat Rücksicht nehmen. Es gibt ja die Schlechtberatung Tausender von Menschen auch durch deutsche Rechtsanwälte, die sagen, man könne einfach, billig und schnell eine "Limited" gründen und die dann auch in einem deutschen Register eintragen lassen. Abgesehen davon, dass damit viele Illusionen über die Geschwindigkeit der Eintragung in das deutsche Register verbunden sind, handelt es sich hier um etwas, wovor wir als Gesetzgeber die Menschen schützen müssen. Wir haben die Aufgabe, die Rechtsform der GmbH so attraktiv zu machen, dass sich die Menschen nicht von Verführern auf ein falsches Gleis bringen lassen. Jeder, der die Rechtsformen "Limited" und "GmbH" einmal sorgfältig verglichen hat, weiß, dass es ein schlechter Rat ist, der nichts weiter als Ärger und Kosten hat. Aber es geschieht jeden Tag. Deshalb tun wir nach meiner festen Überzeugung gut daran, den Menschen dadurch zu helfen, dass wir die Rechtsform der GmbH im internationalen Wettbewerb attraktiver machen.

Im zweiten Schritt - dies ist richtigerweise schon gesagt worden - müssen wir dazu beitragen, dass sie schneller eingetragen werden kann. Man muss die GmbH, ohne dass die Gründung lange vorbereitet worden ist, in 24 Stunden bekommen können. Dies sollten wir uns als Ziel setzen.

Letzte Bemerkung - als Sozialdemokrat ist mir das wichtig -: Es gibt nicht nur begeisterte Aufsätze darüber, was für eine tolle Rechtsform die "Limited" sei, sondern manche glauben auch, dass sie mit der Wahl einer solchen Rechtsform die deutschen Regelungen zur Mitbestimmung umgehen könnten. Es ist natürlich wahnwitzig, bei einer Unternehmensgründung schon ins Kalkül zu ziehen, dass man später einmal 1 000 Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer haben könnte. Trotzdem passiert so etwas. Warum sollten wir den Leuten da ihre Illusionen lassen? Ich glaube vielmehr, dass wir, wenn wir die Rechtsform der GmbH besser ausgestalten, der Wirtschaft und den Menschen in diesem Land nützen. Hierfür kann also Rechtspolitik einen wichtigen Beitrag leisten.
Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)