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18.03.2005

Rede im Deutschen Bundestag am 18. März 2005

Olaf Scholz (SPD): Mit den beiden heute in erster Lesung zu beratenden Gesetzentwürfen, dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz - KapMuG - und dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts - UMAG -, gehen wir unseren Weg zur Stärkung der Untemehmensintegrität und des Anlegerschutzes - im Rahmen des 10-Punkte-Programms der Bundesregierung - konsequent weiter.

Worum geht es? Mit dem UMAG soll einer der bedeutendsten Teile der aktienrechtlichen Änderungsvorschläge der Regierungskommission Corporate Governance umgesetzt werden. Das gesellschaftsrechtlich besonders wichtige Anfechtungsrecht in der Hauptversammlung, sowie das Recht der Aktionäre zur Durchsetzung von Haftungsansprüchen gegen andere Organe der Gesellschaft sind die Schwerpunkte dieser Stufe.
Die Haftung ist im deutschen Aktienrecht an sich schon sehr konsequent - aber selbst berechtigte Ansprüche werden nur selten geltend gemacht. Uns geht es deshalb nicht um einen Ausbau der Haftung, sondern um die Erleichterung der Klagen einer Aktionärsminderheit.

Wir schaffen eine gute Balance. Einerseits werden Klagen verhindert, bei denen der Grund und die Motivation der Klage nicht aus einer ernsthaften wirtschaftlichen Beteiligung an der Gesellschaft hergeleitet werden kann. Andererseits werden die alten Regelungen - zum notwendigen Aktienwert - spürbar gelockert.
Sicher ist der Schwellenwert in Höhe von 100 000 Euro sehr niedrig angesetzt. Aber: Er muss auch im Zusammenhang gesehen werden mit den weiteren Einschränkungen und Sicherungen wie dem Zulassungsverfahren, den Kostenregelungen und der Business Judgment Rule.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Hier wird eine Balance geschaffen zwischen der Erleichterung von Klagemöglichkeiten auf der einen Seite und der Verhinderung von missbräuchlichen Klagen auf der anderen Seite.
Vor der Zunahme missbräuchlicher Klagen fürchten sich manche Skeptiker auch durch die Einrichtung eines "Aktionärsforums" im Internet. Ich sehe das anders: Mit dem Aktionärsforum nutzen wir moderne Informa-tionstechnologien, um eine einfache und unkomplizierte Kommunikation unter den Aktionären zu ermöglichen. Zudem wird dieses Forum zur Behebung eines grundlegenden Corporate Governance-Defizits beitragen: der mangelnden Eigentümerkontrolle.

Auch das KapMuG dient der Verbesserung der kollektiven Durchsetzung von Ansprüchen der Anleger. Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz beinhaltet ein neues prozessrechtliches Instrument; neue Instrumente sorgen meistens erstmal für Skepsis. Das wird auch in diesem Fall höchstwahrscheinlich nicht anders sein.
Bei diesem Instrument jedoch - das lässt sich schnell feststellen - werden alle Seiten gewinnen. Die Vorteile des Verfahrens liegen auf der Hand. Mussten bislang die Anleger bei Kapitalmarktdelikten einzeln um ihre Schadenersatzansprüche kämpfen, so sollen sich künftig in gleichgelagerten Fällen die Anleger einem Musterprozess anschließen können. Ich bin überzeugt, dass dieses Verfahren für alle Seiten Vorteile bringt: Durch die Bündelung der Verfahren von geschädigten Kapitalanlegern kann die Rechtsfrage in nur einem Verfahren exemplarisch für sämtliche Klagen entschieden werden. Auch die Gesellschaften werden hiervon profitieren. Denn schließlich wird mit dieser Regelung auch für sie Rechtssicherheit geschaffen.

Für beide Seiten ist außerdem von Vorteil: Das Verfahren wird insgesamt beschleunigt und die Kosten reduziert, da nur das Musterverfahren den Instanzenzug durchlaufen wird. Nicht zuletzt entlasten wir die Gerichte.
Das Musterverfahren passt sich nahtlos ein in die europäische Entwicklung. Ob in Schweden, England, Portugal oder Spanien - alle diese Länder haben eine Form von Sammelklagen bereits eingerichtet.
Zwar stehen wir mit den Gesetzentwürfen am Beginn der parlamentarischen Beratung, ich bin aber jetzt schon zuversichtlich, dass wir diese bald erfolgreich abschließen können und freue mich auf die weitere Diskussion.