Olaf Scholz im Interview mit respekt.
Respekt: Herr Scholz, SPD und Grüne haben in den vergangenen sieben Jahren einiges für Lesben und Schwule erreicht. Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist fraglos ein großer Fortschritt. Hinter Ihrem ursprünglichen Ziel einer Gleichstellung mit der Ehe sind Sie aber deutlich zurückgeblieben. Warum?
Scholz: Wir haben uns für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen eingesetzt. Seit dem 1. August 2001 ist unser Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft und am 1. Januar 2005 ist auch unser Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts in Kraft getreten. Bereits jetzt sind damit Ehen und Lebensgemeinschaften gesetzlich weitgehend gleichgestellt. Was zur Gleichstellung noch fehlt, scheiterte bisher am Widerstand der Union im Bundesrat. Das Gesetz zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes ist leider ein durch den Bundesrat zustimmungspflichtiges Gesetz.
Jetzt sind Rechte und Pflichten bei der Lebenspartnerschaft in einem erheblichen Ungleichgewicht: Im Sozialrecht müssen Lebenspartner füreinander einstehen, bei der Steuer werden sie behandelt wie Fremde. Ist das nicht ungerecht?
Stimmt, genau darum haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode das Ergänzungsgesetz, dass die steuerliche Gleichstellung regelt, eingebracht. Wir wollen das Gesetz zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes erneut und weiter verbessert einbringen.
Bezüglich einer steuerlichen Gleichbehandlung mit Eheleuten (Ehegattensplitting) hat man aus der SPD bislang sehr widersprüchliche Stimmen gehört. Wofür steht die SPD in dieser Frage?
Die Gleichstellung sollte auch im Steuerrecht erfolgen.
Beim Adoptionsrecht hätte Rot-Grün für volle Gleichstellung sorgen und die gemeinschaftliche Adoption ermöglichen können. Warum waren Sie an diesem Punkt so zögerlich?
Ich halte es für klug, schrittweise vorzugehen. Mit dem Überarbeitungsgesetz haben wir die so genannte Stiefkindadoption ermöglicht. Entgegen manch konservativer Vorhersagen ist es uns gelungen, die meisten Menschen in Deutschland von diesem Schritt zu überzeugen. Das spricht für das von uns gewählte Vorgehen.
Bringt das Herumdoktern" an tausend Folgegesetzen der Ehe eigentlich noch etwas? Wäre es nicht an der Zeit, dem Beispiel von Spanien und Kanada zu folgen und die Ehe für Schwule und Lesben zu öffnen?
Das Ergebnis zählt. Und da ist der von uns in Deutschland eingeschlagene Weg nicht schlechter. Wie Sie an den noch nicht im Bundesrat durchgesetzten Folgegesetzen sehen, haben wir auch noch viel wirklich Wichtiges zu tun.
Viele lesbische Paare erfüllen sich ihren Kinderwunsch durch künstliche Befruchtung. Dabei bewegen sie sich in einer rechtlichen Grauzone, weil Insemination bislang nur bei heterosexuellen Eheleuten erlaubt ist. Was will die SPD tun, um die rechtliche Situation der Frauen und Kinder zu verbessern?
Es ist richtig, dass es bei der Fremdinsemination rechtliche Probleme gibt. Die müssen meiner Meinung nach geregelt werden. Allerdings ist das nicht einfach, weil da auch viele Fragen eine Rolle spielen, die gar nichts mit der sexuellen Orientierung der Paare zu tun haben. Entscheidend ist für mich: Das Kindeswohl muss immer an erster Stelle stehen.
Das Antidiskriminierungsgesetz haben die unionsgeführten Länder im Bundesrat gestoppt. Hat das Gesetz noch eine Chance?
Wir haben das ADG mit den Stimmen von SPD und Grünen im Bundestag verabschiedet. Es hängt jetzt vom Ergebnis der Beratungen im Bundesrat ab, ob das Gesetz noch eine Chance hat.
Vorurteile und Hass gegenüber Schwulen und Lesben sind bis heute weit verbreitet. Auch homosexuellenfeindliche Gewalt ist ein großes Problem. Die Täter sind oft Jugendliche und junge Männer. Bedarf es hier nicht gezielter Präventionsprogramme?
Die SPD-Fraktion hat mit dem Antrag Schwule und lesbische Jugendliche: Mittendrin statt außen vor", der am 16. Juni 2005 im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, ein Signal gesetzt: wir wenden uns gegen jede Form der Diskriminierung schwuler und lesbischer Jugendlicher. Wir wollen dazu beitragen, die Lebensbedingungen schwuler und lesbischer Jugendlicher zu verbessern, u.a. durch Aufklärungsarbeit, Akzeptanzförderung und Anti-Gewalt-Arbeit an Schulen, Universitäten und anderen Einrichtungen.
Stichwort Schule: Im Unterricht kommt das Thema Homosexualität bislang kaum vor. Braucht es hier nicht viel mehr Aufklärung?
Auch dafür haben wir uns in dem genannten Antrag ausgesprochen. Auch die Bundesländer müssen hier ihren Beitrag leisten, zum Beispiel durch die Verankerung des Themas Sexuelle Orientierung" in den Lehrplänen. In Schulen und Jugendeinrichtungen fehlen oft die Ansprechpartner, die für die Problemlagen der jungen Menschen sensibilisiert sind, um entsprechende Beratung und Hilfe überhaupt anbieten zu können. Das muss sich ändern.