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06.09.2006

Rede im Deutschen Bundestag vom 6. September 2006

Rede von Olaf Scholz im Deutschen Bundestag anlässlich der Einbringung des Bundeshaushalts 2007 - "Elefantenrunde"

Olaf Scholz (SPD):
Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss ein paar kurze Bemerkungen machen, damit wir gleich in die nächste Debatte einsteigen können. Ich will Bezug auf die Debatte, die wir bisher geführt haben, nehmen.
Ich glaube, es war ein sehr berechtigter Vorwurf an die FDP, den Herr Kauder hier erhoben hat und der auch in anderen Reden vorkam.

(Otto Fricke (FDP): Ja! Wir sind die Bösen!)

Es wurde gesagt: Passen Sie auf, dass Sie die durchaus großen und wichtigen außenpolitischen Traditionen Ihrer Partei nicht verspielen!

(Beifall bei der SPD - Dr. Guido Westerwelle (FDP): Meinen Sie Herrn Genscher, Herrn Scheel oder Herrn Lambsdorff?)

- Ich meine Herrn Scheel, Herrn Genscher und Herrn Kinkel. Das waren Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, die als Außenminister eine sehr verdienstvolle Politik gemacht haben, übrigens in mehreren Koalitionsregierungen, an denen Sie beteiligt waren.
Es ist etwas schwierig. Man kann sich vorstellen, dass in ein paar Jahren Herr Scheel, Herr Genscher und Herr Kinkel als Außenpolitiker und Außenminister dieser Republik zwar noch in Erinnerung sein werden, dass man sie aber nicht mehr mit der FDP in Verbindung bringen wird.

(Beifall bei der SPD)

Daher glaube ich, dass Sie da ein wenig aufpassen müssen. Ich denke nämlich, dass sich in den letzten Monaten bei den verschieden außenpolitischen Debatten, die wir geführt haben, immer wieder etwas abgespielt hat, das man, wenn man Zeitung gelesen und hier im Haus diskutiert hat, wie folgt wahrnehmen konnte: Die Fachpolitiker entwickelten eine durchaus konstruktive politische Haltung und dann kam Herr Westerwelle dazwischen. Damit muss man sich auseinandersetzen. Bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich des Libanonmandates ist Ähnliches zu beobachten. Ich jedenfalls habe schon abgewogenere Gedanken gehört als diejenigen, die nun für die Freie Demokratische Partei gelten sollen.

(Beifall bei der SPD - Dr. Guido Westerwelle (FDP): Ach, Leute!)

Im Übrigen glaube ich, es ist, wenn man eine Rede mit der Erinnerung an gemeinsame Oppositionszeiten beginnt, ganz gut, sich die Frage zu stellen, ob man nicht vielleicht auch gemeinsam mit dem ehemaligen Oppositionspartner etwas lernen kann. Hier wende ich mich an Herrn Brüderle, der einen Spruch aus der gemeinsamen Oppositionszeit von FDP und Union wiederholt hat, von dem die Union heute weiß und sogar sagt, dass er nicht stimmte.

(Rainer Brüderle (FDP): Aha!)

Ich rufe Sie dazu auf, sich dieser Erkenntnis anzuschließen.

(Beifall bei der SPD - Otto Fricke (FDP): Welcher war das denn?)

Die Behauptung, die nicht stimmt, die aber in gewisser Wiederholung immer wieder auftaucht, lautet, dass die Einzelunternehmen bzw. die Personenunternehmen die Gebeutelten der Steuerreformen der Vergangenheit gewesen seien, dass sie nicht entlastet worden seien und dass nun zuallererst für diese Gruppe etwas getan werden müsse.
Heute wissen wir alle: Durch die Einkommensteuersenkungen der letzten Jahre und die verbesserte Berücksichtigung der Gewerbesteuer haben vor allem die Einzelunternehmen bzw. die Personenunternehmen und der Mittelstand eine ganz deutliche Entlastung erfahren. Auf dieser Erfahrung und Gesetzgebung können wir heute aufbauen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass es auch für Sie gut wäre, sich mit der neuen Wirklichkeit auseinanderzusetzen, die Erfolge der rot-grünen Koalition zur Kenntnis zu nehmen und sich damit zu beschäftigen, wie wir die Steuerpolitik weiterentwickeln können, statt über etwas zu reden, was sich so, wie Sie es darstellen, gar nicht ereignet hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brüderle?

Olaf Scholz (SPD):
Ja.

(Jörg Tauss (SPD): Vorsicht, Herr Brüderle! Gefährliches Eis! Petra Merkel (Berlin) (SPD): Ja, dünnes Eis! Ganz dünn!)

Rainer Brüderle (FDP):
Lieber Kollege Scholz, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich von der beabsichtigten Unternehmensteuerreform der Koalition und nicht von der Vergangenheit sprach?

Olaf Scholz (SPD):
Sie haben die Vergangenheit nie zur Kenntnis genommen und eine falsche Bewertung der geplanten Unternehmensteuerreform vorgenommen. Denn Sie haben sowohl unberücksichtigt gelassen, dass wir auch für die Personenunternehmen noch etwas tun werden - das ist übrigens in allen Beschlüssen der Regierung bzw. der Koalition zu diesem Thema nachzulesen, als auch außer Acht gelassen, dass die Steuersatzsenkungen der Vergangenheit insbesondere dem Mittelstand große Entlastungen gebracht haben.

Der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer ist von 52 Prozent auf 42 Prozent gesunken,

(Otto Fricke (FDP): Der ist doch längst schon wieder hochgegangen!)

der Eingangssteuersatz ist ebenfalls gesunken und die Anrechnung der Gewerbesteuer wurde neu geregelt und verbessert. Darum glaube ich, dass es richtig ist vor allem für eine Partei, die sich dem Mittelstand verpflichtet fühlt, zu sagen: Der Mittelstand steht zu Recht im Mittelpunkt der Politik der Regierung. Das gilt für die Politik der vorigen Regierung wie auch für die Politik dieser Regierung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU Volker Kauder (CDU/CSU): Vor allem aber für diese!  Dr. Guido Westerwelle (FDP): Meint ihr das Antidiskriminierungsgesetz oder was?)
Meine Damen und Herren, ich will nicht lange auf die Ausführungen von Herrn Lafontaine eingehen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das wäre auch verschwendete Zeit, Herr Scholz! Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Nein! Das ist wirklich nicht nötig!)

Aber ich will etwas zu der Idee sagen, dass vonseiten der Regierung etwas unternommen werden müsse, um den Konsum auf irgendeine Weise zu fördern. Das alles klingt nach groß angelegten Konjunkturprogrammen.
Wenn man über solche Fragen diskutiert, macht es schon Sinn, sich zu überlegen, was man eigentlich will. Wir haben im Zusammenhang mit der Gebäudesanierung neue Möglichkeiten geschaffen, die sich massiv ausgewirkt haben, und die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen eingeführt. Dadurch wollten wir die Menschen dazu bringen, von der Schwarzarbeit zugunsten legaler Arbeit Abstand zu nehmen,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr richtig!)

und darüber hinaus die wirtschaftliche Belebung unterstützen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Genau!)

Das waren wirksame Programme, durch die der Mittelstand, die Wirtschaft, die Konjunktur und der Konsum in Deutschland gefördert wurden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Hier hat Scholz Recht! Eindeutig!)

Im Zusammenhang mit der Körperschaft- und Unternehmensteuerreform diskutieren wir darüber, wie wir dafür sorgen können, dass die Gemeinden dabei ordentlich wegkommen.

(Ulrich Maurer (DIE LINKE): Was heißt denn ordentlich?)

Auch das ist für unsere Konjunktur sehr wichtig. Denn in den Gemeinden werden die für unser Land zentralen Investitionen getätigt.
Die abstrakte Forderung nach einem Konjunkturprogramm kann man sich leicht ausreden.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Oh ja!)

Ich empfehle Ihnen, einmal den Hamburger oder den Bremer Hafen zu besuchen und sich die Planungen für den neuen Hafen in Wilhelmshaven anzuschauen. Im Wesentlichen sind es nämlich die großen Häfen in Deutschland, die von konsumfördernden Konjunkturprogrammen profitieren. Mit der Frage, ob wir Arbeitsplätze in Taiwan, Südkorea oder Vietnam schaffen sollten, muss sich Herr Lafontaine schon auseinandersetzen, wenn er solche Forderungen in den Raum stellt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Oh ja! Was für eine kluge Forderung! Eine sozialdemokratische Position!)
Es wurde nicht dadurch klüger, dass die letzte Rednerin der PDS diese eigenwilligen Vorstellungen mit einer Milliarde, die sie sich heute Morgen beim Frühstück ausgedacht hat, gestalten will. Sie hat gefordert, diese eine Milliarde zusätzlich für Kulturleistungen auszugeben. Ich glaube, der geringe Ernst einer solchen Debatte ist offensichtlich und muss nicht weiter vertieft werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist bereits viel geschafft worden. Ich nenne das Stichwort Föderalismusreform. Für manchen Kritiker unerwartet haben wir ein schwieriges Gesetz zustande gebracht.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Da waren wir gut!)

Wir haben aber auch bereits viel im Zusammenhang mit dem Abbau von Steuersubventionen erreicht.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr gut!)

Sie lassen das in Ihren Reden immer außer Acht, weil Sie sich ausschließlich auf die Steinkohle beziehen. Haben Sie denn nur Steinkohle vor den Augen? Tatsächlich gibt es über die Kohlesubventionen hinaus seit Jahren eine ganze Reihe von Steuersubventionen, die nicht abgebaut wurden, weil es nicht möglich war, Mehrheiten dafür zu finden, die sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat gehalten hätten.
Ich bin daher froh, dass wir es bereits geschafft haben, zahlreiche Steuersubventionen, die fast jede Partei in diesem Hause hin und wieder einmal abschaffen wollte, abzubauen. Wir haben damit das getan, was die Bürgerinnen und Bürger von der großen Koalition erwarten. Sie erwarten von uns, dass wir die Dinge, über die wir uns einig sind, auch wirklich umsetzen. An dieser Stelle ist uns das gelungen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Deshalb ist es schlecht, wenn Sie an der Idee vom Beginn dieses Jahres, zur Mehrwertsteuer reden zu wollen, festhalten, obwohl das diesbezügliche Gesetz bereits beschlossen worden ist.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Alte Rede!)

Diese Idee ist nicht gut; denn die schwierigen Veränderungen, die wir gemeinsam vornehmen wollten, haben wir bereits eingeleitet. Man wird Ihnen nicht zuhören, wenn Sie weiterhin Ihre alten Reden halten.
Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)