Liebe Genossinnen und Genossen,
am 18. September werden Neuwahlen sein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Bundespräsident diesen Weg eröffnen wird. Die Menschen in diesem Lande wollen das, die Bundesregierung möchte das und im Deutschen Bundestag möchten es alle Parteien. Als Franz Müntefering Neuwahlen vorgeschlagen hat, hat mancher gefragt, ob das wohl klug war. All das Hin und Her nützt nicht viel. Die Würfel sind gefallen. Wir sind unmittelbar im Wahlkampf.
Für mich selber kann ich sagen, dass ich es als erlösend empfinde, dass jetzt bald Wahlen stattfinden werden. Denn ich habe mir vorgestellt, wie das weitergegangen wäre mit dem ganzen Hin und Her, mit dem ganzen Gezerre, auch im Bundesrat, und eineinhalb Jahren Wahlkampf statt Sacharbeit. Man kann sich nicht vorstellen, dass das gut gegangen wäre mit der Stimmung in unserem Land. Deshalb bin ich befreit, dass wir jetzt Wahlkampf machen können. Ich bin auch froh darüber, dass ich die Argumente, die ich und die wir haben, dafür, dass man die Sozialdemokraten wählen soll, jetzt vortragen kann. Denn außerhalb von Wahlkämpfen geht es um Einzelpunkte und den Ärger darüber. Aber wenn es um eine konkrete Wahlentscheidung, eine ganz konkrete Auseinandersetzung geht, über das, was die andern wollen, und das, was wir wollen, dann können wir viel besser argumentieren. Und deshalb glaube ich: Wir haben eine Chance in diesem Wahlkampf.
Wir sind Realisten und deshalb sollte keiner von uns sagen: wir gehen als Favoriten in die Wahl. Aber das heißt ja nicht, dass wir nicht trotzdem gewinnen können und dass wir nicht all die Kraft und all die Fähigkeiten unserer alten Partei darein setzten könnten, um den anderen eine Harke zu schlagen. Um das mit einem modernerem Bild zu begleiten: Wir starten nicht aus der Pole-Position, aber es sind noch viele, viele Runden bis zum 18. September zu drehen und am Ende - da bin ich sicher - können die Roten vorne liegen. Das ist das, worum wir hier kämpfen wollen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
ein Thema, das in der Diskussion der letzten Tage eine Rolle gespielt hat, möchte ich gern aufgreifen. Nämlich: Was ist jetzt eigentlich mit dem Bundesrat. Weil viele sagen, es ändert sich ja gar nichts. Wenn die Wahl am 18. September war und Schröder wieder Kanzler wäre, dann bliebe das ja weiter schwierig mit dem Bundesrat. Das ist so, aber es geht doch nicht darum, es uns leicht zu machen im Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesregierung auf der einen Seite und dem Bundesrat auf der anderen Seite. Sondern es geht darum, einen Teil der Blockaden aufzulösen, die was mit der Auseinandersetzung zwischen der Bundesregierung, der fortschrittlichen Mitte und den Rechten, die den Bundesrat mehrheitlich beherrschen, zu tun haben. Eins wird sich nicht ändern: Bund und Länder haben unterschiedliche Interessen, übrigens egal wer da wo regiert und die werden sich auch in den nächsten 30 Jahren kappeln. Ein weiteres wird sich auch nicht ändern, wenn wir die Wahl gewinnen, dass nämlich unterschiedliche Mehrheiten da sind und dass wir uns einigen müssen. Das wird auch Kompromisse erfordern, die uns nicht gefallen, sowie uns manche Kompromisse in letzter Zeit auch nicht gefallen haben. Aber es geht nicht darum, dass wir es als Politiker leicht haben. Ich glaube, dass deshalb ein Zungenschlag des letzten Jahres falsch war, in der Diskussion um die Föderalismusreform. Da ist von vielen gesagt worden, wir sollen das machen, damit Deutschland leichter und effizienter regiert werden kann. Das ist nicht meine Sicht. Das es leicht sein sollte, wenn wir unseren Job machen, das wünschen wir uns. Aber darauf haben wir keinen Anspruch. Sondern es geht darum, dass es transparent wird, dass die Menschen wissen wer war für was, wer war gegen was und dass sie bei Wahlen die Möglichkeit haben über eine bestimmte politische Ausrichtung zu entscheiden. Ich nehme mal das Beispiel der Gesundheitsreform: Wer in Deutschland einen der 16 Ministerpräsidenten gewählt hat, hat dabei nicht bedacht, was der wohl später bei der Gesundheitsreform machen könnte. Aber trotzdem haben 16 Ministerpräsidenten eine Rolle gespielt und wir mussten Kompromisse machen mit denen von der CDU. Das hat das Ergebnis nicht besser gemacht. Insofern ist die Diskussion über Föderalismus, die wir auch weiterführen müssen, nicht eine, die etwas mit Effizienz zu tun hat und mit dem Streit zwischen einer Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat, sondern sie hat etwas damit zu tun, dass die Demokratie davon lebt, dass die Bürgerinnen und Bürger verstehen: Wer war das und wem kann ich die Verantwortung für das, was mir nicht gefällt, zuordnen. Wen kann ich unterstützen, weil er das Richtige gewollt hat. Und deshalb glaube ich auch, dass wir die Diskussion weiterführen müssen.
Eine dritte Blockade können wir auflösen. Wir hätten nur noch Blockaden im Bundesrat bis zur Bundestagswahl im Herbst 2006 gehabt. Die Finanzen der Länder sind dramatisch, die wissen nicht mehr ein noch aus. Aber mit dem Argument: Halten wir noch durch bis zum September 2006, wären Kompromisse, die nach einer erfolgten Bundestagswahl möglich sind, nicht möglich gewesen. Die paar Monate durchzuhalten, das hätte der eine oder andere sich schon noch zugetraut.
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich finde es zeichnet sich immer mehr ab, dass zwei Wege zur Wahl stehen. Unser Weg, der darauf gerichtet ist die Soziale Demokratie in Deutschland zu erhalten, die soziale Marktwirtschaft zu erhalten. Dieser Weg, den wir in den letzten Jahren gegangen sind, war mühselig, hat Fragen ausgelöst. Und der Weg von CDU/CSU und FDP. Ich will nicht polemisch überspitzen, nach dem Motto die wollen den Sozialstaat abschaffen. Aber die wollen einen Teilausstieg aus dem Sozialstaat. Das ist die Alternative, die wir darstellen müssen, weil es tatsächlich zwei unterschiedliche Wege sind und nicht ein Weg mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Wir sind die Sozialstaatspartei und wollen den Sozialstaat und seine Tradition in diesem Lande verteidigen. Ich bin der Meinung, dass wir das gut können, weil wir uns vor Reformen und Ärger nicht gedrückt haben. Ich mag mir nicht ausmalen, wie es wäre, wenn wir heute Sozialversicherungsbeiträge hätten in Höhe von 50 % für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das wäre nicht nur schwierig für den Arbeitsmarkt und würde wahrscheinlich unzählige Arbeitsplätze kosten, es würde wahrscheinlich auch bedeuten, dass keiner mehr einen Pfifferling darauf setzen würde, dass der Sozialstaat in Deutschland noch funktionieren kann. Und wenn dass so wäre, dann würden die Menschen auch Alternativen akzeptieren, die ganz auf den Sozialstaat verzichten. Damit das nicht geschieht, mussten wir die Reformen machen, aber weil wir sie gemacht haben, können wir jetzt um so ernsthafter und plausibler sagen, der Sozialstaat kann in Deutschland verteidigt werden, es muss nicht die ganze Welt aussehen wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Es gibt einen Weg, der in Deutschland eine lange Tradition hat und den wir verteidigen können. Ich will das an einer Frage deutlich machen, die sicher im Wahlkampf eine ganz zentrale Rolle spielen wird, nämlich: Was wird aus unserer Krankenversicherung? Da geht es um die Alternative solidarische Krankenversicherung oder Kopfpauschalen. Dass die CDU ihre Kopfpauschale solidarische Gesundheitsprämie nennt, macht sie nicht schöner. Es bleibt eine Kopfpauschale. Oder die private Krankenversicherung für alle. Das stammt nicht aus irgendeinem überspitzen Juso-Flugblatt, das steht tatsächlich im FDP-Parteitagsbeschluss vom letzten Jahr. Das meinen die ganz ernsthaft. Und deshalb ist es lohnend, diese Alternativen auch klar zu benennen. Was heißt solidarische Krankenversicherung? - Das heißt, dass sich die Beiträge, die die Menschen zahlen, nach ihrem Einkommen richten. Wer 800 Euro verdient, zahlt 14,5 % auf 800 Euro. Wer 1000 Euro verdient, zahlt 14,5 % Beitrag auf 1000 Euro. Wer 2000 Euro verdient, bezahlt 14,5 % Beitrag auf 2000 Euro. Und wer 3000 Euro verdient, tut das gleiche. Das heißt, wer sehr viel verdient, leistet einen größeren Beitrag zur Finanzierung der Krankenversicherung. Das soll man gar nicht klein reden. Es gibt kaum Steuergelder, die in die Krankenversicherungen hineinfließen. Das, was an Leistung angeboten wird, wird vollständig über die Beiträge der Versicherten finanziert. Und deshalb schafft man einen Teil der Solidarität ab, wenn die Beiträge nicht mehr nach dem Einkommen bemessen werden. Das ist aber doch der Kernvorschlag der Kopfpauschale. Diese hat übrigens eine gewisse Karriere hinter sich: Als Herr Herzog - mal ein Präsident dieses Landes - seine Vorschläge zu diesem Thema gemacht hat, hat er gesagt: 264 Euro für jeden. Das heißt, in einer Familie zwei mal 264 Euro für Mann und Frau; das kann sich ein Rentnerehepaar, das können sich Geringverdiener, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht einmal vorstellen. Natürlich haben sie gesagt: Wer sich das nicht leisten kann, der kriegt aus Steuergeldern dazu. Aber das hat schon damals keiner richtig geglaubt, denn sie selber hatten ausgerechnet, dass es fast 30 Milliarden Euro sein werden, die man mindestens bräuchte oder vielleicht sogar viel mehr. Und deshalb bedeutet dieses Modell Kopfpauschale in der reinen Variante, aber auch in allen Abänderungen, die von einer CDU/FDP-Regierung angegangen werden könnten: Der Steuerzuschuss für diejenigen - und das ist fast ein Drittel aller Versicherten - die sich die Kopfpauschale nicht leisten können, fällt nicht so hoch aus wie man denkt. Die Folge: Dann können sich eben einige die Krankenversicherung nicht mehr leisten.
Das ist ein Bruch mit einer ganz alten sozialen Tradition in unserem Land. Die Alternative dazu wäre, dass Leistungen gestrichen würden. Steht im Katalog der CDU/CSU übrigens schon drin, was alles privatisiert werden soll. Aber die Summe, die man da zusammenstreichen muss, die macht eben 30 Milliarden Euro aus. Da kann sich jeder vorstellen, was man entweder selbst zahlen oder sich privat krankenversichern muss. Man kann die Menschen vor dieser Alternative nur warnen. Hell aufgeregt waren dann auch alle, als der Vorschlag der Herzog-Kommission öffentlich wurde. Weil die Aufregung so groß war, hat der CDU-Parteitag den Vorschlag schon mal abgemildert; da waren es nicht mehr 264 Euro, sondern nur noch 200. Und nur dadurch finanziert, dass der Staat für jedes Kind etwas dazu gäbe. Und dann mussten sie sich noch mit der CSU einigen. Dabei ist noch ein Modell herausgekommen, da steht dann 109 Euro für jeden und noch 6,5% für einen Fond, und, und, und - lauter Regeln.
Das ist so unverständlich, dass Herr Hundt von den Arbeitgeberverbänden darüber sagte: So was könne er gar nicht erklären. Er hat das schöne Wort dafür geprägt, es handele sich um eine gemischt-lohnabhängige-arbeitgeberbeitragsfondsteuer-ergänzungsfinanzierte-Teilpauschalprämie. Ich bitte euch, das Wort für die Info-Stände auswendig zu lernen und die Kolleginnen und Kollegen der CDU an den Info-Ständen rechts neben uns zu bitten, es mal zu erklären. Und wenn sie dabei scheitern, sie darauf hinzuweisen, dass Norbert Blüm schon gesagt hat: Ich bedaure den Mann oder die Frau, die das am Wahlstand erklären muss. Und Herr Seehofer hat zu Recht gesagt: Der Kompromiss ist so schlecht, dass niemand von mir erwarten kann, dass ich ihn mittrage. Aber, liebe Genossinnen und Genossen, der Kompromiss wäre es nicht. Es wird etwas, was ähnlich der Ausgangslösung ist. 250 Euro für jeden, das vermute ich, kommt dabei heraus, wenn die regieren. Das muss man den Menschen sagen. Das sind deren Pläne, das ist die Alternative, die zur Wahl steht.
Liebe Genossinnen und Genossen, ähnlich wird es bei der Rente sein. Ich will das nicht ausführen, aber die gleiche Herzog-Kommission hat uns bereits mitgeteilt, das Ziel sei die Absenkung des Brutto-Rentenniveaus auf unter 40, auf 37 %. Das ist schon ganz schön happig - zumal auch jeder weiß, dass die Reformen, die hier bereits unternommen worden sind, auch nicht ganz ohne gewesen sind.
Liebe Genossinnen und Genossen,
ein weiteres Beispiel ist die Arbeitsvermittlung. Angesichts der heftigen Diskussion über Hartz IV und all der schönen und schlechten Schlagworte, die da eine Rolle spielen, möchte ich dazu Folgendes sagen: Ich glaube, bei dieser Frage geht es um mehr als Technik. Es geht bei der Arbeitsvermittlungsreform um einen Grundsatz, um eine Idee, die mir jedenfalls sehr wichtig ist. Niemand darf alleine gelassen werden mit seinem Schicksal, wir dürfen niemanden am Wegesrand zurück lassen. Die Zahl der Menschen, die sich um Vermittlung kümmern, soll nicht mehr so sein, wie vor ein paar Jahren mit einem Vermittler auf 800 Arbeitssuchende, so war das doch. Wir versuchen jetzt, das zu ändern; noch sind wir nicht weit genug und dass wird auch noch eine Zeit lang dauern, aber wir haben für die jungen Leute unter 25 ein Verhältnis von 1 zu 75 und für die Älteren eins von 1 zu 150 ins Gesetz geschrieben. Das ist dann eine Basis, wenn alles endlich funktioniert, auf der sich aufbauen lässt, wo sich endlich etwas verbessern kann.
Auch das Maß des Alleine-Lassens der Menschen mit ihrem Schicksal ist eine Alternative, die hier zur Wahl steht. Das möchte ich gerne an der aktuellen Diskussion zeigen: Ein Blick in die FAZ, Wirtschaftsteil, von heute, belehrt einen über die Pläne der CDU/CSU, was die Arbeitslosenversicherung betrifft. Aber das ist auch schon früher beschlossen und gesagt worden. Die wollen alles wegstreichen, was irgendwie mit Hoffnung von Menschen verbunden ist: Fördermaßnahmen, Unterstützungsmaßnahmen, Qualifizierungsmaßnahmen. Sicher kann man vieles kritisieren, aber dass man einfach alles weglässt, damit der Beitrag dann endlich sinkt und die Menschen nur noch Geld kriegen, aber sonst keine Hilfe? Das ist das, was die planen und das ist ein falscher Weg. Wir müssen den Menschen sagen, davor müsst ihr euch schützen und zwar durch richtiges Wählen am 18. September.
Liebe Genossinnen und Genossen,
es gilt das gleiche, wenn wir uns über Fragen von Kündigungsschutz und Mitbestimmung unterhalten. Ich will das nur zur Erinnerung sagen. Der Kündigungsschutz wird ja weitgehend überschätzt, sowohl von den Befürwortern als auch von den Kritikern. Da ich als Arbeitsrechtanwalt gearbeitet habe, weiß ich, was für Chancen sich mit einem Kündigungsprozess nicht verbinden. Aber er hat eine ganz wichtige Funktion, und die erfüllt er mehr oder weniger. Es handelt sich um so etwas wie Willkürschutz; dass man sich nicht nach den Witzen seines Chefs richten muss und nicht auch noch lachen muss, egal wie schlecht der Witz war. Das ist etwas, was mit der Kultur eines Landes zu tun hat und deshalb muss man erzählen, was sich unsere Freunde und politischen Wettbewerber so vorstellen. Die CDU hat gesagt: Kündigungsschutz gilt erst ab 20 Beschäftigten. Das hört sich harmlos an, auf den ersten Blick. Das bedeutet aber 9 Millionen Menschen sind ohne Kündigungsschutz. Die FDP sagt: Kündigungsschutz erst in einem Betrieb mit mehr als 50 Beschäftigten. Hört sich auch nicht so schlimm an, denn jeder von uns kennt Betriebe mit 3000 Beschäftigten. 50 Beschäftigte aber bedeutet: 16 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz. Das sind 40 % aller Beschäftigten. Insofern droht da was in diesem Lande und wir könnten mit Interesse verfolgen, ob es sich irgendwie zwischen 20 und 50 einpendelt, sollten die gewinnen. Aber das ist dann nicht nur eine Frage für Arbeitsgerichte. Das ist eine Frage für die Haltung, mit der die Menschen zur Arbeit gehen, für den Stolz mit dem sie ihre Position vertreten können und ihren Chefs auch widersprechen können. Insofern geht es da um viel, viel mehr als um rechtliche Fragen. Ich denke, das müssen wir den Menschen sagen.
Es ist ja heute Mode geworden, das alle etwas über die Probleme erzählen, die sich aus der Globalisierung ergeben. Das ist auch leicht, weil es wirklich Probleme gibt. Aber das, was wir meistens hören, sind billige Sätze aus denen wenig folgt, aus denen wenige oder keine Konsequenzen gezogen werden können. Sätze wie: So soll das nicht sein. Herr Stoiber tut sich da immer hervor. Sobald deutsche Unternehmen Entscheidungen treffen, die nicht in Ordnung sind, dann sagt er: Das ist aber nicht in Ordnung. Nur niemals hat er eine Konsequenz daraus gezogen. Umgekehrt: Es gibt bestimmte Dinge, bestimmte Konsequenzen, die längst gezogen sind, die er wieder beseitigen möchte. Ich nenne deshalb das Thema der Mitbestimmung. Der Unternehmensmitbestimmung wird keine Zukunft in Europa eingeräumt. Wir haben gerade per Gesetz bewiesen, das es anders ist und es geht auch mit europäischen Konzernen. Aber worum geht es denn anderes bei der Mitbestimmung als um das Recht, wenn irgendwo in Detroit entschieden wird, in Deutschland, in Bochum ein Werk zu schließen, das noch jemand gefragt wird und das die Entscheidung nicht in 5 Minuten getroffen wird, sondern dass man überhaupt etwas mitzureden hat. Da gibt es nichts Wirksameres, kein besseres Instrument, das in einer solchen Welt helfen kann, als eben die Mitbestimmung, die in Deutschland eine lange Tradition hat. Es geht auch gar nicht um die Gewerkschaftsfunktionäre, sondern um die Kultur unseres Landes und um ein Stück Demokratie. Wir sollten das auch im Wahlkampf verteidigen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
es gibt ein weiteres Beispiel, an dem deutlich wird, dass wir uns unterscheiden. Auch darauf sollten wir hinweisen: Das ist die Frage der Steuern. Die CDU hat mit Herrn Merz vorgeschlagen, dass der Spitzensteuersatz auf 36 % sinken soll. Die FDP hat gesagt, er solle auf 35 % runtergehen. Allein der Vorschlag von Herrn Merz kostet 16 Milliarden Euro, meint jedenfalls das Finanzministerium. Es gibt Leute, die meinen, es sei sogar viel mehr. Wo die 16 Milliarden Euro herkommen sollen, angesichts der Tatsache, dass wir nicht einmal genug Geld haben, um den laufenden Haushalt zu bezahlen, das ist mir einigermaßen unklar. Auch wenn da jetzt was modifiziert wird und die CDU statt auf 36 auf 39 % absenken will, es bleibt viel Geld. Finanziert werden soll es durch die Streichung von Steuervergünstigungen. Da sind wir alle erst einmal dafür. Die spannende Frage ist aber, durch welche.
Wir haben zur Finanzierung unserer Steuerreform Schiffbeteiligungs-steuerabschreibungsmodelle gestrichen und verschiedene andere Subventionen, 70 Stück insgesamt. Was der CDU/CSU zur Finanzierung des Spitzensteuersatzes dienen soll, das ist bereits gesagt. Zum Beispiel die Streichung der Steuerfreiheit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Nachtarbeits-, Feiertags- und Sonntagszuschläge. Typischerweise ist es nicht so, dass es sich bei den Begünstigten von Sonntagsarbeits- und Feiertagszuschlägen um Spitzenverdiener handelt, die den Spitzensteuersatz zahlen. Es hat eine kleine Gruppe gegeben, die eine Ausnahme bildete. Das waren die Fußballspieler von Borussia Dortmund. Das wurde, als es raus kam, ja schnell geändert. Aber sonst ist das eher unüblich. Also soll der Schichtarbeiter oder die Nachtschwester die Senkung des Spitzensteuersatzes bezahlen.
Das gleiche gilt für die Pendlerpauschale. Über die kann man viel diskutieren, aus ökologischer Sicht, aus verkehrspolitischer Sicht, insgesamt. Aber wenn man die Pendlerpauschale streicht, damit der Spitzensteuersatz sinkt, dann ist das eine sehr ungleiche Verteilung. Es wird denen gestrichen, die bisher begünstigt wurden und es kriegt jemand etwas, der bisher von der Pendlerpauschale kaum profitiert hat. Insofern ist das schon sehr einseitig verteilt.
Auch eine andere Fragestellung ist aufgekommen, die in diese Diskussion mit hineingehört und die wir ansprechen müssen. Das ist aus meiner Sicht die Eigenheimzulage. Wir selbst haben in den letzten Jahren immer wieder gesagt - und wir werden das auch weiter sagen - die soll man streichen. Es gibt in Deutschland mehr Leerstände als das Gegenteil. Die Eigenheimpauschale ist eine Zersiedelungsprämie, die begünstigt, dass die Menschen ins Umland ziehen und nicht in unsere schöne Stadt Hamburg. Und wahrscheinlich steigen die Bodenpreise nur um den Preis, den das hat. Aber wir haben gesagt, man soll dass streichen - und das sind ja jährlich 9 Milliarden Euro um die es da geht - damit die Länder und der Bund mehr Geld für Bildung haben. Das nützt nämlich allen Menschen und ihren Chancen. Aber niemand von uns wäre auf die Idee gekommen, die Eigenheimzulage streichen zu wollen, damit der Spitzensteuersatz sinkt. Das ist die Alternative, und an dieser Stelle kann man sogar sagen: Ordentliche Mittelschichten müssen für die Spitzensteuersatzsenkungsorgie von Union und FDP mitzahlen. Ob sie das vor der Wahl wissen, wird ein bisschen von uns abhängen. Wir werden uns alle Mühe geben.
Und das Neueste, was wir gehört haben, betrifft die Mehrwertsteuer. Alle sagen jetzt, die soll erhöht werden. Wen das trifft, das wissen alle genau: die Rentner, die Studierenden, diejenigen, die dann erstmal mehr ausgeben, aber nicht mehr haben durch diese Situation. Ich glaube, es würde so kommen. Sonst hätten sie das alle nicht schon öffentlich gesagt. Was mir bei dieser Steuerdebatte wichtig ist, ist folgender Hinweis: Egal was im Wahlprogramm von CDU/CSU und FDP stehen wird. Alles, was die bisher gesagt haben, meinen sie ganz ernst. Die haben sich nicht versprochen, die haben sich verplappert. Und wenn es im Wahlprogramm nicht auftaucht, kann man sicher sein, dass es hinterher dennoch Wirklichkeit wird. Und deshalb muss man das, was da alles gesagt wurde, für bare Münze nehmen und den Menschen unter die Nase reiben.
Liebe Genossinnen und Genossen,
Kinder und Bildung, das sind die wichtigen Dinge, wenn es um die Zukunft in diesem Lande geht. Und da haben wir, glaube ich, eine gute Bilanz, nicht nur in der letzten Legislaturperiode sondern auch in der davor; mit Kindergelderhöhungen und Wohngelderhöhung für Familien, mit steuerlichen Begünstigungen. Aber auch in dieser Legislaturperiode mit Milliarden für den Ausbau von Kinderbetreuung und dem Ganztagsschulprogramm. Das sind wichtige Zukunftsinvestitionen, die wir versucht haben durchzusetzen, obwohl wir als Bund eigentlich nicht zuständig sind.
Da haben wir viel getan. Auch das ist ein Punkt, in dem wir uns unterscheiden und diese Unterschiede können und dürfen deutlich gemacht werden. Ich will zwei Themen nennen, die aktuell in diesem Bereich diskutiert werden: Bafög und Studiengebühren. Frau Schavan, stellvertretende CDU-Vorsitzende, hat gesagt, Bafög gibt es nur noch als Kredit von privaten Banken. Als der Aufschrei groß war, hat sie gesagt, nicht sofort, sondern erst bis 2010 soll das kommen. Ich glaube, das macht es nicht harmloser. Es ist einfach ein falscher Vorschlag, der bedeutet, dass manche Personen für private Banken nicht kreditwürdig sind aufgrund ihrer Studienrichtung und es wird auch Studiengänge geben, über die man so etwas generell sagt. Und die gleiche Wirkung tritt bei Studiengebühren ein, die auch auf das Erststudium erhoben werden, wie es die CDU-geführten Bundesländer alle wollen; das wollen wir nicht, darüber sind wir uns einig, glaube ich. Auch hier geht es um die Alternative: Zukunft oder keine Zukunft und was man damit verbindet.
Liebe Genossinnen und Genossen,
das sind die beiden Wege, die stehen bei der Wahl zur Auswahl. Und es ist unsere Aufgaben in vielen vielen Diskussionen mit vielen vielen Argumenten den Menschen zu sagen: Darum geht es wirklich. Ich bin deshalb sicher und überzeugt, dass die Wahlstrategien beider Parteien schon feststehen. Dazu braucht man keine großen Berater, keine Think Tanks, keine Werbeagentur. Beide wissen ganz genau, was sie in diesem Wahlkampf machen müssen. Union und FDP werden sich darauf beschränken zu sagen, die Lage ist schwierig, und das ist sie. Sie werden auf die Zahl der arbeitslosen Menschen verweisen, das niedrige Wirtschaftswachstum. Und sagen: lasst uns mal dran. Sie werden jede Diskussion über das, was sie machen werden, sollten sie die Wahl gewinnen, vermeiden. Das kann funktionieren. Da sollte man sich nichts vormachen. Aber es wäre schrecklich für die Menschen, wenn sie dann hinterher merken, dass sie geirrt haben. Denn vier Jahre lang können sie sich dann nur noch beschweren und nichts mehr tun.
Unsere Wahlkampfstrategie ist damit auch klar: Sie wird darauf beruhen zu zeigen: Das sind die Alternativen. Das wollen wir, das wollen die. Wählt aus, welche ihr besser findet. Ich bin ganz sicher, wenn die Menschen sich ein Jahr lang CDU Regierung vorstellen könnten, und wenn sie sich all die Dinge, die ich eben gesagt habe, einmal zu Gemüte führen, dass sie nichts von diesem Programm wollen, jedenfalls nicht die Mehrheit der Menschen in diesem Lande. Und deshalb wird es unsere Aufgabe sein, diese Alternativen deutlich zu machen, zu sagen was wir wollen, was die wollen. Und zu sagen, bitte entscheidet euch bei dieser Wahl. Hinterher hilft es nichts mehr. Klagen werden von uns nicht entgegen genommen.
Lasst mich ein letztes Thema ansprechen, das für die Bundestagswahl ebenfalls von zentraler Bedeutung sein wird. Das ist aus meiner Sicht die Frage: was macht unser Land in der Welt. Jeder Bundestagsabgeordnete entscheidet mit über diese Fragen. Ich will an das Thema Irak erinnern. Wir haben uns schon vor der letzten Bundestagswahl entschieden, was kritisiert wurde, dass wir nicht mitmachen wollen bei einem eventuellen Waffengang gegen den Irak. Frau Merkel und übrigens auch Herr Stoiber haben diesen Weg kritisiert und haben es auch nach der Bundestagswahl wieder und wieder getan. Und deshalb bitte ich darum, sich einfach nur noch mal zu erinnern, was Frau Merkel in dieser Zeit 2002/2003 in der Washington Post geschrieben hat: Schröder spricht nicht für alle Deutschen. Das war in dieser Zeit sicherlich nicht die Wahrheit. Es war nicht nur ein unerhöhter Vorgang, was den Umgang der Opposition im Ausland mit der eigenen Regierung betrifft, der beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik ist. Sondern es war auch ein ganz klares Bekenntnis dazu, was sie richtig fand und findet. Und sie hat später, Anfang 2003, wenige Tage bevor es losgegangen ist im Irak, uns Abgeordneten, aber auch allen Menschen in Deutschland mitgeteilt, wenn eine unionsgeführte Regierung seit Oktober 2002 die Geschicke dieses Landes gelenkt hätte, wäre im Umgang mit dem Konflikt im Irak die militärische Option als letztes Mittel niemals ausgeschlossen worden. Das war Frau Merkel Anfang 2003, wenige Tage bevor die USA im Irak den Krieg begonnen haben.
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich erzähle das nicht, weil ich daran erinnern möchte, dass wir damals eine richtige Entscheidung getroffen haben, und die Regierung für eine sehr klare Position gestanden hat. Oder weil ich daran erinnern möchte, dass Gerhard Schröder als Person es geschafft hat, das in diesem Lande aber auch weltweit durchzuhalten gegen alle Widerstände. Sondern weil ich darauf hinweisen möchte, dass wir nicht in einer Welt leben, in der wir sicher sein können, dass eine solche Entscheidung nicht in drei Monaten, in sechs Monaten, in zwölf Monaten, in zwei Jahren ähnlich wegen eines anderen Konfliktes erneut getroffen werden muss. Das ist doch etwas, was man niemanden mehr garantieren kann. Kein Mensch kann sich sicher sein, dass so etwas nur alle zwanzig Jahre vorkommen wird. Nein, das kann jeden Tag passieren und da hätte man dann schon gerne eine Regierung, bei der man sicher weiß, dass sie in diesen Fragen den Kopf nicht verliert und die richtige Haltung zu dem Thema hat.
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir werden uns hier im Wahlkampf in Altona gemeinsam bewegen und deshalb will ich noch ein paar Worte zum Wahlkreis Hamburg Altona sagen. Zweimal ist es mir gelungen, den Wahlkreis direkt zu gewinnen, mit sehr ordentlichen Vorsprüngen (18% beim letzen Mal) vor dem Wettbewerber der CDU, von dem wir gehört haben, das er wieder antritt. Und das ist viel. Es ist auch viel gewesen, was wir an Vorsprung vor dem Zweitstimmenergebnis der SPD hatten. Es ist das letzte Mal und das vorletzte Mal gelungen, viele Menschen, die eine andere Parteipräferenz haben, zum Beispiel die der Grünen aber auch der FDP oder der Union, davon zu überzeugen, dass sie ihre Stimmen dem sozialdemokratischen Kandidaten Olaf Scholz geben.
Und, liebe Genossinnen und Genossen,
ich möchte mit euch gemeinsam sowohl für ein gutes Ergebnis für die SPD aber auch für ein gutes Ergebnis hier im Wahlkreis kämpfen, mich dafür einsetzen, dass wir erneut einen solchen Vorsprung herausarbeiten könne.
Liebe Genossinnen und Genossen,
hierfür haben wir auch ein paar Vorarbeiten geleistet. Ich glaube, so viele Gespräche wie unsere Stadtteilgespräche, hat es in kaum einem anderen Wahlkreis in Deutschland gegeben. Das wird immer breit plakatiert, da kommen immer viele Menschen und das ist etwas, was ungewöhnlich ist.
Ich hatte mir das 1998 vorgenommen, weil ich gesagt habe, ich möchte nicht zu den Abgeordneten gehören, die alle vier Jahre wiederkommen, in diesem Falle alle drei und sagen: Übrigens, erinnert ihr euch daran, dass ich euer Abgeordneter bin? - Wählt mich bitte wieder. Nein, ich möchte zwischendurch alle Wege nutzen, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Wir haben eine neue Gesprächsreihe entwickelt, den Talk in Altona, zu der wir viele Menschen einladen. Mittlerweile über 1500, die in unserem Newsletterverteiler des Abgeordnetenbüros sind. Das ist eine ganze Menge. Denen sagen wir: kommt, diskutiert mit Leuten, die wir für euch nach Altona geholt haben, damit eine spannenden Debatte entsteht zwischen den Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und den Bürgerinnen und Bürgern aus Altona. Am tollsten war sicherlich Gesine Schwan, die uns alle sehr beeindruckt hat mit ihrem Auftritt. Lustig war Nicole Lubic, der ein Buch geschrieben hat Genosse Nachwuchs, in dem er auch mich veräppelt, weshalb ich ihn auch eingeladen hatte. Es gab viele andere spannende Diskussionen, die da stattfanden. Wir werden auch weitere jetzt im Wahlkampf haben mit Peter Struck, mit Otto Schily.
Liebe Genossinnen und Genossen,
das wichtigste aber in diesem Wahlkampf ist, dass wir direkt mit den Menschen sprechen und deshalb habe ich auch alle gebeten, einen Schritt zu wagen, der nicht immer ganz einfach ist. Nämlich, den Abgeordneten in euer eigenes Wohnzimmer einzuladen, in den eigenen Bierkeller, den Garten, den Schrebergarten oder wo auch immer ihr euch mit Freunden trefft und zu sagen: Ich hab mir den Abgeordneten hier her bestellt. Liebe Nachbarn, liebe Freunde aus Altona kommt doch mal dazu und wir diskutieren miteinander. Ihr kennt das schon. Wir haben das auch schon in den letzten Wahlkämpfen gemacht. Und es war immer toll, für alle die dabei waren. Und viele wissen das auch, weil sie auch diesmal gesagt haben, wir wollen das machen. Aber ich will noch einmal darum bitten, überlegt es euch; diskutiert auch mit den Leuten, die sich nicht sicher sind, ob sie uns wählen sollen, weil die wollen wir ja auch überzeugen. Und wenn es gelingt, vielleicht 100 oder noch viel mehr solcher Gespräche dieser Art zu Stande zu bringen, die auf keinem Plakat stehen, aber wo Menschen unmittelbar mit ihrem Abgeordneten sprechen und diskutieren können, dann ist das ein Beitrag gegen Politikverdrossenheit und für Bürgernähe, der besser nicht sein kann.
Wenn wir das gemeinsam machen, dann liebe Genossinnen und Genossen, glaube ich, können wir es schaffen. Wir sind eine Partei mit alter Erfahrung, gerade was das Kämpfen angeht. Wenn wir mit diesem Mut heran gehen, dann glaube ich, wird es auch jetzt gelingen. Ich bitte euch jedenfalls um eure Unterstützung. Wir werden den Wahlkreis gewinnen, aber wir werden auch in Deutschland ein sehr gutes Ergebnis für die SPD bekommen. Die CDU und die FDP, sie werden sich noch wundern.
Schönen Dank!
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22.06.2005