Sehr geehrter Herr Böllhoff,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
zu Ihrem jährlichen Treffen heiße ich Sie herzlich in Hamburg willkommen.
Diesen Satz werden Sie vorausgesehen haben, und vielleicht auch das jetzt folgende Zitat vielleicht! Denn es stammt nicht von Churchill, dem ja noch heute gern die Behauptung zugeschrieben wird, er traue nur Statistiken, die er selbst gefälscht habe. Gefälscht war aber nach heutiger Kenntnis das Zitat.
Hier das hoffentlich richtige, das ich meine. Es stammt von einem französischen Verleger und Journalisten des 19. Jahrhunderts und lautet: Gouverner c´est prévoir, regieren heißt voraussehen. Allerdings war Émile de Girardin, was das betraf, anfangs nicht vom Glück verfolgt. Nach den revolutionären Ereignissen von 1848 setzte er auf die Provisorische Regierung, dann auf den Prinzen Louis Napoléon, danach auf die radikale linke Bergpartei. Alle enttäuschten ihn.
Was können wir daraus heute schließen? Darauf komme ich noch. Vorher will ich bekräftigen, dass Sie für Ihr diesjähriges Get Together eine Stadt gewählt haben, die das freut und übrigens: dass ich diese Wahl fast ein wenig vorausgesehen hatte. Nicht nur, weil es ja schon mancherlei Zusammenarbeit gegeben hat, zum Beispiel beim Gutachten zur Erneuerbare-Energien- Branche in Hamburg und der Metropolregion 2012.
Der Grund ist der, dass Hamburgs gute Zukunftsaussichten, wie wir es eben hören und sehen konnten, in vielerlei Hinsicht Hand und Fuß haben. Und natürlich wollen Sie jetzt, sofern noch nicht geschehen, unsere Stadt auch persönlich näher kennenlernen.
In der geht es lebhaft zu. Knapp 1,8 Millionen Einwohner hat Hamburg. Bis 2030 werden es 1,9 Millionen sein, vielleicht mehr. Fünf Millionen hat die Metropolregion. Die Zeichen für Hamburg stehen schon von daher günstig und wir wollen eine wachsende Metropole sein.
Ökonomische Wachstums-Höhenflüge wie in früheren Jahrzehnten sind für Deutschland bis 2040 nicht realistisch, das ahnen wir schon länger und das bestätigt uns Prognos, in dessen Kurve wir in den kommenden Jahren mit 1,3 Prozent unter dem EU-Durchschnitt bleiben. Und damit aber auch über alarmistischen Weissagungen, die es ja auch gibt. Gleichzeitig sehen wir, dass Hamburg mit Blick auf die Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur bis 2040 unter den Bundesländern ein Platz in der Spitzengruppe zugetraut wird. Dass wir in der voraussichtlichen Wohlstandsentwicklung sogar obenan stehen.
Marktforscher, Journalisten, Politiker in die Zukunft sehen können wir nur sehr bedingt, und nur in überschaubaren Zeiträumen. Diese perspektivische Einschränkung immer vor Augen, sieht sich Hamburg dennoch ausdrücklich als Hoffnungsstadt. Und wir wissen: Wenn wir die Hoffnungen nicht enttäuschen und die Dynamik nicht verlieren wollen, dürfen wir uns vor der großen Stadt nicht fürchten. Denn Hoffnungen und Dynamik beruhen auf einem Zusammenhang optimaler Bedingungen, nicht auf einzelnen Parametern.
Es ist die Lebensqualität und Infrastruktur, das Umfeld aus Bildung und Wissenschaft. Es ist das interessante und vielfältige Kulturleben, Hamburgs Weltoffenheit und das besondere Flair der Hafenlage, das in allen Umfragen mit Hamburg verbunden wird. Damit ist dann auch auch die Attraktivität des Arbeitsmarktes verlinkt, die Zahl an großen und kleinen Unternehmen und die Jobchancen, die sich dadurch ergeben.
Als Gäste werden Sie einige dieser Qualitäten hoffentlich selbst spüren. Angesichts der zunehmenden Zahl von Einheimischen und solchen, die es noch werden wollen sage ich: Wir müssen die Entwicklung der Stadt aus der Perspektive berufstätiger Eltern betrachten. Denn da dreht sich ja etwas: Sind noch vor einiger Zeit Eltern wegen der Kinder aus der Stadt ins Grüne gezogen, dreht sich der Trend jetzt erkennbar um. Wegen der Krippen, der Kitas, der Ganztagsangebote in Krippen und Schulen. Aber auch wegen des breiten Arbeitsmarktes, der Männern und Frauen berufliche Perspektiven bei vielen Arbeitgebern ermöglicht, anders als in kleinen Orten.
Und übrigens, was das Grüne betrifft: Daran mangelt es in Hamburg ja durchaus nicht, sondern wir haben gerade innerstädtisch viel mehr zu bieten als bloß Abstandsgrün.
Hamburg wird und will wachsen. Mehr als 100.000 neue Stadtbürger sind in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten dazugekommen, darunter viele Junge. Übrigens ist das ein wichtiges Gefühl: in einer Stadt mit wachsender Bevölkerung zu leben, während die Zahl die Zahl der Bürger und Bürgerinnen in Deutschland insgesamt, und auf dem Kontinent schrumpft.
Die demografische Rendite, von der manchmal die Rede ist, wird uns nicht in Form abnehmender Schüler-, Studenten- oder Erwerbstätigenzahlen zufallen. Vielmehr werden wir für sie arbeiten und darauf hinwirken, dass viel mehr gut ausgebildete, optimistische Stadtbewohner, für die und deren Familien das urbane Leben attraktiv ist, mit anpacken und die Voraussetzung dafür schaffen, dass Eingesessenen und neu Zugezogene hier gut leben können.
Die große Stadt hat einen Arbeitsmarkt, der breit genug ist, um im Verlaufe eines Arbeitslebens den Wechsel des Arbeitgebers zu möglichen. Und der es modernen berufstätigen Paaren ermöglicht, die jeweiligen eigenen beruflichen Wünsche zu realisieren.
Genügend Wohnraum zu bauen, ist logischerweise eine wesentliche Voraussetzung. Das Wohnungsbauprogramm des Senats ist vielleicht das größte in Deutschland. Seit 2011 sind die ersten 30.087 Wohnungen genehmigt worden wie versprochen: pro Jahr 6.000 und mehr zu bauen und ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Pressing in den nächsten Jahren aufrechterhalten können. Und es handelt sich um Wohnungen, die sich nicht nur Gutverdienende leisten können, sondern auch Familien, Studierende, Auszubildende oder allein lebende Senioren.
Dafür steht unser Vertrag für Hamburg mit den Bezirken, mit verbindlichen Zielzahlen. Wir haben ein Bündnis mit der Immobilienwirtschaft geschlossen; eine vergleichbare Vereinbarung gab es vorher nicht. Wir haben uns auf gemeinsame Ziele verständigt, übrigens auch zur Erhaltung der Backsteinstadt Hamburg, von der Sie hoffentlich Eindrücke gewonnen haben.
Meine Damen und Herren,
das gilt für die Stadt Hamburg die aber, wie angedeutet, Teil eines größeren ganzen ist. In der Europäischen Union leben 500 Millionen, in der Metropolregion Hamburg immerhin mehr als fünf Millionen Europäer, gut ein Prozent aller EU-Bürger.
2 ½ Millionen Erwerbstätige sorgen jetzt dafür, dass wir auf Augen- und Muskelkrafthöhe mit, zum Beispiel, Frankfurt/Rhein-Main für Wertschöpfung sorgen, weit vor der befreundeten Øresundregion Kopenhagen / Malmö, deren Dynamik und viele Baukräne wir ebenso bewundern wie die Meerjungfrau. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von mehr als 170 Milliarden Euro hängen wir die Metropolräume Rom und Barcelona ab.
Eine dynamische Wirtschaftsregion entwickelt sich entlang der Vogelfluglinie, wie wir die Passage über den Fehmarnbelt nennen. Die wir, sehr wesentlich und unverzichtbar unterstützt von Dänemark, als feste Querung ertüchtigen und deren Anschlüsse auf deutscher Seite wir ausbauen müssen.
Viele Alltagsentfernungen in unserer Region gelten in anderen Metropolen dieser Welt als innerstädtisch 30 Minuten von Lüneburg zum Hamburger Hauptbahnhof, 40 Minuten von Lübeck. Dann ist man im wirtschaftlichen Herzen der Region angekommen:
- Hier liegt der Hafen, der unsere Region zu einem Knotenpunkt der globalen Warenströme macht. Seine Bedeutung geht weit über die Region hinaus, weil die Arbeitsplätze im Hafen selbst mit den globalen Warenströmen korres-pondieren, die der Hafen nach Hamburg lenkt;
- hier produzieren Airbus und die Lufthansawerft, die unsere Region zu einem von drei großen Standorten der Luftfahrtindustrie auf der Welt machen;
- und hier im Norden entsteht einer der führenden Standorte der Windkraftindustrie.
Meine Damen und Herren,
wenn uns Prognos heute gute Aussichten zubilligt, dann überrascht mich das auch deshalb nicht, weil ich schon vor Jahren vorausgesehen habe, dass Hamburg ein Wirtschaftsraum mit den besten Aussichten in Deutschland sein kann. Denn es hat einen guten Branchenmix und eine gesunde wirtschaftliche Basis. Industrie, Handel, Dienstleistungen, Medien, der Hafen sind Stabilitätsanker realer Wertschöpfung, mit denen die Stadt und ihr Umland vergleichsweise unbeschadet durch kleinere und größere Krisen gekommen sind.
Hamburg zählt zu den führenden Industriestädten Deutschlands, das finde ich nach wie vor sehr wichtig, und ist Sitz zahlreicher Großunternehmen.
Natürlich ist die Wirtschaft geprägt vom Aufwachsen des tertiären Sektors, von der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien, von immer mehr unternehmensbezogenen Dienstleistungen. Letztere sind es ja ganz besonders, die in der heute präsentierten Studie als Wachstumsträger dastehen.
Trotzdem bleibt die Basis von Wohlstand und Beschäftigung eine leistungsfähige Industrie mit wettbewerbsfähigen Produkten.
Und sie sichert als Motor für Innovation und Fortschritt auch das technologische Know-how, das Hamburg braucht, um im Wettbewerb der Länder und Regionen bestehen zu können.
Das verarbeitende Gewerbe ist hier hochmodern und international wettbewerbsfähig, mit industriellen Kernen wie Luftfahrtindustrie, Maritime Industrie, Maschinenbau und Elektroindustrie, Medizintechnik, Biotechnologie und Nahrungsmittelindustrie, mit Stahl-, Aluminium- und Kupferhütten. Ich stehe dafür, dass die Industrie auch in Zukunft ihren hohen wirtschafts- und strukturpolitischen Stellenwert in dieser Stadt behalten wird.
Hier sehen wir auch am deutlichsten, zu welcher Leistung Ingenieure, Facharbeiter und andere kluge Köpfe fähig sind. Metallbearbeitung und -verarbeitung, Automation und Elektronik, Maschinen und Anlagen, Werkzeuge und Messtechnik, aber auch alle vor- und nachgelagerten Stationen der Wertschöpfungskette sind vertreten.
So weit, so gut, meine Damen und Herren,
aber was bleibt zu tun und woran muss Hamburg vorrangig mitwirken? Wir sind entschlossen, unseren Teil zur Energiewende beizutragen. Und die ist noch nicht vollzogen. Was den Strommix in Deutschland betrifft, müssen wir in den kommenden Jahren sehr dicke Bretter bohren, oder konkreter: sehr starke Leitungen legen, sehr viele Speicherkapazitäten schaffen, sehr intelligente Netze knüpfen, um den auf Deutschland begrenzten Atomausstieg auch wirklich zu realisieren und das heißt: ihn versorgungssicher, ökonomisch, sozial und klimaverträglich als Energiewende hinzubekommen.
Wir setzen vor allem auf die Windenergie. Da geht es um Hightech, es geht unmittelbar um die Kompetenz, moderne Technik in Deutschland im europäischen Rahmen zu entwickeln und anzuwenden.
Vor dem Hintergrund des immer intensiveren internationalen Wettbewerbs sind Innovationen der Schlüssel für wirtschaftliches Wachstum und die Sicherung von Wohlstand.
Hamburg steht in vielen Technologiefeldern schon weit vorn, so in der Luftfahrt, der Medizintechnik, den Materialwissenschaften oder den Green Technologies. Eine Clusterstrategie trägt wesentlich dazu bei, dass Hamburg bereits jetzt als Innovationsstandort vorzeigbar ist. Als nächstes wollen wir mit der Metropolregion die Innovationshauptstadt für Europa 2020 entwickeln. Mit Projekten wie dem InnovationCampus for Green Technologies und mit neuen Forschungs- und Innovationsparks werden wir einen weiteren Schritt in diese Richtung tun.
Konzeptionelle Grundlage dafür soll die Innovations-Allianz Hamburg werden, mit mehr als 160 Beteiligten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Institutionen und Verbänden. Wir wissen um die notwendigen Schritte, die Hamburg auf seinem Weg zu einer Innovationshauptstadt weiterbringen sollen.
Dazu gehört ein leistungsfähiges, transparentes und verständliches Fördersystem, das ein optimales Umfeld für die Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten schafft und mit hoher Beratungskompetenz verbindet.
Deshalb haben wir die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt zur Hamburgischen Investitions- und Förderbank weiterentwickelt, in der nun auch die neue Innovationsagentur angesiedelt ist. Sie verwaltet den Investitionsfonds, der, mit 30 Millionen Euro ausgestattet, die Innovationsförderung in Hamburg erheblich stärkt.
Der Wissenschaftsstandort Hamburg muss sich hinter keinem verstecken. Wir haben 19 staatliche und staatlich anerkannte Hochschulen und 9.000 Wissenschaftler und Künstler, die in unserer Stadt forschen und lehren. Natürlich sind das zunächst nur Zahlen, die nichts über Exzellenz aussagen. Aber das DESY kennt inzwischen jeder. Mit erheblichen Investitionen in die Modernisierung und den Ausbau der Forschungsinfrastruktur des DESY dort in Bahrenfeld, gleich neben dem Stadion des HSV, also mit Petra III, Flash, dem europäischen Röntgenlaser XFEL und so weiter haben wir Riesenschritte getan. Es hat eine gezielte Vernetzung mit anderen Einrichtungen am Standort stattgefunden, besonders mit der Universität, und das ist auch die Grundlage des Exzellenzclusters HCUI im Bereich der Strukturforschung. Und wir haben rings um das DESY gezielt neue Forschungseinrichtungen angesiedelt, die im Rahmen ihrer Arbeit die Möglichkeiten der Strahlungsquellen gezielt nutzen und weiterentwickeln: Center for Free-Electron Laser Science, Max-Planck-Institut für Strukturentwicklung, Zentrum für optische Quantentechnologie, CSSB.
Letzteres heißt Centre for Structural Systems Biology und macht besonders anschaulich, dass es längst nicht mehr nur um Physik geht, sondern dass jetzt mit life sciences auch der zweite Hamburger Forschungsschwerpunkt dort verortet ist und dass eine echte Verknüpfung mit den anderen Ressourcen, die bereits am Standort bestehen (HPI, BNI, UKE und EMBL), stattfindet.
Mittlerweile kann man in der Tat von einem echten Campus reden, der auch international für Aufsehen sorgt und renommierte Forscher aus aller Welt dauerhaft nach Hamburg zieht. Nach einer internen Einschätzung der US-Administration wird Bahrenfeld im Bereich der Strukturforschung mit der Inbetriebnahme des XFEL sogar Stanford hinter sich lassen.
Die genannte InnovationsAllianz Hamburg haben Ende 2008 Unternehmen, Hochschulen, Verbände und Senat gemeinsam ins Leben gerufen. Die Allianz vernetzt diese Partner in verschiedenen Zukunftsfeldern, dazu gehören: erneuerbare Energien, etwa mit Brennstoff¬zellen- und Wind-Energie-Technik, Materialwissenschaften, die Laser- und Nanotechnologie, die Meerestechnik und der gesamte Bereich der Mobilität und Logistik.
Übrigens: eine der zentralen Branchen Hamburgs ist die Medien- und IT-Wirtschaft. Die liegt uns besonders am Herzen und wenn wie gerade heute wieder in einer großen Qualitätszeitung vielen Meinungen Raum gegeben wird, die sich über den Wissenschafts- und Innovationsstandort Hamburg eher herablassend bis ätzend äußern, dann nützt das alles der Meinungsvielfalt in der polyphonen, und polyglotten Stadt.
In der arbeiten rund 110.000 Menschen in über 21.000 Unternehmen in der Medien- und IT-Wirtschaft. Das gilt für alle Ausdrucks- und Verbreitungsformen, von der klassischen Zeitung über Film, Fernsehen, die Werbebranche bis zu den Neuen und Ganz Neuen Medien, der digitalen Wirtschaft. Sie alle tragen erheblich zum Image und zur Bekanntheit Hamburgs bei. Wir haben Medienpolitik und -wirtschaft als eigenen Kernbereich im Senat etabliert und nicht von ungefähr ist Hamburg inzwischen als Start-Up-Standort bekannt. Unternehmen wie Xing, Quype oder Bigpoint haben hier die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Start gefunden. Mit nextMedia.Hamburg machen wir aktive Innovationsförderung auch in diesem Bereich.
Meine Damen und Herren,
eines will ich bei all dem nicht vergessen. Dass wir Hamburger heute in viel größerem Rahmen denken und kooperieren können, auch unser Tor zur Welt viel weiter öffnen können als vor dem Zusammenwachsen Europas, vor dem Verschwinden all der eisernen Vorhänge, Zäune, Zollgrenzen und Handelsschranken das ist ein unschätzbarer Fortschritt für uns.
Deshalb unser hartnäckiges Festhalten an der Überzeugung, dass im Europäischen Einigungsprojekt unsere Zukunft liegt. Schade übrigens, dass sich das im Rahmen einer Fußball-Weltmeisterschaft nicht beweisen lässt. Da muss ja jeder für sich kombinieren und Laufwege finden; bisheriges Ergebnis: sechs oder sieben von 13 europäischen Teams werden vorzeitig ausscheiden oder sind es schon. Damit müssen wir leben, das Reglement lässt keine Spielgemeinschaften zu; aber ökonomisch und politisch sollten wir schon kooperieren.
Der wirtschaftliche Aufbruch konnte nur gelingen durch den europäischen Aufbruch zur Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit, Reise- und überhaupt: Freiheit.
Wir haben eine Finanz- und Wirtschaftskrise durchgemacht, die noch lange nicht ausgestanden ist. Sie hat dazu geführt, dass insbesondere die Länder im Süden Europas schwierige Zeiten durchmachen müssen. Diese Krise und ihre Folgen zu bewältigen, wird Zeit brauchen, Jahre, vielleicht Jahrzehnte. Die Staaten Europas schaffen das nur gemeinsam. Wir brauchen alle und dürfen niemanden zurücklassen. Ich versichere ihnen: Was in Brüssel, Madrid, Lissabon, Rom oder Athen geschieht, interessiert uns in Deutschland ebenso sehr wie aktuelle Ereignisse in unserem eigenen Land.
Der Euro ist nicht irgendein Zahlungsmittel, er ist weit mehr als nur eine gemeinsame Währung. Er ist unsere Währung, so wie die D-Mark unsere Währung war. Er ist einer der bislang größten Meilensteine der Europäischen Integration und eine Erfolgsgeschichte. Dass wir dazu beitragen, die Eurozone beieinander zu halten, und dass wir in Schwierigkeiten geratene Länder nicht im Stich lassen, ist keine generöse Tat. Es ist alternativlose Solidarität, die der Euro-Familie insgesamt nützt.
Deshalb brauchen wir eine konstitutionelle Verankerung des Schuldenabbaus in allen Euro-Ländern. Vielleicht können wir, in aller Bescheidenheit, in Deutschland, auch in Hamburg demonstrieren, dass wir selber es mit der Schuldenbremse auch ernst meinen. Die derzeit aufgeregte Stimmung in unserer Stadt ist auch auf die Ankündigung zurückzuführen, dass wir ab 2017 bereits Schulden zurückzahlen wollen. Noch mag es kaum jemand glauben, aber es ist ein erreichbares Ziel geworden.
Meine Damen und Herren,
zum Schluss noch einmal zu Émile de Girardin und zum Thema Innovation. Von einer solchen Einrichtung, wie es heute zum Beispiel die Prognos AG ist, konnten auch weitsichtige Männer im 19. Jahrhundert nur träumen. Girardin war anfangs keiner; ihm blieb nur das allmähliche Sammeln von Erfahrungen, ohne das auch heute kein Ingenieur, kein Wirtschaftsfachmann, kein Journalist und kein Politiker auskommt. Girardin wurde mit zunehmendem Alter klüger, erfolgreicher und politisch weiser. Am Ende war er überzeugter Republikaner und trug zum Sturz einer reaktionären Regierung bei.
Die Unterstützung durch sorgfältig erhobene und kommentierte Daten, die wir inzwischen den Wirtschaftsforschern verdanken, entzieht uns heute eigentlich jede Entschuldigung für kurzsichtiges und falsches Handeln. Sorgfältige Wirtschaftsforschung, gutes Nachdenken plus eine gewisse Demut, die uns sagt, dass wir trotzdem nur bedingt in die Zukunft sehen können das zusammen wünsche ich mir.
Und Ihnen noch einen inhaltsreichen Tag in Hamburg.
Es gilt das gesprochene Wort.