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24.02.2014

Rede zum Senatsempfang "Wohnungsbau"


Meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

 

ich begrüße Sie alle hier im Festsaal unseres Hamburger Rathauses, und ich freue mich, dass Sie so zahlreich der Einladung gefolgt sind, die wir ausgesprochen haben. Wir haben Sie zu diesem Empfang eingeladen, weil wir uns völlig klar darüber sind, dass ohne Sie, Ihre Arbeit und Ihr Engagement alle unsere Pläne nicht viel wert wären. Und die Pläne, die wir für unsere Stadt Hamburg haben, die die Bürgerinnen und Bürger auch bestellt haben, sind sehr weit reichend. Es geht darum, den vorgefundenen Mangel von 30.000 bis 40.000 Wohnungen in der Stadt Stück für Stück abzuarbeiten. Es geht darum, dafür Sorge zu tragen, dass all diejenigen, die in unserer Stadt leben wollen, auch eine für sie angemessene Wohnung finden können. Diese Wohnung soll bezahlbar sein insbesondere für diejenigen, die ein sehr geringes Einkommen haben. Dieses Ziel zu erreichen, ist eine riesige Herausforderung. Eine Herausforderung, die Sie und die wir gemeinsam bewältigen müssen. Denn wir in Hamburg planen nicht mehr auf der grünen Wiese, sondern wir planen in einer bereits gebauten Stadt.

 

Dass wir diesem Ziel ein gutes Stück näher gekommen sind, können wir an den Zahlen feststellen, die wir ermittelt haben. Tatsächlich ist in Hamburg seit 2011 der Bau von rund 25.000 neuen Wohnungen genehmigt worden. Das ist eine große, große Zahl, und das ist ein Erfolg Ihrer Arbeit. Wir dürfen hoffen, dass sich die Zahlen im laufenden Jahr ähnlich positiv entwickeln. Wenn die Entwicklung so weiter geht, werden wir zum Ende dieses Jahres Genehmigungen für über 30.000, vielleicht sogar für über 35.000 neue Wohnungen erteilt haben. 35.000 - das ist dann genau die Zahl der fehlenden Wohnungen in Hamburg, die im Jahr 2011 festgestellt und beklagt wurde.

 

Was wir allerdings nicht vergessen dürfen: Seit 2011 sind drei Jahre ins Land gegangen. Und in diesem Zeitraum sind viele weitere, neue Einwohner in unsere Stadt gekommen. Der Zuzug in die Städte wird sich fortsetzen. Deshalb dürfen wir bei unseren Bemühungen um mehr Wohnraum in Hamburg nicht nachlassen. Ich habe deshalb in der Hamburgischen Bürgerschaft kaum ein Ort eignet sich besser gesagt: Wir werden mit dem Wohnungsbau in Hamburg nie wieder aufhören. Das gilt.

 

Meine Damen und Herren,

 

dass unser großes Vorhaben offenbar gelingt, ist Ihr Verdienst. Es ist das Verdienst derjenigen, die Bebauungspläne aufstellen und mitverhandeln, derjenigen, die Grundstücke bereitstellen und zum Kauf anbieten, derjenigen, die Baugenehmigungen erteilen und vieler, vieler anderer in den vielen Behörden der Stadt und in den Bezirksämtern. Sie alle haben sich dieser Aufgabe angenommen. Sie alle haben sich im Sinne unseres gemeinsamen Zieles engagiert und sie haben für die Dynamik gesorgt, die beim Wohnungsbau jetzt zu beobachten ist. Ja, wenn sich ein Tanker in Bewegung setzt, dauert das ein bisschen, bis er Geschwindigkeit aufgenommen und sein Tempo erreicht hat. So weit sind wir jetzt, und dieses Tempo wollen wir beibehalten.

 

Viele, die über die Zukunft unserer Stadt diskutieren, haben dieses Tempo und diese Erfolge unserer Initiative nicht für möglich gehalten. Als vor einigen Jahren verkündet wurde, unser Ziel sei, dass wir 6.000 Wohnungen im Jahr bauen, haben viele das für zu ehrgeizig und für zu hoch gegriffen gehalten. Ich erinnere mich an Debatten des Jahres 2010, in denen diese Skepsis mit fachmännischer Miene so geäußert wurde. Heute können wir feststellen: 2014 wird es wohl gelingen, dass wir allein in diesem einen Jahr 6.000 neue Wohnungen fertiggebaut bekommen. Alle Zahlen, die wir kennen, sprechen dafür. An mehr als 11.000 Wohnungen in Hamburg wird derzeit gebaut.

 

Eine Weile hieß es in den Diskussionen über Wohnungsbau in Hamburg, die vielen Baugenehmigungen würden an der Misere nichts ändern, denn es werde ja genauso viel abgerissen wie neu gebaut. Wir haben nachgefragt. Ergebnis: Im Jahr 2012 sind etwas mehr als 600 Wohnungen abgerissen worden. Das entspricht der Annahme, die ich hatte, als ich sagte, wir wollen die Zielzahl 6.000 Wohnungen pro Jahr erreichen.

 

Das nächste skeptische Argument hieß, die erteilten Baugenehmigungen würden an der Misere nichts ändern, weil aus all diesen Baugenehmigungen nicht zwingend auch Wohnungen würden. Also haben wir - insbesondere mit Ihrer Hilfe - in den Bezirken nachgezählt. Und nun stellen wir fest: Nach zwei Jahren sind aus über 70% der erteilten Wohnungsbaugenehmigungen Wohnungs-Baustellen geworden. Man kann davon ausgehen, dass binnen drei Jahren praktisch alle beantragten Wohnungen auch errichtet worden sind - oder sich in den letzten Phasen vor ihrer Fertigstellung befinden. Das ist auch nachvollziehbar. Denn wer Geld, Zeit und Mühe aufwendet, um eine Baugenehmigung zu erhalten, der hätte ja sein gesamtes Investment fehlgeleitet, wenn er hinterher aus der erteilten Genehmigung nichts macht. Das alles zeigt: Wir sind auf einem guten Weg.

 

Warum erzähle ich das? Auch, weil man gemeinsam auf diese Gesamtergebnisse stolz sein kann. Wir haben miteinander geschafft, eine Bewegung hin zu mehr Wohnungsbau zustande zu bringen, die in Deutschland einmalig ist. Grundlage dafür ist zum Beispiel auch die Zusammenarbeit mit den Bezirken. Wir haben einen Vertrag über die Zahl der zu bauenden Wohnungen geschlossen, und jeder kennt diese Zahlen und weiß, welche Aufgaben sich aus diesen Zahlen ableiten. Das hat aber niemanden bedrückt, sondern zu einem großen Engagement und zu viel Dynamik geführt. Und ich bin sehr froh darüber, dass diese festgelegten Zahlen nicht nur erreicht, sondern auch übertroffen werden. Wir haben ein Bündnis für das Wohnen geschlossen - mit der Wohnungswirtschaft, den Mieterverbänden und vielen anderen. Gerade hat uns eine Zeitung des Immobilienmanagements dafür ausgezeichnet. Wie bei der Vereinbarung mit den Bezirken haben wir auch mit Blick auf die Wohnungswirtschaft auf Kooperation gesetzt. Das Umfeld mag hin und wieder schwierig sein. Aber wir waren immer überzeugt, dass es trotz dieser Schwierigkeiten am Ende gelingt, unsere Ziele zu erreichen. Sie, meine Damen und Herren, haben das möglich gemacht. Sie haben mit Ihrer Arbeit bewiesen, dass sich eine zugegeben ambitionierte These bewahrheiten lässt.

 

Wenn wir über Hamburg diskutieren, ist es ganz wichtig,dass wir eine klare Vorstellung davon haben, wie sich diese Stadt entwickeln soll. Meine Vorstellung ist, dass es immer eine sozial gemischte Stadt bleibt. Dass es also keine Trennung der Stadt in Stadtteile auf der einen Seite gibt, in denen nur Bürgerinnen und Bürger mit sehr hohen Einkommen leben und Stadtteile auf der anderen Seite, in denen nur diejenigen mit wenig Geld zu Hause sind. In dem Hamburg, das wir lieben und das wir schätzen gelernt haben, hat es immer Stadtteile gegeben mit vielen Einwohnern, die wenig verdienen, aber auch manchen, denen es wirtschaftlich ziemlich gut ging. Und es hat immer in den Stadtteilen, wo viele sehr viel verdienen, auch Bewohnerinnen und Bewohner gegeben, die nur über ein geringes Einkommen verfügen. Das macht die Qualität der Stadt aus, wenn wir die Vorstellung haben, dass sie nicht eingeteilt ist in gated Communities, in abgesperrte Bezirke oder nach Einkommensgruppen separierte Stadtteile. Wir wollen eine gemischte Stadt, in der man miteinander lebt - unabhängig vom Einkommen. Diesen Charakter, diese Eigenschaft Hamburgs zu erhalten, ist eine wichtige Aufgabe. Denn wir wissen von sehr schönen Städten weltweit, deren großer Stadtkern de facto nur noch für Bürgerinnen und Bürger mit sehr hohen Einkommen zugänglich ist. In Paris zum Beispiel könnte sich von uns hier im Saal kaum jemand eine Wohnung in näherer Umgebung zum Stadtkern leisten. Ähnliches gilt für London oder für Buenos Aires. Wenn wir aber nicht wollen, dass unsere Städte entmischt werden, wenn wir nicht wollen, dass nur noch wohlhabende Bürgerinnen und Bürger in diesen Städten ein schönes Leben genießen können, während alle anderen weite Wege in Kauf nehmen müssen, um am Stadtleben teilzunehmen wenn wir das nicht wollen, dann müssen wir alles dafür tun, dass die Mischung in unserer Stadt Hamburg, in diesem europäischen Modell von Stadt auch erhalten bleibt.

 

Ein wichtiger Beitrag dazu ist, dass wir auf den sozialen Wohnungsbau setzen. Wieder, muss man ausdrücklich sagen, denn es wurde in der Vergangenheit ja auch schon die Ansicht vertreten, der soziale Wohnungsbau sei eine Sache der sechziger Jahre, die man heute besser nicht mehr aufgreife. Aber jetzt, wo die Zahl der Sozialwohnungen in der Stadt zurückgeht, jetzt, wo viele neue Wohnungen gebaut werden, ist es wichtig, dass wir beim Neubau auch immer für viele solcher geförderten Wohnungen sorgen. Auf zwei Weisen versuchen wir, diese Mischung durchzusetzen. Erstens: Als Verkäufer städtischer Immobilien bestehen wir darauf, dass - wenn wir ein Grundstück verkaufen und es eine bestimmte Größenordnung hat - immer ein Drittel geförderter Wohnungen errichtet werden. Wir berücksichtigen das beim Preis unter dem Stichwort Konzeptausschreibung.

 

Zweitens: Wir setzen unsere Instrumente als Planungsautorität ein. Wenn jemand bisher nur 50 Wohnungen bauen kann, aber 150 bauen will, haben wir die Kompetenz zu sagen: Das ist eine gute Sache. Aber ein Drittel davon sollen geförderte Wohnungen sein. Und auf diese Weise ist es gelungen, dass allein im letzten Jahr - wie von uns angestrebt - tatsächlich 2.000 neue Sozialwohnungen in Hamburg entstanden sind. Auch das ist ein Spitzenwert in Deutschland, auf den alle in diesem Raum sehr stolz sein dürfen. Er ist nicht zustande gekommen durch einen Federstrich des Bürgermeisters und der Bausenatorin oder des Staatsrats. Er ist zustande gekommen in vielen Einzelentscheidungen, nachdem mühselig immer wieder neu argumentiert, diskutiert und am Ende entschieden worden ist.

 

Mir hat die Bausenatorin vor wenigen Tagen ein Bild geschildert, das in ihrer Behörde existiert. Es ist das Bild eines großen Stadtplans von Hamburg, wo überall dort kleine Stecknadeln stecken, wo jetzt Sozialwohnungen gebaut werden. Und anders als früher, zu Zeiten der großen Wohnungsbauoffensiven der fünfziger, sechziger und der beginnenden siebziger Jahre findet man heute überall auf dem Hamburger Stadtplan diese Stecknadelköpfe. Man kann sehen, wie eine sozial gemischte Stadt Stück für Stück wieder entsteht. Und ich glaube, das ist etwas, was notwendig ist, wenn wir die Qualität des Zusammenlebens in unserer Stadt Hamburg aufrechterhalten und sicherstellen wollen. Das Bild in der Stadtentwicklungsbehörde, der große Stadtplan, er markiert eine gute Entwicklung.

 

Welche Aufgaben haben wir in der Zukunft? Wie schaffen wir eine gemischte Stadt, eine wachsende Stadt und eine Stadt, die attraktiv ist für viele Bürgerinnen und Bürger? Auf jeden Fall müssen wir uns zutrauen, dass wir das Tempo halten, das wir gewonnen haben. Denn sonst würden wir das Modell einer Stadt gefährden, die sich für alle öffnet.

Hamburg hat was nicht alle wissen - bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts an den Stadttoren ein Sperrgeld erhoben. Wer kein echter Hamburger war und nach einer bestimmten Uhrzeit in die Stadt hinein oder aus ihr heraus wollte, musste Gebühren zahlen. Dieses Sperrgeld ist Geschichte. Heute müssen wir verhindern, dass neue, subtile Formen von Mauern, Gräben und Sperren rund um die Stadt entstehen. Wenn eine Familie es zum Beispiel für unrealistisch hält, bei der Wohnungssuche erfolgreich zu sein, bleibt ihr die Stadt als Ort zum Leben verschlossen. Deshalb darf unser Engagement beim Wohnungsbau nicht erlahmen. Deshalb müssen wir dazu beitragen, dass es eben keine Barrieren, keine neuen Wälle um unsere Stadt Hamburg gibt, die unüberwindbar sind. Wir müssen dafür sorgen, dass die Stadt offen ist für diejenigen, die in ihr ihr Glück finden wollen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe.

 

Bisher haben wir diese Aufgabe miteinander sehr gut bewältigt. Sie haben zu unserem Erfolg maßgeblich beigetragen. Ich danke Ihnen also - ich will es ausdrücklich sagen - für Ihr Herz und dafür, dass Sie Ihre Arbeit nicht nur als Pflicht begreifen, sondern sich ein großes gesellschaftliches Anliegen zur eigenen Sache gemacht haben. Ich bin sehr optimistisch, dass wir auch in der Zukunft erfolgreich sein werden. Vielleicht werden wir in Hamburg ein Beispiel für viele andere, wenn wir beweisen, dass das Wachstum der Städte gelingt - mit hoher Lebensqualität, mit hervorragenden sozialen Einrichtungen, einer guten Infrastruktur und einem guten öffentlichen Nahverkehr, aber auch mit guten Wohnlagen überall in der Stadt, für alle mit allen Einkommensverhältnissen.

Dazu werden wir uns auch neu auseinandersetzen müssen mit dem Thema, das ein Buch mit Gentrifidingsbums bezeichnet hat. Natürlich, Stadtteile, die vor vielen Jahren unattraktiv waren, können durch eine veränderte Bevölkerungsstruktur plötzlich attraktiv und manchmal auch zu teuer werden. Manche mag das nicht betreffen. Andere aber empfinden das als Problem, obwohl sie sich heute als sicher empfinden, weil sie eine Wohnung haben. Aber es ist die fiese Konsequenz einer nicht konsequenten Wohnungsbaupolitik, dass es eben irgendwann fast jeden treffen kann. Weil Wohnungsmangel die Preise oder Mieten immer weiter in die Höhe treibt, bis sie sich schließlich nicht einmal mehr die Besserverdienenden leisten können. Diese Eskalation darf nicht passieren, und deshalb müssen wir es hinbekommen, dass in unserer Stadt der Wohnungsbau engagiert verfolgt wird.

 

Wir haben viel getan, um den Mietern zu helfen. Wir haben die Mietpreissteigerung für die ganze Stadt auf 15 % begrenzt. Wir haben viele zusätzliche soziale Erhaltenssatzungen erlassen. Wir haben Umwandlungsverbote erlassen, die es erschweren, aus Mietwohnungen Eigentumswohnungen zu machen. Ich sage aber auch ganz klar: All diese richtigen Schritte und Initiativen werden nicht helfen, wenn wir nicht parallel beim Wohnungsbau weiter gut vorankommen. Er muss unsere zentrale Aufgabe bleiben.

 

Meine Damen und Herren,

 

es ist doch etwas Besonderes, in einer Stadt zu leben, die sich nicht mit den Problemen vieler anderer Städte herumzuschlagen hat: massenhaft leer stehende Häuser, fallende Immobilienpreise, sinkende Arbeitsplatz- und Bevölkerungszahlen, weniger junge Leute. Bei uns ist das alles genau umgekehrt. Und diese Tatsache mit allen Herausforderungen, die sich daraus ergeben - sollten wir nicht als Bedrohung begreifen, sondern als Glück. Dass das mit diesem Glücksgefühl klappt, das hängt an Ihnen. Ich wünsche ich Ihnen weiter viel Erfolg.

 

Schönen Dank.

 

Bearbeitete Fassung einer frei vorgetragenen Rede.