arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

21.02.2014

Rede zur Eröffnung des Matthiae-Mahls

Matthiae-Mahl 


Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
  sehr geehrter Herr Außenminister,
sehr geehrte Frau Präsidentin
     der Hamburgischen Bürgerschaft,

sehr geehrter Herr Präses,

sehr geehrter Herr Kollege Albig,
sehr geehrte Frau Ministerin Spoorendonk
sehr geehrter Herr Doyen,
geehrte Mitglieder des Konsularischen
     und Diplomatischen Korps,
sehr verehrte Ehrenbürgerin,
     sehr geehrte Ehrenbürger,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

zum Convivium eines Ehrbaren Rates dem traditionsreichsten noch begangenen Gastmahl der Welt begrüße ich heute als Ehrengäste die Ministerpräsidentin des Königreichs Dänemark, Frau Helle Thorning-Schmidt,
und  den Außenminister der Bundesrepublik  Deutschland, Dr. Frank Walter Steinmeier.

Ich freue mich sehr über beide Ehrengäste, und was den Bundesaußenminister betrifft, werden wir seine Ankunft gleich alle mit Erleichterung begrüßen mit vorsichtiger Erleichterung, vor dem Hintergrund der allerneuesten Nachrichten aus Kiew, die Sie inzwischen kennen und die ein hoffentlich nachhaltiges Ende des Blutvergießens der vergangenen Tage eingeläutet haben.

 

Frank-Walter Steinmeier ist noch heute Morgen in Kiew gewesen und hat mit seinen Kollegen aus Polen und Frankreich mit dem ukrainischen Präsidenten um Lösungen gerungen, offenbar nicht ohne Erfolg. Er wird uns sicher nachher über den aktuellen Stand authentisch berichten können.

Meine Damen und  Herren,

 

Seit dem Jahr 1356 ist das Matthiae-Mahl historisch belegt. Wenn wir uns heute immer noch jährlich zu diesem Mahl treffen, dann haben sich die Vorzeichen dafür im Laufe der Jahrhunderte doch erheblich verändert.

 

Damals, im ausgehenden Mittelalter, war Europa zersplittert und verfeindet. Jahrhunderte erbitterter Nachbarschaftskriege und Auseinandersetzungen lagen damals noch vor unseren Ahnen.

 

Doch schon damals waren die großen Städte als Handelsplätze immer auch Orte der Begegnung zwischen Kulturen. Und sie waren Schmelztiegel unterschiedlicher Traditionen und Herkunft.

 

Während ein Philosoph wie Johann Gottfried Herder noch im 17. Jahrhundert Kulturen als Kugeln begriffen hat, die nur in der Lage seien, einander zu stoßen, ohne in einen echten Austausch zu kommen, war die Alltagserfahrung der Städte schon immer eine andere:

Hier hat der Austausch zwischen den Kulturen nicht nur gezwungener Maßen stattgefunden, sondern dieser Austausch war die Grundlage von Freiheit und Wohlstand.

 

Deshalb sind in den Städten schon früh zivilisierende Rituale entwickelt worden, die nicht nur den Aufprall zwischen den kulturellen Kugeln mindern sollten, sondern gleichsam Keimzelle neuer Gemeinsamkeit waren. So wie unser heutiges Mahl.

 

In Hamburg kommt die Besonderheit hinzu, dass ein Teil der heutigen Stadt, meine heutige Heimat Altona, früher über Jahrhunderte hinweg unter dänischer Herrschaft stand. Bis weit in das 19. Jahrhundert war Altona nach Kopenhagen  sogar die zweitgrößte Stadt des dänischen Gesamtstaates. Und als sehr viel später, gegen Ende des 20. Jahrhunderts in einer Fußball- Europameisterschaft, Red and White / Danish Dynamite Europa begeisterte, waren einige Straßenzüge in Altona dänisch beflaggt sogar unmittelbar am Friedhof mit dem Grabdenkmal von Matthäus Friedrich Chemnitz, dem Patrioten und Dichter des Liedes Schleswig-Holstein, meerumschlungen.

Was er von dem aus England gekommenen Spiel gehalten hätte, wissen wir nicht. Aber immer wieder von Neuem erwähnenswert und begeisternd finde ich, dass Dänemark und die Bundesrepublik Deutschland nach 1945 so bald und so nachhaltig aneinandergerückt sind und die bitteren Feindseligkeiten des 19. und 20. Jahrhunderts begraben konnten.

Nochmal willkommen, Helle Thorning-Schmidt!

 

Die Besonderheit unserer deutsch-dänisch-europäischen Stadt zeigt einerseits, wie eng verwoben Europa immer schon gewesen ist. Sie zeigt aber andererseits auch, wie selbstverständlich Kulturen zusammenwachsen können.

Es ist diese Tradition der Hinwendung zueinander, in der wir bis heute zum Matthiae-Mahl zusammen kommen.

 

Wir tun das als Freunde, die gemeinsame Traditionen ebenso teilen wie gemeinsame Überzeugungen und Interessen.

 

Dieses Mahl ist daher bis heute ein Ort des Austauschs und der Sinnstiftung: Vor zwei Jahren war der Präsident der Europäischen Kommission zu Gast, im letzten Jahr der Premierminister Frankreichs. An beiden Abenden stand wie heute die Frage im Mittelpunkt, wie wir den Prozess des europäischen Zusammenwachsens sichern und fördern können. Ich bin sehr gespannt auf die Antworten, die uns die dänische Ministerpräsidentin und der deutsche Außenminister, über dessen  Anwesenheit heute ich mich ganz besonders freue, uns dazu gleich geben.

 

In diesem Jahr ist das übrigens eine Frage, die auch wegen der Europawahl am 25. Mai von besonderer Bedeutung ist. Ich habe in diesem Zusammenhang eine herzliche Bitte an alle Hamburgerinnen und Hamburger hier im Saal:

 

Helfen Sie mit, dass wir bei dieser Europawahl nicht mehr eine so geringe Wahlbeteiligung verzeichnen. Das passt so gar nicht zu unserer europäischen und europafreundlichen Stadt.

 

Und da auch viele wichtige Medienmacher heute Abend zu Gast sind, gleich noch eine zweite Bitte: Helfen Sie mit, dass wir eine Öffentlichkeit für europäische Themen bekommen, in der Europa in seiner Bedeutung sichtbar wird. Eine gesamteuropäische Öffentlichkeit wird noch lange ein Traum bleiben, aber es muss uns gelingen, anders über Europa zu reden. Pragmatischer und damit zugleich auch relevanter. Dazu brauchen wir eine kritische, klischeearme Berichterstattung.

 

Wichtig ist aus meiner Sicht, dass es uns gelingt, über Europa als Europäer zu sprechen.

Ich weiß, dass das schwierig ist, weil die Zuhörer ja auch meistens immer nur in einem Land sitzen, aber ich bin überzeugt, dass uns eine Grenzen überschreitende europäische Öffentlichkeit nur gelingen wird, wenn wir aus unseren jeweiligen Ländern heraus das europäische Ganze im Blick haben. Erst die Thematisierung Europas als Europa schafft die Grundlage für ein europäisches Bewusstsein. Und das brauchen wir, um durch diese schwierige Zeit für die Union zu kommen.

 

Gelegenheiten für ein solches ehrliches und konstruktives Gespräch über Europa gibt es viele. Und diese Gelegenheiten haben oft auch direkt mit unserer Stadt zu tun. So etwa bei der entstehenden Bankenunion, die wir dringend benötigen, die aber gleichzeitig für Banken bei uns in der Stadt eine Aufsicht durch die Europäische Zentralbank mit sich bringt.

In der Vergangenheit war es etwa der Europäische Fiskalpakt, über dessen konkrete Implementation in Deutschland wir mit der vorigen Bundesregierung intensiv gerungen haben und bei der der deutsche Bundesrat mit den Stimmen Hamburgs den europäischen Vereinbarungen zugestimmt hat.

Ich nehme an, dass unsere beiden Ehrengäste ihre eigenen Gedanken zu den Herausforderungen haben, denen sich Europa gegenübersieht, daher will ich es bei diesen wenigen Spiegelstrichen belassen.

 

Meine Damen und Herren,

 

der europäische Einigungsprozess hängt eng mit der Frage zusammen, wie wir friedlich Grenzen überwinden können, die Jahrhunderte alt sind.

Damit das an vielen Orten schon gelingen konnte, musste sich zunächst die Wahrnehmung vermeintlicher kultureller Differenzen verändern:

Heute sehen wir Kulturen nicht mehr als einander abstoßende Kugeln, sondern als

Netzwerke, die sich im Alltag beinahe unentwirrbar miteinander verweben.

Und wir wissen, dass die großen Wanderungsbewegungen der letzten Jahrhunderte nicht möglich gewesen wären, wenn man dabei von Kugel zu Kugel hätte springen müssen.

Beinahe jeder dritte Bürger Hamburgs ist entweder selbst zugewandert oder hat Vorfahren, die aus dem Ausland nach Hamburg gekommen sind.

 

Frauen, Männer und Kinder aus 185 Nationen leben in unserer Stadt. Sie sind gekommen in der Hoffnung, hier ihr Leben weiter verbessern zu können. Sie sind Teil Hamburgs geworden und tragen zur Vielfalt und Lebenswürdigkeit bei.

 

Angesichts solcher gemeinsamer Erfahrungen ist es wenig sinnvoll, davon auszugehen, dass es ein kulturelles Innen und Außen entlang einer fest zu bestimmenden Trennlinie geben könnte.

Das Bewusstsein der Gemeinsamkeit entsteht im Alltag immer wieder neu und dabei verändert es sich auch immer wieder.

Und wir laden in Hamburg alle ein, sich zu dieser Gemeinsamkeit zu bekennen und sie mitzugestalten. Allein im vergangenen Jahr sind 7.329 Frauen, Männer und Kinder eingebürgert worden. Damit haben wir die höchste Einbürgerungsrate unter allen 16 Bundesländern und eine doppelt so hohe Rate wie etwa Bayern oder Berlin.

In diesem Saal, in dem wir heute sitzen, feiern wir dann übrigens die neuen Staatsbürger.

Das ist jedesmal eine sehr berührende Staatsaktion.

Meine Damen und Herren,

 

es reicht aber nicht aus, die mentalen Barrieren einzureißen.

Das Verschwinden der Grenzen muss auch politisch, wirtschaftlich und letztlich räumlich erfahrbar werden. Das zu ermöglichen, ist vielleicht das größte Verdienst der manchmal ja auch nicht unanstrengenden Zusammenarbeit in der Europäischen Union.

 

Politisch stehen wir somit auch in Dänemark und Deutschland in der Verantwortung, die Grenzen durch gemeinsame europäische Projekte noch durchlässiger zu machen.

Ein solches gemeinsames Projekt ist die STRING-Partnerschaft, die neben der schwedischen Region Schonen auf deutscher Seite Schleswig-Holstein und Hamburg umfasst und in Dänemark Seeland, die Hauptstadtregion und die Stadt Kopenhagen. Die Kooperation in Bereichen wie Infrastruktur, grünem Wachstum, der Wissenschaft, dem Tourismus und der Kultur zeigt dabei schon heute gute Ergebnisse.

 

Hier bei uns und Torsten Albig weiß besonders gut, wovon ich spreche , hier bei uns in Norddeutschland und Dänemark, besonders aber vor unseren Küsten, entscheidet sich zum Beispiel mit der offshore erzeugten Windkraft das Schicksal unserer ambitionierten Energiewende. Dafür setzen wir uns gemeinsam in Berlin und in Europa ein.

 

Das Widerlager dieser konkreten Bemühungen der Annäherung ist sicherlich die feste Fehmarn-Belt-Querung. Ich bin mir mit meinem Kollegen Frank Jensen, dem Bürgermeister Kopenhagens einig, dass es in der Zukunft möglich sein sollte, in zweieinhalb Stunden mit dem Zug von Hamburg nach Kopenhagen zu kommen. Unsere dänische Nachbarmetropole wäre dann übrigens schneller zu erreichen als etwa Köln oder Frankfurt.

 

Damit das funktioniert, brauchen wir die Hilfe der Bundesregierung und unserer Nachbarn in Schleswig-Holstein ebenso wie die Unterstützung der dänischen Regierung. Es ist deswegen schön, dass Sie alle hier sind.


Die feste Querung wird dazu führen, dass der Austausch im alltäglichen Leben noch einmal enger werden wird. Davon wird nicht nur der Norden, sondern ganz Europa profitieren. Denn Nordeuropa ist heute schon ein ganz wichtiger Motor des wirtschaftlichen Wachstums auf unserem Kontinent.

 

Wie sehr solche Generationenprojekte die Geografie verändern, zeigt der Erfolg der Øresundbrücke, die schon heute Kopenhagen und Malmö zu einem europäischen Großraum hat verschmelzen lassen.


Meine Damen und Herren,


auch das ist mir wichtig: wenn es Europa gelingt, Grenzen und Barrieren im Inneren einzureißen und dadurch enger zusammenzuwachsen, dann muss es darauf achten, dass es nicht umso höhere Grenzwälle um das größere Ganze errichtet.

 

Europa hat es geschafft, im Inneren Frieden und Wohlstand zu sichern. Die europäischen Staaten sind einander gute Nachbarn.

Hamburg jedenfalls wird seine Geschichte als offene, der Welt zugewandte Handelsmetropole in diese Diskussion auch künftig einbringen. Das zentrale Leitmotiv der europäischen Einigung der letzten Jahrzehnte ist schließlich die friedliche Überwindbarkeit ehemals trennender Grenzen.

 

Schönen Dank!

 

Es gilt das gesprochene Wort.