Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
willkommen im Festsaal des Rathauses, dem größten und schönsten unserer Empfangsräume. Und willkommen in Deutschland!
Das mag zunächst seltsam klingen, weil Sie schon länger, manche von Ihnen sogar seit Jahrzehnten in diesem Land leben. Gleichwohl kommen Sie heute in gewisser Weise noch einmal neu an. Denn eine Einbürgerung bedeutet weit mehr als nur die Änderung des Status. Es ist Ihr ganz persönliches Ja zu einer Gemeinschaft. Und es ist das Ja der Gemeinschaft zu Ihnen.
Das ist wahrlich ein Anlass, im schönen Festsaal zu feiern. Ich freue mich sehr, dass Sie so zahlreich gekommen sind. Das gilt ganz besonders auch für die Kinder und Jugendlichen. Schön, dass ihr hier seid! Schaut euch alles genau an in eurem Rathaus und genießt dieses Fest zu euren Ehren! Dieser Tag wird euch gewiss gut in Erinnerung bleiben, und ich könnte mir vorstellen, dass ihr später einmal gerne an diesen 17. November 2014 zurückdenken werdet.
Liebe Neubürgerinnen und Neubürger,
wenn ich Sie heute so begrüßen darf, dann stehen im Hintergrund ganz individuelle Lebensgeschichten und Entscheidungsprozesse. Einige werden ihre Einbürgerung zielstrebig verfolgt haben, andere mögen erst einmal gezögert und gezweifelt haben und taten sich schwer mit diesem Schritt. Das verstehe ich gut, schließlich sind da einige Hürden zu überwinden innere Hürden und auch äußere, zum Beispiel das Erlernen der deutschen Sprache.
Umso bedeutsamer ist der Schritt, den Sie gegangen sind. Der Schriftsteller Franz Kafka hat das einmal sehr passend auf den Punkt gebracht: Je länger man vor der Tür wartet, desto fremder wird man, hat er geschrieben.
Mit Fremdheitsgefühlen kannte Kafka sich aus. Das lag unter anderem an seiner Herkunft: In seiner tschechischen Heimatstadt Prag gehörte er zu einer Minderheit, deren Muttersprache Deutsch war. Daneben sprach Kafka trotzdem fließend Tschechisch.
Ich finde es interessant, wie viele bedeutende deutschsprachige Schriftsteller unserer Zeit eine Einwanderungsgeschichte haben: zum Beispiel Terézia Mora aus Ungarn oder Saa Staniić aus Bosnien-Herzegowina beide sind unter anderem Träger des Leipziger Buchpreises. Oder die aus Rumänien stammende Nobelpreisträgerin Herta Müller. Ähnliches gilt für den deutschen Film. Die Erfolgskomödie Fack ju Göhte verdanken wir dem deutsch-türkischen Autor und Regisseur Bora Dağtekin, und die Altonaer sind schon lange stolz auf ihren berühmten Filmemacher Fatih Akın.
An unseren Künstlern können wir beobachten, was der Berliner Migrationsforscher Mark Terkessidis mit Blick auf Migration eine Normalerfahrung nennt. Die Entwicklung der Hamburger Einwohnerschaft bestätigt das: In unserer Stadt hat inzwischen fast jedes zweite Kind eine Zuwanderungsgeschichte. Da hinkt manche gesellschaftliche Debatte etwas hinterher. Die Hamburger Einbürgerungs-Initiative unterstützt deshalb diese Entwicklung, die wir ausdrücklich begrüßen.
Wir freuen uns, dass sich die Zahl der jährlichen Einbürgerungen seit 2009 verdoppelt hat. Wir empfinden es als Bestätigung, dass Sie sich auf Ihrer Suche nach einer neuen Heimat für Hamburg entschieden haben.
Hamburg versteht sich als Ankunftsstadt. Die Dynamik von Ankunft und Abreise prägt seit jeher unser Lebensgefühl. Viele Einwanderer bringen ein Grundgefühl der Zuversicht mit. Sie vertrauen darauf, dass sie in Hamburg ihren Weg und ihren Platz finden werden, und ich bin überzeugt davon, diese Zuversicht ist berechtigt.
Der Hamburger Senat betreibt eine moderne, zukunftsweisende Einwanderungs- und Integrationspolitik. Wir haben uns für den Wegfall der Optionspflicht für junge Erwachsene mit doppelter Staatsbürgerschaft stark gemacht. Jugendliche, die kein Asyl erhalten haben, aber vorläufig geduldet sind, sollen in Zukunft einen Aufenthaltsstatus erwerben, wenn sie einen Schulabschluss machen. Wir setzen uns auch dafür ein, dass ausländische Bildungsabschlüsse anerkannt werden.
Bildung ist für alle Hamburgerinnen und Hamburger ein Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe, zum Wohlstand und zum individuellen Wohlergehen. Wer einen guten Schulabschluss hat und eine Berufsausbildung, um den bin ich nicht bang. Und durch die Einbürgerung erweitern sich Ihre Möglichkeiten zusätzlich. So können Sie nun beispielsweise Beamter werden und eine Laufbahn im Staatsdienst anstreben. Wir freuen uns ganz besonders über Bewerberinnen und Bewerber mit ausländischen Wurzeln, denn ihre Erfahrungen sind gefragt. Der Öffentliche Dienst sucht Mitarbeiter, die Erfahrungen aus anderen Kulturkreisen mitbringen und eine andere Sprache beherrschen. Ob beim Einwohneramt oder bei der Polizei, in Schulen oder Kindertagesstätten Einwanderer bringen wertvolle Kompetenzen mit.
Meine Damen und Herren,
Einwanderung verändert Hamburg auf ganz unterschiedlichen Gebieten. Die wichtigste Veränderung: Hamburg wächst. Wir rechnen in zwanzig Jahren mit etwa zwei Millionen Einwohnern.
Unsere Stadt hat in ihrer Geschichte schon viele Wachstumsschübe erlebt. Im 17. Jahrhundert machten Glaubensflüchtlinge aus Spanien, Portugal und den Niederlanden Hamburg zu einer europäischen Metropole mit damals 40.000 Einwohnern. Hundert Jahre später strömten Händler, die vor den Folgen der Französischen Revolution flohen, an die Elbe. Zwischen 1960 und 1970 kamen viele Arbeiter von der Iberischen Halbinsel und gaben dem sogenannten Portugiesenviertel am Hafen seinen Namen.
Aber Einwanderung sorgte nicht nur dafür, dass das Zentrum sich verdichtete. Mit der Einwohnerzahl wuchs auch Hamburgs Wohlstand das war bislang bei jeder Einwanderungswelle so. Auch heute profitiert Hamburg vom Zuzug. Unternehmen benötigen mehr Arbeitskräfte und Fachwissen, als der heimische Arbeitsmarkt hergibt. Und es ist auch eine Tatsache, dass die Sozialsysteme durch Migration deutlich mehr Einnahmen haben als Ausgaben.
Das Wachstum stellt uns allerdings auch vor neue Aufgaben. Deshalb hat der Senat ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm aufgelegt, vielleicht das größte in Deutschland. Dabei achten wir darauf, dass ein Teil des Wohnraums auch in den attraktiven Innenstadtlagen weiterhin für kleine und mittlere Einkommen bezahlbar bleibt.
Mit der Einwanderung wächst außerdem die weltanschauliche Vielfalt in Hamburg. Auch darauf haben wir reagiert und nach den Verträgen mit der evangelischen, der katholischen und der jüdischen Gemeinde einen Vertrag mit muslimischen und alevitischen Glaubensgemeinschaften geschlossen. An ersten Hamburger Schulen gibt es bereits einen von Muslimen, Aleviten, Juden und Protestanten gemeinsam gestalteten Religionsunterricht als Pilotprojekt, weitere Schulen sollen nach und nach folgen.
Meine Damen und Herren,
ob Sie bereits hier geboren sind oder erst vor einigen Jahren in die Hansestadt kamen mit dem heutigen Tag wird hoffentlich manches einfacher für Sie. Außerdem können Sie nun im nächsten Jahr die neue Bürgerschaft mit wählen und auch selbst für politische Ämter kandidieren. Und Sie können sich innerhalb der Europäischen Union frei bewegen falls Sie es nicht bisher schon waren, werden Sie heute nicht nur deutsche, sondern auch europäische Bürgerinnen und Bürger. Die Jüngeren unter uns kennen das gar nicht anders, , die Älteren hingegen erinnern sich noch gut an Grenzkontrollen, Schlagbäume und stundenlange Wartezeiten.
Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man, hat Kafka gesagt. Sie, meine Damen und Herren, haben nicht länger gezögert, sondern angeklopft. Wir haben Ihnen gern die Tür geöffnet und jetzt sind Sie eingetreten ins Haus.
Ob Sie ursprünglich mit Ihren Eltern hierhergekommen sind oder alleine, als Flüchtling oder aus beruflichem Interesse, während des Studiums oder einer Liebe folgend das wird mit der Zeit in den Hintergrund treten. Es ist aber gut möglich, dass Ihnen früher oder später jemand begegnet, der in Hamburg noch fremd ist, und möglicherweise erzählen Sie dann davon, wie Sie selbst hier ankamen und wie sie beschlossen, zu bleiben. Und vielleicht werden Sie dem Neuankömmling ein wenig unter die Arme greifen, damit er oder sie sich schneller zurechtfindet.
Ich möchte allen danken, die auf dem Weg zur Einbürgerung behilflich sind und die sich für ein Zusammenleben auf Augenhöhe einsetzen. Besonders erwähnen möchte ich die zahlreichen ehrenamtlichen Einbürgerungslotsen, die großartige Arbeit leisten. Danken möchte ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Hamburger Verwaltungen, die weit mehr tun als nur auf Formalien zu achten. Und nicht zuletzt danke ich Ihnen, liebe Neubürgerinnen und Neubürger, dass Sie uns Ihr Vertrauen schenken und sich für Hamburg entschieden haben.
Im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg gratuliere ich Ihnen herzlich zur Einbürgerung!
Es gilt das gesprochene Wort.