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14.11.2013

Redebeitrag auf dem Bundesparteitag in Leipzig

 

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

wir sind hier auf dem Bundesparteitag, um über das Wahlergebnis zu diskutieren. Ich freue mich, dass das bisher in einer sehr ordentlichen und seriösen Weise geschehen ist und wir uns keine Illusionen über das Wahlergebnis und die Notwendigkeiten machen, die sich mit seiner Bewertung verbinden. Wir haben 25,7 Prozent der Stimmen bekommen, etwas mehr als das letzte Mal. Aber diese 20-Prozent-Ergebnisse sind die schlechtesten, die wir als SPD seit dem Zweiten Weltkrieg erzielt haben. Nur Ende der 40er und Anfang der 50er-Jahre haben wir Ergebnisse in den Zwanzigern erzielt. Alle weiteren Wahlen haben bundesweit bessere Ergebnisse mit sich gebracht.

 

Welche Entscheidungen wurden damals getroffen, um aus dieser Situation herauszukommen? Was nicht alle wahrgenommen haben: Die SPD hat sich seinerzeit entschieden, ihren hauptamtlichen Parteivorstand abzuschaffen, um eine demokratischere Partei zu werden. Sie hat sich entschieden, Volkspartei zu werden und sie hat sich entschieden, das Godesberger Programm auf den Weg zu bringen. Sie hat dann mit Willy Brandt in den 60er-Jahren viele Anläufe unternommen, um es schließlich 1966 in die Große Koalition und 1969 zur Wahl eines sozialdemokratischen Kanzlers zu bringen.

 

Wenn man sich daran zurück erinnert, weiß man, vor welcher großen Herausforderung die SPD heute steht. Denn eines muss für uns völlig klar sein: Wir dürfen Ergebnisse in dieser Größenordnung nicht akzeptieren und für unveränderbar halten. Unser Ziel muss sein, dass die Sozialdemokratische Partei Ergebnisse oberhalb der 30 Prozent erzielt und dass sie darum wirbt, stärkste Partei in diesem Lande zu werden. Dieses Ziel und diesen Ehrgeiz dürfen wir niemals aufgeben.

 

Es wäre falsch, wenn man sich stattdessen gewissermaßen darauf konzentriert, über Konstellationen nachzudenken und zu hoffen, dass dabei irgendwie eine Regierung herauskommt. Für uns muss es darum gehen, dass wir den Wettbewerb mit der Union annehmen. Das gilt allemal, wenn man das dritte Mal in Deutschland eine Große Koalition anstrebt, falls die Verhandlungsergebnisse danach sind. Denn wir sind zusammen mit der Union die Partei, die darum kämpft, das Land zu regieren und den Kanzler oder die Kanzlerin zu stellen. Wir sind nicht eine der Parteien, die nur mitregieren wollen. Das macht deutlich, was unsere Aufgabe ist: Wenn wir uns ergeben in die jetzigen Ergebnisse, wenn wir keinen Ehrgeiz entwickeln, dann werden wir diese Führungsrolle, die wir haben, nicht wahrnehmen können. Ich werbe dafür, dass wir den Wettbewerb mit der Union annehmen, jetzt in der Großen Koalition auch wenn das schwierig ist aber vor allem am Ende, um dann beim nächsten Mal den Kanzler oder die Kanzlerin zu stellen.

 

Liebe Genossinnen und Genossen, gerade wenn wir das Wahlergebnis betrachten, müssen wir uns klarmachen, was eigentlich mit der Entscheidung der SPD, Volkspartei sein zu wollen, damals verbunden war. Nämlich etwas völlig anderes als das, was uns gegenwärtig in den Zeitungen und anderswo als Kommentar zum Thema begegnet:

 

Eine große Partei mit vielen Mitgliedern waren wir eigentlich seit Anfang an. Das ist schnell gegangen, nachdem die SPD vor 150 Jahren gegründet wurde. Demokratische Mitgliederpartei waren wir schon immer. Wir sind es über viele Jahrzehnte als einzige Partei gewesen. Erst in der Nachkriegsbundesrepublik haben auch andere Parteien dieses Konzept für sich entwickelt.

 

Aber wir sind eben auch bewusst Volkspartei geworden. Diese Entscheidung ist in den 50er und Anfang der 60er-Jahren gefallen. Wir wollten uns nicht auf ein Milieu konzentrieren, sondern wir wollten erreichen, dass diese Sozialdemokratische Partei mehrheitsfähige Positionen formulieren vermag, mit denen sie das Land regieren kann. Das ist die eigentliche Entscheidung. Als wir Volkspartei wurden, erreichten wir auch nur Prozentzahlen, die in den Zwanzigern und Anfang der Dreißiger lagen. Da hatten wir auch nicht so viele Mitglieder, wie wir gern gehabt hätten. Das war erst das Ergebnis dieser politischen Entscheidung.

 

Volkspartei heißt aber nicht, viele Mitglieder und viele Stimmen zu haben, sondern mehrheitsfähige Positionen zu entwickeln, die in die Lage versetzen, um die Führung des Landes zu kämpfen. Diese Entscheidung, die wir damals getroffen haben, müssen wir heute immer wieder neu treffen. Sie ist die Voraussetzung für unsere Mehrheitsfähigkeit, liebe Genossinnen und Genossen. Es gehört dazu, dass wir uns dazu bekennen, dass wir den Staat regieren wollen.

 

Wir müssen uns im Klaren darüber sein, was die Wahlanalysen bedeuten. Sie bedeuten, dass man uns gut findet, aber uns derzeit nicht die Regierung anvertrauen will; dass man in den Fragen der Außenpolitik, der Sicherheitspolitik, der Wirtschaftspolitik, der Finanzpolitik, bei der Frage: Klappt das auf dem Arbeitsmarkt?, nicht sicher ist, dass wir die Richtigen sind, um das Land zu regieren.

 

Man hätte uns gern dabei daher die Zustimmung, die wir in der gegenwärtigen Diskussion bekommen aber man will uns nicht als diejenigen, auf die es in einer Regierung ankommt. Deshalb sage ich: Die SPD muss, wenn sie regieren will, auch immer beweisen, dass man ihr alleine dieses Land und diese Regierung anvertrauen kann und dass man bei ihr in guten Händen ist, wenn sie darüber entscheidet, welche Politik in Deutschland für Europa und die Welt gemacht wird, welche Finanz- und Haushaltspolitik gemacht wird und wie sich die Wirtschaftspolitik und die Arbeitsmarktpolitik entwickelt, damit es Beschäftigung und Wachstum in unserem Lande gibt.

 

Nur wenn uns das gelingt, bekommen wir auch die entsprechenden Mehrheiten zusammen, und es muss unser Ziel sein, dass in vier Jahren niemand mehr einen Zweifel daran hat, dass wir die richtige Adresse für die Führung des Landes sind.

 

Noch einmal zurück zur Volkspartei. Damit es nicht missverstanden wird: Man kann mit 22 Prozent eine Nischenpartei sein, und man kann mit den 23 Prozent, die wir bei der vorletzten Bundestagswahl erreicht haben, eine Volkspartei sein. Es ist eine politische Entscheidung, und sie hat etwas damit zu tun, ob wir die Aufgabe der Integration annehmen, die es möglich macht, mehrheitsfähig zu sein und ob wir bereit sind, das Land zu führen und für alle Fragestellungen verantwortlich zu sein, die mit dem Land verbunden sind.

 

Das hat auch etwas damit zu tun, wie wir uns jetzt mit der Frage Große Koalition auseinandersetzen. Die Bürgerinnen und Bürger haben dazu überwiegend eine sehr klare Meinung. Sie lautet nämlich: Stellt euch nicht so an.

 

Sie erwarten von einer Partei, der man das Land anvertraut, dass sie sich nicht weigert, zu regieren. Damit ist verbunden, dass sie sich den Schwierigkeiten, den Anstrengungen und den Notwendigkeiten stellt. Allerdings erwarten die Bürgerinnen und Bürger auch, dass wir die Verhandlungen gut gestalten und gute Ergebnisse erzielen.

 

Es gibt ja eine merkwürdige Auflösung der merkwürdigen Umfragewerte. Die Umfragen sagen, das meiste von dem, was wir wollen, will die Mehrheit der Bürger auch: Vom Mindestlohn über die Fragen zur Rente, bis hin zu dem, was wir uns für den Arbeitsmarkt vorstellen. Das findet eine überwiegende Zustimmung. Gewählt haben sie uns aber nicht. Warum nicht? Ich glaube, das ist sehr davon abhängig, ob man uns den Staat zutraut.

 

Jetzt hoffen ganz viele, die bei anderen Parteien ihr Kreuz gemacht haben, dass wir das durchsetzen, was sie sonst auch gut finden. Da setzen auch viele CDU-Wähler auf die SPD, damit wir das durchsetzen, was wir in unserem Programm geschrieben haben. Hier muss man den Leuten schon sagen: Dafür müsst ihr doch die SPD wählen.

 

Liebe Genossinnen und Genossen, unser Programm durchzusetzen wird nicht in allen Punkten gelingen. Wir werden uns aber Mühe geben, dass wir möglichst viel davon erreichen und auch umsetzen können. - Schönen Dank.
 

Es gilt das gesprochene Wort.