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20.06.2013

Senatsempfang Konferenz Stadt neu bauen

Senatsempfang Konferenz Stadt neu bauen

 

Sehr geehrte Frau Hedegaard,

sehr geehrte Frau Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft (Duden),

sehr geehrter Herr Bruns-Berentelg,

sehr geehrter Herr Hellweg,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

eine alte Weisheit besagt: Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Ich will trotzdem eine wagen und sage: Die ökologische Zukunft entsteht in der Stadt. 

 

Eine Stadt, in der Elektroautos und Elektrobusse durch die Straßen surren. Eine Stadt mit begrünten Dächern und einem angenehmen Klima. Eine Stadt, in der es Belästigung durch Lärm, Feinstaub und Abgase nicht mehr gibt. 

 

Fast alle Städte sind von diesem Ziel noch weit entfernt. Für sie trifft eher zu, was Sie, Frau Kommissarin Hedegaard, vor wenig mehr als einem Jahr auf der Hannover Messe gesagt haben. Die Stadt im globalen Klimakontext war das Thema; Sie sagten: Cities are emission powerhouses Städte sind die treibende Kraft von CO2-Emissionen. Sie sind gleichzeitig besonders anfällig für die Folgen des Klimawandels wie Hitze und Überschwemmungen. 

 

Die Freie und Hansestadt Hamburg verfolgt den Anspruch, ein powerhouse für neue Konzepte zu sein, durchaus. Hamburg ist deshalb genau der richtige Ort für diese internationale Fachkonferenz Stadt neu bauen, zu der ich Sie herzlich begrüße. 

Stadt neu bauen wir wollen zeigen, was geht und wie es geht. Einiges davon lässt sich in der HafenCity und auf dem Gelände der Internationalen Bauausstellung, der IBA, in Wilhelmsburg besichtigen. Einiges weitere möchte ich Ihnen anhand der vier zentralen Thesen dieser Konferenz growing city, open city, smart city und civic city erläutern. Wobei ich mir  erlaube, die Reihenfolge ein wenig umzustellen. 

 

Meine Damen und Herren, 

die Freie und Hansestadt Hamburg als Handels- und Wirtschaftsmetropole ist eine growing city, eine wachsende Stadt. Hier leben gut 1,7 Millionen Einwohner, und wir planen für Zehntausende neue im kommenden Jahrzehnt, mittelfristig auch mehr. 

 

Zwei Möglichkeiten gibt es, für die wachsende Bevölkerung Wohnraum zu schaffen: Die erste ist die Umnutzung von Flächen, beispielsweise von nicht mehr gebrauchten Gewerbeflächen. 

 

Das können Sie an der HafenCity beispielhaft besichtigen. Mit der Bebauung des zuvor ungenutzten Hafenrandgebietes wird Hamburgs Innenstadt um 40 Prozent erweitert. Ehemalige Industriebrachen und Orte einstigen Güterumschlags werden dank neuer Technik für den Wohnungsbau genutzt, etwa durch neue Formen des Bauens am Wasser oder sogar auf dem Wasser. 

 

Oder auf einem mehr als hundert Jahre lang von der Bahn für ihre Lokschuppen und Drehscheiben genutzten Gelände: In der Neuen Mitte Altona wird ein neuer Stadtteil nach bestem städtebaulichen Erkenntnistand mit 3.500 Wohnungen entstehen. Autos werden da auch fahren, aber keine dominierende Rolle spielen. 

Rund um die IBA revitalisieren wir die Elbinseln, und wir werden auch in Hamm, Horn, Jenfeld, Rothenburgsort und weiteren Stadtteilen vitale innerstädtische Quartiere neu entwickeln. Nicht jeder wird die Namen dieser Stadtteile kennen, aber auch das hat seine Logik: Nach der westlichen wollen wir auch die östliche innere Stadt neu beleben, vitalisieren, und in je mehr Stadtteilen auch weniger bekannten das gelingt, desto weniger Verdrängung der jetzigen Bewohner wird es geben. Die Diskussion um die so genannte Gentrifizierung muss dann niemand fürchten.  

 

Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass wir dort, wo hauptsächlich schon gewohnt wird, noch mehr und besseres Wohnen ermöglichen, das für Familien, für Arbeitnehmer bezahlbar ist. Mit allein 60 Bauvorhaben beleben wir Stadtteile wie Wilhelmsburg und Veddel und schaffen neuen Wohnraum. Wir führen die Stadtteile nördlich und südlich der Elbe zusammen, und zwar gleichermaßen sozial, kulturell und städtebaulich. Wir nennen das den Sprung über die Elbe, wobei es eher ein Dreisprung ist: hop, step and jump: HafenCity, Elbinseln, Harburg. 

 

Und natürlich geht der Sprung nicht nur in eine Richtung! Die Bezirke, die Stadtteile Hamburgs damit meine ich jetzt nicht in erster Linie die Verwaltungseinheiten die Bestandteile enger aneinander rücken zu lassen, besser aufeinander zu beziehen, und zu überlegen: Was muss noch erschlossen werden, beiderseits der Elbbrücken? Solche Überlegungen und Planungen müssen das Ergebnis sein, wenn man eine Stadtkarte betrachtet. 

 

Deswegen hängt eine 1 zu 20.000 -Stadtkarte an zentraler Stelle in meinen Büroräumen: damit sich jeder, der daran vorbeigeht, ein paar Momente lang Gedanken über seine Stadt und ihre Entwicklung macht. Natürlich auch darüber, wie sie grün bleibt, was sie ja in begeisternder Weise ist. Das ist kein Widerspruch, das gehört zusammen.

    

Das Wohnungsbauprogramm des Hamburger Senats ist das wohl größte seiner Art in Deutschland. Unser Ziel, jedes Jahr den Weg für mindestens 6.000 neue Wohnungen frei zu machen, haben wir bereits 2012 mit 8.731 Genehmigungen weit übertroffen. Wir bauen für Familien, für Singles und für unterschiedliche Generationen. Wir bauen sozial verträglich, bezahlbar, in angemessener Qualität und umweltbewusst. 

 

Beim Thema Wohnen zeigt sich am deutlichsten: Städte sind Ankunftsorte. Deshalb müssen Städte open cities sein Orte, die offen sind für Ideen. Orte, in denen sich die neuen Bewohner willkommen fühlen. 

 

Städte wachsen nicht in erster Linie durch die Geburtenrate, sondern durch Zuzug. Das gilt auch für Hamburg. Ein großer Teil der Hamburger oder ihrer Vorfahren sind aus anderen Ländern und Kulturen gekommen. 

 

In Hamburg beträgt der Anteil der Bevölkerung mit Zuwanderungsgeschichte gut ein Viertel, das ist der höchste Anteil aller Bundesländer. In Wilhelmsburg, dem Ort der IBA, leben 55.000 Einwohner aus 100 Nationen. Die Internationalität der Städte ist ein zentrales Thema. 

 

Open city steht für eine Kultur des Willkommens. Wir freuen uns, dass mehr und mehr von unseren Zuwanderern aus anderen Ländern und Kulturen die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben und fördern das per Einbürgerungsinitiative.

 

Wir wollen alle, die die Voraussetzungen erfüllen, vom Sinn einer Einbürgerung überzeugen, ich schreibe nach und nach alle persönlich an. Und es haben allein 2012 mehr als 5.700 bisher so genannte Ausländer in Hamburg einen deutschen Pass erhalten. Anträge waren es ein Drittel mehr als im Jahr davor.

 

Gerade von der Bürgerschaft beschlossen wurden die Verträge mit drei islamischen Verbänden und der Alevitischen Gemeinde. Sie bestätigen die Rechte und Pflichten der Gemeinschaften und Gemeinden, und wir erkennen Ihren Platz in der Mitte unserer Gesellschaft an. Wir sind überzeugt:

Es gibt gemeinsame Wertegrundlagen, die auch durch diese Verträge mehr in den Fokus unseres Zusammenlebens in der Stadt rücken. 

 

Open City steht für Weltoffenheit und Toleranz. Dazu müssen nicht nur die Bewohner, auch die Stadtteile und Quartiere offen sein. Bezirke, in denen niemand wohnen will und Stadtteile, in die kaum jemand mehr ziehen kann, weil die Mieten unerschwinglich sind, sind nicht offen. Aufwertung ohne Verdrängung ist deshalb unser Ziel in Hamburg. 

 

Open city steht für eine erstklassige Schul- und Ausbildungslandschaft. Wir müssen es ermöglichen, dass unabhängig vom Elternhaus alle Kinder eine ausreichende Bildung erwerben. Also brauchen wir Krippen, Kitas, Grundschulen mit kleinen Klassen. Wir brauchen Gymnasien und Stadteilschulen, die beide zum Abitur führen können, und wir müssen und wollen überall eine Ganztagsbetreuung von der Kita bis zum Abitur anbieten. 

 

Gerade haben wir in Wilhelmsburg das Bildungszentrum Tor zur Welt eröffnet: ein Schlüsselprojekt der IBA, das Kitas, Schulen, Erwachsenenbildung und Beratungseinrichtungen vereint und das dabei helfen soll, dass alle, die im Stadtteil Wilhelmsburg leben, eine gute Zukunft für ihre Kinder erreichen können. 

 

Open city steht für Chancen auf dem Arbeitsmarkt: Deshalb haben wir in Hamburg die Jugendberufsagentur gegründet, als zentrale Anlaufstelle für Jugendliche und junge Erwachsene, die einen Ausbildungsplatz suchen. Unser Ziel ist es, allen Hamburgerinnen und Hamburgern unter 25 einen Ausbildungsplatz zu verschaffen. Keine und keiner wird verloren gegeben.

 

Meine Damen und Herren, 

Städte ziehen Innovationen magnetisch an. In ihnen versammeln sich die Kreativitäts- und Intelligenzpotenziale, die Tat- und Arbeitskraft vieler kluger Köpfe auf engem Raum. Deshalb zeigen sich in Städten neue Entwicklungen, Aufgaben und Chancen zuerst. In ihnen wird die Gesellschaft der Zukunft vorgedacht und vorgelebt. Hier entstehen die Ideen, die uns bewegen werden erst recht in Hafenstädten, wo schon traditionell ein reger Austausch nicht nur von Gütern, von Ideen und Know-how herrscht. 

 

Eine smart city schafft Raum für diese Potenziale und Möglichkeiten, sie zu leben. 

 

Das beginnt mit intelligenter Stadtplanung. Sie braucht eine Mischung von Wohnen und Arbeiten, braucht vielfältige Kultur- und Freizeitangebote, Parks und Plätze. Von einer smart city können wir sprechen, wenn es gelingt, die Stadt zugleich ästhetisch, ökologisch und sozial zu gestalten. 

Eine smart city optimiert Infrastruktur und Verkehrskonzepte, sie verknüpft modernste Technologien und Ingenieurskunst. Wir bauen den schienengebundenen Nahverkehr aus und bauen in diesem und dem nächsten Jahrzehnt neue S-Bahn- und U-Bahn-Strecken. Und wir verbessern die Möglichkeiten des Busverkehrs. Das Hamburger Busnetz bauen wir mit immer mehr emissionsfreien Fahrzeugen ab 2020 werden nur noch solche Busse angeschafft zum modernsten unseres Kontinents aus und verbinden die vielfältigen Mobilitätsangebote unserer Stadt auf ganz neue, betont kundenfreundliche Weise miteinander.

 

Öffentliche Transportmittel, das eigene Rad oder Leihfahrräder, Carsharing und E-Mobilität lassen sich so nahtlos und damit hocheffektiv also smart miteinander verknüpfen. Intermodalität ist die Zielvorstellung. 

 

Eine smart city übernimmt außerdem Verantwortung für den Klimaschutz und für Energieeffizienz, zum Beispiel durch Kraft-Wärme-Kopplung, sie fördert Wärmedämmung und Ressourcen schonendes Bauen. Auf der IBA können sie den Blick in diese Zukunft schon heute werfen. 

 

Das alles muss allerdings auch politisch gelebt werden. Denn die Bürger einer smart city lassen sich nicht ohne weiteres mit Entscheidungen von oben abspeisen. Und damit bin ich bei der letzten und vielleicht schwierigsten Herausforderung: der civic city.

Die erfordert neue, transparente und partizipative Formen zur Steuerung und Gestaltung der städtischen Lebenswelt, kurz Urban Governance. Mit der Einrichtung der Stadtwerkstatt machen wir Bürgerbeteiligung zu einem normalen Baustein der Stadtentwicklung und deren Planung. Die Stadtwerkstatt soll Information und Partizipation intensivieren und letztlich zur Entwicklung einer besseren Planungskultur in Hamburg beitragen.

 

Der Sinn ist der, dass soweit es der rechtliche Rahmen erlaubt diejenigen zu Mitgestaltern des Allgemeinwohls werden, die sich bisher hauptsächlich als Betroffene verstanden haben. Ein Rollenwechsel also, ohne dass Partikularinteressen das Allgemeinwohl verdrängen können und der Staat entscheidungs- oder gar  handlungsunfähig wird.  

 

Wichtig ist, dass gerade im Wohnungsbau Lösungen gefunden werden, die das gesamtstädtische Interesse an mehr guten und bezahlbaren Wohnungen in eine faire Balance mit dem bringt, was den Anliegern am Herzen liegt. 

 

Dabei verändert sich die Rolle des Staates von der ehemaligen Obrigkeit zum allerdings aktiv und entscheidungsfähig beteiligten Moderator und Teilnehmer an Aushandlungsprozessen unterschiedlicher Interessen. Partizipation beim Planen ist das Anliegen der civic city. 

 

Meine Damen und Herren, 

Städte sind die Lebensform der Zukunft. Schon heute leben 50 Prozent der Weltbevölkerung in Städten. Bis 2050 wird sich der Anteil vermutlich auf zwei Drittel oder mehr erhöhen. Es hat also gar keinen Sinn, in der Tendenz hin zur Stadt etwas zu sehen, das es zu bremsen, zu vermeiden oder zu verhindern gilt. Verstädterung ist eine unvermeidliche Folge wirtschaftlicher Weiterentwicklung. Und eine, die man gut heißen kann das Wort klingt ja eher negativ. Zu Unrecht, denn Städte sind auch Orte der Hoffnung.   

 

Je nach Blickwinkel ist auch die Umweltbilanz der Städte nicht so schlecht, wie manche immer noch meinen. Abgesehen davon, dass Städte die ländlichen Regionen mit versorgen, brauchen Städte erheblich weniger Straßen, Rohre, Kabel und sonstige Infrastruktur pro Einwohner als das Umland. Nach Studien der London School of Economics belastet jeder New Yorker das Klima mit rund zehn Tonnen CO2 durchschnittlich kommen Amerikaner auf fast 25 Tonnen. Das heißt, um meine Eingangsthese etwas abzuwandeln: Ökologisch motivierte Stadtbewohner sind heute schon am richtigen Ort. 

 

Wir sollten das Leben in Städten als großartige Chance sehen, als etwas, das wir gestalten können zum Wohle ihrer Bewohner. Die Stadt laufend neu zu bauen ist unsere gemeinsame Aufgabe. 

 

Ich würde mich freuen, wenn dieser Kongress dazu viele spannende Impulse liefern kann. 

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.