arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

21.10.2011

Senatsempfang zu den Hamburg Welcome Days

 

Sehr geehrter Herr Lux,

sehr geehrter Herr Jay-Rayon,

sehr geehrte Frau Vizepräsidentin Duden,

sehr geehrte Mitglieder des Diplomatischen und Konsularischen Korps,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

herzlich willkommen im Rathaus der Freien und Hansestadt Hamburg! Ich freue mich, Sie im Namen des Senats hier im Kaisersaal begrüßen zu dürfen.

 

Sie haben einen interessanten und anstrengenden Tag hinter sich mit vielen Vorträgen und Diskussionen zu den Themen Internationalität der Wirtschaft, Integration und Metropolen.

Die Rede von Hamburg als dem deutschen Tor zur Welt, kann mittlerweile fast als sprichwörtlich betrachtet werden.

 

Sie zu beschwören, ist nicht bloß Ritual, sondern tägliche Aufgabe. Denn das Tor will immer wieder aufs Neue aufgestoßen werden.

 

Deshalb beschäftigt mich die Frage sehr, wie Hamburg noch mehr kluge Köpfe aus aller Welt anlocken kann. Die Zahl der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland nimmt weiter ab. Für Hamburg gilt das zum Glück nicht, aber die Wirtschaft wird immer internationaler, da müssen wir schauen, wie wir weiter mithalten.

 

Das ist eine große Herausforderung für Politik und Wirtschaft. Und es ist eine Riesenchance für Fachkräfte aus aller Welt.  Wir werben um die besten Köpfe weltweit. Wir freuen uns, wenn sie nach Deutschland, wenn sie nach Hamburg kommen. Und wir wollen ihnen helfen, hier Fuß zu fassen.

 

Welche Fragen stellt sich beispielsweise ein international agierender Manager, der nach Hamburg kommen will. Oder eine Unternehmensberaterin? Oder ein Hochschulprofessor? Oder eine Facharbeiterin?

 

Vieles ist vergleichbar:

  1. Finden ich und mein Partner, meine Partnerin dort eine interessante Arbeit?
  2. Finden wir dort eine bezahlbare Wohnung?
  3. Finden wir dort einen Kitaplatz oder eine gute Schule für unsere Kinder?


Es soll Leute geben, die fragen nach dem Wetter. Das ist in Hamburg besser als sein Ruf. Zu den anderen Punkten:

 

1) Stichwort Arbeit: Dass es in Hamburg interessante Jobs bei international ausgerichteten Firmen gibt, wissen Sie als Unternehmer selbst am besten. Sie bieten diese Jobs an. Aber immer häufiger bleiben diese Arbeitsplätze leer.

 

Trotz unseres einheimischen Potenzials sind wir auch auf die Zuwanderung von Fachkräften angewiesen. Deshalb wurden die Möglichkeiten für den Zuzug von Hochqualifizierten erweitert und die Regeln für die Beschäftigung von qualifizierten Ausländerinnen und Ausländern vereinfacht. Leider ist das bisher kaum bekannt. Dabei hat Deutschland einen der offensten Arbeitsmärkte weltweit:

 

Seit 1. Mai gilt fast für die ganze EU Freizügigkeit für die Mehrheit.

Und bei Akademikerinnen und Akademiker aus der EU und ihre Familien gibt es für niemanden Zuzugsbeschränkungen.

 

  • Hochqualifizierte, insbesondere Spezialisten und leitende Angestellte mit besonderer Berufserfahrung, die in Deutschland eine Arbeit angeboten bekommen, bei der sie im Jahr rund 66.000 Euro [2010] verdienen, können ohne Vorrangprüfung kommen. Sie erhalten sofort eine unbefristete Niederlassungserlaubnis, mit der sie auch zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigt sind. Auch ihre Familienangehörigen können ohne Vorrangprüfung eine Beschäftigung aufnehmen.
  • Auch leitende Angestellte und Personen mit unternehmensspezifischen Kenntnissen bei einer konzerninternen Versetzung nach Deutschland und ihre Familienangehörigen können hier arbeiten.
  • Ausländische Absolventen deutscher Hochschulen können eine ihrer beruflichen Qualifikation entsprechende Beschäftigung ausüben.
  • Absolventen deutscher Auslandsschulen können eine qualifizierte betriebliche Ausbildung aufnehmen. Auch für die anschließende Weiterbeschäftigung im erlernten Beruf wird keine Vorrangprüfung verlangt. Gleiches gilt bei Vorliegen eines deutschen oder ausländischen akademischen Abschlusses, wenn eine der Qualifikation entsprechende Beschäftigung aufgenommen wird.
  • Und schließlich: Mit einer Vorrangprüfung können auch Akademiker aus Drittstaaten eine Beschäftigung aufnehmen. Für ihre Familienangehörigen wird auf die Vorrangprüfung verzichtet.

 

Allerdings: Es gibt auch hierzulande mehr Fachkräfte.

Es mag ja sehr interessant sein, mit einem promovierten Taxifahrer aus dem Iran oder Kenia zu fahren. Und davon haben wir tatsächlich einige in Hamburg. Man erfährt viel über andere Kulturen und über die Lebensbedingungen von Ausländern in Hamburg. Und man kann ein kluges Gespräch führen.

 

Aber man erlebt auch, wie frustriert Beschäftigte sind, die eine Arbeit annehmen müssen, die nicht ihrer Qualifikation entspricht. Der Beruf des Taxifahrers ist ohne Frage ein verantwortungsvoller und anspruchsvoller Job. Aber jeder möchte doch tun, was er oder sie gelernt hat und am besten kann. Sprich: Was den im Ausland erworbenen Abschlüssen entspricht. Und auch unsere Stadt profitiert davon, wenn Neu-Hamburgerinnen und Hamburger ihre eigentlichen Fähigkeiten und ihre ursprüngliche Ausbildung einbringen.

Es ist volkwirtschaftlicher Irrsinn, wenn der Herzchirurg hier nur deswegen nicht arbeiten darf, weil sein Abschluss den falschen Stempel trägt.

 

Dem Bundesrat liegt jetzt ein Anerkennungsgesetz vor, das in die richtige Richtung weist. Es soll die Anerkennung von im Ausland erworbenen Schul- oder Ausbildungsabschlüssen vereinfachen und beschleunigen. Aus Hamburger Sicht gibt es an dem Gesetzentwurf aber noch einiges zu verbessern: Wir brauchen tatsächliche Beratungsangebote und Möglichkeiten zur Nachqualifizierung, wenn hier und da noch etwas zur Vergleichbarkeit mit dem deutschen Abschluss fehlt. Dafür setzen wir uns im Bundesrat ein.

 

In Hamburg sind wir weiter. Schon jetzt erhalten Zuwanderer in Hamburg ganz praktische Unterstützung. Dafür haben wir eine Beratungsstelle eingerichtet, mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds: Die Zentrale Anlaufstelle Anerkennung, die vom Diakonischen Werk betrieben wird.

 

Wir wollen eine Willkommenskultur in dieser Stadt!

 

 

Meine Damen und Herren,

 

die Anerkennung von Abschlüssen ist aber nur das Eine. Manchmal reicht das trotzdem nicht, um einen angemessenen Job zu finden. Manchmal müssen sich Migranten weiter qualifizieren, so wie deutsche Arbeitssuchende auch. Dann bieten wir ihnen passgenaue Qualifizierungen an, ebenfalls finanziert vom Europäischen Sozialfonds. Diese Angebote wollen wir in Zukunft weiter verfeinern. Die Wirtschaftsbehörde wird eng mit Kammern und Unternehmen zusammenarbeiten. Für den Lebensunterhalt während dieser Nachqualifizierungen sorgt ein bundesweit einmaliges Stipendienprogramm, das mit Arbeitsmarktmitteln finanziert wird.

 

All diese Angebote kann aber nur jemand passgenau unterbreiten, der die konkreten individuellen Bedarfe genau kennt. Also am besten Leute, die das alles selbst hinter sich haben. Stellen Sie sich vor, Sie müssen in einem für Sie noch fremden Land einen Antrag stellen, und in der zuständigen Behörde werden Sie gleich in ihrer Muttersprache begrüßt. Da schrumpft doch die psychologische Hürde von der Höhe einer Mauer gleich auf die einer Bordsteinkante!

 

Wie alle Bundesländer hat sich Hamburg daher verpflichtet, den Anteil des Personals mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst zu erhöhen. Sicher kennen viele von Ihnen unsere Kampagne Wir sind Hamburg! Bist Du dabei? Damit wollten wir junge Leute mit Migrationshintergrund ermuntern, sich für eine Ausbildung im mittleren und gehobenen Dienst zu bewerben. Mit großem Erfolg: In nur vier Jahren konnten wir den Einstellungsanteil junger Menschen mit Migrationshintergrund von gut 5 Prozent auf 15 Prozent verdreifachen!

 

Diese jungen Leute helfen ausländischen Antragstellern nicht nur beim Ausfüllen von Formularen. Sie sind zugleich ermutigendes Vorbild. Denn sie sprechen in aller Regel mindestens zwei Sprachen, auf jeden Fall Deutsch. Und das muss jeder können, der hier leben und arbeiten will. Auch da bieten wir viele Kurse und Weiterbildungen, gemeinsam mit Organisationen, in denen sich Migrantinnen und Migranten engagieren. Auch das mit großem Erfolg: 85 Prozent der Teilnehmer von Integrationskursen können ausreichend Deutschkenntnisse für den Alltagsgebrauch nachweisen. Und der Anteil der bestandenen B1-Prüfungen, der anspruchsvollsten Integrationskurse, ist gestiegen.

 

Sie sehen, Hamburg tut eine Menge, um die Chancen von Zuwanderern auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu erhöhen.

 

2) Kommen wir nun zu der zweiten Frage, die sich ein potenzieller Neu-Hamburger stellt: der nach einer bezahlbaren Wohnung. Das Thema ist eins der dicksten Bretter, die der Senat derzeit bohrt.

 

In Hamburg sind in den vergangenen Jahren zu wenige Wohnungen gebaut worden, die Miet- und Kaufpreise sind gestiegen.

 

Wo auch immer Sie in Hamburg hinkommen, auf jeder Party, auf jedem Empfang, bei jedem Abendessen mit Freunden können Sie ein Gespräch zum Thema Wohnungssuche beginnen. Ich garantiere Ihnen: Sie werden stets mehrere entnervte, wenn nicht verzweifelte Gesprächspartner finden. Wer eine Wohnung sucht, muss manchmal richtiggehende Bewerbungen schreiben und bei Besichtigungen mit bis zu 100 Konkurrenten rechnen.

 

 

Meine Damen und Herren,

der neue SPD-geführte Senat hat das Thema Wohnraum gleich nach seinem Amtsantritt im März in Angriff genommen. Wir haben einen Vertrag mit allen sieben Bezirken geschlossen, den so genannten Vertrag für Hamburg - Wohnungsneubau. In ihm verpflichten sich alle Bezirke, den Neubau von Wohnungen zu beschleunigen. Vom Antrag bis zur Genehmigung soll es nicht länger als ein halbes Jahr dauern. Jeden Monat berichten die Bezirke, wie viele neue Wohnungen sie genehmigt haben. Pro Jahr sollen mindestens 6.000 neue Wohnungen entstehen.

 

Und der Erfolg gibt uns Recht: In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden bereits 3.177 neue Wohneinheiten genehmigt.

 

Außerdem hat der Senat zusammen mit der Hamburger Wohnungswirtschaft kürzlich das Bündnis für das Wohnen in Hamburg geschlossen. Es enthält Rahmenvereinbarungen für den Wohnungsneubau, für Fragen des Klimaschutzes und der energetischen Sanierung sowie städtebauliche und architektonische Ziele bei der Modernisierung.

 

Zudem stellen wir derzeit ein neues Förderprogramm auf. Es ist auf Haushalte ausgerichtet, die trotz eines eigenen Einkommens auf dem Wohnungsmarkt Schwierigkeiten haben, ein bezahlbares Wohnungsangebot zu finden.

 

Und zuletzt noch dies: Ich habe mich vor wenigen Wochen auch dafür ausgesprochen, dass wir in Hamburg künftig hier und da eine Idee höher bauen können. Zwei, drei Stockwerke mehr an dafür geeigneten Orten werden der Stadtansicht sicher nicht schaden. Wer sich zur wachsenden Stadt bekennt muss den Neuen in der Stadt auch Raum geben ganz gleich, ob Inländer oder Ausländer, Deutscher mit oder ohne Migrationshintergrund.

 

Ich bin sehr zuversichtlich, dass bald neue Wohnungen in Hamburg bezugsfertig sind und sich das schnell bei den Fachleuten, die wir herlocken wollen, herumspricht.

 

3) Wenn Eltern erwägen, aus beruflichen Gründen umzuziehen, fragen sie sich natürlich: Wo lassen wir unsere Kinder? Sie wollen ihren Nachwuchs in einer liebevollen und anregenden Kita oder Schule untergebracht wissen. Wenn sich aber etwa ein französischer Airbus-Ingenieur erkundigt, wie das in Deutschland in der Hinsicht aussieht, wird er wahrscheinlich zurückzucken: Halbtagsschulen, Kindergärten nur für über Dreijährige, und dann nur bis mittags um eins... Damit lockt man keine klugen Köpfe aus dem Ausland an!

 

Hamburg hat das Kindergarten-Angebot massiv ausgeweitet. In allen Stadtteilen finden sich Kitas für Kinder ab mindestens einem Jahr, mit Öffnungszeiten zwischen 7:30 und 18 Uhr, die flexibel auf die Arbeitszeiten von Eltern eingehen. Und auch in den Randbezirken weiten mehr und mehr Einrichtungen ihr Angebot aus. Wir wollen ein flächendeckendes Angebot.

 

Der Senat unterstützt die Eltern dabei finanziell: Die jüngste Gebührenerhöhung haben wir zurückgenommen, das Essensgeld abgeschafft.

Wir werden das fünfstündige Grundangebot in Kindertagesstätten gebührenfrei stellen. Im August kommenden Jahres werden wir einen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung ab dem vollendeten zweiten Lebensjahr einführen. Außerdem werden wir die Gruppengrößen bei den über Dreijährigen in bestimmten Kitas absenken und gleichzeitig die Erzieher-Wochenstunden aufstocken.

 

Auch in der Schulpolitik haben wir uns in dieser Hinsicht viel vorgenommen: bei Grundschulen genauso wie weiterführenden Schulen. Wir wollen an allen Grundschulen die ganztägige Unterbringung absichern. Zudem hält der Trend zu Ganztagsschulen an. Erklärtes Ziel des Senats ist es, alle Stadtteilschulen zu Ganztagsschulen auszubauen.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

vor wenigen Jahren galten diese familien- und schulpolitischen Themen vielleicht noch als weiche Themen. Mittlerweile hat sich auch in der Wirtschaft herumgesprochen, dass es harte Standortfaktoren sind.

 

Dabei sind auch Sie gefordert: Gemeinsam müssen wir uns um die Beantwortung aller drei genannten Fragen kümmern. Es reicht nicht allein, dass ein Unternehmen interessante Jobs anbietet. Auch Unternehmer können unterstützen: bei der Wohnungssuche, mit Betriebskindergärten und indem sie der Ehefrau oder dem Ehemann eines Hochqualifizierten helfen, ebenfalls einen Job zu finden.

 

Wir reden hier über Leute, die wir dafür gewinnen wollen, in Hamburg zu arbeiten, zu leben und ihre Kinder großzuziehen. Wir rufen eben nicht nur Arbeiter, sondern Menschen. Mit Zielen, Träumen und ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen.

 

Lassen Sie uns gemeinsam, Politik wie Wirtschaft, dazu beitragen, dass diese Menschen Hamburg in ihren Lebensentwurf aufnehmen. Wir sollten immer daran denken, dass zu einem klugen Kopf sehr oft auch eine kluge Partnerin, ein kluger Partner und Kinder gehören. Sie kommen nur, wenn wir ihnen allen etwas zu bieten haben. Wenn sie alle eingangs genannten Fragen mit Ja beantworten können. Dann werden sie sich auch auf das Hamburger Wetter einlassen.

 

Vielen Dank!

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.