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22.06.2013

SHZ Interview

Gerade das Thema Verkehr ist für die Menschen im Umland von Hamburg ein drängendes Problem. Gibt es konkrete Projekte, die aus einer solchen Kooperation wirksam werden?

Über 300.000 Berufspendler fahren jeden Tag nach Hamburg zur Arbeit und daher ist es von größter Bedeutung, dass ein wachsender Teil davon öffentliche Verkehrsmittel nutzt. Das fördern wir zum Beispiel, indem "Park & Ride"-Plätze ausgebaut werden. Das große Projekt, das sich Hamburg und Schleswig-Holstein vorgenommen haben, ist der Bau einer neuen S-Bahn-Linie im Osten von Hamburg, der S4. Sie wird die vielen Orte entlang der Strecke besser anbinden und Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern.

 

Viele Menschen empfinden die Flussquerungen in Hamburg und die Straßen in die Stadt als Nadelöhr. Sind auch Impulse für den Straßenverkehr zu erwarten?
Wir haben große Straßenbauprojekte, auf die wir uns mit den Nachbarländern verständigt haben. Der Ausbau der Autobahn 7 ist bereits in Gang. Die anderen Projekte wie die A20 und die A21 sollen dafür sorgen, dass die Verkehre besser um das Nadelöhr herumkommen und sie sollen die Erschließung Schleswig-Holsteins insgesamt verbessern. Das unterstützen wir.

 

Mal jenseits der Debatte um einen Nordstaat: Wo macht eine noch engere Kooperation der Länder im Norden eigentlich Sinn? 
Schon heute gibt es eine ganze Menge von gemeinsamen Institutionen. Die neue Qualität der künftigen Kooperationsvereinbarungen sollte darauf abzielen, dass der eine Staat auch mal auf eine Aufgabe verzichtet, weil sie im anderen besser erledigt werden kann. Zum Beispiel haben wir uns bereit erklärt, die Luftsicherheitsprüfung für Schleswig-Holstein zu übernehmen. Die müssen wir wegen des Hamburger Flughafens ohnehin vorhalten, und es ist ein geringer Mehraufwand, sie auch für die schleswig-holsteinischen Flughäfen abzuwickeln. Wir haben uns bereit erklärt, einen Teil der Sicherungsverwahrten in Fuhlsbüttel aufzunehmen, weil wir dafür bereits ein Gebäude haben, das den heutigen Anforderungen genügt. Und es gibt noch viele weitere Projekte, die wir gemeinsam vorantreiben.

 

Das sind konkrete, aber immer kleine Schritte. 
Wenn man viele konkrete und manchmal auch kleine Schritte zustande bringt, verbessert sich jedes Mal das Miteinander.

 

Die Handelskammern rücken enger zusammen, die Nordkirche hat sich sogar zusammengeschlossen. Eröffnet das Perspektiven auch für die Länder?
Ich bin davon überzeugt, dass es wichtiger ist, das Leben der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern, als jahrzehntelang über die Fusion von Gremien zu beraten. Ich denke, dass wir uns auf das wirklich Mögliche konzentrieren sollten. Abgesehen davon geht es immer auch um lange politische und historische Traditionen. Dass Hamburg eine der ältesten noch existierenden Stadtrepubliken ist, hat ja auch eine Bedeutung. Unsere Unabhängigkeit und Freiheit schafft Möglichkeiten, Dinge auszuprobieren, von denen auch die anderen Länder profitieren können.

 

Wir haben inzwischen fünf sozialdemokratische Ministerpräsidenten im Norden - macht diese Konstellation die Zusammenarbeit leichter?
Die norddeutschen Länder haben schon lange gut zusammengearbeitet, unabhängig vom Parteibuch der Ministerpräsidenten. Das ist auch gut so. Klar ist, dass es nicht schadet, wenn die, die ohnehin gut zusammenarbeiten, sich das auch an anderer Stelle vornehmen.

 

Hamburg hat beim Zensus hinnehmen müssen, dass plötzlich 80 000 Einwohner weniger in der Statistik standen. Beeinträchtigt das Ihre Wachstumsperspektiven oder ist das nur ein Problem der Statistik?
Die Zahlen haben uns überrascht und wir müssen jetzt nachvollziehen, wie sie zustande gekommen sind. Aber die eigentliche Botschaft ist unverändert: Die Zahl der Leute, die in Hamburg wohnen wollen, wächst weiterhin. Das merkt jeder, der in Hamburg eine Wohnung sucht. Und das hat sogar der Zensus ergeben, der für die Stadt die geringste Leerstandsquote Deutschlands festgestellt hat. Unsere Aufgabe bleibt unverändert: Wir müssen in großer Zahl Wohnungen bauen - und das tun wir.

 

Als vor ein paar Wochen der Nord-Ostsee-Kanal plötzlich nicht mehr funktionierte, entstand der Eindruck, dass maritime Interessen in Berlin nur unzureichend vertreten sind. Stimmt dieser Eindruck?
Dass der Nord-Ostsee-Kanal saniert werden muss, ist lange bekannt. Das Problem ist von den norddeutschen Ländern auch immer angesprochen worden. Auch wir haben uns gemeinsam mit Schleswig-Holstein für Investitionen in den Kanal eingesetzt. Wenn die norddeutschen Länder etwas für die maritimen Interessen Deutschlands erreichen wollen, dann können sie das nur gemeinsam. Das geschieht auch - aber selbstverständlich ist es immer wieder eine neue Herausforderung, klar zu machen, welche Bedeutung das Thema hat: Der Hafen von Bayern, von Baden-Württemberg, von Sachsen ist Hamburg.

 

Aber wird Ihnen da genug zugehört?
Ich neige dazu, in solchen Fragen nach vorne zu blicken und eine Forderung für die Zukunft zu formulieren: Wir müssen immer dafür sorgen, dass wir gehört werden.

 

Oder arbeiten die Nordländer hier nicht gut genug zusammen?
Die Zusammenarbeit funktioniert gut, das ist auch an den gemeinsamen Zielsetzungen ablesbar, gerade wenn es um die Hafenhinterland-Anbindung geht.

 

Der Hafen hat in letzter Zeit eher mit negativen Zahlen Schlagzeilen gemacht. Wie lange lässt sich die Hängepartie mit der Elbvertiefung aushalten?
Der Hamburger Hafen ist der größte Arbeitgeber der Region. Deswegen ist es in unserem gemeinsamen Interesse, dass wir die Entwicklung vorantreiben. Das geschieht, indem wir in den Hafen investieren, um den Firmen dort optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen. Das geschieht auch, indem wir die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur gemeinsam vorantreiben. Die S 4, die ja zuerst den Pendlern helfen soll, ist zugleich eine Verbesserung der Anbindung des Hafens in Richtung Norden, weil sie eine entlastende Wirkung für den übrigen Schienenverkehr haben wird.

 

Sorgen macht Ihnen die Entwicklung nicht?
Ich bin mit Blick auf die Hafenentwicklung sehr optimistisch. Das Schiff ist die kostengünstigste und ökologisch beste Form des Warentransports. Die weltweite Arbeitsteilung wird weiter zunehmen. Es wird also mehr zu transportieren geben. Es geht nicht darum, ob es weitere Zuwächse geben wird, sondern welchen Anteil der Zuwächse wir hier bewältigen und damit möglich machen können. Von großer Bedeutung ist natürlich auch die Frage der Elbvertiefung, bei der wir ja sehr weit gekommen sind. Wir haben den Konsens mit der Europäischen Union hergestellt, wir haben einen gemeinsamen Standpunkt mit den Nachbarländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein erreicht. Der Planfeststellungsbeschluss wird jetzt vor Gericht beklagt. Das ist nicht schön, aber offenbar unvermeidlich, denn frühere Vorhaben gingen ja auch schon vor Gericht. Wir sind insgesamt sehr zuversichtlich, denn der Planfeststellungsbeschluss ist gut vorbereitet.

 

Sie haben nicht das Gefühl, Ihnen läuft die Zeit davon?
Es wäre besser, wenn die Entscheidung schon längst gefallen wäre. Aber wir können ja nichts daran ändern, dass es ein Gerichtsverfahren gibt, das erst einmal entschieden werden muss.

 

Die Konkurrenz, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat - ich denke zum Beispiel an den Jade-Weser-Port oder die neuen Anlagen in Bremerhaven - die macht Ihnen keine Sorgen?
Die Entwicklung insgesamt wird noch zusätzliche Kapazitäten für den Hafenumschlag notwendig machen. Wettbewerb ist ja nicht schädlich und der Standort Hamburg spricht für sich. Ein Großteil der Waren, die in Hamburg ausgeladen werden, hat als Bestimmungsort Hamburg und die Metropolregion. Hinter dem Hamburger Hafen steht eine in Jahrzehnten gewachsene ausgefeilte Logistik und Anbindung an das Hinterland. All das kann man an anderen Standorten nicht ohne Weiteres schaffen.

 

Wettbewerb in der Region heißt auch, dass Hamburg gelegentlich Unternehmen an das Umland abgibt, auch weil sie abgeworben werden. Empfinden Sie das als unfreundlichen Akt oder gehört das zum normalen Miteinander?
Wenn die Bürgermeister und Landräte im Umland sich um die Entwicklung ihrer Orte bemühen, dann tun sie etwas Richtiges für die Metropolregion. Steuerdumping sollte niemand im Blick haben, das zahlt sich am Ende nicht aus. Wirtschaftlich erfolgreich sind wir, weil wir eine Fünf-Millionen-Region sind. Das wir uns im Wettbewerb anständig verhalten, ist schon daran ablesbar, dass unsere Wirtschaftsförderung einem Ansiedlungswilligen auch Grundstücke im Umland der Stadt nachweist. Das spricht für unseren Gesamtblick auf diese Frage.

 

Beim Thema Schule ist es offenbar etwas schwieriger, den Wünschen der Bürger im Hamburger Umland entgegen zu kommen. 
Viele Eltern aus Schleswig-Holstein schicken ihre Kinder auf Schulen in Hamburg, und es gibt eine Reihe weiterer, die das gerne wollen. Diese Aufgabe zu lösen, ist nicht ganz einfach. Auf alle Fälle ist es eine Frage der schleswig-holsteinischen Landespolitik, welche Möglichkeiten man hier eröffnen will.

 

Es gab zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein den Streit um die Windmesse. Muss man für solche Fragen Mechanismen finden, die eine Eskalation verhindern?
Es hat keinen Streit zwischen den Ländern gegeben. Das war eine Frage der Aussteller und der Messegesellschaften. Am Ende haben die Länder geholfen, dass eine Kooperation möglich geworden ist. Hamburg und Schleswig-Holstein haben in der Sache als Staaten nicht agiert.

 

Wie kam es dann, dass Schleswig-Holstein den Hafenschlick plötzlich nicht mehr haben wollte?
Weiß ich nicht. Auch die Hafenschlickfrage ist gelöst.

 

Wie bewerten Sie den Kompromiss?
Die Verständigung der Messegesellschaften ist vernünftig. Es geschieht jetzt das, was die Firmen und Verbände dieser Branche wollen, unter Bedingungen, die auch für die Entwicklung des Standortes der bisherigen internationalen Messe sehr günstig sind.

 

Hamburg. Alle wollen gerne in die Metropolregion Hamburg. Welche Chancen bietet die Metropolregion eigentlich der Stadt selbst?
Die Metropolregion ist ein Erfolg für alle. In der Welt können wir uns nur als Metropole mit fünf Millionen Einwohnern behaupten. Die Metropolregion genießt hohe Akzeptanz, weil sie eine Lebenswirklichkeit abbildet. Da haben nicht Politiker zusammengesessen und mit dem Filzstift eine Region auf die Karte gezeichnet, sondern die Bürger in und um Hamburg empfinden sich selbst als Teil dieser Region. Das muss sich dann auch in Fragen der Verkehrsinfrastruktur niederschlagen. Die politischen Grenzen dürfen für das Leben der Bürger keine entscheidende Rolle spielen.

 

Interview von Von Helge Matthiesen und Klaus May in der shz