arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

12.10.2012

Spiegel Online Interview - Olaf Scholz zu digitalen Medien

 

SPIEGEL ONLINE: Herr Scholz, wie intensiv nutzen Sie digitale Medien?

Scholz: Privat nutze ich das Netz etwa, um Fernsehsendungen zeitversetzt zu schauen. Die "heute-show" zum Beispiel. Oder ich informiere mich über Reiseziele - so wie viele andere Bürger auch. Aber ich habe wenig Zeit, um mich über soziale Netzwerke mit anderen auszutauschen.

SPIEGEL ONLINE: Gleichwohl gibt es ein Facebook-Profil von Ihnen und einen Twitter-Account.

Scholz: Und noch länger habe ich eine eigene Internetseite. Dort biete ich ganz bewusst wenig Gimmicks, aber viel Content an. Wer Interesse hat, kann Texte, Reden und Interviews von mir nachlesen. Natürlich bin ich in sozialen Netzwerken angemeldet. Es wäre aber nicht klug, so zu tun, als würde ich jeden Tag über Facebook oder Twitter immer selbst kommunizieren. Man muss ehrlich sein. Bei Twitter steht: Hier twittert das Team von Olaf Scholz. Natürlich mit meinen Inhalten.

 

SPIEGEL ONLINE: Wie wichtig ist es heute für einen Politiker, dass er sich mit digitalen Medien auskennt?

Scholz: Ich halte das für unverzichtbar. Das schöne und auch komplizierte an unserer Medienwelt ist, dass es eben nicht mehr nur zwei oder drei Fernseh-Sender gibt. Die Medienwelt ist unübersichtlicher geworden. Es gibt mehr Medien als früher. Als Politiker muss man die unterschiedlichen Medien nutzen, um mit den Bürgern in Kontakt zu bleiben. Demokratie lebt letztlich davon, dass sich Politiker und Bürger begegnen - auch im Internet.

 

SPIEGEL ONLINE: Muss man als Politiker twittern?

Scholz: Man muss gar nichts. Ich fände es aber schade, es nicht zu tun. Jeder sollte offen sein für das Neue. Ich fürchte mich nicht vor neuer Technik. Deshalb überwältigt sie mich auch nicht so sehr wie vielleicht manch anderen.


SPIEGEL ONLINE: Peer Steinbrück kokettiert gerne damit, dass er eher ein Offline-Mensch ist. Kann jemand Bundeskanzler werden, der seine Mails nur alle paar Tage checkt?

Scholz: Ja.


SPIEGEL ONLINE: Sie haben neulich einen eindringlichen Appell an die Medienunternehmen gerichtet: Sie sollten aufpassen, dass sie nicht die Chancen verpassen, die die neue Medienwelt mit sich bringt. Wie haben Sie das gemeint?

Scholz: Wenn etwas Neues entsteht, gibt es meist eine typische Reaktion: Diejenigen, die erfolgreich sind bei dem, was es schon gibt, warnen vor dem Neuen. Zugleich verlangen sie Regeln, die sicherstellen sollen, dass das Neue ihre eigene Tätigkeit nicht beeinträchtigt. Das ist ängstlich. Wir müssen darüber nachdenken, wie man die Möglichkeiten der journalistischen Produktion in die Zukunft einer veränderten Medienwelt hinüber rettet. Das heißt übrigens auch, dass wir Wege finden müssen, wie auch künftig mit Journalismus Geld verdient werden kann. Die Medienunternehmen müssen ihre Chance erkennen, etwas zu entwickeln, auf das vielleicht noch niemand vor ihnen gekommen ist.


SPIEGEL ONLINE: Das ist einfacher gesagt als getan...

Scholz: ...das gilt für vieles.


SPIEGEL ONLINE: Es ist bisher niemandem gelungen, mit journalistischen Produkten im Netz die Umsätze zu kompensieren, die in Print verloren gehen. Die klassischen Vertriebserlöse gibt es im Internet kaum.

Scholz: Zunächst ist das eine unternehmerische Herausforderung. Niemand kann heute sagen, zu welchem Ergebnis die aktuellen Entwicklungen führen. Sicher ist aber: Es wird am Ende integrierte Medienunternehmen geben, die ihre Inhalte über verschiedene Kommunikationswege verbreiten.


SPIEGEL ONLINE: Viel Zeit bleibt manchen Unternehmen nicht mehr, um sich etwas einfallen zu lassen. Schon jetzt gibt es deutliche Alarmsignale: Etliche Zeitungen verlieren ihre Anzeigenkunden, weil diese ins Internet abwandern. Redakteure werden entlassen.

Scholz: Ich finde das Besorgnis erregend, weil Journalismus ohne Redakteure nicht funktioniert. Aber man darf die Frage nicht ausblenden, welcher Verlust etwas mit den neuen Medien zu tun hat und welcher Verlust damit, dass bestimmte Angebote aus anderen Gründen weniger nachgefragt werden. Ich glaube, dass ein journalistisches Produkt, das für die Leser eine Auswahl an interessanten Informationen trifft, immer erfolgreich sein wird. Ich zum Beispiel beziehe einen Teil meines Wissens aus Kenntnissen, die ich gar nicht erwerben wollte. Wenn ich eine ganze Zeitung oder ein gutes Internetangebot lese, lerne ich Dinge kennen, die ich vorher gar nicht wahrgenommen habe. Dieser Stöbercharakter ist das, was Angebote interessant macht. Und die journalistische Qualität natürlich.


SPIEGEL ONLINE: Welchen Beitrag kann die Politik leisten, um eine vielfältige, wirtschaftlich erfolgreiche Medienlandschaft zu erhalten?

Scholz: Wir brauchen eine Mischung aus unternehmerischer und politischer Kreativität, um ein System zu entwickeln, das gut und dauerhaft funktioniert. Wenn es nur noch öffentlich-rechtliche Medien geben würde, die Qualitätsjournalismus sicherstellen und die ich deshalb schätze, dann wäre das am Ende doch eine Verarmung. Deshalb bin ich zum Beispiel sehr dafür, dass sich die Politik für den Schutz des Urheberrechts im Internet einsetzt, um Geschäftsgrundlagen zu sichern.


SPIEGEL ONLINE: Viele Medienunternehmen fordern eine strenge Auslegung des Urheberrechts im Netz. Die Regierung hat deshalb eigens für die Verlage ein Leistungsschutzrecht entwickelt. Es soll sicherstellen, dass Suchmaschinen wie Google an die Verlage Geld zahlen, wenn sie auf Inhalte verweisen.

Scholz: Das Anliegen der Verleger ist berechtigt. Allerdings glaube ich, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung keine gute Lösung ist. Das, was geschützt werden soll, sind die verlegerischen und journalistischen Leistungen. Wer aber gleichzeitig auch noch will, dass er Geld dafür bekommt, weil man ihn im Internet findet, will zu viel. Als Anwalt habe ich meinen Mandanten immer gesagt, dass man gut begründete Ziele haben muss und nicht alles wollen darf. Sonst bekommt man manchmal weniger, als man verdient.


SPIEGEL ONLINE: Google verdient mit dem Auffinden von verlegerischen Inhalten Milliarden. Ist es da nicht verständlich, dass die Verleger einen Teil davon abhaben wollen?

Scholz: Wenn bei Google steht, dass es einen Artikel zu Olaf Scholz bei SPIEGEL ONLINE gibt, dann ist das noch keine Sache, für die SPIEGEL ONLINE Geld bekommen sollte. Aber für den Nachdruck oder das Verbreiten interessanter größerer Teile des Artikels schon.


SPIEGEL ONLINE: Sie halten den Gesetzentwurf der Regierung zum Leistungsschutzrecht nicht für gerichtsfest. Wie meinen Sie das?

Scholz: Ein Gesetz, dem man genau ansieht, dass eine bestimmte Person oder ein bestimmtes Unternehmen gemeint ist, erfüllt gemeinhin nicht die Anforderung einer neutralen gesetzlichen Regelung. Ein Gesetz funktioniert dann am besten, wenn es die Perspektiven der unterschiedlichen Betroffenen sorgfältig abwägt und sich dabei an generell-abstrakten Prinzipien orientiert. Dazu sollte die Politik schon im Entstehungsprozess alle Beteiligten zusammenbringen. Wir sind deshalb medienpolitisch gut beraten, auf Modelle der kooperativen Regulierung zu setzen, um faire Regeln für alle zu entwickeln. Nur in einer solchen Media Governance können wir übrigens als Regulierer auch Schritt halten mit dem heutigen Tempo der Medienentwicklung.


SPIEGEL ONLINE: Wie weit darf sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet engagieren?

Scholz: Die öffentlich-rechtlichen Sender müssen die Möglichkeit haben, das Internet zu nutzen. Niemand weiß, inwieweit dies der künftige Übertragungsweg für TV und Radio sein wird. Gleichzeitig darf nicht auf diesem Weg öffentlich-rechtliche Zeitung im Internet entstehen.


SPIEGEL ONLINE: Wenn das Internet als Übertragungsweg immer wichtiger wird, dann stellt sich auch die Frage des Zugangs zum Internet...

Scholz: In der Tat haben wir da noch Handlungsbedarf. Die Breitbandversorgung wird ja immer wieder diskutiert. Eine weitere Initiative haben Hamburg und Berlin gemeinsam in den Bundesrat eingebracht: Wir wollen, dass Betreiber von Gaststätten, Hotels und anderen öffentlichen Einrichtungen endlich Sicherheit darüber haben, wie sie ihre WLAN-Netz so für ihre Kunden öffnen können, dass sie nicht selbst für jeden Rechtsverstoß haften, der in ihren Netzen begangen wird. Darüber stimmt der Bundesrat am Freitag ab. Der Bund als zuständiger Gesetzgeber soll dazu einen Vorschlag entwickeln. Wenn der käme, wäre das ein wichtiger Beitrag zur digitalen Infrastruktur unserer Gesellschaft.


SPIEGEL ONLINE: Datenschutz ist ein großes Thema im Netz und für die Medienpolitik: Werden wir im Internet auf Dauer noch so etwas wie Privatsphäre haben?

Scholz: Das hoffe ich sehr. Es geht um die Frage, wie bekommen wir Verbraucherschutz so gut wie möglich hin, ohne gleichzeitig die neuen digitalen Geschäftsmodelle abzuschaffen. Da betreten wir Neuland. Kaum eines der neuen Unternehmen aus dem Bereich sozialer Medien würde funktionieren, wenn es nicht auch etwas über seine Nutzer wüsste. Deshalb sollten wir auch da auf eine kooperative Regulierung setzen. Ziel muss es sein, erst aus dem Gespräch mit den beteiligten Fachleuten Gesetze abzuleiten. Der Gesetzgeber sollte nicht den umgekehrten Weg wählen und sich Dinge ohne Debatte und Know-how der Nutzer und Unternehmer ausdenken.


SPIEGEL ONLINE: Wenn Prominente wie Max Mosley oder Bettina Wulff Dinge, die über Google im Netz verbreitet werden, löschen lassen wollen, müssen sie die Gerichte bemühen. Braucht es neue gesetzliche Regelungen, um die Persönlichkeitsrechte im Netz zu schützen?

Scholz: Wie Sie schon sagen, dazu sind Fälle vor Hamburger Gerichten anhängig. Eine gerichtliche Klärung der Frage, ob unsere bestehenden Gesetze ausreichen, vorgenommen durch kluge Hamburger Richter, muss nicht die schlechteste Lösung sein.


SPIEGEL ONLINE: Demnächst könnte eine Entscheidung darüber anstehen, wer den scheidenden rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck als Vorsitzender der Rundkommission der Länder beerbt. Stehen Sie bereit?

Scholz: Die Rundfunkkommission hat eine lange rheinland-pfälzische Tradition, die gut ist. Solange niemand den Wunsch verspürt, das zu ändern, sollte man es auch nicht tun.


SPIEGEL ONLINE: Ein Wort noch zum Kanzlerkandidaten der SPD, Peer Steinbrück. Wie kann er Angela Merkel packen?

Scholz: Peer Steinbrück ist eine klare Alternative zur Kanzlerin. Die jetzige Regierung beschäftigt sich in erster Linie mit sich selbst und lässt wichtige innenpolitische Themen liegen: die Energiewende, den Ausbau der Ganztagsbetreuung, den Mindestlohn, eine Erneuerung der Regelungen zur Kurzarbeit, die uns in der letzten Krise geholfen haben. Das Land braucht endlich eine Regierung mit einem Plan. Und sie braucht eine Regierung, die ihren Plan entschlossen umsetzt. Dafür steht Peer Steinbrück.

 

Das Interview führten Mathias Müller von Blumencron und Roland Nelles