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18.10.2013

Tagung zur Vermittlung der jüdischen Geschichte

 

 

Sehr geehrter Herr Herr Kaasmann,
sehr geehrter Herr Professor  Benz,
sehr geehrter Herr Dr. Schröder,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

heute sind mehr als 150 Lehrerinnen und Lehrer der Berufsschulen, der Gymnasien und Stadtteilschulen zusammengekommen. Außerdem die Vertreter der Institutionen, denen die deutsch-jüdische Geschichte am Herzen liegt. Ich freue mich über die große Resonanz, die ein Ausdruck des Interesses am Thema ist, und darf Sie und viele weitere interessierte Gäste ganz herzlich begrüßen.

Einen besonderen Stellenwert hat heute Yad Vashem, Gedenkstätte und Studienzentrum in Jerusalem. Der Direktor für die deutschsprachigen Länder und die Schweiz aus dieser weltweit bekannten und einzigartigen Einrichtung ist heute leider kurzfristig verhindert mein besonderer Dank gilt ihm, Herrn Arik Rav-On. Sein Engagement für Schule und Bildung hat die Tagung in dieser Form maßgeblich befördert. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang gern an unser erstes Gespräch dazu im Januar 2012.

Meine Damen und Herren,
die heutige Tagung trägt den Titel: Deutsche Juden, jüdische Deutsche und ihre Nachbarn.
Dieser Titel ordnet zu und verbindet. Wir wollen, dass sich Verfolgung und Diskriminierung, wie sie in der Vergangenheit bei uns geschehen sind, niemals wiederholen. Unseren Beitrag hierzu zu leisten dafür sind wir heute hier. Wir setzen uns dafür ein, dass deutsche Juden, jüdische Deutsche und ihre Nachbarn sich verstehen. Die deutsch-israelischen Schulbuchempfehlungen fordern, das Trennende zwar nicht zu vergessen, aber zugleich das Gemeinsame zu entdecken.

2013 jährt sich zum 80. Mal die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, zum 75. Mal die Reichspogromnacht, und es jähren sich zum 70. Mal die Luftangriffe alliierter Verbände auf Hamburg.

Unsere Kinder und Jugendlichen sind weiter weg von der Zeit der Verfolgung im Holocaust des 20. Jahrhunderts. Der Blick auf diese Zeit verändert sich, deshalb stellt sich uns die Frage: wie können und wollen wir mit der Vergangenheit in Zukunft umgehen? Was wollen wir wie an die Nachwachsenden weitergeben?

Die Hamburgische Bürgerschaft, der Senat sowie zahlreiche Institutionen, Forschungseinrichtungen und die Justiz haben viele Anlässe für Erinnerung geschaffen mit Projekten, Vorträgen und Ausstellungen. Die Landeszentrale für politische Bildung hat sich beispielsweise am Gedenkjahr 2013 beteiligt mit einer Seminarreihe zu den Folgen von Holocaust und NS-Zeit für die Nachfolgegenerationen.

Wenn wir zurückblicken, sehen wir Verfolgung und Mord. Wir sehen zugleich den fruchtbaren Austausch zwischen der jüdischen und nichtjüdischen Bevölkerung über fast 2000 Jahre hinweg.

Diese Doppelgesichtigkeit, dieser Wechsel von gegenseitiger Befruchtung, Zusammenarbeit und Zusammenwachsen, Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung ist Teil des Lebens auch zweier bekannter Deutscher. Ich möchte Ihnen zwei kurze Ausschnitte aus ihren Biografien vorlesen.

Hans Rosenthal die Älteren kennen ihn als Dalli Dalli-Moderator schreibt 1980 in seiner Autobiografie Zwei Leben in Deutschland:
Beim Nachdenken über meinen Lebensweg erkannte ich einen scharfen Kontrast zwischen meinem Leben als Kind und Jugendlicher und meinem Dasein als Erwachsener. [...] Es waren eigentlich zwei Leben, die ich geführt hatte. [...] In der Vorkriegszeit, der Zeit meiner Kindheit, wurden meine Angehörigen und ich selbst in jener sich mehr und verdunkelnden Phase deutscher Geschichte zu Menschen zweiter Klasse. Im Kriege wurde ich dann zur ‚Unperson‘. Meine Existenz war nicht nur gefährdet, sie war offiziell überhaupt nicht mehr vorhanden. Jede Stunde [...] war eine Stunde der Angst und gleichzeitig des Erstaunens darüber, dass es mich überhaupt noch gab. Nach dem Krieg ging es dann auf eine überraschende Weise aufwärts. Es war wie auf einer Drehbühne, die sehr schnell zu einem totalen Szenenwechsel bewegt wird. (...) Mein eigenes Leben meine zwei Leben in Deutschland war wie ein verkleinertes Spiegelbild dessen, was diesem Lande widerfahren ist, (diesem Land), das ich trotz und gerade wegen der Leidenszeit, die mir auferlegt war als Vaterland empfinde.

Der Journalist, Publizist, Schriftsteller und Regisseur Ralph Giordano schreibt 2007 in seinen Erinnerungen eines Davongekommenen:
Dieses Deutschland soll zu Beginn des 21. Jahrhunderts wissen, dass in ihm noch immer Augenzeugen weilen, die nicht vergessen können. Es muss wissen, dass darunter Menschen sind, denen beim unfreiwilligen Einatmen der Auspuffschwaden im Stau des motorisierten Wohlstandsblechs unweigerlich Gedanken an die Gaskammern von Auschwitz, an die Gaswagen von Chelmno kommen. [...] In einer langen Biographie von ihm sowohl misshandelt wie auch geehrt, versetzt mich Deutschland in einen Zustand permanenter Ambivalenz. Was heißt: Es hat mich mit Haut und Haaren, unkündbar.

Dieser Ambivalenz folgend hat die heutige Tagung zwei Schwerpunkte: die Erinnerung an Verfolgung und Diskriminierung von Juden während der Zeit des Nationalsozialismus und die Gemeinsamkeiten der jüdischen und nichtjüdischen Bevölkerung. Wir beschäftigen uns heute mit der Frage, wie beide Themen im Unterricht umgesetzt werden können, um die Schülerinnen und Schüler an den weiterführenden Schulen Hamburgs zu erreichen.

Die Geschichte des Holocaust kann nicht mehr in der gleichen Weise im Unterricht thematisiert werden wie in der Vergangenheit. Dafür gibt es mehrere Gründe. Natürlich fehlen Zeitzeugen immer mehr als Gesprächspartner.

Deshalb müssen wir neue Ansätze entwickeln, um allen Schülerinnen und Schülern ein Bewusstsein für die deutsche Vergangenheit zu vermitteln und für die daraus erwachsene Haltung gegenüber Israel. Wir wünschen uns, dass dieses Bewusstsein Gedenken möglich macht und dass es zu einem Gefühl der Verantwortung führt.

Die pädagogische Vermittlung des Themas Juden in Deutschland und Holocaust ist von besonderer Bedeutung. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch Ihre tägliche Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern.. Deshalb beschäftigen wir uns heute in Zusammenarbeit mit Yad Vashem mit der Weiterentwicklung der Unterrichtskonzepte.

Meine Damen und Herren,
die heutige Tagung über die deutsch-jüdische, oder besser europäisch-jüdische Geschichte knüpft an eine Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen und pädagogischer Bemühungen an. Dazu gehören die Arbeiten des Hamburger Instituts für die Geschichte der Juden, der Arbeitsgemeinschaft Deutsch-Jüdische Geschichte im Verband der Geschichtslehrer Deutschlands und die Veröffentlichungen des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt am Main. Alle finden sich wieder im Tagungsprogramm mit seinen mehr als 22 Workshops.

Die große Vielfalt des heutigen Programms kommt ganz besonders durch das Engagement einzelner Bürgerinnen und Bürger zustande, die sich als Lehrkräfte oder einfach als Interessierte mit der jüdischen Geschichte beschäftigen und ein entsprechendes pädagogisches Programm entwickelt haben dafür sei allen herzlich gedankt! Insbesondere danke ich dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung für die Vorbereitung und Durchführung dieser Tagung sowie Herrn Professor Benz für seine Bereitschaft, den Eröffnungvortrag zu halten.

Ich wünsche allen einen erkenntnisreichen Nachmittag mit guten Ideen und guten Gesprächen!

 

Es gilt das gesprochene Wort.