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11.09.2013

Volksentscheid über den Rückkauf der Versorgungsnetze Interview mit dem Mieterjournal

Volksentscheid über den Rückkauf der Versorgungsnetze Interview mit dem Mieterjournal

 

 

Mieterjournal: War es ein Fehler, die HEW und Hein Gas zu verkaufen?


Olaf Scholz: Vermutlich. Anderenfalls: Wenn uns die HEW noch gehören würden, würden wir jetzt noch ein paar Atomkraftwerke besitzen, an denen die HEW beteiligt waren. Wichtiger ist aber: Wir bekommen HEW und Hein Gas nicht zurück. Auch nicht durch den Volksentscheid. Es geht bei dem hauptsächlich um die Netze.

Mieterjournal: Laut Umfragen befürworten rund 60 Prozent der Hamburger den kompletten Rückkauf der Strom-, Wasser- und Fernwärmenetze. Warum sind Sie dagegen?


Olaf Scholz: Wir haben mit den Energieversorgungsunternehmen vereinbart: Die Stadt übernimmt solide finanziert 25,1 Prozent an den Versorgungsnetzen und erhält strategischen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Unternehmen. Gleichzeitig verpflichten sich die Unternehmen, am Standort Hamburg rund 1,6 Milliarden Euro in Projekte der Hamburger Energiewende zu investieren. Zum Beispiel in Wärmespeicher oder ein hochmodernes Gas- und Dampfkraftwerk. Das alles gewinnen wir.

Ein vollständiger Netz-Kauf würde uns demgegenüber mehr als zwei Milliarden Euro kosten. Wir würden das komplette unternehmerische Risiko tragen und bei der Energiewende keinen Schritt weiter kommen. Denn die für die Energiewende wichtigen Investitionen finden nicht im Netz sondern zum Beispiel bei den Erzeugungsanlagen statt.

Mieterjournal: Vattenfall will sich aus einigen Geschäftsfeldern zurückziehen. Ist der Konzern noch ein verlässlicher Garant für die Zukunft der Netze?


Olaf Scholz: Sie können sicher sein, dass wir Vattenfall intensiv befragt haben. Die wollen in Hamburg bleiben. Wenn das nicht so wäre, könnten sie uns die Netze jetzt ja anbieten. Das hat Vattenfall aber nicht gemacht.

 

Mieterjournal: Wie teuer wäre der komplette Rückkauf der Netze?

 

Olaf Scholz: Der 100-Prozent-Rückkauf würde die Stadt mehr als zwei Milliarden Euro kosten. Dafür würden wir im Wesentlichen Rohre und Kabel bekommen. Auf Basis unserer Verträge mit den Unternehmen haben wir ein Viertel dieser Summe bezahlt, aber die für die Stadt wichtigen Investitionen durchgesetzt. Unser Motto heißt: mehr Energiewende für weniger Geld.

Mieterjournal: Ist der Komplett-Kauf bei voraussichtlichen Einnahmen von 450 Millionen Euro wirklich unbezahlbar?

 

Olaf Scholz: Es gibt Leute, die sich in der Erwartung auf voraussichtliche Einnahmen bis über die Halskrause verschulden. In Hamburg wissen wir, dass in den letzten Jahren nicht wenige Leute Geld in Schiffsbeteiligungen gesteckt und auf sichere Gewinne gehofft haben. Manche sind jetzt insolvent. Viele haben Geld verloren. Man muss nüchtern und realistisch sein und sollte sich nichts schönreden. Bei der Elbphilharmonie hieß es jahrelang auch: das wird schon irgendwie werden die Folgen sind bekannt. Übrigens. Wo viele Einnahmen verbucht werden, gibt es auch viele Ausgaben.

Mieterjournal: Die Initiative Unser Hamburg Unser Netz behauptet, der Kauf lasse sich durch den laufenden Betrieb refinanzieren.

 

Olaf Scholz: Diese Behauptung ist vorsichtig ausgedrückt ziemlich gewagt und nicht belastbar. Es ist übrigens so, dass die Bundesnetzagentur, um die Verbraucher zu schützen, die Erlöse nach oben gedeckelt hat nach unten aber nicht. Kommunale Netzbetreiber können auch Verluste machen. Und einzelne Kommunen äußern bereits öffentlich ihre Sorge, dass sie mit den Netzen in die Verlustzone rutschen könnten.

Mieterjournal: Was halten Sie von der Idee, die Hamburger Bürger durch den Kauf von Anteilen am Netze-Rückkauf zu beteiligen?

 

Olaf Scholz: Das Genossenschaftsmodell steht bei dem Volksentscheid nicht zur Abstimmung. Wenn die Bürger sich dafür entscheiden, 100 Prozent zurückzukaufen, kann rechtlich nicht hinterher eine Genossenschaft die Netze übernehmen.

Mieterjournal: Falls die Volksinitiative gewinnt: Wird der Senat den Wählerwillen umsetzen?

 

Olaf Scholz: Ich bin ein Anhänger von Volksentscheiden. Ich habe immer gesagt, dass der Senat einen Volksentscheid nicht ins Leere laufen lassen wird. Das bedeutet in diesem Fall: Wenn die Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger den Senat im Volksentscheid verpflichtet, über zwei Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufzunehmen, wird der Senat sich an diese Verpflichtung halten. Wenn die Hamburger wollen, dass der Senat die Netze zu 100 Prozent erwirbt heißt das aber: weniger Investitionen, weniger CO2-Reduzierung, weniger Arbeitsplatzsicherheit. Das wäre ein Rückschlag für die Hamburger Energiewende. Was man auch wissen muss: Ohne Konzession können Strom- und Gasnetze nicht betrieben werden. Die Konzession wird aber nicht per Volksentscheid vergeben, sondern in gesonderten, gesetzlich geregelten Vergabeverfahren. So fordert es das Energiewirtschaftsgesetz. Wenn die Stadt also nach dem Volksentscheid einer eigenen Firma die Netze zuteilt, kann das später vor Gericht noch scheitern.