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23.08.2007

Zwei von Einhundert Zwei Jahre IUSY in den 80er Jahren

Zwei von Einhundert Zwei Jahre IUSY in den 80er Jahren

Beitrag von Olaf Scholz in der Publikation "100 Years of International Socialist Youth - Struggle for Peace and Equality in the World" anlässlich des 100. Geburtstages der International Union of Socialist Youth (IUSY).

 

Zwei von Einhundert Zwei Jahre IUSY in den 80er Jahren

Zwei von Einhundert. Als IUSY-Vizepräsident konnte ich von 1987-1989 an der nun 100jährigen Geschichte der Jugendorganisation der Sozialistischen Internationale teilhaben. Es war eine politisch spannende Zeit, der Eiserne Vorhang in Europa war noch heruntergelassen und konnte erst kurze Zeit später gelüftet werden. Und persönlich waren es nicht minder spannende zwei Jahre. Eine Zeit, die mich bis heute prägt.

Als ich 1987 auf dem Kongress in Brüssel zum Vizepräsidenten der IUSY gewählt wurde, war ich bereits fünf Jahre als stellvertretender Vorsitzender der Jungsozialisten in der SPD in Deutschland aktiv. Die Zeit bei der IUSY markierte also das Ende meiner politischen Arbeit in den Jugendorganisationen der sozialdemokratischen Familie. Es war eine gute Zeit. Denn ich traf viele spannende Menschen aus allen Teilen der Welt, lernte einiges über die unterschiedlichen Herausforderungen in den verschiedenen Ländern und erweiterte meinen politischen Horizont. Gleich meine erste Auslandsreise mit der IUSY führte mich nach Nicaragua, in dem damals die Sandinisten von der FSLN ihre Revolution verteidigten und viele Mitgliedsorganisationen der IUSY praktische Solidarität übten. Es wirkt wie ein kleiner Scherz der Geschichte, dass heute Daniel Ortega erneut an der Spitze des zentralamerikanischen Landes steht.

Von meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem IUSY-Präsidium 1987-1989 sind viele weiter politisch aktiv. Und bei mancher Gelegenheit treffe ich die eine oder den anderen wieder. Es ist spannend, wie unterschiedlich die Lebenswege verlaufen. Und gleichzeitig ist es interessant zu sehen, dass wir uns fast alle in der einen oder anderen Form der Politik weiter verschrieben haben. Leider gehört zur Geschichte "unseres" Präsidiums auch ein sehr trauriges Ereignis. Im September 2003 wurde eine der aktivsten Genossinnen durch ein feiges und brutales Verbrechen aus unserer Mitte gerissen: Anna Lindh. Anna war als Außenministerin in Schweden eine der Hoffnungsträgerinnen der Politik ihres Landes. Umso tiefer traf uns alle die Nachricht von ihrer Ermordung. Ich bin froh, dass die IUSY das Andenken von Anna ehrt und ein Anna-Lindh-Programm ins Leben gerufen hat. Zu den mutigen Menschen, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe, gehört auch Joan Calabuig, der damalige Präsident der IUSY. Joan wuchs in Spanien unter Francos Diktatur auf, und begann seine politische Arbeit unter der Drohung des Polizeistaates und der Zensur. Inzwischen ist die spanische Demokratie ein anerkanntes Mitglied der Europäischen Union und Juan ist als Mitglied des Europaparlaments aktiv.

Viele andere junge Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in meiner Zeit als Vizepräsident der IUSY stammten aus Ländern, in denen Demokratie damals ein fernes Ziel zu sein schien.  Heute ist es an vielen Stellen erreicht.

Zu den spannendsten Erfahrungen meiner Zeit bei der IUSY gehörte die Vorbereitung der Aufnahme der Federazione Giovanile Comunista Italiana (FGCI, nunmehr Sinistra Giovanile, SG), der Jugendorganisation der ehemaligen PCI aus Italien in die IUSY. Die Veränderungen in der Parteienlandschaft, die später in vielen anderen Ländern folgen sollte, war hier unmittelbar zu erfahren. Die gemeinsamen Überlegungen mit  dem späteren Europaabgeordneten und Internationalen Sekretär der DS, Luciano Vecchi, habe ich noch immer in Erinnerung.

"Unser" Präsidium hat inzwischen auch einen Regierungschef hervorgebracht. An die langen Diskussionen mit Alfred Gusenbauer aus Österreich denke ich noch heute gerne zurück. Es ist bemerkenswert, dass mir viele Fragen der internationalen Politik, die mich zu meiner IUSY-Zeit beschäftigt haben und die wir im Kreise der Kolleginnen und Kollegen damals nächtelang diskutiert haben, inzwischen bei meinen verschiedenen Ämtern in der "erwachsenen" Politik wieder begegnen. Die damals von uns sehr engagiert geführte Diskussion, ob Schweden, Finnland und Österreich Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union werden sollten, hat sich erst 1995 durch deren Beitritt erledigt. Mancher hat damals in der Einschätzung knapp daneben gelegen und gute Rotweine verwettet. Als Generalsekretär meiner Partei hatte ich später immer wieder mit Vertreterinnen und Vertretern unserer Schwesterparteien aus der ganzen Welt zu tun. Dank meiner IUSY-Vergangenheit konnte ich manche Debatte und manches Problem schneller verstehen. Nicht zuletzt half mir das Vorverständnis aus meiner Zeit bei der IUSY bei einigen Entscheidungen, die ich als Abgeordneter im Deutschen Bundestag über den militärischen Einsatz deutscher Soldaten im Ausland zu treffen hatte.

Die kurze Erinnerung an einige der Erlebnisse an die zwei Jahre als IUSY-Vizepräsident reicht aus, um sich auszumalen, welche Geschichten und Geschichte sich mit den nunmehr einhundert Jahren verbinden, die es die Jugendorganisation der heutigen Sozialistischen Internationale gibt. Jede Veteranin und jeder Veteran wird ähnliche Erfahrungen gemacht haben und vergleichbare Geschichten erzählen können. Zusammen ergeben sie das Bild einer lebendigen und aktiven Organisation, die ihre Aktivistinnen und Aktivisten sicher für ihr ganzes Leben geprägt hat. 

Ich jedenfalls bin froh über meine IUSY-Zeit und wünsche mir, dass noch viele Generationen ähnliche Erfahrungen mit und bei der IUSY machen können.


Autor:
Olaf Scholz, ist Mitglied des Deutschen Bundestages seit 1998. Er war stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungsozialisten in der SPD (Jusos) von 1982-1988 und IUSY-Vizepräsident von 1987-89. Von 2000-2004 Landesvorsitzender der SPD Hamburg, von 2002 bis 2004 Generalsekretär der SPD, seit 2005 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.